Erbnachweis idR durch notarielles Testament möglich

    1. Der Erbe ist nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen; er hat auch die Möglichkeit, den Nachweis seines Erbrechts in anderer Form zu erbringen.

    2. Ein eröffnetes öffentliches Testament stellt in der Regel einen ausreichenden Nachweis für sein Erbrecht dar.

    BGH, Urteil vom 7. Juni 2005 - XI ZR 311/04

    (auch NJW 05, 2779)

    Das RG hielt im Jahr 1903 die Ansicht, ein Schuldner habe bis zur Vorlage eines Erbscheins ein Leistungsverweigerungsrecht, für rechtsirrig. Ein solches Recht des Schuldners sei aus der Bestimmung des § 2367 BGB "unmöglich zu folgern" und "nicht gewollt". Es würde "in vielen Fällen zu einer geradezu unerträglichen Belästigung der Erben, zu unnützen Kosten und Verzögerung der Nachlassregulierung führen".

    Der BGH hat die Auffassung des RG übernommen. Beim Nachweis der Rechtsnachfolge sei auch den berechtigten Interessen der Erben an einer möglichst raschen und kostengünstigen Abwicklung des Nachlasses Rechnung zu tragen. In der Regel müsse ein eröffnetes öffentliches Testament als ausreichenden Nachweis anerkannt, nur bei unklarer Rechtslage dürfe ein Erbschein verlangt werden werden.

    Lesenswert dazu der Aufsatz von Starke in NJW 05, 3184.

  • ... schöne Sache.

    Habe gleich einen Ausdruck für unsere Geschäftsstellen gefertigt zwecks Vervielfältigung und Ausgabe gegen 6,- € Kopierkosten an etwaige interessierte Erbberechtigte weitergegeben...

    Da werden sich die Banken wohl zukünftig zweimal überlegen, die Erbberchtigten zur Beantragung eines Erbscheins zwecks Kontoumschreibung zu drängen...:teufel:

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  • Was macht eigentlich die Bank, wenn ein (zur Vereinfachung des Sachverhalts) notarielles Testament mit einer Alleinerbeneinsetzung vorhanden ist und der Erblasser mehrere 100.000 € bei der Bank hatte. Jetzt kommt wenige Tage nach dem Erbfall der testamentarische AE und will das Geld haben. Die Bank zahlt (ohne Erbschein nach Vorlage der begl. Kopie des Test.+Eröffn. Prot.) an den AE aus.

    Später findet sich nun ein gegenteiliges neueres Test. z.B. in der Wohnung des Erblassers in welchem dieser eine andere Person als AE eingesetzt hat. Der "neue" AE verlangt nun Zahlung von der Bank. Diese muß dann nochmals an den neuen Erben leisten und kann sich nicht auf § 2366 BGB berufen.

    Die Bank bleibt evtl. auf einem Großteil der Rückforderung ggü. dem ersten "Erben" sitzen weil sich dieser z.B. auf Entreicherung beruft oder die spätere Zwangsvollstreckung erfolglos bleibt.

    Soll das Urteil also bedeuten, daß derjenige der Gewissheit in Sachen Gläubigerstellung haben möchte dann auch für die Kosten des Nachweises aufzukommen hat.

    Die Bank will idR. doch nur Sicherheit, daß Sie an den richtigen Erben befreiend leistet.

    M.E. sollte der, der einen Anspruch geltend macht, seine Gläubigerstellung so darlegen, daß der Schuldner der Forderung mit Sicherheit befreiend leisten kann. Die Kosten für diesen Gläubigernachweis muß m.E. der Gläubiger selbst bezahlen und kann Sie nicht vom Schuldner fordern. Anderenfalls könnte man ja sogar noch dazu übergehen die Kosten für die Eröffung des Testaments ebenfalls der Bank in Rechnung zu stellen......

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Aber der Widerruf eines notariellen Testamentes ist doch nur durch Rückgabe an den Erblasser möglich, was auf dem Testament zu vermerken ist (§ 2256 BGB), oder nich?

    In dem beschriebenen Fall hätte weiterhin des not. Testament Bestand.

  • § 2256 BGB regelt die besonderen Folgen der Rücknahme für ein notarielles Testament. § 2254 BGB gilt aber grundsätzlich.

    Zum Einwand von "TL": Nach dem BGH-Urteil wäre das nicht das Problem der Bank. Außerdem gibt es diese Problematik im Grundbuchbereich schon immer. Das Urteil stellt letztlich für den Nicht-Grundbuchbereich nur die gleichen Grundsätze auf.

