Antrag Akteneinsicht

  • Guten Tag,

    ich habe hier einen Antrag eines Rechtsanwalts liegen (er vertritt einen gesetzlichen Erben) auf Akteneinsicht in seinem Büro oder Übersendung einer vollständigen Kopie der Nachlassakte in sein Büro.

    Die Nachlassakten bestehen aus einem Testamentseröffnungsantrag und Testament mit Eröffnungsprotokoll, dass sein Mandant übersandt bekommen hat. Das Testament ist unwirksam (da mit Computer geschrieben), es tritt gesetzliche Erbfolge ein, der Mandant ist gesetzlicher Miterbe, darüber wurde er ebenfalls informiert. Die Erbscheinsakte besteht aus verschiedentlichen gerichtlichen Anschreiben an die Ehefrau des Erblassers und Personenstandsurkunden.

    Ich habe beide Akten zur Akteneinsicht an das örtlich nächstgelegene Amtsgericht zu seiner Kanzlei übersandt mit der Bitte dem Anwalt Akteneinsicht zu gewähren und das dem Anwalt parallel auch mitgeteilt.

    Jetzt kommt ein Schreiben von diesem Rechtsanwalt indem er mir mitteilt, er hat nicht die Aktenübersendung an das AG XY beantragt sondern in seine Kanzlei und wenn ich das nicht mache, soll ich ihm eine vollständige Abschrift (vollständig ist fett und unterstrichen) unter Fristsetzung (bis Ende des Monats) übersenden oder einen rechtmittelfähigen Bescheid erlassen, gegen den er dann vorgeht.

    Wie würdet ihr dass behandeln? Wir übersenden hier nie Nachlassakten an RA Kanzleien, sondern nur ans nächstgelegene Amtsgericht und pauschal ein ganze Nachlassakte kopieren würde ich auch nicht. Nicht mal unsere Retente sind vollständige Kopien der Akte, sondern nur das wichtigste. Letztlich hat seine Mandantschaft alles relevante, also die Testamentseröffnungsunterlagen mit Belehrungen bekommen und ich finde auch nicht, dass man Briefe die explizit an die Ehefrau gerichtet sind kopieren und an ihn übersenden kann. (Steht natürlich nichts geheimes drin, aber es geht ja auch ums Prinzip)

    Wie seht ihr das?

    VG D.

  • "Es geht ja ums Prinzip" , das ist ein ganz tolles Argument, um etwas zu tun oder nicht zu tun.

    Entschuldige, wenn ich es so ausdrücke, aber das ganze ist doch etwas wirr und widersprüchlich. Kann es sein, dass Du Dich über das Schreiben des Anwalts geärgert hast und ihm nun zeigen willst, wo der Frosch die Locken hat.
    Er kann die Akte beim Amtsgericht vollständig (?) einsehen, aber wenn er vollständige Kopien haben will, dann spricht das Prinzip dagegen.
    Wenn der Anwalt die Kosten für die Kopien trägt (evtl. Vorschuss anfordern), was spricht dann gegen die Kopie der gesamten Akte? Datenschutz? Dann müsste Du ihm auch nur selektive Akteneinsicht gewähren.

    b.t.w.
    Es ist für einen Anwalt, schon damit dieser gut schlafen kann, manchmal wichtig, eine vollständige Akte zu haben. Mandanten verschusseln wichtige Dokumente auch gern oder aber, es kommt eben auch darauf an, was dem Mandanten nicht explizit bekannt gegeben wurde.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Er hat Übersendung der Akte oder einer vollständigen Kopie der Nachlassakte in sein Büro beantragt. Du hättest darauf mitteilen sollen, dass ihr eine Überlassung von Nachlassakten in die Büroräume generell ausschließt (mache ich genauso, ist laut Kommentar wegen Verlustgefahr zulässig). Dann hättest du ihm die Übersendung an das Gericht am Ort seiner Büroräume zwecks Einsichtnahme auf der dortigen Geschäftsstelle angeboten und auf die Aktenversendungspauschale hingewiesen.

