VV 3201: kein Kostenanspruch des Anwalts in 2. Instanz

  • Hallo,

    ich habe eine ganze Reihe von Fällen, wo mich die Suche in JURIS auch nicht weiterbringt.
    Die Beklagte stellt gegen ein erstinstanzliches Asylurteil Antrag auf Zulassung der Berufung und begründet den Antrag auch gleich umfassend.
    Das OVG stellt den Antrag an den bisherigen erstinstanzlichen Klägerbevollmächtigten zu mit der Möglichkeit zur etwaigen Stellungnahme. Eine Äußerung klägerseits erfolgt nicht. Das OVG hatte den Kläger auch zu keinen weiteren Äußerungen aufgefordert, die OVG-Akte enthält auch keinerlei Schriftsätze der Klagepartei.
    Sodann lehnt das OVG den Zulassungsantrag ab.


    Die Klägerseite will nun ein nach VV 3201.
    Die Beklagte ist der Auffassung, dass gar keine Gebühr entstanden ist, da sämtliche Tätigkeiten des Anwalts noch zum erstinstanzlichen Rechtszug gehören würden.

    In Juris finde ich OVG-Entscheidungen, die das auch bekräftigen. Allerdings war in allen Fällen der Zulassungsantrag ohne Begründung (fristwahrend) eingegangen, so dass die Juris-Entscheidungen argumentieren, der Kläger hätte noch keinen Anwalt beauftragen müssen, solange keine Begründung vorliegt. Ein schon in erster Instanz beauftragter Anwalt müsse in solchen Fällen außer dem Weiterleiten des Zulassungsantrags und des dann ablehnenden Beschlusses zur Sache nichts weiter beitragen, weshalb er sich keine Gebühr nach 3201 verdiene.


    In meinen Fällen wurden die Zulassungsanträge aber sofort schon umfassend begründet.

    Wie seht ihr das? Würdet ihr die Gebühr alleine schon wegen § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG zugestehen?

  • Ich denke, man muss sich zunächst bewusst machen, dass das Verfahren über die Zulassung der Berufung und das erstinstanzliche Verfahren unterschiedliche gebührenrechtliche Angelegenheiten bilden.

    Das Verfahren über die Zulassung der Berufung bildet eine einheitliche Angelegenheit mit sich etwaig anschließenden Berufungsverfahren (§16 Nr. 11 RVG)

    Für das Zulasungsverfahren entstehen bereits die Gebühren nach VV RVG 3200, 3201

    Ich meine, der Berufungsbeklagte darf unmittelbar nach Eingang der Berufungsschrift einen Rechtsanwalt mit der Prozessführung im Berufungsverfahren beauftragen und dass dies auch dann zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist, wenn die Berufung (bspw. gem. entspr. gerichtlichem Hinweis!) keine Aussicht auf Erfolg hat oder nicht begründet wurde- dieser Grundsatz gilt m.E. auch für das Verfahren über die Zulassung des Rechtsmittels

    Nach §91 II ZPO ist grds. davon auszugehen, dass die Kosten des Rechtsanwalts in allen Prozessen zu erstatten sind.

    Ich meine, dass der Beteiligte ein gerechtfertigtes Bedürfnis hat, in seinem Interesse (also eben nicht neutral) durch einen Rechtsanwalt qualifiziert vertreten zu werden- von der Partei selbst wird nicht erwartet zu wissen, wann (und wie) sie bspw. aktiv agieren muss und wann nicht.

    Ich halte daher die 1,1 Verfahrensgebühr nach 3201 VV RVG in aller Regel für erstattungsfähig- auch in deinem Fall.

    Etwas schwierig kann es dann werden, wenn der Rechtsanwalt trotz nicht begründeter Berufung/Zulassungsantrag oder gerichtlichem Hinweis über die (geringen) Erfolgsaussichten tätig wird- bspw. die Zurückweisung der Berufung/des Zulassungsantrags beantragt.

    Dann entsteht zwar eine volle 1,6 Verfahrensgebühr, sie ist jedoch nicht erstattungsfähig, da das anwaltliche Auftreten im Verfahren gem. §91 ZPO nicht erforderlich war- erstattungsfähig ist dann lediglich das entsprechende Minus- also die 1,1 Verfahrensgebühr

    In deinem Fall war der Zulassungsantrag sogar begründet und wurde zur Stellungnahme heraugegeben; ich meine es wäre sogar eine 1,6 Verfahrensgebühr erstattungsfähig- wenn sie denn angefallen wäre (was hier nicht geschehen ist, weil der RA keine Stellung genommen hat)

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Danke für deine Einschätzung.
    Ich tendiere auch dazu, die 1,1-fache Gebühr zuzugestehen. Denn der Knackpunkt ist (wie du es schon sagst), dass man von der Partei nicht erwarten kann, dass sie davon Kenntnis hat, wann und wie sie agieren kann/soll/darf und wann sie das bleiben lassen muss.

    Ich werde das mal mit dem zuständigen Richter besprechen, denn eine der Seiten wird gegen meinen Beschluss vorgehen - egal, für wen ich entscheide.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!