Lohnt sich der Aufstieg zum Rechtspfleger noch?

  • Hallo an Alle,

    ich bin gerade in der Situation mich zu entscheiden, ob ich den internen Aufstieg zum Rechtspfleger machen möchte und ob sich dies überhaupt noch lohnt (Bundesland Bayern).

    Ganz kurz zu mir, ich bin Anfang 30 habe eine Ausbildung zur ReFa absolviert, war Angestellte in der Justiz und habe dann den mD gemacht. Ich bin nun inzwischen seit 5 Jahren fertig und seither als Geschäftsstelle an einer größeren Staatsanwaltschaft tätig. Den Aufstiegsvermerk habe ich erhalten und muss mich nun entscheiden, ob ich diesen Weg nächstes Jahr einschlagen, evtl. noch ein Jahr warten möchte oder den Aufstieg vll. gar nicht mehr in Betracht ziehe.

    Da mir meine jetzige Tätigkeit (trotz der teilweise extremen Arbeitsbelastung) im Großen und Ganzen schon gefällt bin ich mir nicht sicher, ob sich der Aufstieg lohnt. Ich habe bis jetzt wenig Einblick in die Arbeit des Rechtspflegers und weiß nicht, ob mir die Tätigkeit danach gefallen würde. Auch finanziell ändert sich jetzt nicht so sonderlich viel (zumindest anfangs). Die Situation in Starnberg während des Studiums ist natürlich auch nicht zu verachten, wenn man sich hier sehr wahrscheinlich mit Gemeinschaftsduschen und Toiletten am Gang anfreunden muss.

    Da mich das rechtliche Thema schon interessiert bin ich hin- und hergerissen, ob ich mich dafür entscheiden solle und habe gehofft hier vll. eine kleine Entscheidungshilfe/Einblicke zu bekommen.

    Daher schon einmal vielen Dank für die Rückmeldungen :)

  • Vor einigen Jahren hab ich mir als Württemberger ähnliche Gedanken gemacht, und hab dann mit 29 das Studium begonnen. Ja es war nicht einfach und durchaus hart, es gab plötzlich kein Wochenende mehr, zumindest nicht im gewohnten Umfang. Das juristische Denken, das Sammeln der vielen kleinen Arbeitspunkte in den Klausuren war ungewohnt. Aber letztlich hab ich es durchgezogen und bin sehr froh drum, der Verdienst hat sich inzwischen so schlecht nicht entwickelt und freie Wochenenden gibt es inzwischen auch wieder.

    Aus meiner Sicht spricht nichts gegen den Aufstieg.

  • Vielen Dank für die Antwort :).


    Gibt es hier noch jemand, der mir vll. auch etwas mehr über die Unterkunft in Starnberg erzählen kann?

  • Hi! Erstmal herzlichen Glückwunsch zum Aufstiegsvermerk 😊

    Wenn Du in Starnberg intern untergebracht wirst, erfolgt die Unterbringung weit überwiegend in Einzelzimmern. Diese sind grundsätzlich mit einem Bett, einem Schreibtisch, einem Regal, einem Kleiderschrank, einem kleinen Kühlschrank mit Gefrierfach und einem Waschbecken mit Spiegel ausgestattet. Die Toiletten sind dann am Gang, die Duschen ebenfalls separat. Bei uns waren die Duschen zugeteilt, somit teilte man sich die Dusche den gesamten Abschnitt über mit denselben 2-4 Personen. Die Gemeinschaftsduschen im großen Unterkunftsgebäude C sind eher privat gehalten. Jede Dusche hat einen eigenen abschließbaren Vorraum. Es gibt Gemeinschaftsküchen. Eine Reinigung der Zimmer (Wischen und Reinigung des Waschbeckens) durch einen Dienstleister findet einmal wöchentlich statt, Staubsauger sind jederzeit verfügbar. Die sanitären Einrichtungen werden täglich gereinigt.

    Es gibt auch Zimmer mit eigenen Bädern inklusive Toilette und Dusche. Diese haben jedoch keinen eigenen Kühlschrank, die Nutzung größerer Kühlschränke mit eigenem Fach für jeden ist jedoch möglich.

