Einwilligungsvorbehalt - Bestellung unter falschem Namen

  • Hallo zusammen,

    mein Betreuer hat ein kniffeliges Problem. Für die Betroffene wurde ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, da sie zwanghaft Einkäufe tätigt. In der Vergangenheit waren das eher kleinere Anschaffungen, die hier weniger problematisch waren. Nun wurde allerdings durch die Betroffene eine sehr viel größere (und auch sehr viel kostenintensivere) Anschaffung getätigt. Der Artikel sei nun auch schon aufgebaut. Die Rückgabefrist sei bereits verstrichen, da die Betroffene den Kauf erst später gegenüber dem Betreuer einräumte.

    Hierbei gab die Betroffene zu, den Kauf unter falschem Namen abgeschlossen zu haben und dies auch mit vollem Wissen und Wollen geschah.

    Welche Möglichkeiten hätte der Betreuer in dem speziellen Fall bzgl. Rückabwicklung und auch künftig, damit sich solches Verhalten nicht wiederholt? Schließlich wäre eine gewisse kriminelle Energie hierbei nicht völlig auszuschließen.

    Vielen Dank schonmal im Voraus. :)

  • Einwilligungsvorbehalt ist Einwilligungsvorbehalt, egal unter welchem Namen der Betreute auftritt. Daher ist der Kaufvertrag schwebend unwirksam und die Frage nach einer Widerrufsfrist stellt sich nicht.


    Kniffliger ist das praktische Vorgehen in deinem Fall. Wenn man den Einwilligungsvorbehalt geltend macht, dürfte man den Betreuten strafrechtlichen Ermittlungen aussetzen, Betrug erscheint hier nicht fernliegend. Ich halte zudem auch deliktische Schadensersatzansprüche für denkbar. Daher mag es sein, dass die Durchsetzung des Einwilligungsvorbehalts mehr schadet als nützt. Auf der anderen Seite gilt es zu Bedenken, dass es einen eventuell problematischen Präzedenzfall schafft, wenn der Betreute merkt, dass er mit der Nummer durchkommt

  • Wenn man den Einwilligungsvorbehalt geltend macht, dürfte man den Betreuten strafrechtlichen Ermittlungen aussetzen, Betrug erscheint hier nicht fernliegend.

    Das ist nicht knifflig, es ist geltendes Recht!

    EV gibt es nur bei Geschäftsfähigen und wenn diese sich Strafbar verhalten, dann habe ich als Betreuer die Strafermittlung nicht zu behindern!

    Jetzt haben wir genau das Problem mal leibhaftig, dass der Rechtliche Betreuer eben nicht der Sozialpädagoge ist, sondern lediglich Rechtlicher Betreuer mit einem notfalls Vertretungsrecht!

    Aus den Konsequenzen lernen, ist nach wie vor der beste Pädagogische Ansatz der Menschheit. Wenn man sich einmal die Finger am offenen Feuer verbrannt hat, weiß man eigentlich, dass das offene Feuer auch meine ganze Hütte niederbrennen kann. Galt in der Urgesellschaft wie heute.

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    “Das tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut.” Marc-Uwe Kling, Die Känguru Chroniken
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    "Aufs Beste hoffen, fürs Schlimmste planen" Jack Reacher

  • Es ist Abwägungssache....

    Auf der einen Seite gibt es die von dir vorgebrachten Argumente, denen ich einiges abgewinnen kann (sieh mein Abschlusssatz im letzten Post).

    Auf der anderen Seite haben wir das drohende Strafverfahren mit einer Geldstrafe, die der Betreute nicht bezahlen kann, die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche, die man wahrscheinlich auch nicht zahlen kann und das gegebenenfalls gestörte Betreuungsverhältnis.

    Wenn man die Angelegenheit im Gespräch mit dem Betreuten aufarbeiten kann und der finanzielle Schaden einer Genehmigung vertretbar ist, wäre es zumindest eine Überlegung wert, das im guten zu regeln.

    Zumindest in meinem Zuständigkeitsbereich habe ich übrigens auch schon "klarstellende" EVs bei Geschäftsunfähigen gesehen, damit der Betreuer nicht mit angeblichen lichten Momenten des Betreuten herumgehen muss.

