Zusammenrechnung Arbeitseinkommen mit Bürgergeld

  • Mal ne ganz simple Frage: Gibt es irgendeine Möglichkeit, formal korrekt bei einer Lohnpfändung die Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen mit Bürgergeld der Bedarfsgemeinschaft vorzunehmen ?

    Ich habe hier eine etwas seltsame Pfändungsberechnung, bei der sich der ermittelte pfändbare Betrag nur so erklären ließe, jedoch leider noch keine Unterlagen.

    Frage 1: Mit Hinweis auf § 42 Abs. 4 SGB II müsste eine Aufhebung eines solchen Zusammenrechnungsbeschlusses doch zwingend erfolgen ? Ansonsten war das Ganze vor vielen Jahren auch schon mal durch den BGH geklärt, oder ? IX ZB 263/11 ? Also einfach sofortige Beschwerde ?

    Frage 2: Falls der PfÜb die Zusammenrechnung beinhaltet und dort der Hinweis, dass pfändbarer Betrag beim Arbeitgeber abzuführen ist und Arbeitgeber bei Jobcenter die Höhe des Bürgergeld-Bezuges erfragen muss, um die Zusammenrechnung vorzunehmen, dann muss der Arbeitgeber dies tun und darf nicht eigenmächtig die Unpfändbarkeit des Bürgergeldes einwenden ? Auch nicht, wenn aus dem Bescheid des Jobcenters ersichtlich, dass für insgesamt 4 Personen Bürgergeld bezogen wird und dieses auch nicht an den Arbeitnehmer/Schuldner ausgezahlt wird ?

  • Frage 1: Mit Hinweis auf § 42 Abs. 4 SGB II müsste eine Aufhebung eines solchen Zusammenrechnungsbeschlusses doch zwingend erfolgen ? Ansonsten war das Ganze vor vielen Jahren auch schon mal durch den BGH geklärt, oder ? IX ZB 263/11 ? Also einfach sofortige Beschwerde ?

    M.E. sofortige Beschwerde bei nachträglicher Zusammenrechnung und Erinnerung, wenn die Zusammenrechnung im Pfüb direkt erfolgt ist.

    Frage 2: Falls der PfÜb die Zusammenrechnung beinhaltet und dort der Hinweis, dass pfändbarer Betrag beim Arbeitgeber abzuführen ist und Arbeitgeber bei Jobcenter die Höhe des Bürgergeld-Bezuges erfragen muss, um die Zusammenrechnung vorzunehmen, dann muss der Arbeitgeber dies tun und darf nicht eigenmächtig die Unpfändbarkeit des Bürgergeldes einwenden ? Auch nicht, wenn aus dem Bescheid des Jobcenters ersichtlich, dass für insgesamt 4 Personen Bürgergeld bezogen wird und dieses auch nicht an den Arbeitnehmer/Schuldner ausgezahlt wird ?

    Das ist ehrlicherweise eine Problematik, zu der sich das Vollstreckungsgericht in Form des Rechtspflegers m.E. keine Gedanken machen muss. Dem Grunde nach dürfte deine Annahme jedoch vermutlich zutreffend sein.

  • Richtig, die Zusammenrechnung setzt voraus, dass die betoffenen Sozialleistungen pfändbar sind (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 21. Auflage 2024, § 850e, Rn. 13; Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 850e, Rn. 34).

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  • Wenn ein Gläubiger Zusammenrechnung Arbeitseinkommen mit Bürgergeld nach § 850e beantragt, müsste Vollstreckungrechtspfleger (seit 01.08.2016 aufgrund § 42 Abs. 4 SGB II) dies doch eigentlich zurückweisen, oder ?

    Hast Du den Wortlaut des Pfänders bzw. die ergänzten Freitextfelder?

