Verlegung von Grundstücksgrenzen

  • Guten Morgen,

    das Katasteramt teilt mir mit, dass bei drei Grundstücken (eins im Eigentum der Stadt, die beiden anderen privat) die tatsächliche Nutzung stark von dem rechtlichen Eigentum abweicht. Die Grenzen wurden im Jahre 1900 festgestellt, beide Eigentümer versichern aber, dass sie keinen anderen als den tatsächlichen Grenzverlauf kennen. Diese Aussagen werden lt. Kataster auch durch Luftbildaufnahmen aus den 50er und 70er Jahren bestätigt.
    Kurz zusammengefasst: Das städtische Grundstück (wohl ein Weg) liegt zwischen den beiden im Privateigentum stehenden Grundstücken und soll zu Lasten der beiden angrenzenden Grundstücke verbreitert und dabei gekrümmt werden (vorher quasi rechter Winkel, jetzt Kurve; so ersehen ich es aus den vorgelegten Karten).

    Die Eigentümer wollen nun berichtigen und fragen nach Möglichkeiten. Das Katasteramt beabsichtigt eine „Grenzniederschrift“ zu fertigen und legt mir alles im Entwurf vor mit der Bitte da mal drüber zu gucken. Nach deren Auffassung sei seinerzeit der tatsächliche Wille der Beteiligten nicht umgesetzt worden („materieller Aufnahmefehler“) und dies könne nach deren Auffassung jetzt nur so korrigiert werden.
    Alternativ fiele mir nur die Auflassung der entsprechenden Teilflächen ein, was aber natürlich mit Kosten einhergeht (ob das Katasteramt Gebühren erhebt entzieht sich meiner Kenntnis) und vermutlich auch deswegen nicht gewollt ist, weil die Fläche ja nach dem Verständnis der Eigentümer bereits ihnen „gehören“ und seinerzeit bei der Grenzsteinsetzung und/oder Vermessen schlicht Fehler gemacht worden sind.

    Ich konnte alles nachvollziehen, was mir vorgetragen/-legt wurde, frage mich allerdings, was das Katasteramt mir einreichen muss, damit ich eintragen kann.
    - Wo finde ich da etwas zu?
    - Reicht etwa ein (einfacher) Fortführungsnachweis? Mit Unterschrift + Siegel?
    - Was hab ich bzgl. des (vielleicht?) von hier aus zu prüfenden etwaigen gutgläubigen Erwerbs zu prüfen (BGH, 02.12.2005, V ZR 11/05)?

    Im Schöner/Stöber, 16. Auflage, RN 594ff steht, dass bei „Veränderungen in der Begrenzung eines Flurstücks dieses durch Flächenzugang vergrößert oder durch Flächenabgang verkleinert“ wird. Also Zerlegung und Verschmelzung. Das riecht für mich ja nach „mir reicht ein Fortführungsnachweis“. Kann es tatsächlich so einfach sein?

    Vielen Dank!

  • Guten Morgen,

    für NRW kann ich mich ein wenig aus dem Fenster lehnen. Wenn das Katasteramt zu dem Schluß kommt, daß hier ein Aufnahmefehler (Preußisch noch: matrieller Irrtum) vorliegt, so hat hier eine entsprechende Vermessung mit anschließender Aufnahme einer Grenzniederschrift zu erfolgen, um diesen Aufnahmefehler zu beheben. Diese Behebung erfolgt nach Nr. 9.2.3.2 des Liegenschaftskatastererlasses NRW (LiegKatErl.) von Amts wegen. Nach Nr. 9.2.1 (1) des gleichen Erlasses sind die Flurstücke aufgrund der Formveränderung neu zu nummerieren. Hierauf erhälst Du aufgrund Nr. 10.2 LiegKatErl. eine Fortführungsmitteilung mit einer Flurkarte. Eine Beglaubigung ist nicht vorgesehen. Diese Behebung eines Aufnahmefehlers hat stets unabhängig von anderen Veränderungen der Form stattzufinden, damit auf gutgläubigen Erwerg geprüft werden kann.

    Danach beginnt Dein Part: Prüfung, ob gutgläubiger Erwerb aufgrund der Angaben des Liegenschaftskatasters geschehen ist.....


    P.S.: Ich war es nicht.

  • Und wenn sich alle Beteiligten einig sind und in der Grenzniederschrift, die der öbVI als Urkundsperson fertigt, ihre Zustimmung erklären, sollte doch auch einer Grundbuchberichtigung nichts mehr im Wege stehen, oder?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Und wenn sich alle Beteiligten einig sind und in der Grenzniederschrift, die der öbVI als Urkundsperson fertigt, ihre Zustimmung erklären, sollte doch auch einer Grundbuchberichtigung nichts mehr im Wege stehen, oder?