    Je nach Auslastung kann es sein, dass eine interne Unterbringung nicht möglich ist - das betrifft vor allem den zweiten Theorieabschnitt. Dann wird man extern untergebracht. Da hängt es dann von der jeweiligen Unterkunft ab, welche Ausstattung vorhanden ist.

    Bei interner Unterbringung ist die Teilnahme (also die Zahlung) an der Verpflegung (Frühstück sowie Mittag- und Abendessen) verpflichtend. Bei externer Unterbringung ist nur die Teilnahme am Mittagessen verpflichtend. Da gibt es täglich zwei verschiedene Gerichte plus Dessert. Salat und/oder Suppe gibt es auch. Beim Frühstück gibt es Semmeln und entsprechenden Belag sowie Müsli. Freitags gibt es kein Abendessen, das Mittagessen erhält man freitags als Lunchpaket.

    Am Campus gibt es Wasserspender (mit und ohne Kohlensäure), die als intern Untergebrachter auch nachts nutzbar sind. Ein Fitnessraum und eine Bibliothek sind ebenfalls vorhanden.

    Solltest Du weitere Fragen zum Campus, dem Studium, den Praxisphasen oder der Unterbringung haben, melde Dich gerne!

  • Wenn du eh in der Justiz bist, würde ich das machen, wenn es möglich ist. Du verlierst nichts und hast die Möglichkeit, zukünftig deutlich mehr zu verdienen.

  • Sehe ich ähnlich: Du wirst jetzt irgendwo bei A7 sein. Als Rechtspfleger gibts direkt die A9, A10 ist auch schnell erreicht.

    Dass du die in der LG 1.2 erreichst, halte ich für schwierig. Und bei A10 ist ja auch nicht Ende, es kommt wahrscheinlich noch der 11er.

    Das kannst du mal in den Besoldungstabellen gucken und sehen, ob sich das für dich lohnt.

    Ich kenne eingige, die wollten in meinem Fall nicht nach Meifel, weil weg von der Familie und es ist eine Umstellung. Meine Fälle hatten da alle schon Familie, da konnte ich es nachvollziehen. Es kommt daher darauf an, wie eng du an zuhause gebunden bist und ob du es dir vorstellen kannst. Ich fand Meifel damals gut und mir hat die Unterbrigung als ehemaliger Wehrpflichtiger nix ausgemacht. Aber auch da hängt es sicher von deinen persönlichen Präferenzen ab.

    Fazit: Finanziell lohnt es sich, ob es genug ist, eventuelle Nachteile aufzuwiegen, musst du selber entscheiden. Fachlich ist es sicher interessanter.

  • Vielen Dank euch beiden für eure Meinungen:).

    Das stimmt eigentlich kann ich nichts verlieren zumindest finanziell nicht und vll. ist es wirklich an der Zeit nochmal einen anderen Weg einzuschlagen und mich an der mündlichen Prüfung zu versuchen, die ja vorher noch bestanden werden muss.

    Ich werde mich die Tage entscheiden müssen da meine Frist abläuft.
    Daher nochmal vielen Dank an Alle die sich bereits gemeldet haben :)

  • Für die Entscheidung solltest Du überlegen, ob Dir die Arbeit als Rechtspfleger mehr gefällt als die im mD. Die Studienzeit geht vorüber, danach wirst Du noch viele Jahre lang in dem Job arbeiten.

    Die Unterschiede sollten Dir aus Deiner Tätigkeit bekannt sein: mD arbeitet viel auf Anweisung, die selbständigen Tätigkeiten sind m.E. auf dem Gebiet der Aktenführung und Verfahrensführung. Als RPfl. wirst Du das juristische Denken lernen müssen - es gibt Leute, denen das schwerfällt, und andere, die das super finden. Dann wirst Du Anträge in den Akten mit dem von Dir erlernten Paragraphenwissen, kombiniert mit dem juristischen Denken, selbst lösen. Es kann sein, dass Du den ganzen Vormittag langweilige Routinesachen machst, und dann kommt eine komplexe Beratung eines ehrenamtlichen Betreuers, mit dem Du gemeinsam klären musst, ob eine Erbausschlagung im vorliegenden Fall sinnvoll wäre und wie nach geltendem Recht vorzugehen wäre. Oder die Rechtliche Prüfung einer Teilung nach Wohnungseigentumsgetzes (80 Seiten Vertrag sowie 30 Seiten Pläne durcharbeiten und rechtlich beurteilen, ob Vertrag und Pläne in sich schlüssig sind und mit dem geltenden Recht übereinstimmen. Den Notar anschreiben und erklären, was aus rechtlicher Sicht zu beanstanden ist, und wie er es beheben kann). Einen Vorgesetzten, der Dir die Entscheidung in schwierigen Fällen abnimmt, wird es nicht geben - andererseits kann Dir Deine Vorgesetzte auch keine Anweisungen erteilen, Du darfst hier selbst beurteilen, was die rechtlich richtige Verfahrensweise ist.