    Wenn er ausdrücklich nicht im Gericht Einsicht nehmen will, lässt du ihm eben eine vollständige Kopie der Akte schicken und lässt die entsprechenden Auslagen erheben. Natürlich kann man Schreiben, die an andere Beteiligte gerichtet sind, kopieren und ihm übersenden. Er würde diese auch sehen, wenn er Akteneinsicht im Gericht nehmen würde. Damit hattest du offensichtlich auch kein Problem.

  • Ziel oder Ergebnis einer Akteneinsicht kann auch sein, dass keine weiteren relevanten Unterlagen Teil der Akte sind. Dieses Ergebnis hat das Gericht nicht vorwegzunehmen, sondern davon darf sich der Einsichtsberechtigte selbst überzeugen.

  • Es sind ja nicht nur 3 Blätter in der Akte. Es sind etliche Leseabschriften in der Akte, geheftete beglaubigte Urkunden mit umgeknickter Ecke in der Akte, Vorderseite-Rückseite beschrieben. Da hat die Geschäftsstelle schon bissel zu tun, wenn alles kopiert werden soll. Daher ist ja die Idee, Einsicht nehmen, notieren, was tatsächlich noch benötigt wird und fertig.

    Und sind wir doch mal ehrlich, wie viele Kopien werden denn letztlich gefertigt, wenn der Anwalt persönlich Akteneinsicht nimmt und die Seitenzahlen notiert?

    Papiersparen und Personalressourcen am Kopierer einsparen ist aber offensichtlich nicht gewollt und wenn das jeder Beteiligte in diesem Umfang fordert könnte das Gericht ja extra Kopierpersonal einstellen.

  • Nunja, es wird ja erfahrungsgemäß nicht jeden Tag die Kopie einer kompletten Akte begehrt. Und angesichts des Fortschritts der eAkten dürfte ein Einreißen jetzt auch nicht gerade zu befürchten sein.

    Papier und Personalbedarf fürs Kopieren hin oder her. Wenn ein Beteiligter das Recht auf Abschriften aus den Akten und damit auch auf Abschrift der gesamten Akte hat, dann muss ihm das auch zugebilligt werden. Und für Papier und Personal werden ja dann die pauschelen Auslagen pro Seite erhoben.

    - Es lebe das Mischdezernat, das sorgt für Abwechslung :D -

  • Daher ist ja die Idee, Einsicht nehmen, notieren, was tatsächlich noch benötigt wird und fertig.

    Das Recht auf Kopien nach § 13 Absatz 3 FamFG ist wegen Unzumutbarkeit nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen; grundsätzlich ist es nicht beschränkbar. Besteht also ein Akteneinsichtsrecht, besteht auch ein Anspruch auf Kopien (näher zB Jürgens/Kretz FamFG § 13 Rn. 9). Das Gericht hat nicht zu bestimmen, welche Kopien aus seiner Sicht wichtig sind und welche nicht.

  • Das gibt ne blutige Nase, wenn du argumentierst, dass es dir ums Prinzip geht.

    Die Rechtslage ist so eindeutig. Hat der Anwalt Anspruch auf Akteneinsicht? Ja. Dann hat er auch Anspruch auf vollständige Akteneinsicht. Das mit der Unzumutbarkeit kannst du aber so was von vergessen. Die Verweigerung der Akteneinsicht wird dir so was von um die Ohren fliegen. Glaub mir.

    Bei dem vorliegenden Antrag des Rechtsanwalts hätte ich eine vollständige Koie der Akte gegen Kostenersatz verfügt. Austragen und weg damit.

  • Ich kann noch die Sicht des Mandanten ergänzen: Das Gericht verlangt von ihm, dass er einen Rechtsanwalt zum Anwaltsstundensatz zum Gericht schickt, damit dieser dort alles durchblättert und was? Sich die wichtigen Sachen merkt und sie dann aus dem Gedächtnis berichtet? Jede Seite einzeln kopieren lässt mit dem Risiko, dass er dabei etwas übersieht? Je umfangreicher die Akte ist, desto gefährlicher wäre das. Häufig lässt sich bei der ersten Durchsicht noch gar nicht entscheiden, worauf es einmal ankommen könnte. Soll das Spiel dann wiederholt werden?

    Wenn übrigens einer Zivilakte, etc. in der Kanzlei eingescannt werden muss, darf sich die ReFa auch nicht beschweren, dass sie arbeiten muss.

