Lohnpfändung durch Insolvenzgläubiger während Insolvenzverfahren

  • Hallo, wie ist denn die praktische Vorgehensweise der Insolvenzverwalter bei folgender (hoffentlich - wahrscheinlich seltener) Konstellation:

    Insolvenzgläubiger beantragt 2 Monate nach Verfahrenseröffnung eine Lohnpfändung, PfÜB wird dem aktuellen Arbeitgeber zugestellt.

    Eigentlich unpfändbares Einkommen, jedoch in einem Monat mit pfändbarer Sonderzahlung entsteht ein pfändbarer Betrag, den der Arbeitgeber an den Pfändungsgläubiger und nicht an den Insolvenzverwalter abführt.

    Was macht der IV ? Anfechtung und Rückforderung bei Insolvenzgläubiger ? Oder Aufforderung an Arbeitgeber den zu Unrecht abgeführten Betrag nochmals an die Masse zu zahlen ? Oder beides mit entsprechender Verrechnung / Erstattung, falls beide (Gläubiger und Arbeitgeber) in die Masse leisten.

    Praktische Problematik:

    Insolvenzgläubiger zahlt erstmal nicht zurück, weil er behauptet, nichts von Insolvenz gewusst zu haben (und abwartet ob wirklich Anfechtung erfolgt)

    Arbeitgeber leistet zur Sicherheit direkt nochmal und behält den Betrag bei Arbeitnehmer nochmal ein.

    Vorwurf an Arbeitnehmer, dass dieser gegen den PfÜB hätte vorgehen müssen. (Information an Arbeitgeber, Insolvenzverwalter und Gläubiger über die eröffnete Inso bzw. den PfÜb sind durch den Arbeitnehmer erfolgt, jedoch kein Rechtsmittel gegen den PfÜB selbst).

  • Die Insolvenzanfechtung betrifft nur Rechtshandlungen, welche vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind. Eine Anfechtung der Zahlung gegenüber dem Arbeitgeber scheidet also aus.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Den SWchuldner ist durch den PfÜB nicht beschwert, weil er auch ohne den PfüB nicht den pfändbaren Teil seines Einkommens erhalten würde. Der IV ist beschwert und müsste meiner Meinung nach beim Insolvenzgericht gegen den PfÜB Rechtsmittel einlegen.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Anfechtung klar, nur wenn der PfÜb noch vor Eröffnung, ja natürlich

    Und Rechtsmittel für Zukunft durch IV ist ok, es geht ja aber nur um den bereits abgeführten Betrag. Zukünftig ist kein pfändbarer Betrag zu erwarten.

    Hat der Arbeitgeber da korrekt gehandelt ? Und - falls nein - wie kommt der IV an den Betrag zu Gunsten der Masse ?

  • Das kommt wahrscheinlich auch auf die Hintergründe an.
    Hat der Insolvenzverwalter dem Arbeitgeber die Eröffnung des Verfahrens mitgeteilt, dann kann dieser nicht einfach an den Einzelgläubiger zahlen. Wenn Gläubigerungewissheit besteht, dann müsste der Arbeitgeber den pfändbaren Betrag notfalls hinterlegen.
    Praktisch sollte er den Insolvenzverwalter informieren, damit dieser sich mit dem Gläubiger verständigen kann. Bestenfalls stimmt dieser eine Zahlung an den Insolvenzverwalter ohne die Notwendigkeit von Rechtsmitteln zu.
    Tut er dies nicht, heißt die Konsequenz: Doppelt zahlen. Eine Aufrechnung mit zukünftigem Einkommen des Schuldners, sofern dies unpfändbar ist, ist unzulässig.

    Hat der Insolvenzverwalter die Information des Arbeitgebers unterlassen, liegt der schwarze Peter eindeutig beim Verwalter.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Zitat

    Und - falls nein - wie kommt der IV an den Betrag zu Gunsten der Masse ?

    Der IV fordert den Arbeitgeber auf, den pfändbaren Betrag abzuführen. Die Zahlung des Arbeitgebers an den Insolvenzgläubiger hatte erstmal keine schulderfüllende Wirkung. Dass der Arbeitgeber einen dem pfändbaren Betrag entsprechenden Betrag bereits an den unzulässigerweise pfändenden Insolvenzgläubiger gezahlt hat, ist nicht das Problem des IV.