    Bisher hat es so immer funktioniert. Lediglich einmal ist bereits vor der Behebung des Aufnahmefehlers bereits Wohnungseigentum gebildet worden.... =O

  • Guten Morgen,

    ich danke schon mal herzlich für die Antworten. :)

    Ich bin mit dem Kollegen vom Katasteramt jetzt so verblieben, dass ich, bevor die Grenzniederschrift erfolgt, prüfe, ob bzgl. eines etwaigen gutgläubige Erwerb Probleme entgegenstehen. Soweit ich es übersehe ist das hier unproblematisch.

    Was mir allerdings aufgefallen ist: An dem einen Grundstück des privaten Eigentümers lastet eine bpD im Form eines Leitungsrechts. Einsicht in die Bewilligung hat ergeben, dass sich die betr. Leitungen (und auch der Ausübungsbereich) genau dort befinden, wohin das städtische Grundstück (Weg, der aktuell noch winkelig ist, demnächst aber gekrümmt werden soll) „verschoben“ werden soll. Die Leitungen verlaufen also auf/im dem (dann städtischen) Weg.

    Ich hatte dazu folgende Überlegungen: Unter Beteiligung der Berechtigten der bpD könnte dieses Recht doch zunächst – vielleicht über §§84ff GBO? – auf dem Grundstück der Privatperson gelöscht und zeitgleich unter Vorlage einer Eintragungsbewilligung der Stadt an dem „neuen“ krummen Grundstück der Stadt eingetragen werden. Dann würden keine Notar-Kosten entstehen.
    Der Kataster-Kollege könnte in der Grenzniederschrift ja vielleicht auch schon einen Vermerk aufnehmen, dass die bpD auf dem einen privaten Grundstück zu löschen und von der Stadt auf dem „neuen“ Grundstück neu bestellt werden soll.

    Funktioniert das wohl so? Habt ihr andere Ideen?

    Danke!

  • Ist das nicht ein Fall, wo die Dienstbarkeit gutgläubig erworben sein könnte?

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  • Würde mit der Stadt klären, ob die Dienstbarkeit an der städtischen Fläche überhaupt erforderlich ist.

    Die Kommunen haben mit vielen Leitungsträgern Verträge (z.B. Konzessionsverträge), welche grundbuchrechtlich gesicherte Leitungsrechte (insbesondere in öffentlichen Wegen) entbehrlich machen.

    Alle Äußerungen hier sind rein private Meinungsäußerungen, sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders angegeben ist. ;)

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    Der Kataster-Kollege könnte in der Grenzniederschrift ja vielleicht auch schon einen Vermerk aufnehmen, dass die bpD auf dem einen privaten Grundstück zu löschen und von der Stadt auf dem „neuen“ Grundstück neu bestellt werden soll.

    Funktioniert das wohl so? Habt ihr andere Ideen?

    Danke!

    Das kann der Kollege sicherlich machen, aber dieser Vermerk wird Dich im Original nicht erreichen, da die Grenzniederschriften dauerhaft bei der Katasterbehörde aufzubewahren sind. Das Dokument könnte Dich nur in beglaubigter Kopie erreichen.

    Ob die Aufnahme dieser Erklärung noch durch die Befugnisse der Katasterbehörden/ÖbVI gedeckt sind, wäre eine andere Frage. Das Eis wird da auf jeden Fall schon ziemlich dünn.

  • Würde mit der Stadt klären, ob die Dienstbarkeit an der städtischen Fläche überhaupt erforderlich ist.

    Die Kommunen haben mit vielen Leitungsträgern Verträge (z.B. Konzessionsverträge), welche grundbuchrechtlich gesicherte Leitungsrechte (insbesondere in öffentlichen Wegen) entbehrlich machen.

    Ich würde das mit dem Berechtigten klären. Dienstbarkeiten sind denen auch lieber, weil z.B. bei Konzessionen die Folgekosten bei Leitungsverlegungen anders geregelt sind als § 1023 BGB vorsieht. Wenn dann das dinglich vereinbarte Recht einfach wegfällt gibts schon Ärger. Die Gemeinde ist daher nicht der richtige Ansprechpartner für diese Frage.

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Würde mit der Stadt klären, ob die Dienstbarkeit an der städtischen Fläche überhaupt erforderlich ist.

    Die Kommunen haben mit vielen Leitungsträgern Verträge (z.B. Konzessionsverträge), welche grundbuchrechtlich gesicherte Leitungsrechte (insbesondere in öffentlichen Wegen) entbehrlich machen.

    Ich würde das mit dem Berechtigten klären. Dienstbarkeiten sind denen auch lieber, weil z.B. bei Konzessionen die Folgekosten bei Leitungsverlegungen anders geregelt sind als § 1023 BGB vorsieht. Wenn dann das dinglich vereinbarte Recht einfach wegfällt gibts schon Ärger. Die Gemeinde ist daher nicht der richtige Ansprechpartner für diese Frage.