  • Vielen Dank für die Denkansätze.

    Dem Betreuer wurde angeraten, nach Möglichkeit den Kauf des Artikels (Laufband) dennoch rückabzuwickeln (auch wenn es ggf. Kosten verursachen würde), sofern das möglich ist. Es wäre auch für die Betroffene bedeutsam zu erfahren, dass ihr Verhalten nicht noch belohnt würde. Sie soll ja nicht noch weiteren Nutzen aus der Sache ziehen können.

    Habe diesbezüglich auch nochmal Rücksprache mit einem unserer Richter (Betr und Staf) gehalten, der dies auch nochmal bestätigte.

    Es wurde empfohlen klar anzusprechen, dass bei erneutem Fehlverhalten und Einkäufen unter falschem Namen der Betreuer einer Anzeigenerstattung d.d. Geschädigten nicht im Wege stehen würde. Durch das dann erschütterte Vertrauensverhältnis wäre ggf. sogar die Aufhebung der Betreuung zu erwägen. Dies wäre zumindest der Betroffenen aufzuzeigen.

  • Vorlage der Akte an die Staatsanwaltschaft? Man hat doch Kenntnis von einer Straftat.

    Ja, eine Möglichkeit. Ich staune auch, dass hier bei Betroffenen alles verharmlost wird.

    Das ist jetzt zwar makaber, aber es hat parallelen mit den Straftaten der armen, traumatisierten Migranten seit 2015. Wir brauchen nicht unbedingt härtere Strafen, sondern einfach nur eine konsequente Anwendung des geltenden Rechts!


    Eher würde ich hier aber den geschädigten Verkäufer auf seine zivil- und strafrechtlichen Möglichkeiten hinweisen.

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  • Zumal es ja auch noch naheliegt, dass, wenn man geschäftsunfähig ist, sich das auch delikts- und haftungsrechtlich auswirken könnte. Aber das prüfen eben die Strafverfolgungsbehörden bzw. Zivilgerichte und nicht der Betreuer und auch nicht das Betreuungsgericht.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Aber das prüfen eben die Strafverfolgungsbehörden bzw. Zivilgerichte und nicht der Betreuer und auch nicht das Betreuungsgericht.

    So sehe ich das auch- Das Betreuungsgericht ist keine Strafverfolgungsbehörde und sollte sich dringend zurückhalten, diese Rolle auch nur ansatzweise einzunehmen.


    Weder das Betreuungsverfahren, noch das Betreuungsgericht, noch der (Berufs-?)Betreuer haben den Zweck den Betroffenen zu erziehen.

    Weder das Betreuungsverfahren, noch das Betreuungsgericht, noch der (Berufs-?)Betreuer haben den Zweck für eine Verfolgung möglicher Straftaten Sorge zu tragen.

    Beides konterkariert das Betreuungsrecht und das Betreuungsverfahren in seiner Grundkonzeption!


    Das hat auch nichts mit Verharmlosung zu tun- es ist einfach nicht unsere Daseinsberechtigung oder Aufgabe.

    Und nein der Vergleich mit "armen traumatisierten Migranten seit 2015" ist nicht makaber (wiso auch?) sondern einfach neben der Sache.


    Ganz abgesehen davon, dass die hier durchschimmernde Anschauung des rechtstaatlichen Umgangs mit diesem Klientel zum Einen die Realität nicht zutreffend beschreibt und zum Anderen ein deprimierend geringes Vertrauen in die Institution des Strafverfahrens an sich offenbart, denke ich, dass eine solche persönliche Empörung einfach unprofessionell ist.


    Ich meine, die Ansätze in #4 und #5 sind der Sache angemessen!

    Selbstverständlich meine ich nicht, jegliche Straftat völlig zu ignorieren. Wird mir von einer erheblichen Straftat berichtet, dann würde ich selbstverständlich darauf dringen, die Strafverfolgungsbehörden zu involvieren. Wird mir berichtet, dass der Betreuer jemanden getötet, vergewaltigt, erheblich verletzt, bandenmäßig beraubt hat, einen Angriffskrieg vorbereitet (nur halbspaßig angesichts unserem guten Prinz Reuß) würde ich natürlich aktiv werden; bspw. durch Rücksprache mit Richter/Verwaltung

    regelmäßig aber nicht, wenn mir berichtet wird, dass der Betroffene gestohlen hat, dass er jemanden betrogen hat o.Ä.

