Erbverzicht zugunsten eines anderen Abkömmling, Auslegung § 2350 II BGB

  • Hallo zusammen,

    folgender Fall beschäftigt mich:

    Mutter M hinterlässt 3 Kinder: A, B und C.

    M überträgt auf A im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und zum Zwecke der endgültigen Abfindung einen Teil ihres Grundbesitzes. A nimmt die Übertragung an und erklärt ausdrücklich, dass sie auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet.

    Den übrigen Grundbesitz überträgt M ebenfalls im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und zum Zwecke der endgültigen Abfindung auf B. Auch B nimmt die Übertragung an und erklärt ausdrücklich, dass sie auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet.


    M verwitwet verstorben: Mai 2019

    B vorverstorben: 2017, hinterlässt 3 Kinder

    C vorverstorben: März 2019


    gesetzliche Erben sind nunmehr: Tochter A und die drei Enkel


    Nun Erbscheinsantrag vom Notar.

    Erschienen sind A und die drei Kinder von B (= Enkel der Erblasserin).

    Beantragt wird ein Erbschein dahingehend, dass A zu 1/2 und die Enkel jeweils zu 1/6 erben.

    Der Notar erläutert das wie folgt: § 2350 II BGB sei anwendbar, d.h. es ist im Zweifel anzunehmen, dass die beiden Töchter A und B den Erbverzicht zugunsten C als weiteren Abkömmling erklärt haben. D.h. eigentlich sollte C erben. C ist jedoch ohne Abkömmlinge vorverstorben. Und es sei sicher nicht Wunsch der Erblasserin gewesen, dass weiter entfernte Verwandte erben ... und somit sind der Notar und die Erschienenen gesetzlichen Erben der Ansicht, dass der Erbverzicht keine Rechtswirksamkeit mehr entfaltet.


    Meine Meinung:

    Ich stimme dem Notar zu. Die gesetzlichen Erben (Tochter A und die Kinder von B) sind sich einig ... ich würde den Erbschein antragsgemäß erlassen.


    Wie ist eure Meinung?


    Vielen Grüße und vielen Dank für Antworten!

  • Kann man so sehen.

    Fragt sich, ob man die entferntere verwandten Personen vor Erbscheinserteilung anhören muss/sollte, die geerbt hätten, wenn man A und die 3 Enkel nicht als Erben betrachten würde.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Könnte man sicherlich so sehen; könnte man eben aber auch anders sehen.

    Grundsätzlich gehe ich erst einmal davon aus, dass eine notarielle Urkunde keine Zweifel und Auslegungsfragen offen lässt. Wenn daher nichts ausdrücklich geregelt ist, wurde der Verzicht eben nicht "im Zweifel" zugunsten eines anderen Abkömmling "erklärt" und erstreckt sich auf Abkömmlinge.

    Zudem wurde für den Verzicht eine "endgültige" Abfindung geleistet. Wenn jetzt aber der Bedingungseintritt des Verzichts "zugunsten C" nicht eingetreten ist, was ist dann mit dieser endgültigen Abfindung, stand die Gewährung dieser Abfindung dann ebenfalls unter einer Bedingung und ist nun diese von A und den Erben von B an die Erben von M zurückzugewähren? Da hierzu wohl ebenfalls nichts geregelt wurde, ist m.E. von einem "reinen" "endgültigen" Verzicht auszugehen, der eben nicht zugunsten eines anderen Abkömmling erklärt wurde. A und die drei Enkel gehen leer aus. Jedoch immer vorausgesetzt man kann von einer "sauberen" Regelung in der notariellen Urkunde ausgehen. In meinen Verzichtserklärung wird es jedenfalls geregelt, ob zugunsten von einem anderen verzichtet wird oder nicht, etc.

  • Wie lautet denn der jeweilige Text der Erb- und Pflichtteilsverzichte? Hier wäre zumindest die Behauptung des Notars zu überprüfen, dass A und B den Verzicht nur gegenüber von C erklärt haben und dieser bei der jeweiligen Beurkundung anwesend war.

    Das macht eigentlich keinen Sinn, weil im Normalfall der Verzicht gegenüber der Mutter (Übertragsgeberin) zu erklären gewesen wäre.

    Nur so hätte sich realisieren lassen, dass der zunächst übergangene C seine Mutter als Alleinerbe hätte beerben können.

    Da C im März 2019 vorverstorben ist, wurde er (vermutlich) von seiner im Mai 2019 nachverstorbenen Mutter beerbt. Insoweit wäre ein Erbschein vorzulegen.

    Der Verzicht von B (verstorben 2017) am Nachlass seiner Mutter gilt zwingend auch für seine 3 Kinder.

    Es kann also durchaus sein, dass weder A noch die 3 Enkel zum Zuge kommen.

    »Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustandegekommen sind.«
    Charles de Gaulle (1890 − 1970)

  • § 2350 BGB greift doch nur dann, wenn die Mutter Sohn C durch Testament zum Alleinerben eingesetzt hat und danach zeitlich später durch notariellen Erbvertrag einen Dritten zum Alleinerben eingesetzt und damit Sohn C "enterbt hat.

    Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Sohn C ist zeitlich kurz vor der Mutter verstorben. Es liegt vermutlich auch kein weiteres Testament der Mutter oder Ein notarieller Erbvertrag mit einem Dritten vor. Solche Urkunden könnten zu einer Unwirksamkeit der Erb- und Pflichtteilsverzichte führen.

    Liegt ein Testament oder ein Erbvertrag vor, wonach ein Dritter zum Alleinerben eingesetzt ist, liegt eine Enterbung von A, B und C vor und es bleiben nur Pflichtteilsansprüche.

    Nach derzeitigem Stand sind Erben der Mutter mögliche weitere Verwandte.

    »Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustandegekommen sind.«
    Charles de Gaulle (1890 − 1970)

  • Vielen Dank für die ganzen Tipps.

    Ich habe mir das ganze noch mal durch den Kopf gehen lassen und eine Entscheidung getroffen:

    Ich habe dem Notar geschrieben, dass das Nachlassgericht beabsichtigt, den Antrag zurück zu weisen und habe die Gründe genannt.

    Damit habe ich ihm die Chance gegeben, seinen Antrag zurück zu nehmen.

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