    Bin ich als GBA denn tatsächlich (jetzt schon?) im Boot? Ich hab den ganzen Krams ja nur mitgekommen, weil der Kataster-Kollege mich informiert hat. Versteh mich richtig, ich will mich nicht vor der Arbeit drücken, aber ich sehe da keine Zuständigkeit. Aus dem Nichts heraus den Berechtigten anschreiben kommt mir als GBA irgendwie falsch. Hat das nicht vielmehr das Katasteramt zu klären?

    Schon jetzt vielen Dank für Eure Antworten! :)

  • Bin ich als GBA denn tatsächlich (jetzt schon?) im Boot?

    Nein. War nur ein Vorschlag, bevor eine Dienstbarkeit übertragen wird oder gar neu bestellt wird, welche nicht notwendig ist.

    Alle Äußerungen hier sind rein private Meinungsäußerungen, sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders angegeben ist. ;)

  • Nach meiner Ansicht gibt es hier nur die Auflassungslösung (Teilflächen). Es ist in keiner Weise dargelegt, dass die im Jahr 1900 festgelegten Grenzen schon damals (!) "fehlerhaft" waren, weil das, was sich die Leute damals dachten, bestenfalls vermutet werden kann. Was die heutigen Eigentümer wissen oder nicht wissen und was das heutige Vermessungsamt weiß oder nicht weiß, ist für die Frage, ob die Grenzen im Jahr 1900 "richtig" waren, völlig unerheblich. Als einziger Umstand ist belegt, dass - zwei Weltkriege und ein halbes Jahrhundert später - seit den 50er- bzw. 70er Jahren eine andere tatsächliche Nutzung besteht. Dies ist im Rechtssinne völlig ohne Belang.

  • Wenn es sich um einen Aufnahmefehler 1900 handelt, ist das sehr wohl von Belang. Sollte das klärungsbedürftig sein (und das sehen die Beteiligten offenbar nicht so), wäre das im Verwaltungsgerichtswege zu klären.

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  • Nach meiner Ansicht gibt es hier nur die Auflassungslösung (Teilflächen). Es ist in keiner Weise dargelegt, dass die im Jahr 1900 festgelegten Grenzen schon damals (!) "fehlerhaft" waren, weil das, was sich die Leute damals dachten, bestenfalls vermutet werden kann. Was die heutigen Eigentümer wissen oder nicht wissen und was das heutige Vermessungsamt weiß oder nicht weiß, ist für die Frage, ob die Grenzen im Jahr 1900 "richtig" waren, völlig unerheblich. Als einziger Umstand ist belegt, dass - zwei Weltkriege und ein halbes Jahrhundert später - seit den 50er- bzw. 70er Jahren eine andere tatsächliche Nutzung besteht. Dies ist im Rechtssinne völlig ohne Belang.

    Den Sachverhalt, wieso die Katasterbehörde hier von einem Aufnahmefehler ausgeht, können wir hier mangels Information nicht klären. Es gibt aber mit Sicherheit keine Katasterbehörde, die einen Aufnahmefehler mit seinen unter Umständen weitreichenden Wirkungen lediglich aufgrund einer vorhandenen tatsächlichen Nutzung annimmt. In NRW sitzen wir in den heutigen Katasterämtern seit 1820 auf mehr als 200 Jahren Grundstücksgeschichte, die trotz der fünf Kriege seit 1820 fast lückenlos ist. Der Übergang von Grundsteuerkataster der 1820er Jahre zum Eigentumskataster begann in Preußen 1840 mit der Zugrundelegung der Katasterangaben in den Hypothekenbüchern und wurde verfestigt, als mit der preußischen GBO von1872 das das Kataster als Verzeichnis festgelegt wurde. Der Übergang vom Grundsteuerkataster zum Eigentumskataster wurde im Jahre 1910 mit dem Urteil des V. Zivilsenates des Reichsgerichts (Rep. V. 72/09) abgeschlossen. Hiernach nehmen die Katasterangaben "Gemarkung", "Flur" und "Parzellennumer" am öffentlichen Glauben des Grundbuches teil.

    Die seit 1872 immer strenger werdenden Erfassungs- und Dokumentationsvorschriften (bzgl. der Willenserklärungen der Beteiligten) mündeten über die preußischen Fortführungsanweisungen XIII und IV im Jahre 1881 in die preußische Fortführungsanweisung II von 1896. Seit diesen Fortschriften muß zuerst die Grenze abgemarkt und danach der Grenzverlauf gesichert (!) aufgemessen werden. Hierzu musste eine Niederschrift mit den Beteiligten aufgenommen werden, in der der Befund zu den alten Grenzen (örtlicher Grenzverlauf vs. Katasternachweis), wie auch der Wille der Beteiligten bzgl. der neuen Grenzen dokumentiert wurde. Diese sehr akribisch erstellten Dokumente erlauben es den heutigen Katasterämtern sehr wohl, auch einen über einhundert Jahre alten Aufnahmefehler als solchen zu identifizieren. Gerne lade ich zu einer Zeitreise in unser Archiv ein.

  • Wenn das nicht so weit weg wäre, hättest Du mit mir schon einen Gast.

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