    Falls Dir das mehr liegt als die Tätigkeit im mD - dann solltest Du wechseln.

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • Wirklich verlieren kannst du mit dem Aufstieg eigentlich nichts. Die Ausbildung setzt sich ja aus Theorie- und Praxisabschnitten zusammen. Wenn du währenddessen merkst, dass das doch nichts für dich ist, kannst du das ja immer noch abbrechen. Eine Kollegin in meinem Ausbildunsgjahrgang, hatte den Aufstieg versucht, hat es dann aber abgebrochen, weil es ihr doch zu schwer war. Andere Kollegen sind mit dem Aufstieg ganz gut klar gekommen. Ein bisschen Vorkenntnisse hast du schon und die Arbeit bei der Justiz kennst du ja auch besser als ein junger Mensch, der frisch vom Abitur kommt.

    Vom Alter her, wirst du inStarnberg gar nicht so sehr aus der Reihe fallen. Natürlich sind da viele, die direkt nach dem Abitur anfangen. Es gibt aber auch Leute, die schon ein Studium angefangen oder sogar abgeschlossen haben oder schon eine Ausbildung gemacht haben oder 12 Jahre bei der Bundeswehr waren.

    Zur Unterkunft wurde sich schon weiter oben geäußert. Ich habe zwar erst 2016 das Examen geschrieben. Von den jungen Kollegen habe ich aber gehört, dass sich seitdem viel geändert zu haben scheint. Das hängt wohl vor allem damit zusammen, dass inzwischen deutlich mehr Leute eingestellt werden.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Vielen Dank euch Allen für die vielen Rückmeldungen.


    Ich habe jetzt nach vielem Überlegen für mich beschlossen, dass ich es erstmal nicht versuchen werde im Jahr 2025, da ich es mir derzeit für mich (noch) nicht vorstellen kann. Es spielen ja auch immer mehrere Faktoren eine Rolle. Ich bedanke mich wirklich sehr für die ganzen ausführlichen Rückmeldungen, welche mich auch teilweise wirklich nachdenklich gemacht haben.

  • Vielen Dank euch Allen für die vielen Rückmeldungen.


    Ich habe jetzt nach vielem Überlegen für mich beschlossen, dass ich es erstmal nicht versuchen werde im Jahr 2025, da ich es mir derzeit für mich (noch) nicht vorstellen kann. Es spielen ja auch immer mehrere Faktoren eine Rolle. Ich bedanke mich wirklich sehr für die ganzen ausführlichen Rückmeldungen, welche mich auch teilweise wirklich nachdenklich gemacht haben.

  • Wenn es der private Background hergibt, sollte man auf jeden Fall den Aufstieg wagen!

    Die Threadstarterin hat Eindrücke von eienr Staatsanwaltschaft, die aber nicht unbedingt repräsentativ für die ganze Justiz sind. Gerade im Rechtspflegerbereich tun mir die Kollegen der StA leid, weil die Pensen extrem schlecht bewertet sind was Pebb§y und die Beurteilungen angeht. An Land- und Amtsgerichten ist die Belastung tendentiell moderater und die Tätigkeit tendentiell vielfältiger.

    Das Fenster für einen Aufstieg ist nicht lange offen und mit Anfang dreißig sind es noch über 30 Dienstjahre - da ist die Rechtspflegertätigkeit aus meiner Sicht interessanter und vielfältiger. Aufstiegsrechtspfleger sind auch gern gesehene Gruppen- und Geschäftsleiter, weil sie auch die Ausbildung für den mD mitbringen und wissen, was sie von wem verlangen können.