  • Wie kommt man denn eigentlich dazu dass der drittschuldnernde Arbeitgeber berechtigt sei den mehrfach geleisteten Betrag einfach so bei der nächsten Abrechnung vom Schuldner einzubehalten?

    Ich hätte jetzt wie gegs gesagt:

    Der Arbeitgeber hat (informiert von der Eröffnung) nicht schuldbefreiend auf seine Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis geleistet indem er an den Pfändungsgläubiger gezahlt hat.

    Also musste er nochmal leisten- erst damit hat er schuldbefreiend geleistet.

    Im Folgemonat schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer (und ggfs. der Masse) den vollen Lohn.

    Leistet er den net voll (weil er mit dem durch ihn selbst verursachten Schaden verrechnet) muss man ihn dafür (im Zweifel arbeitsgerichtlich) in Anspruch nehmen.

    Weder ist es Sache des Schuldners noch des Insolvenzverwalters den Pfändungsglaubiger auf Rückerstattung in Anspruch zu nehmen

    Wenn der Arbeitgeber meint den Pfändungsgläubiger auf Rückerstattung der Bereicherung in Anspruch nehmen zu können soll ers versuchen....

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


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    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

    Einmal editiert, zuletzt von JoansDong (26. November 2024 um 09:56)

  • es stimmt schon; hier hat das niemand konkret in den Raum gestellt;

    Aber es kam mir andererseits auch nicht deutlich genug durch, dass die ganze Veranstaltung nicht nur nicht das Problem des IV, sondern auch nicht das Problem des Schuldners ist.

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  • Ja, eigentlich kein Problem für Schuldner und IV, wenn alles nach Standard-Schema gelaufen wäre.

    Leider scheint es sich so herauszustellen, dass der IV auf eine Offenlegung der Abtretung beim Arbeitgeber verzichtet hatte und dem Schuldner (telefonisch) aufgetragen hat, Veränderungen des (außerhalb dieses einen Monats) unpfändbaren Einkommens mitzuteilen.

    (Leider eine immer noch ab un an anzutreffende Praxis, in denen Betroffene nachträgliche ihre Lohnabrechnungen beim Insolvenzverwalter vorlegen sollen und dort dann ermittelt wird, welcher Betrag nachträglich vom Schuldner in die Masse zu zahlen ist)

    Von der Veränderung des Einkommens (Zahlung einer Prämie, die das Einkommen in den pfändbaren Bereich brachte) erfuhr der Schuldner aber erst mit Lohnabrechnung, auf der der Pfändungsabzug zu Gunsten des Pfandgläubigers vermerkt ist. Gezahlt wurde zudem nicht an den Pfandgläubiger, der (unwirksam) während des Verfahrens gepfändet hat sondern auf eine alte Lohnpfändung außerhalb Rückschlagsperre. Arbeitgeber sagt, dass er keine offizielle Information des Insolvenzverwalters hatte und daher in gutem Glauben auf eine alte Pfändung gezahlt hat.

  • Das klingt jetzt danach, dass der IV Schadensersatz leisten muss.

    Der IV ist dazu verpflichtet die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) zu verwerten (§ 159 InsO). Anders als beim Treuhänder normiert das Gesetz für den IV nicht ausdrücklich die Pflicht den Arbeitgeber des Schuldners zu informieren. Aber ohne eine Information des Arbeitsgebers lässt sich der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens nur schwer realisieren.

    Außerdem wurde scheinbar die Wirkung der alten Pfändung nicht ausgesetzt. Das hätte der IV aber beantragen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2020 – IX ZB 14/20 –, juris).

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  • Vielleicht; vielleicht auch nicht.

    Wichtig für den Schuldner:

    Der Arbeitgeber hat an ihn die pfändungsfreien Anteile des Arbeitseinkommens zu leisten.