  • Für den Nachweis beim Grundbuchamt genügt aber die Vorlage des notar. Testaments allein ja auch nicht. Nur zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll kann eindeutig nachgewiesen werden, ob die behauptete Erbeinsetzung auch die einzige war. Diesen Nachweis wird dann auch die Bank verlangen können.
    Der 2256 drückt nur eine Rechtsfolge aus: mit Rücknahme aus der amtl. Verwahrung gilt das Testament als widerrufen. Das heißt nicht, dass man nicht drei Testamente hinterlegen kann, die sich allesamt widersprechen. Das kommt gar nicht so selten vor.

  • ... im Grunde nützt m.E. auch das Eröffnungsprotokoll nicht wirklich... Wenn das Nachlassgericht einigermaßen zeitnah die Sterbefallmitteilungen bearbeitet, hat es von einem (anderen, neueren) Testament, das bei einem anderen Gericht hinterlegt ist, u.U. keinerlei Kenntnis und schickt das bei sich verwahrte notarielle Testament mit EP raus, ohne zu wissen, dass dies die Erbfolge nicht korrekt wiedergibt (ist mir selbst auch schon "passiert").

    M.E. stellt das notarielle Testament mit EP lediglich zusammen mit der e.V., dass es keine weiteren Testamente gibt, einen einigermaßen sicheren Erbnachweis dar und dies habe ich in HL-Sachen anstelle eines Erbscheins auch stets verlangt.

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  • Zitat von blue

    Für den Nachweis beim Grundbuchamt genügt aber die Vorlage des notar. Testaments allein ja auch nicht. Nur zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll kann eindeutig nachgewiesen werden, ob die behauptete Erbeinsetzung auch die einzige war.



    Das stimmt (leider) nicht. Es kommt öfter vor, dass ein Testament bereits durch das Gericht eröffnet wird, bei dem hinterlegt worden ist, und dann samt Eröffnungsprotokoll an das zuständige Nachlassgericht weitergeleitet wird.
    Mangels e.V. fällt die Sicherheit schon geringer aus als beim Erbschein.
    Der ist zwar auch keine Garantie für Richtigkeit (s. derzeit im Grundbuchrecht), führt aber sicher zur schuldbefreienden Leistung.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Eine 100%-ige Sicherheit gibt es leider nicht. Ob die Bank dem vermeintlichen Erben ggü. haftet, oder ob ein Grundstück später vom falschen Erben verkauft wird, ist für mich eher ein Problem der §§ 2018 ff. BGB. Eine Haftung wird doch erst dann begründet, wenn das Verhalten der Bank oder des GBA zumindest fahrlässig war.

    Eine andere Frage ist diejenige der Erfüllungswirkung. Hier wird die Rechtsprechung - spätestens nach dem BGH Urteil - dazu übergehen müssen, dem notariellen Testament mit Eröffnungsvermerk eine Art Gutglaubensschutz entsprechend der §§ 2366 ff. BGB zuzuerkennen.

  • Daß ein (not.) Testament durch (privatschr.) Testament widerrufen werden kann und es durchaus Fälle gibt, bei denen nach Eröffung eines Testaments noch weitere Verfügungen auftauchen, dürfte unstrittig sein.

    Ich habe den Sachverhalt ausdrücklich auf die Geldeinlage bei einer Bank und nicht eine Immobilie bezogen. Dort (im GB) gilt nämlich idR der Gutglaubensschutz des § 892 BGB der den Käufer einer Nachlassimmobilie vor einer Zurückübertragungsforderung bzw. Schadensersatz schützt.

    In dem von mir genannten Fall wäre m.E. sowohl die Bank zur nochmaligen Leistung an den "neuen" Erben verpflichtet (sie hat nicht befreiend geleistet und kann sich nicht auf einen Gutglaubenschutz im Sinne von § 2366 BGB berufen) als auch der "alte" Erbe zur Herausgabe nach § 2018 BGB an den "neuen" Erben.

    Probleme gibt es dann immer nur (meistens!!!), wenn nicht mehr das ganze Geld beim neuen Erben landet. Die Bank ist dann der Dumme (weil sie idR immer zahlen kann).

    Den Hinweis, daß der BGB durch seine Entscheidung auch eine Gesetzesänderung bzw. eine analoge Anwendung von §§ 2366/2367 BGB erforderlich macht, halte ich für gut. Die Zukunft der Rechtsprechung wird es zeigen.....