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  • mittlerweile ja, so in etwa

    "....Antrag nach 850d (Anm.: es handelt sich nicht um Unterhaltsforderungen), Festsetzung eines festen Betrages beantragt......(4 Wochen später) abgeändert 850e Nr. 2. ...vorliegend erhält der Schuldner Arbeitseinkommen und Sozialleistungen. Zusammenrechnung regelt in diesem Fall 850e Nr. 2 ZPO. Danach ist der unpfändbare Grundbetrag in erster Linie den laufenden Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zu entnehmen. ....Vorliegend wurde das Arbeitseinkommen gepfändet. Eine Pfändung der Sozialleistung wurde nicht beantragt. Das Vorliegen beider Einkommen wurde durch Vermögensauskunft nachgewiesen. Der Gesetzgeber sieht eine Bestimmung durch das Gericht vor, welcher Drittschuldner den unpfändbaren Grundfreibetrag in erster Linie zu entnehmen hat. Hier der Sozialleistungsträger. Eine Festlegung wie beantragt einen festen pfändbaren Betrag zu bestimmen (ursprünglich 850d) ist nicht möglich. Antrag war insoweit zurückzuweisen."

    Seltsame Formulierungen, wie ich finde. Im Folgenden hat dann das Jobcenter dem Arbeitgeber eine Kopie des kompletten Jobcenter-Bescheid übermittelt und der Arbeitgeber hat den kompletten Zahlbetrag Jobcenter mit dem Arbeitseinkommen zusammengerechnet.

  • Also Antrag nach § 850d ZPO, aber keine Unterhaltspfändung? Ist es eine bevorrechtige Pfändung nach § 850f Abs. 2 ZPO?

    So oder so ist eine Zusammenrechnung mit Bürgergeld nach § 850e ZPO unzulässig. Denkbar bei bevorrechtigter Pfändung ist die Herabsetzung des Freibetrags unter Berücksichtigung des Bürgergeldes (z.B. Lohn 500 EUR + Bürgergeld 800 EUR --> Freibetrag bei Arbeitgeber auf z.B. 400,00 EUR festsetzen).

  • Tja, dann Aufforderung an den Arbeitgeber, die Berechnung des pfändbaren Betrages ggü. dem Schuldner offenzulegen unter Beachtung der eingangs zitierten Entscheidung.

    Mal schauen, was da bei rumkommt.

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  • ergänzend:

    es wurde natürlich auch angekreuzt (Seite 7):

    Es wird angeordnet, dass zur Berechung..... zusammenzurechnen sind:

    laufende Geldleistung.....Jobcenter, und

    Arbeitseinkommen bei...


    und darauf beruft sich der Drittschuldner Arbeitgeber. Die komplexe und missverständliche Erläuterung (siehe oben) interessiert ihn nicht.

    Also doch Erinnerung unter Hinweis auf § 42 SGB II und ferner z.B. auch noch BGH VII ZB 5/19, Rn.20 oder BT-Drucksache 18/8041 Seite 56

  • Öhm, da bin ich mir aus dem Stehgreif gar nicht so sicher, ob das einen Erinnerungsgrund hergiebt.

    Der Arbeitgeber muss als Drittschuldner doch wissen, was pfändbar ist - einfach so übernehmen ist nicht. Wenn er sich nicht sicher ist, soll er eben beim jobcenter nachfragen, ob es da bestimmte Regelungen gibt.

    § 850c ZPO kann er ja auch lesen und werten.

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  • Naja, den Arbeitgeber und das Jobcenter möchte ich mal sehen, die in so einer Konstellation auf eigenes Risiko den fehlerhaften PfÜB ignorieren und eigenmächtig bestimmen, dass dieser anders umzusetzen, als dort formuliert.

    Die ZPO und die 850c ff. sind ja gerade so aufgebaut, dass keine überspannten Anforderungen an die Drittschuldner gestellt werden. Insofern kann der Drittschuldner doch normalerweise auf den Standpunkt stellen "auch wenn ich weiß, dass der PfÜB Quatsch ist, muss ich trotzdem machen was drin steht" und der Schuldner muss sich selbst drum kümmern.

    Und auch das Jobcenter: Wenn dieses per PfÜB gesagt bekommt: "Du musst dem Arbeitgeber sagen, wie hoch die Sozialleistungen sind", dann muss es dies tun und braucht sich nicht einzumischen und auf eigenes Risiko dem Arbeitgeber sagen "ach ja, pass auf, normalerweise sind die nicht pfändbar". OK, Fehler dort, dass die kompletten Sozialleistungen dem Arbeitgeber genannt wurden.

