Prüfungsumfang Einwendungen vereinfachtes Unterhaltsverfahren

  • Ich habe ein vereinfachtes Unterhaltsverfahren, Antragstellerin vertreten durch JA als Beistand macht Unterhalt gegen die Mutter geltend.

    Der Antrag enthält alle erforderlichen Angaben, insbesondere die Angabe nach § 250 Abs. 1 Nr. 9 FamFG, dass die Antragstellerin nicht bei der Mutter lebt. Dementsprechend habe ich den Antrag auch mit den vorgesehenen Hinweisen an die Antragsgegnerin zugestellt.

    Nun hat eine Rechtsanwältin die Vertretung der Antragsgegnerin angezeigt und unter anderem bemängelt, dass die Antragstellerin durchaus bei der Mutter lebt. Die Antragsgegnerin und der Vater würden das Wechselmodell ausüben bzw. genauer gesagt sei die Antragstellerin einfach so viel bei der Antragsgegnerin, dass vom Wechselmodell auszugehen sei.
    Hierbei handelt es sich um eine Einwendung gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Unterhaltsverfahrens, welche auch möglich ist, § 252 Abs. 1 FamFG.

    Dies habe ich dem Beistand zur Stellungnahme, ggf. Antragsrücknahme, mitgeteilt, dieser hat daraufhin eine Schilderung des Vaters vorgelegt, in welcher dieser der Darstellung, dass ein Wechselmodell vorliege, widerspricht. Die Antragstellerin lebe bei ihm und halte sich dort auch den Großteil ihrer Zeit auf.

    Mein Problem nun:
    Nach § 252 Abs. 1 FamFG habe ich begründete Einwendungen gegen die Zulässigkeit zu beachten und den Antrag zurückzuweisen, bei unbegründete Einwendungen diese mit dem Festsetzungsbeschluss zurückzuweisen. Abgesehen davon, dass noch (definitiv beachtliche und richtig vorgebrachte) Einwendungen nach § 252 Abs. 2, 4 FamFG vorgebracht wurden, weshalb ich sowieso keinen Festsetzungsbeschluss erlassen kann, bin ich mir unschlüssig, was ich von der Einwendung gegen die Zulässigkeit halten soll.
    Die Vorträge beider Seiten widersprechen sich zwar ziemlich, aber auch nicht so, dass ich jetzt sagen könnte, welche Seite Recht hat, dementsprechend bin ich mir unschlüssig, ob die Einwendung begründet ist oder nicht. Einen formellen Beweis hierfür kann mir natürlich niemand erbringen.

    In den Kommentaren bin ich dann auf zwei Meinungen gestoßen.
    Zum einen wird argumentiert, dass eine Prüfung solcher Einwendungen den Rahmen eines vereinfachten Unterhaltsverfahrens sprengen würde und das vereinfachte Unterhaltsverfahren ja ein formalisiertes Verfahren für die schnelle Beschaffung eines Unterhaltstitels sein soll. Der Rechtspfleger soll darin nicht großartig streitige Rechtsfragen klären, dementsprechend wird auf § 254 FamFG verwiesen (also die Möglichkeit ins streitige Verfahren überzugehen). Ich finde zwar die Argumentation so grundsätzlich nachvollziehbar aber § 254 FamFG spricht ja ausdrücklich nur von Einwendungen nach § 252 Abs. 2-4 FamFG.

    Die andere Meinung ist, dass der Rechtspfleger voll in die Prüfung einsteigen darf/muss und sich aller Beweismittel inklusive mündlicher Verhandlung bedienen darf. Hierbei ist dann unter freier Beweiswürdigung zu entscheiden. Klingt auch erstmal nachvollziehbar, nur halt nicht mehr nach einem vereinfachten, formalisierten Verfahren... abgesehen davon hab ich keine Ahnung, ab wann das nun ein Wechselmodell ist oder nicht :D


    Wie seht ihr das denn? Vielleicht mache ich mir die Sache auch einfach zu kompliziert und übersehe was? :gruebel:

    Edit: bessere Grammatik eingebaut...

