Auslagenerstattung: Verteidiger hat die Owi selbst begangen

  • Nach h.M. ist § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO auf die Kostenerstattung in Strafsachen nicht anzuwenden, weil der Status des Verteidigers als Organ der Rechtspflege und die Stellung als Angeklagter / Betroffener des Owi-Verfahrens gegenseitig ausschließen.
    In meinem Fall hat der Anwalt in einem Owi-Verfahren als Verteidiger fungiert. Nach Ablauf der Verjährungsfrist versichert der Verteidiger anwaltlich, dass er selbst die Owi begangen habe. Es erfolgen Freispruch und Kostenauferlegung zu Lasten der Staatskasse. Ich würde ja nun behaupten wollen, dass der Rechtsanwalt auch in so einem Fall von der Verteidigung ausgeschlossen ist und keine Vergütung fordern kann; finde dazu aber nichts. Hat schon mal jemand so einen Fall gehabt?

  • Wenn ich den Sachverhalt richtig verstehe, ist der Rechtsanwalt nicht in eigener Sache tätig gewesen, so dass kein Fall des § 91 Abs. 2 S. 3 vorliegt.

    Die Gebühren dürften entstanden und zu erstatten sein.

  • Sollte das allerdings bei diesem Anwalt häufiger vorkommen (quasi zu einer Art Geschäftsmodell entwickelt) würde ich hellhörig werden.

    Sollte es sich dabei um Verkehrsordnungswidrigkeiten handeln, wäre wohl auch die charakterliche Fahreignung zu prüfen..... :(

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Sollte das allerdings bei diesem Anwalt häufiger vorkommen (quasi zu einer Art Geschäftsmodell entwickelt) würde ich hellhörig werden.

    Sollte es sich dabei um Verkehrsordnungswidrigkeiten handeln, wäre wohl auch die charakterliche Fahreignung zu prüfen..... :(

    Sich nicht selbst belasten zu müssen, ist schon in Ordnung. Das Modell schreit vielmehr nach einer "Punkteübernahme gegen Geld" - das ist derzeit noch (überrashenderweise) legal, weil es nicht verboten ist, sich selbst fälschlich einer Straftat oder OWi zu bezichtigen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Wir hatten den Fall schon mal hier am Gericht. Der Antrag wurde zurückgewiesen.

    Der Anwalt wusste von Anfang an, dass er die OWi selbst begangen hat. Somit liegt ein Interessenskonflikt vor, der ihn von der Verteidigung ausschließt, auch wenn kein "formeller" Ausschluss nach 138a StPO erfolgt ist. Er verschweigt den Interessenkonflikt gegenüber Verwaltungsbehörde, Gericht und Mandanten(?), lässt das Verfahren bis zum Freispruch des Mandanten laufen und kassiert als Verursacher der OWi noch die Vergütung für die Verteidigung? Nö. Er hätte das Mandat wegen des Interessenskonfliktes direkt ablehnen können und müssen.

    Der Anwalt hat sich nicht beschwert.

    Ist schon ne Weile her und ich finde gerade die Entscheidung nicht. Kann aber nochmal suchen, wenn gewünscht.

    Dass ein Interessenskonflikt besteht, ist offensichtlich, wenn der Anwalt sich erst nach Ablauf der Verjährungsfrist outet. Das Verfahren hätte mit neutralem Anwalt schon viel früher eingestellt werden können - weil der ja nicht Gefahr läuft, sich selbst zu belasten.

    Die Wahrheit geht manchmal unter, aber sie ertrinkt nicht.
    (Ungarisches Sprichwort)

  • Sehe ich auch so.

    Und falls das öfter vorkommt, mal bei der FS-Stelle die charakterliche Eignung prüfen lassen. (Prüft die RA-Kammer auch die charakterliche Eignung? :teufel: Für mich schreit das nach Falschbehauptung und damit wird das Gericht angelogen. :lupe:)

  • Sehe ich auch so.

    Und falls das öfter vorkommt, mal bei der FS-Stelle die charakterliche Eignung prüfen lassen. (Prüft die RA-Kammer auch die charakterliche Eignung? :teufel: Für mich schreit das nach Falschbehauptung und damit wird das Gericht angelogen. :lupe:)

    Wie gesagt - sich selbst fälschlich einer Straftat/OWi zu bezichtigen, ist derzeit nicht verboten und wird unter dem Schlagwort "Flensburg-Punkte verkaufen" als Geschäftsmodell praktiziert. Soll aber geändert werden, wenn der Gesetzgeber Zeit findet. Und als Anwlat hätte ich da auch Bedenken, dass ich irgendwann Probleme mit der Kammer (wenn schon nicht mit der StA) bekomme.