    Bliebe allenfalls noch die Tatsache, dass der Arbeitgeber die nicht pfändbaren Sozialleistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft mit dem Einkommen des Schuldners zusammengerechnet hat (weil das Jobcenter fehlerhaft die gesamten Sozialleistungen benannt hat), anstatt wenigstens nur die Leistungen, die der Schuldner selbst beanspruchen kann. Aber auch das basiert ja auf dem Fehler davor (von Vollstreckungsgericht und Jobcenter) und ist eventuell durch den Arbeitgeber nicht zu vertreten.

    Man kann es glaub ich drehen und wenden wie man will, der PfÜB muss aus der Welt.

  • Viel Erfolg dabei und bitte mal hier berichten, was bei rauskam.

    (Bisher: Spätestens auf den Hinweis des Schuldner(vertreter)s müsste der Arbeitgeber seine Berechnung nochmal prüfen und kann es nicht laufen lassen.)

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  • Naja, den Arbeitgeber und das Jobcenter möchte ich mal sehen, die in so einer Konstellation auf eigenes Risiko den fehlerhaften PfÜB ignorieren und eigenmächtig bestimmen, dass dieser anders umzusetzen, als dort formuliert.

    Die ZPO und die 850c ff. sind ja gerade so aufgebaut, dass keine überspannten Anforderungen an die Drittschuldner gestellt werden. Insofern kann der Drittschuldner doch normalerweise auf den Standpunkt stellen "auch wenn ich weiß, dass der PfÜB Quatsch ist, muss ich trotzdem machen was drin steht" und der Schuldner muss sich selbst drum kümmern.

    Und auch das Jobcenter: Wenn dieses per PfÜB gesagt bekommt: "Du musst dem Arbeitgeber sagen, wie hoch die Sozialleistungen sind", dann muss es dies tun und braucht sich nicht einzumischen und auf eigenes Risiko dem Arbeitgeber sagen "ach ja, pass auf, normalerweise sind die nicht pfändbar". OK, Fehler dort, dass die kompletten Sozialleistungen dem Arbeitgeber genannt wurden.

    Bliebe allenfalls noch die Tatsache, dass der Arbeitgeber die nicht pfändbaren Sozialleistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft mit dem Einkommen des Schuldners zusammengerechnet hat (weil das Jobcenter fehlerhaft die gesamten Sozialleistungen benannt hat), anstatt wenigstens nur die Leistungen, die der Schuldner selbst beanspruchen kann. Aber auch das basiert ja auf dem Fehler davor (von Vollstreckungsgericht und Jobcenter) und ist eventuell durch den Arbeitgeber nicht zu vertreten.

    Man kann es glaub ich drehen und wenden wie man will, der PfÜB muss aus der Welt.

    es ist doch immer Aufgabe des Drittschuldner einzuschätzen, welche der von ihm gezahlten Leistungen pfändbar oder unpfändbar sind. Daran ändert sich durch die Zusammenrechnung nichts

  • Genau.

    Drittschuldner 1, der Arbeitgeber macht ja nichts falsch. Er bekommt gesagt: rechne einfach noch 1500 zu deinem Arbeitseinkommen dazu und schau dann, was pfändbar ist. Ihm kann egal sein, ob die 1500 pfändbar sind oder nicht. Der Arbeitgeber muss ja § 42 SGB II nicht kennen. Wenn er einen PfÜB bekommt, in dem etwas falsches steht, muss er es trotzdem tun.

    Drittschuldner 2, Jobcenter, macht auch (fast) nichts falsch. Der bekommt nur gesagt: Teile Drittschuldner 1 mit, wie hoch die Sozialleistung ist, die Du auszahlst. Dass der Drittschuldner 1 die falsche Anweisung bekommt, die Sozialleistung zum Arbeitseinkommen dazu zu rechnen, muss ihn auch nicht interessieren.

    Wenn in nem PfÜb steht: Zahle alles an den Gläubiger bis aus 12,49 Euro, dann muss der Drittschuldner das ja auch machen.