  • Das vV war vom Gesetzgeber immer als einfache und schnelle Möglichkeit, sich einen Titel zu beschaffen gedacht gewesen. In dem Verfahren sollten tiefergehende Prüfungen und vor allem Beweiserhebungen daher meiner Meinung nach nicht stattfinden. Das vV ist quasi ein Mahnverfahren für Unterhalt.

    Richtig ist aber, dass bloße Behauptungen wohl nicht ausreichen, das Verfahren unzulässig werden zu lassen. Sie müssen schon ein Stück weit stichhaltig sein - aber nicht bewiesen werden.

    Wenn Dir der Vortrag der Gegnerin hier stichhaltig erscheint, wäre meines Erachtens der Antrag zurückzuweisen.

    Wenn er Dir (noch nicht) stichhaltig vorkommt, fordere doch konkretere Angaben:
    An welchen Tagen hielt sich das Kind in den letzten 3 Monaten bei der Mutter auf? Wer hat das Kind geholt oder gebracht? Gibt es Personen, die den Aufenthalt des Kindes an diesen Tagen bestätigen könnten? Usw.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Das Kind wird nicht durch den Vater vertreten, sondern vom Jugendamt als Beistand. Die Vertretung hat die Rechtsanwältin auch schon beanstandet, allerdings gibt es hierzu schon Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschluss vom 19.10.2014 - XII ZB 250/14), dass dies kein Problem darstellt.

    Das Kind ist 14, kann also definitiv (sinnvolles) beitragen.

    Nachdem was Ulf geschrieben hat, habe ich mir auch den Vortrag der Antragsgegnerin nochmal genau angeschaut, diese trägt genau genommen vor, dass das Kind gleichermaßen beim Vater, ihrem Freund und der Mutter wohnt. Antragsvoraussetzung ist aber ja nur, dass der gewöhnliche Aufenthalt nicht bei der Antragsgegnerin liegt, insofern erscheint mir der Vortrag der Antragsgegnerin tatsächlich gar nicht mal so stichhaltig.

    Nachdem das ganze hier eh sehr wahrscheinilich auf ein streitiges Verfahren (zulässige Einwendungen nach 252 Abs. 2 sind erhoben) hinausläuft und die Ausführung des Vaters zum Aufenthalt glaubwürdig sind, werde ich den Antrag als zulässig einstufen.

  • Das Kind wird nicht durch den Vater vertreten, sondern vom Jugendamt als Beistand. Die Vertretung hat die Rechtsanwältin auch schon beanstandet, allerdings gibt es hierzu schon Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschluss vom 19.10.2014 - XII ZB 250/14), dass dies kein Problem darstellt.

    Eben, die Beistandschaft kann ja auch nur von dem Elternteil beantragt werden, in dessen Obhut sich das Kind überwiegend befindet. In der zitierten BGH-Entscheidung geht es wohl in erster Linie um die Konstellation des § 1629 Abs. 3 BGB, also die Prozesstandschaft.
    Es wäre doch demnach so, dass bereits die Beistandschaft zu beanstanden wäre, wenn sich das Kind nicht überwiegend in der Obhut nur eines Elternteils befindet, genau wie eben der Fall, wenn dieser Elternteil ohne Beistand den Unterhalt als gesetzlicher Vertreter des Kindes geltend machen würde. Es kann ja auch gar nicht anders sein, man kann ja nicht über den Umweg einer Beistandschaft das Erfordernis des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB umgehen ...

  • Ah, Entschuldigung, da hatte ich dich missverstanden. Ich war direkt auf § 1629 Abs. 3 BGB gesprungen, weil dies von der Rechtsanwältin beanstandet worden war.