  • Man kann schon hinterfragen, ob das Recht aus §13 III FamFG ohne Weiteres das pauschale Kopieren einer kompletten umfangreichen Akte umfasst. Der BFH sieht dies zumindest für das finanzgerichtliche Verfahren nicht so (vgl. u.a. BFH, Beschluss vom 09.08.2021, VIII B 70/21). Da §78 I FGO insoweit keine relevant anderen Wortlaut als §13 III FamFG hat, könnten die Überlegungen durchaus übertragbar sein.

    Die Frage ist allerdings wie umfangreich die Akte tatsächlich ist.

  • Ich verstehe das Problem immer noch nicht.

    Der Anwalt will die komplette Aktenkopie zugesendet haben. Die Kosten trägt er bzw. der Mandant.

    Ihm steht das Akteneinsichtsrecht zu.

    Also: Akten kopieren lassen (völlig egal wieviele Seiten) und Kopiekosten in Ansatz bringen.

    Ich kann keinen Nachteil für das Gericht erkennen.

  • Es sind ja nicht nur 3 Blätter in der Akte. Es sind etliche Leseabschriften in der Akte, geheftete beglaubigte Urkunden mit umgeknickter Ecke in der Akte, Vorderseite-Rückseite beschrieben. Da hat die Geschäftsstelle schon bissel zu tun, wenn alles kopiert werden soll. Daher ist ja die Idee, Einsicht nehmen, notieren, was tatsächlich noch benötigt wird und fertig.

    Und sind wir doch mal ehrlich, wie viele Kopien werden denn letztlich gefertigt, wenn der Anwalt persönlich Akteneinsicht nimmt und die Seitenzahlen notiert?

    Papiersparen und Personalressourcen am Kopierer einsparen ist aber offensichtlich nicht gewollt und wenn das jeder Beteiligte in diesem Umfang fordert könnte das Gericht ja extra Kopierpersonal einstellen.

    Und wenn Du ihm, um Dein ökologisch nachhaltiges Gewissen zu beruhigen, anbietest, einen Scan der Akte elektronisch zukommen zu lassen?

    Halte ich zwar für übergriffig, aber wenn es Dir guttut.

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  • Also: Akten kopieren lassen (völlig egal wieviele Seiten)

    Ich kann keinen Nachteil für das Gericht erkennen.

    Da sehe ich schon einen Nachteil. Das bindet nämlich deutlich mehr Arbeitskraft, als die Akte wegen der Einsicht einfach nur zu versenden. Die paar Kröten an Kopiekosten machen das nicht wett. Wenn das einreißen würde, kämen manche Abteilungen zu nichts anderem, als Akten zu kopieren.

    Aber das nur am Rande. Wenn der Anspruch besteht, besteht der Anspruch. Nützt ja nichts.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • @ omawetterwax:
    Praktisch mag es zutreffend sein.
    Aber es kann und darf doch nicht sein, dass der Bürger / Anwalt ihm zustehende Rechte nicht wahrnehmen kann, weil der Staat ihm dies wegen fehlenden Personals verweigert. Dann muss der Staat eben für ausreichend Kopierpersonal sorgen. Sonst können wir in Zukunft in Deutschland auch gleich Bananen anbauen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • So ist es. Wenn ein Anspruch besteht, besteht ein Anspruch. Und die Justiz muss das dann eben aushalten. Und wenn die Abteilung nur noch Akten kopiert und anderes liegen bleibt, ist das dann eben auch hinzunehmen. Im Zeitalter der elektronischen Akte wird Akteneinsicht über das Akteneinsichtsportal (mit der Möglichkeit sich die Akten oder Aktenteile abzuspeichern oder auszudrucken) eh die Regel werden. Und auf Befindlichkeiten der Justiz nehmen die gesetzlichen Regeln oftmals leider keine Rücksicht.

  • @ omawetterwax:
    Praktisch mag es zutreffend sein.
    Aber es kann und darf doch nicht sein, dass der Bürger / Anwalt ihm zustehende Rechte nicht wahrnehmen kann, weil der Staat ihm dies wegen fehlenden Personals verweigert.

    Sag ich doch ;)

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

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