    Dem Vollstreckungsrechtspfleger war offensichtlich die Gesetzesänderung 2016 (§ 42 SGB II) und die oben aufgeführte Rechtsprechung aus der Zeit davor nicht bekannt. Der Erinnerung wird wohl zügig abgeholfen.

  • Genau.

    Drittschuldner 1, der Arbeitgeber macht ja nichts falsch. Er bekommt gesagt: rechne einfach noch 1500 zu deinem Arbeitseinkommen dazu und schau dann, was pfändbar ist. Ihm kann egal sein, ob die 1500 pfändbar sind oder nicht.

    Nein, der Arbeitgeber muss doch für jeden Teil der Zahlung gucken ob pfändbar

  • Nein, der Arbeitgeber muss doch für jeden Teil der Zahlung gucken ob pfändbar

    :thumbup:

    Und wenn er es nicht weiß, muss er nachfragen. Darf er sogar im Zweifel beim AG (so zumindest mein alt-Zöller).

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  • Wenn in nem PfÜb steht: Zahle alles an den Gläubiger bis aus 12,49 Euro, dann muss der Drittschuldner das ja auch machen.

    Eben nicht, nur wenn die Forderung nicht unpfändbar ist

    Die Forderung des Arbeitgebers ist pfändbar. Die Unpfändbarkeit der Jobcenterleistungen hat ihn m.E. tatsächlich erstmal nicht zu interessieren.

    Also, Erinnerung abhelfen und Pfüb (teilweise) aufheben.

  • Ich denke auch, dass es hier nicht Angelegenheit des Arbeitgebers ist, die Unpfändbarkeit des Bürgergeldes zu kennen und zu beachten.

    Er hat vom Gericht die Anweisung bekommen, das Bürgergeld mit dem von ihm gezahlten Einkommen zusammenzurechnen. Also muss er das auch erstmal tun, solange er keine anderslautende Anweisung bekommt.

    Es ist Sache des Schuldners, den offensichtlich unzulässigen Zusammenrechnungsbeschluss im Wege der Erinnerung anzugreifen und aus der Welt zu schaffen.


    (Im geschilderten Fall ist es sehr klar, dass da was falsch gelaufen ist, aber sehen wir das mal ohne Fallbezug:
    Wo kommen wir denn hin, wenn Drittschuldner "nach Lust und Laune" entscheiden, ob Sie die Anordnungen des Gerichts beachten? Deutlich wird das mMn bei Sachen wie der Festsetzung des Freibetrages nach § 850 d ZPO. Was, wenn der Arbeitgeber der Meinung ist, das Gericht hätte da was vergessen? Oder dem Schuldner zu viel belassen? Darf er dann auch frei mehr oder weniger an den Gläubiger abführen? Wohl kaum.)

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  • (Im geschilderten Fall ist es sehr klar, dass da was falsch gelaufen ist, aber sehen wir das mal ohne Fallbezug:
    Wo kommen wir denn hin, wenn Drittschuldner "nach Lust und Laune" entscheiden, ob Sie die Anordnungen des Gerichts beachten? Deutlich wird das mMn bei Sachen wie der Festsetzung des Freibetrages nach § 850 d ZPO. Was, wenn der Arbeitgeber der Meinung ist, das Gericht hätte da was vergessen? Oder dem Schuldner zu viel belassen? Darf er dann auch frei mehr oder weniger an den Gläubiger abführen? Wohl kaum.)

    Auch bei 850 d muss der Arbeitgeber noch gucken, welcher Teil des Lohns pfändbar und welcher unpfändbar ist

    Also Nettoeinkommen 1.000 / unpfändbare Erschwerniszulage EUR 500 / 850 d Freibetrag: EUR 900 - > Schuldner kriegt EUR 1.400 vom Arbeitgeber ausgezahlt

    aber Nettoeinkommen 500 / unpfändbare Erschwerniszulage EUR 1.000 / 850 d Freibetrag: EUR 900 -> Schuldner kriegt EUR 1.500 vom Arbeitgeber ausgezahlt

    auch hier wäre es falsch, wenn der Arbeitgeber ohne Nachzudenken den Schuldner jeweils nur EUR 900 auszahlt

    dein bsp passt gar nicht

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