    Zur Vervollständigung des Sachverhalts (kam mir für die ursprüngliche Frage nicht relevant vor, weshalb nicht ausgeführt):
    Die Eltern sind noch miteinander verheiratet, leben getrennt und haben gemeinschaftliche elterliche Sorge.

    Dein Einwand, dass hier vielleicht gar keine wirksame Beistandschaft vorliegt, wenn das Kind nicht beim Vater wohnt, hatte ich so noch gar nicht bedacht (und die Rechtsanwältin der Mutter auch nicht :D). Aber stimmt, dann würde ihm ja nach § 1713 BGB die Antragsberechtigung für die Beistandschaft fehlen; insofern sehr guter Einwand und vielen Dank für den Hinweis!

    Womit ich aber wieder beim ursprünglichen Problem bin: wie weit geht der Prüfungsumfang meinerseits? Nach Vortrag des Vaters hat die Tochter ihren Aufenthalt sehr wohl bei ihm. In seinem Schreiben stellt er dar, dass das Kind nach Vereinbarung der Eltern freie Auswahl hat, aber unter der Woche dauerhaft bei ihm lebt und höchstens am Wochenende bei der Mutter ist. Bei ihrem Freund dürfte sie insbesondere während der Schulzeiten nur selten übernachten.
    Insgesamt halte ich auch die Aussagen des Vaters für überzeugender. In Rahmen einer freien Beweiswürdigung würde ich das halt so bewerten und dann sollen sie sich notfalls in einem normalen Unterhaltsverfahren die Köpfe einschlagen. Bekommt halt die Antragsgegnerin von mir noch ausdrücklich einen Hinweis, dass auch sie nach § 255 Abs. 1 FamFG den Antrag auf ein streitiges Verfahren stellen kann, wenn sie es unbedingt ausdiskutieren will.

  • Wie, wolltest du nicht dann in vollem Umfang festsetzen? Dagegen müsste die Antragsgegnerin ja erst mal Rechtsmittel einlegen, und ab dann zum OLG. Das streitige Verfahren kommt doch nur in Betracht, wenn Einwendungen durch die Antragsgegnerin erhoben wurden, die nicht zurückzuweisen waren, sodass man den beantragten Unterhalt gar nicht oder nur zum Teil festgesetzt hat, §§ 255 Abs. 1, 254 FamFG.

  • Einwendungen zum Aufenthalt sind im streit. Verfahren zu klären, der Einwand muss aber konkret vorgetragen werden, also wann, wie genau der Aufenthalt bei der An-geg. im Haushalt war.

    Das : "Nun hat eine Rechtsanwältin die Vertretung der Antragsgegnerin angezeigt und unter anderem bemängelt, dass die Antragstellerin durchaus bei der Mutter lebt. Die Antragsgegnerin und der Vater würden das Wechselmodell ausüben bzw. genauer gesagt sei die Antragstellerin einfach so viel bei der Antragsgegnerin, dass vom Wechselmodell auszugehen sei... " ist "nichts", vgl. OLG DD,
    20 WF 628/19; OLG BB, 9 WF 114/20.

    Die übrigen Einwendungen sind unprobl.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Zitat

    An den Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gemäß den §§ 249 ff. FamFG wird es auch fehlen, wenn die Eltern darüber streiten, ob sich aus ihrer Verteilung der Betreuungszeiten für die gemeinsamen Kinder ein paritätisches Wechselmodell ergibt oder nicht; denn ein solcher Streit ist im vereinfachten Verfahren nicht aufzuklären.

    Das entnehme ich dem Beschluss des OLG Dresden(20 WF 628/19). Das wäre für meinen Fall ja eher zutreffend. Nach dem Vortrag der Mutter ist das Kind 1/3 Vater, 1/3 Mutter, 1/3 Freund. Damit wäre der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

    In den zitierten Beschlüssen geht ja sonst eher um den Fall, dass ein Elternteil eindeutig höhere Betreuungszeiten hat; dies wird hier aber gerade bestritten.