    Und ja natürlich gibt es da Grenzbereiche! Das müssen wir aushalten und am Einzelfall orientiert verarbeiten.

    Zum Schluss ein bisschen Substanz in die Sache: BayObLG, Beschluss v. 06.08.2020 – 1 VA 33/20

    Hier behandelt: das Akteneinsichtsgesuch der STA in die Betreuungsakte; (ich gehe davon aus, dass sich ähnliche Bestimmungen auch in den anderen Ländern finden werden!) das ist schon keine ganz triviale Sache, auf ein Ersuchen der STA hin die Akte herauszugeben- und dann sollen wir von Amts wegen die Akte an die STA schicken? Da muss ich nicht besonders lange drüber nachdenken, um für die vorliegende Konstellation die Lösung zu finden.

    Ganz praktisch natürlich auch: sollen sich Betreuer künftig im Interesse der Betroffenen überlegen müssen, worüber sie Bericht erstatten sollen?

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Ich sehe als korrektes Verhalten des Betreuers die Offenbarung des EV und die Verweigerung der Genehmigung des Kaufvertrags. Wobei das natürlich nur gilt, wenn die Betreute nicht in der Lage ist, die Ware zu bezahlen.

    Unter dieser Prämisse ist es doch dann Sache des Geschäftspartners, die Sache zurück zu verlangen (wobei manchmal wegen des Aufwandes ja sogar darauf verzichtet - und gottseidank, der Betreute aus der Kundenkartei gestrichen und der Schufa gemeldet wird.

    Eine Betrugsanzeige seitens des Geschäftspartners ist natürlich nicht ausgeschlossen, aber meist wird dem das eh zuviel sein (Zeugenaussage usw). Aber solche indirekten Folgen sind ja auch nicht die Folge des Betreuerhandelns, sondern des Handelns des Betreuten. Der Betreuer kann diesen nicht vor Straftaten bewahren.

    Für eine betreuer- oder betreuungsgerichtsweise Einschaltung der Staatsanwaltschaft sehe ich überhaupt keinen Raum. Wir sind doch nicht bei § 138 StGB. Was die Bemerkungen zu Asylbewerbern sollten, ist mir auch schleierhaft.

  • Ich sehe als korrektes Verhalten des Betreuers die Offenbarung des EV und die Verweigerung der Genehmigung des Kaufvertrags. Wobei das natürlich nur gilt, wenn die Betreute nicht in der Lage ist, die Ware zu bezahlen.

    Den zweiten Satz verstehe ich nicht so recht.

    Der EV soll doch geschäftsfähige Betreute vor unnützen Vertragsabschlüssen allgemein schützen. Weshalb soll es bei der Entscheidung des Betreuers bezüglich Genehmigung des Kaufvertrages dann dabei darauf ankommen, ob d. Betroffene in der Lage ist, die Ware zu bezahlen?

  • Ganz abgesehen davon, dass die hier durchschimmernde Anschauung des rechtstaatlichen Umgangs mit diesem Klientel zum Einen die Realität nicht zutreffend beschreibt und zum Anderen ein deprimierend geringes Vertrauen in die Institution des Strafverfahrens an sich offenbart, denke ich, dass eine solche persönliche Empörung einfach unprofessionell ist.

    Ich bin in keinster Weise deprimiert, aber ja unsere Justiz unterliegt einer steigenden Respektlosigkeit, welche die Polizei in unserem Staat schon überrannt hat. Ja, die zunehmende Respektlosigkeit gegenüber der Justiz macht mir Angst, weil, dann folgt Anarchie!

    Ist es nicht traurig, dass sich die Gerichte, welche durch die Wachtmeisterei einen eigenen Vollzugsdienst hat, sich nunmehr, Corona Pandemie ist vorbei, immer noch eines Wachschutzes bedient, um den Bürger außen vor zu halten?