    Sowohl im Monat A (versehentlich Teile des Arbeitseinkommens doppelt bezahlt (pfändbare Anteile an IV und pfändbare Anteile an Gl)

    als auch im Monat B (keine Reduzierung des pfändungsfreien Teils des Arbeitseinkommens wegen versehentliche Doppelzahlung im Monat A)

    Ob und wie und von wem der Arbeitgeber die versehentliche Doppelzahlung erstattet bekommen kann, ist sein Problem.

    Nicht zulässig ist es jedenfalls den doppelt gezahlten Betrag mit dem nächsten Monatseinkommen zu verrechnen; Insbesondere dann wenn pfändungsfreie Beträge betroffen sind.

    Ich würde mich sehr sehr schwer tun, zu sagen, die Leistung an einen der beiden (IV und Gläubiger) wäre rechtsgrundlos erfolgt und einer von beiden wäre ungerechtfertigt bereichert (die Leistungen sind jeweils ja mit Rechtsgrund erfolgt!)

    Abgesehen davon, dass auch im Falle eines Rückforderungsanspruchs des Arbeitgebers der IV das Geld nur zurückleisten darf, wenn eine kostendeckende Masse vorhanden ist!; und selbst wenn: er müsste den möglichen Masseschaden (durch die erhöhte Vergütung und erhöhte Kosten) saldieren...

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  • Das klingt jetzt danach, dass der IV Schadensersatz leisten muss.

    Der IV ist dazu verpflichtet die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) zu verwerten (§ 159 InsO). Anders als beim Treuhänder normiert das Gesetz für den IV nicht ausdrücklich die Pflicht den Arbeitgeber des Schuldners zu informieren.

    In den hiesigen Eröffnungsbeschlüsen wird zumeist vermerkt, dass der Insolvenzverwalter die nach § 30 InsO zu bewirkende Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an die Drittschuldner veranlassen muss. Ergibt sich nicht auch daraus schon die Verpflichtung des Insolvenzverwalters, den Arbeitgeber über die Eröffnung zu informieren ?

    Und allein aus der Kenntnis vom Eröffnungsbeschluss müsste der Arbeitgeber doch verpflichtet sein, pfändbares Einkommen in Masse zu zahlen ?

    Im Restschuldbefreiungsverfahren dagegen dann nur, wenn die Abtretung explizit offengelegt wurde ?

  • Wenn dem Arbeitgeber das Insolvenzverfahren bekannt ist, muss er den zur Insolvenzmasse gehörenden Teil des Einkommens an den IV zahlen, sofern er nicht im Rang vorgehende Pfändungen beachten muss. Die Abtertungserklärung entfaltet ihre Wirkung erst mit der Bestellung eines Treuhänders nach § 288 InsO.

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  • ich steh jetzt grad auf dem Schlauch:

    die Auskehrung an den Gläubiger ist in anfechtbarer Weise (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 -analog -) erfolgt. Auf eine Gläubigerbenachteiligung käme es hierbei noch nicht einmal an. Der Verwalter hat den Anfechtungsanspruch durchzusetzen.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Anfechtbare Rechtshandlungen sind solche, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen werden.
    Werden pfändbare Beträge im laufenden Insolvenzverfahren verdient und ausgekehrt, dann liegt der maßgebliche Zeitpunkt nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, vgl. hierzu § 140 InsO.
    Die Voraussetzung der Insolvenzanfechtung sind somit nicht erfült.

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  • Ist das nicht ein Fall des § 89 InsO? Frdl. Schreiben an das Vollstreckunsggericht?

    Der Schuldner wagt in diesen Fällen mE keine Belehrung des Arbeitgebers.

    kein Schreiben an das Vollstreckungsgericht, sondern an das Insolvenzgericht, wegen der Sachnähe.

    Dieser Sachverhalt ist auch keiner wie in IX ZB 14/20 dargestellt, da zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens noch keine Verstrickung stattgefunden hat, der IV diese entsprechend auch noch nicht beseitigen konnte. Wundert mich bloß,, das der Gerichtsvollzieher die Zustellung besorgt hat. Die örtlichen GV kennen doch ihre Pappenheimer, will sagen, wissen wo sie sich wegen einer Insolvenzeröffnung den Weg sparen können.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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