§ 295a InsO gerichtliche Feststellung eines abzuführenden Betrages bei nur zusätzlicher Selbstständigkeit

  • Hallo zusammen. ich brauche in folgendem Fall Eure Meinung:

    Der Schuldnervertreter beantragt gem. § 295a Abs. 2 InsO den abzuführenden Betrag aus der vom IV freigegebenen selbstständigen Tätigkeit gerichtlich festzusetzen.

    Der Schuldner ist allerdings Vollzeit angestellt tätig. Aus dieser Tätigkeit fließt jeden Monat ein pfändbarer Betrag von durchschnittlich 1.000 EUR zur Masse. Lediglich darüber hinaus geht der Schuldner noch einer selbstständigen Tätigkeit nach (aktuell nach Aussage des Schuldnervertreters geringfügig). Ich habe dem Schuldnervertreter zunächst geschrieben dass es aus meiner Sicht an der Grundvoraussetzung, nämlich der fehlenden abhängigen (Vollzeit-)Beschäftigung, fehlt und um Antragsrücknahme gebeten.

    Der Schuldnervertreter sieht in der Konstellation der neben der abhängigen Vollzeitbeschäftigung noch ausgeübten selbstständigen Tätigkeit jedoch trotzdem ein Bedürfnis auf gerichtliche Feststellung. Er beantragt den zu zahlenden Betrag mit 0 EUR festzusetzen.

    Hintergrund ist wohl ein Gläubiger, der hier die RSB-Versagung beantragt hat weil er meint der Schuldner führe zu wenig Geld an die Masse ab. Der Versagungsantrag wurde zwischenzeitlich vom AG und, nach Beschwerde auch vom LG, zurückgewiesen. Ich frage mich jedoch ob bei einer abhängigen Beschäftigung des Schuldners in Vollzeit überhaupt ein Beschluss nach § 295a Abs. 2 InsO gefasst werden muss.

  • Das LG Ellwangen geht mit Entscheidung vom 19.04.2024, 1 T 27/24, davon aus, dass eine Zusammenrechnungen gem. § 850e ZPO nicht stattfindet, da diese sich nach dem Wortlaut auf pfändbares Arbeitseinkommen bezieht.

    Dies mag aber mE nicht zu überzeugen, da es einen wesentlichen Aspekt nicht berücksichtigt, nämlich die neben der Vollzeitbeschäftigung vom Schuldner erbrachte überobligatorische Leistung im Rahmen der Selbstständigkeit. Würde diese nicht berücksichtigt werden, stände sich der Vollzeitbeschäftigte, der zusätzlich Überstunden schiebt schlechter als derjenige, der eine selbstständige Tätigkeit zusätzlich ausübt. Der BGH hat mit der Entscheidung vom 26.06.2014, IX ZB 87/13 ja auch die Anwendung des § 850a ZPO bejaht.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Festgesetzt wird nicht der vom Schuldner zu zahlende Betrag. Festgesetz wird nur der Betrag, der den Bezügen aus einem angemessenen Dienstverhältnis entspricht.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Bezüglich des eigentlichen Problemens :Der Schuldner wird wohl Zahlungen leisten müssen, weil § 850a ZPO ja Anwendung findet. Wenn der Hauptberuf angemessen ist, dann dürfte der festzusetzende Betrag das Einkommen aus dem Hauptberuf sein. Wie der Schuldner dann die fiktive Vergütung für Mehrarbeit berechnet, ist sein Problem. Aber so ist ja auch, wenn er nur einer selbständigen Tätigkeit nachgeht und den an dne Treuhänder zu zahlenden Betrag ermitteln will.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Festgesetzt wird nicht der vom Schuldner zu zahlende Betrag. Festgesetz wird nur der Betrag, der den Bezügen aus einem angemessenen Dienstverhältnis entspricht.

    Was aber, mit ein paar Rechenschritten, dem ziemlich gleichkommt...

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich sehe hier die Freigabe der selbständigen Tätigkeit durch den IV als "Problem" - damit bleiben Einnahmen und Ausgaben/Verluste bei Schuldner. Das ist wertungsmäßig nicht die Situation, die beim Rentnerfall zu entscheiden war ... und formal ist Zusammenrechnung bei "Arbeitseinkmommen aus unselbständiger Tätigkeit" möglich, nicht mit anderen Einnahmen. Und der Gedanke mit der überobligatorischen Tätigkeit mag ja stimmen, nur wenn die Tätigkeit freigegeben wurde, ist das doch eindeutige Rosinenpickerei, wenn die Verluste beim Schuldner verbleiben solle, und die Gewinne (teilweise) den Gläubigern zufließen sollen.

    Gibt es denn eine Stellungnahme vom IV?? Erwartet er, dass die "Geringfügigkeit" zeitnah überschritten wird? Sagt der Schuldner etwas zur "Größe" des Gewinns und kann man mit dem Betrag zu den Überlegungen aus dem alten Sekretärinnen-Fall da Argumente gewinnen?