    Aber hier geht es nicht um Politik, sondern um die Gleichbehandlung der Bürger, welche unter Rechtlicher Betreuung stehen und denen die diesen Schutz nicht haben. Im Kern geht es mir darum, dass es nicht meine Aufgabe als Rechtlicher Betreuer ist, die Betroffenen vor Strafverfolgung und zivilrechtlicher Regression zu schützen, indem ich einfach nur den Betroffenen „hinterherräume“!

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  • Du hast mich ein wenig missverstanden glaube ich: Ich wollte nicht andeuten, dass du deprimiert bis, sondern zum Ausdruck bringen, dass ich es bin- auf Grund deines geringen Vertrauens in die Institution des Strafverfahrens an sich;

    Ich möchte dich dringend bitten, deine Anschauung der sozialen Realitäten und tatsächlichen Gegebenheiten einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

    Ich kann nicht erkennen, dass die Polizei in irgendeiner Weise "überrannt" wurde.

    Was die zunehmende (?) "Respektlosigkeit" anbelangt: Ich bin der Überzeugung, dass Respekt verdient sein muss und dass es niemals ausschließlich das Defizit der "Respektschuldigen(?)" Stelle ist, wenn der Respekt ausbleibt.

    Das ist der Obrigkeitsstaat, den wir (gottlob!) in weiten Teilen überwunden haben. Ich für meinen Teil wünsche ihn mir nicht zurück.

    Doch ich finde es traurig- aber aus einer anderen Perspektive: Ich finde es traurig, dass wir als Justiz -insbesondere wir als Amtsgerichte- uns in den letzten 15 Jahren fortschreitend von der Öffentlichkeit und den Bürgern - für die wir da sind und da sein sollen - abschirmen und abschotten.

    Aber das ist eine ganz andere Diskussion und hat mit der hier diskutierten Frage wenig zu tun.

    Unabhängig davon ist es zusätzlich eine ganz eigene Frage, welche Rolle die Wachtmeisterei einzunehmen hat und welche Aufgaben man an (günstigere (und darum geht es dabei)) externe Dienstleister übertragen kann/will.


    Zur Sache und deinem letzten Absatz: du verkehrst hier die Dinge: Niemand hat hier ausgesprochen oder irgendwie in die Welt gesetzt, dass der Betroffene besonders geschützt wird, indem die mögliche Straftat des Betroffenen in besonderer Weise verhehlt werden, die Strafverfolgung aktiv hintertrieben werden soll oder ähnliches; es geht darum ob wir anders herum den Betroffenen auf Grund seines Betreuungsverfahrens und der Berichterstattung gegenüber der Aufsicht des Betreuers in besonderer Weise (also über das hinaus, was einen Nichtbetreuten (der der Maßstab sein sollte!) betreffen würde) aktiv der Strafverfolgung aussetzen sollten.

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


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    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Bei der Antragsaufnahme in Zivil- und Familiensachen bekommen wir auch gelegentlich Kenntnis von möglichen Straftaten. Da wende ich mich ebenfalls nicht sofort an die StA. Und so sollte es im Betreuungsverfahren auch sein. Wenn der Geschädigte Anzeige erstattet, bitte. Wenn nicht, warum dann wir?

    Ja, die zunehmende Respektlosigkeit gegenüber der Justiz macht mir Angst, weil, dann folgt Anarchie!

    Ich vermute, du meinst Anomie.

  • Tue mir allein mit dem Handy gerade etwas schwer. Meine aber, dass es eine Entscheidung zum Sozialbetrug gibt, den der Betreute begeht und den der Betreuer duldet. Führte zur zivilrechtlichen (Par. 832 BGB) und strafrechtlichen Verantwortung. Ähnlich -> OLG Celle, Urt. v. 21.11.2007, 32 Ss 99/07

  • Den Wachschutz (wohl eher Sicherheitsdienst), gibt es zumindest in Hessen mindestens seit Mitte der 1990er Jahre und hat überhaupt nichts mit Corona zu tun. Das dient auch nicht dazu, den Bürger fern zu halten sondern ausschließlich dazu, Schießereien uä Gewalttaten im Gericht zu verhindern. Denn genau das (ich meine Schüsse eines Polizisten in seinem Scheidungstermin) war der seinerzeitige Auslöser.

    Aluhutträger mögen das anders sehen. Irgendeine Verschwörung des Deepstate wird es schon geben...

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