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  • ich halte die rechtsprechung des BGH für verfehlt, genauso wie ich immer schon § 35 GBO für streichenswürdig hielt.

    analoge anwendung von gutglaubensvorschriften dürfte mangels gleichartigkeit der sachverhalte nicht in betracht kommen. denn der erbschein ist ein amtliches zeugnis über das erbrecht, was erst nach abschluss eines formalen verfahrens und rechtlicher würdigung durch das gericht erteilt wird. ein not. testament ist nichts anderes als ein testament. einem testament allein kann aber kein guter glaube zukommen.

  • Jo, genau!


    So seh ich das auch....:daumenrau

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  • Zitat

    analoge anwendung von gutglaubensvorschriften dürfte mangels gleichartigkeit der sachverhalte nicht in betracht kommen. denn der erbschein ist ein amtliches zeugnis über das erbrecht, was erst nach abschluss eines formalen verfahrens und rechtlicher würdigung durch das gericht erteilt wird. ein not. testament ist nichts anderes als ein testament. einem testament allein kann aber kein guter glaube zukommen.


    Das sehe ich auch so, aber ohne einen wie auch immer gearteten Schutz der Banken in diesem Bereich geht es auch nicht. Irgendworauf müssen die sich ja auch verlassen. Das Ganze betrifft ja nicht nur Banken. Mietern und anderen Schuldnern geht es doch genauso. Sollen die im Zweifel alle zweimal zahlen, nur weil bei dem vermeindlichen (ersten) Erben nachher nichts mehr zu holen ist?

  • Zitat von Manfred

    Sollen die im Zweifel alle zweimal zahlen, nur weil bei dem vermeindlichen (ersten) Erben nachher nichts mehr zu holen ist?



    gegenfrage: soll der tatsächliche erbe leer ausgehen, nur weil jemand mit nem veralteten testament rumrennt?

    bei widerstreitenden interessen fällt immer einer hinten runter. das kann m. E. aber nicht der erbe sein. wer guten glauben will, braucht nen erbschein, dafür gibts das verfahren ja extra.

  • @oL

    Zitat

    gegenfrage: soll der tatsächliche erbe leer ausgehen, nur weil jemand mit nem veralteten testament rumrennt?


    Das nennt man dann wohl Entreicherung oder Pech gehabt. Irgendeinen trifft es doch immer. Du kannst doch den Schuldnern (Bank) nicht gerichtlich vorschreiben, dass die keinen Erbschein verlangen dürfen, um ihnen dann anschließend auch noch ein Haftungsrisiko reinzudrücken. Der Erbschein dient doch gerade dazu, ein solches Risiko auszuschließen.

  • Zitat von Manfred

    Du kannst doch den Schuldnern (Bank) nicht gerichtlich vorschreiben, dass die keinen Erbschein verlangen dürfen, um ihnen dann anschließend auch noch ein Haftungsrisiko reinzudrücken.



    wieso ich? beschwer dich beim BGH mit seiner verfehlten rechtsprechung.

  • @oL

    Ich teile doch Deine Meinung, was die Qualität der Entscheidung betrifft. Aber: Wir müssen jetzt damit leben und einen für alle Seiten akzeptablen Interessenausgleich finden.

    Wahrscheinlich werden die Banken in einem solchen Fall weiterhin auf einem Erbschein bestehen, getreu dem Motto: Was interessiert mich der BGH?

  • @Manfred : So einfach ist die Sachlage nicht. Aufgrund der BGH-Entscheidung haben die Banken in den Fällen ein Kostenrisiko, in denen nur aufgrund des Verlangens der Bank ein Erbschein beantragt werden muss, obwohl ein notarielles Testament vorliegt. Eine grüne "Beraterbank" löst das Problem, wie ich finde, recht gut, indem sie sich vom Nachlassgericht bestätigen lässt, dass dort nur das am ... eröffnete Testament vom ... (und kein weiteres Testament) vorliegt.

    Guten Rutsch allerseits...

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  • für mich stellt sich die rechtslage einfach dar:

    ein testament genießt von gesetzes wegen keinen guten/öffentlichen glauben. der BGH hat nichts anderes behauptet. also risiko bei demjenigen, der an den testamentserben leistet.

  • Der BGH hat aber entschieden, dass ein Erbschein zum Nachweis des Erbrechts nicht unbedingt erforderlich ist. Da es aber keine anderen Nachweise gibt, die eine Wertigkeit wie ein Erbschein haben, beinhaltet die Entscheidung letztlich auch, dass eine Leistung auf Grund der Vorlage eines ausreichenden anderen Nachweises mit befreiender Wirkung möglich ist. Sonst ergäbe sich ein unauflösbarer Widerspruch.

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