  • ? Die KM ist Antragsgegner! Ob deren Einwand begründet ist, ist im streitigen Verf. zu klären, siehe OLG s a.a.O.. Zurückzuweisen wäre nur, wenn nach dem Vortrag des An-st. (oder unstreitigen Vortrag) Wechselmodell vorliegt. Wie mit dem gelegentlichen Aufenthalt bei Dritten, dem Freund umgegangen wird, ist nochmal probl.

    "... wenn die Eltern darüber streiten, ob sich aus ihrer Verteilung der Betreuungszeiten für die gemeinsamen Kinder ein paritätisches Wechselmodell ergibt oder nicht; denn ein solcher Streit ist im vereinfachten Verfahren nicht aufzuklären. ..."

    ... Nach Vortrag des Vaters hat die Tochter ihren Aufenthalt sehr wohl bei ihm. In seinem Schreiben stellt er dar, dass das Kind nach Vereinbarung der Eltern freie Auswahl hat, aber unter der Woche dauerhaft bei ihm lebt und höchstens am Wochenende bei der Mutter ist....

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Die Lit. geht aktuell tatsächlich davon aus, dass der Antrag unter Kostenlast ! zurückzuweisen ist. Kann mich nicht überzeugen, da ja die Begründetheit gerade nicht geprüft wird und keine Beweiserhebung stattfindet. Es gibt keinen Grund, dem Kind die Möglichkeit zu verweigern, im streitigen Verfahren den Antrag weiter zu verfolgen, vgl. OLG Stuttgart, 18 WF 59/03, schon zum alten Recht.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • ? Die KM ist Antragsgegner! Ob deren Einwand begründet ist, ist im streitigen Verf. zu klären, siehe OLG s a.a.O.. Zurückzuweisen wäre nur, wenn nach dem Vortrag des An-st. (oder unstreitigen Vortrag) Wechselmodell vorliegt. ...

    Die betreffende Entscheidung des OLG Dresden kann man m. E. aber auch anders verstehen.

    In das streitige Unterhaltsverfahren kommt man über § 254 FamFG nur, wenn die Festsetzung im vereinfachten Verfahren gerade nicht erfolgt. Wurde diese vorgenommen, landet man auf Beschwerde des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren.

    Zitat

    An den Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gemäß den §§ 249 ff. FamFG wird es auch fehlen, wenn die Eltern darüber streiten, ob sich aus ihrer Verteilung der Betreuungszeiten für die gemeinsamen Kinder ein paritätisches Wechselmodell ergibt oder nicht; denn ein solcher Streit ist im vereinfachten Verfahren nicht aufzuklären. Im vorliegenden Fall ist aber unstreitig, dass kein Wechselmodell in diesem Sinne vorliegt.
    (OLG Dresden, Beschluss vom 30. August 2019 – 20 WF 628/19 –, Rn. 5, juris)

    Auch der Entscheidung des OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. Januar 2020 – 5 WF 199/19 –, Rn. 6, juris kann man im Umkehrschluss entnehmen, dass bei Behauptung und entsprechendem Vortrag des Antragsgegners zum (annähernd gleichen) Betreuungsumfang die Festsetzung im vereinfachten Verfahren wohl abzulehnen gewesen wäre.

    Zitat

    Der Antragsgegner behauptet jedoch nicht, dass er den Antragsteller und die beiden weiteren Kinder zu gleichen Teilen wie die Mutter betreut, sondern führt aus, dass er die Betreuung der Kinder zu 40 % übernehme. Der Antragsgegner trägt demnach selbst nicht vor, dass er die Kinder zu gleichen Teilen betreut.

    Jedenfalls ist eine Aufklärung oder gar Beweiserhebung im vereinfachten Verfahren sicher nicht das, was der Gesetzgeber sich vorgestellt hat.

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