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  • Nicht immer läuft es unter dem Stichwort: "Flensburg-Punkte-verkaufen". Es ist bei Fahrzeugen, bei denen der Halter und der Fahrer zum Beispiel innerhalb der Familie unterschiedliche Personen sind, eine Taktik, sich aus einer begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit rauszuwinden. Der beschuldigte Betroffene äußert sich nicht, bis die Ordnungswidrigkeit gegen den wahren Fahrer verjährt ist. Daran ist meines Erachtens nichts, was eine charakterliche Eignung in Frage stellt. Es steht nämlich in der Europäischen Konvention der Menschenrechte, dass sich niemand selbst beschuldigen oder äußern muss. Die Behörde kann dies verhindern, indem sie einen Abgleich des "Blitzfotos" mit der Personalausweisdatei des Betroffenen macht. Tut sie dies nicht, dann ist das weniger das Problem der Betroffenen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Interessant, das Prob. ist, wenn man ablehnt, dass der Rpfl. de facto über die Ausschließung entscheidet. Aber zumindest, wenn wie hier der RA es selbst zugibt, wurde die Vergütung tatsächlich wegen Nichtigkeit des RA-Vertrages abgelehnt, vgl. LG Hamburg, 603 Qs OWi 633/00, Karlsruher Kommentar zum OWiG, § 105 Rdn. 48. Vom Anwaltsgerichtshof München, BayAGH II - 4/95 gabs auch schon mal "Klatsche", aber das dort war schon sehr dreist.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Nicht immer läuft es unter dem Stichwort: "Flensburg-Punkte-verkaufen". Es ist bei Fahrzeugen, bei denen der Halter und der Fahrer zum Beispiel innerhalb der Familie unterschiedliche Personen sind, eine Taktik, sich aus einer begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit rauszuwinden. Der beschuldigte Betroffene äußert sich nicht, bis die Ordnungswidrigkeit gegen den wahren Fahrer verjährt ist. Daran ist meines Erachtens nichts, was eine charakterliche Eignung in Frage stellt. Es steht nämlich in der Europäischen Konvention der Menschenrechte, dass sich niemand selbst beschuldigen oder äußern muss. Die Behörde kann dies verhindern, indem sie einen Abgleich des "Blitzfotos" mit der Personalausweisdatei des Betroffenen macht. Tut sie dies nicht, dann ist das weniger das Problem der Betroffenen.

    Daran ist nichts verkehrt. Sich selbst als Geschäftsmodell der OWi zu bezichtigen (mit der Hoffnung, dass es keine Bilder gibt), ist für einen RA schon etwas anderes.

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  • ... weil es nicht verboten ist, sich selbst fälschlich einer Straftat oder OWi zu bezichtigen.

    Es gibt allerdings OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.07.2015 - 2 Ss 94/15 Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft und für die weitere Person wegen Beihilfe hierzu. Ist aber eine Einzelfallentscheidung geblieben, soweit ich weiss.

    Im hier in Frage stehenden Fall meine ich, dass nur das Gericht selbst hätte die Kostenerstattung ablehnen können, und zwar sehr gut gemäß §467 Abs.2 StPO. Mit der vorliegenden KGE müsst Ihr aber mE leben und entsprechend auch festsetzen.

  • ... weil es nicht verboten ist, sich selbst fälschlich einer Straftat oder OWi zu bezichtigen.

    Es gibt allerdings OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.07.2015 - 2 Ss 94/15 Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft und für die weitere Person wegen Beihilfe hierzu. Ist aber eine Einzelfallentscheidung geblieben, soweit ich weiss.

    Da waren die Beteiligten allerdings so "blöd", das derjenige, der sich zuerst bezichtigt hatte später erklärte, er sei es doch nicht gewesen. Hier ist es umgkehrt (und bei den "kommerziellen" Fällen wird nie offengelegt, dass der angebliche Raser das Fahrzeug nie gefahren hat, er/sie nimmt die Punkte und fertig).

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  • Daran ist nichts verkehrt. Sich selbst als Geschäftsmodell der OWi zu bezichtigen (mit der Hoffnung, dass es keine Bilder gibt), ist für einen RA schon etwas anderes.

    Auch wenn Rechtsanwälte "Organe der Rechtspflege" sind, was eigentlich auch ein Kampfbegriff ist, um diese im Sinn der Justiz zu disziplinieren, müssen sie keine besonders tugendhaften Menschen sein. Das, was allen erlaubt ist, kann bei ihnen nicht verwerflich sein.

    Das Geschäftsmodell hatte hier ein Rechtspfleger auf den Tisch gebracht. Ich denke nicht, dass ein Anwalt dies wirklich so tut. Vielleicht kann der Threadstarter dies kurz aufklären, aber ich nehme an, dass es eher ein Fall ist, der sich aus der von mir beschriebenen Grundkonstellation ergibt. Wenn ein Anwalt diese "Chance" nicht erkennt, wer dann?