    Auch im weiteren Ausblick eröffnen sich zusätzliche Möglichkeiten: Mit dem Dipl.-Rpfl. kann man auch außerhalb der Justiz gut was anfangen, sei es in der freien Wirtschaft, sei es bei anderen Dienstherrn. Der justizfachwirt bringt da nicht so viel zusätzlich zur ReFA.

    Das Studium sind 2 x 10 Monate Theorie und die Abschlussprüfung in Starnberg. Das ist überschaubar. Der Rest ist Praxis. Durch die bedarfsgerechte Einstellung muss man nicht zu den Jahrgangsbesten gehören, das nimmt auch Druck weg. Und ja, Starnberg ist kein 5*-Hotel und im Vergleich zu Pegnitz auch ziemlich heruntergekommen, aber trotzdem kann man es sich gut dort einrichten, der Freizeitwert ist hoch (Starnberger See, Garmischer Berge, schöne Radl-Strecken, München mit der S-Bahn eine gute halbe Stunde entfernt - es soll Leute geben, die in Oberbayern Urlaub machen ;-).


    Daher mein Fazit: Wer 3 Jahre durchpowern kann, sollte es machen!

  • Grundsätzlich würde ich auch dazu raten, es zu wagen.
    Aber man muss bedenken, dass man als Aufstiegler - anders als oftmals kommuniziert - eigentlich nur Nachteile hat.

    Man hat zwar schon einmal Gesetzestexte gelesen und insofern einen leichteren Einstieg in die Theorie. Dieser “Vorsprung” gleicht sich aber nach wenigen Monaten aus und alle sind mit Wissen und Können auf dem gleichen Stand.

    In der Praxis wird man häufig mit dem Satz “Na, Sie kennen sich ja aus, Ihnen muss ich ja gar nichts mehr zeigen!” begrüßt.
    Dass man als UdG allerdings keine Rechtspflegertätigkeiten ausgeübt hat, scheint irrelevant zu sein …

    Die Erwartungen sind somit sehr hoch.

    Als Belohnung für das selbstständige Einarbeiten kann es dann passieren, dass man weit weg vom Wohnort-/Ausbildungsgericht eingesetzt wird und dort in einer Abteilung, die einem nicht liegt. Auf Nachfrage geäußerte Wünsche werden schlicht ignoriert, weil man das als erfahrene Kraft ja ohnehin viel leichter wegsteckt.

    Aus meinen Zeilen spricht natürlich viel subjektive Erfahrung und (leider) Enttäuschung. ;)


    Wenn man den hohen Erwartungen standhalten kann:
    Auf jeden Fall das Studium beginnen!
    Die Wahrscheinlichkeit des Bereuens einer nicht genutzten Chance ist wesentlich höher als die einer genutzten.

  • Also ich (selber Aufstiegler) kann das nicht bestätigen. Ich hab in Starnberg studiert. Mir fiel das Arbeiten mit Gesetzen schon immer leicht. Und die Aufstiegler, die ich kenne, waren fast alle vorn dabei. Vielmehr ist es es so, dass sich die Einser-Abuiturienten schwertun, weil die glauben, dass es so weitergeht wie auf der Schule. Ich würde es probieren.

  • In der Praxis wird man häufig mit dem Satz “Na, Sie kennen sich ja aus, Ihnen muss ich ja gar nichts mehr zeigen!” begrüßt.
    Dass man als UdG allerdings keine Rechtspflegertätigkeiten ausgeübt hat, scheint irrelevant zu sein …

    Wir haben an unserem Gericht mehrere Rechtspflegerinnen, die aus dem mittleren Dienst kommen und den Aufstieg geschafft haben. Dass bei denen Kenntnisse vorausgesetzt wurden, die erst durch die Ausbildung erworben werden sollen, kann ich nicht bestätigen. Umgekehrt ist es von Vorteil, den Justizbetrieb bereits kennengelernt zu haben und aufgrund der eigenen Erfahrungen besser abschätzen zu können, was man mit einer ungeschickten Verfügung für die Geschäftsstelle "anrichten" kann. :)

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

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