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  • ... müssen sie keine besonders tugendhaften Menschen sein. Das, was allen erlaubt ist, kann bei ihnen nicht verwerflich sein.

    ...

    Anwälte sind auch nur Menschen. Richter und Ärzte übrigens sogar auch. Selbst Rechtspfleger! Dennoch lege ich an einen Anwalt schon einen anderen Maßstab an. Da bin ich aber wohl auch nicht alleine, § 43 BRAO.

    Gesehen habe ich aber auch schon viel, unterschlagene Mandantengelder (sogar schon öfter), "Klüngeleien" mit Schrottimmobilien, diverses andere, bis hin zu Suiziden (ja, Mehrzahl) und Haftstrafen.

  • Warum legst Du an Anwälte einen anderen / strengeren Maßstab als an Richter, Rechtspfleger oder Ärzte an? Sollte nicht jeder seine Berufsgruppe gut repräsentieren bzw. so leben, dass es zum allgemeinen Maßstab werden kann. Darüber hinaus habe ich die ganzen, von Dir beschriebenen Verhaltensweisen auch schon bei anderen (eigentlich als vorbildhaft angesehnen) Berufsgruppen erlebt. So what.

    Suizid würde ich niemals in diesen Kontext stellen. Er ist keine Charakterschwäche. Für mich ist es vielmehr tragisch, wenn ein Mensch keinen anderen Ausweg mehr sieht. Im Übrigen habe ich das auch schon mehrfach bei den von Dir beschriebenen Berufsgruppen erlebt. Tragisch - aber niemanden davon würde ich verurteilen. Niemals.

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  • Warum legst Du an Anwälte einen anderen / strengeren Maßstab als an Richter, Rechtspfleger oder Ärzte an? Sollte nicht jeder seine Berufsgruppe gut repräsentieren bzw. so leben, dass es zum allgemeinen Maßstab werden kann. Darüber hinaus habe ich die ganzen, von Dir beschriebenen Verhaltensweisen auch schon bei anderen (eigentlich als vorbildhaft angesehnen) Berufsgruppen erlebt. So what.

    Wegen § 7 Nr. 5 BRAO

    Volle Zustimmung beim Thema "Suizid".

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  • Warum legst Du an Anwälte einen anderen / strengeren Maßstab als an Richter, Rechtspfleger oder Ärzte an? Sollte nicht jeder seine Berufsgruppe gut repräsentieren bzw. so leben, dass es zum allgemeinen Maßstab werden kann. Darüber hinaus habe ich die ganzen, von Dir beschriebenen Verhaltensweisen auch schon bei anderen (eigentlich als vorbildhaft angesehnen) Berufsgruppen erlebt. So what.

    Suizid würde ich niemals in diesen Kontext stellen. Er ist keine Charakterschwäche. Für mich ist es vielmehr tragisch, wenn ein Mensch keinen anderen Ausweg mehr sieht. Im Übrigen habe ich das auch schon mehrfach bei den von Dir beschriebenen Berufsgruppen erlebt. Tragisch - aber niemanden davon würde ich verurteilen. Niemals.

    Lege ich nicht, so meinte ich das nicht. Ich meinte das als direkte Antwort auf dein von mir oben genutztes Zitat. Oder hast du da nicht auf Menschen ganz allgemein abgestellt.

    Die Suizide meinte ich auch nicht als Vorwurf oder gar Vergehen. Eher als "Steigerung", dass kein Ausweg mehr gesehen wurde. Auch ich finde das äußerst tragisch (zumal ich einen im engeren Familienkreis erlebt habe).

    Natürlich gibt es weitere Felder. Um die geht es hier aber nicht.

    "Andere machen das auch" ist in aller Regel für nichts ein gutes Argument.

  • Warum legst Du an Anwälte einen anderen / strengeren Maßstab als an Richter, Rechtspfleger oder Ärzte an? Sollte nicht jeder seine Berufsgruppe gut repräsentieren bzw. so leben, dass es zum allgemeinen Maßstab werden kann. Darüber hinaus habe ich die ganzen, von Dir beschriebenen Verhaltensweisen auch schon bei anderen (eigentlich als vorbildhaft angesehnen) Berufsgruppen erlebt. So what.

    Suizid würde ich niemals in diesen Kontext stellen. Er ist keine Charakterschwäche. Für mich ist es vielmehr tragisch, wenn ein Mensch keinen anderen Ausweg mehr sieht. Im Übrigen habe ich das auch schon mehrfach bei den von Dir beschriebenen Berufsgruppen erlebt. Tragisch - aber niemanden davon würde ich verurteilen. Niemals.

    Zum Status des RA, interessante Meinung bei: Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski (NJZ 2024, 449-454), Erwerb des Eigentums an einem Grundstück durch ein rechtsanwaltliches Bieterverfahren

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