    Spannend ... rechtlich jedenfalls. Eine klare gesetzliche Grundlage könnte ich weder für den Antrag nch für die Zusammenrechnung nach Freigabe nennen...

  • ein lustiger Spass :D

    Ich hab vorgestern einen Antrag nach § 295a Abs. 2 InsO reinbekommen, aber och straferschwernde im laufenden Verfahren (§ 35 Abs. 2 S. 2).

    Äh, bei Dir ist das Verfahren schon aufgehoben ?

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Spannend ... rechtlich jedenfalls. Eine klare gesetzliche Grundlage könnte ich weder für den Antrag nch für die Zusammenrechnung nach Freigabe nennen...

    295a ist doch die gesetzliche Grundlage

    .... da hast Du mehr als recht .... ich lag daneben

    Die Festsetzung des abzuführenden Betrages "geht" aber nicht - Festlegung eines fiktiven Brutto-Lohnes ist dann doch möglich - der abzuführende Betrag ist vom Schuldner zu ermitteln und ohne Zusammenrechnungsbeschluss ist das bei "Geringfügigkeit" vermutlich auch finanziell nicht bedrohlich

    AG München, Beschluss v. 04.02.2022 – 1509 IK 1052/21 dort Ziffer 11

  • so hab ich das auch am Fr. in meine verfahrentsleitende Verfügung hineingeschrieben.....

    @ Imker: thx für die Entscheidung AG München, ich hab wohl nicht ganz so sauber recherschiert zu de Thema. Jedenfalls hilft mir die noch zur Absicherung meiner vorab - vorläufig - geäußerten Rechtsansicht.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Ich danke Euch für Eure Rückmeldungen. Heute kam die Stellungnahme des Insolvenzverwalters zur Akte. Er meint dass der Schuldner einer angemessenen Vollzeitbeschäftigung nachgehe und aus dieser monatlich recht hohe pfändbare Beträge eingehen. Da er zudem freiwillig monatlich 150 EUR an die Masse zahlt, hält er die Obliegenheiten für absolut erfüllt und sieht kein Bedürfnis für eine gerichtliche Festsetzung eines fiktiven Brutto-Gehaltes.

  • Ich sehe hier auch keinen Grund für ein Tätigwerden.
    1. ist die selbstständige Tätigkeit freigegeben und 2. liegt (daraus logisch folgend) kein Zusammenrechnungsantrag des Insolvenzverwalters oder gar ein entsprechender Beschluss vor.
    Allein aus diesen beiden Punkten ergibt sich schon, dass das Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit dem Schuldner voll zur Verfügung steht. Dies nochmal duch einen Beschluss auszusprechen ist unnötig.

    Don't blink. Blink and you're dead. They are fast. Faster than you can believe. Don't turn your back. Don't look away. And don't blink. Good Luck. - The Doctor

  • Die BGH Entscheidung 850a, "zur Hälfte" bezog sich doch auf eine nicht freigegebene Selbstständigkeit im Verfahren, also ganz anderer Fall.

    295 / 295a im RSB Verfahren gehen von der "als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis" Situation aus.

    Müsste man da nicht auch prüfen, ob die Vollzeitbeschäftigung ein (der Ausbildung, Vorerfahrung etc.) angemessenes DIenstverhältnis ist. Und wenn ja, dann muss er eben das zahlen, was er daraus zahlt. Falls die Vollzeitbeschäftigung einen geringeren Verdienst liefert als "angemessen", dann Festsetzung über 295a, welches Bruttoeinkommen möglich wäre.


    Heißt für obigen Fall: Falls das Vollzeitarbeitsverhältnis angemessen ist, kann trotzdem ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, dem Schuldner zu bestätigen, dass er genau das Brutto aus seinem aktuellen Beschäftigungsverhältnis zugrunde legen muss.

    "das Gericht stellt den Betrag fest, der den Bezügen aus einem angemessenen Dienstverhältnis entspricht" - völlig unabhängig davon, ob er aktuell teilzeit, vollzeit, sonstwas ist und immer dann, wenn eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Oder ?

  • :thumbup:

  • 295a ist mE eröffnet, wenn eine selbständige Tätigkeit freigegeben wurde.

    Was hier aber im Sachverhalt bzw. der gesetzlichen Regelung fehlt, ist das üblicherweise anzutreffende weitere Merkmal, dass die freigegebene Tätigkeit "statt" einer (angemessenen) unselbständigen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

    Das Risiko der Feststellung, ob eine unselbständig ausgeübte Erwerbstätigkeit bereits angemessen ist, wird durch 295a nicht geregelt.

  • 295a ist mE eröffnet, wenn eine selbständige Tätigkeit freigegeben wurde.

    Was hier aber im Sachverhalt bzw. der gesetzlichen Regelung fehlt, ist das üblicherweise anzutreffende weitere Merkmal, dass die freigegebene Tätigkeit "statt" einer (angemessenen) unselbständigen Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

    Das Risiko der Feststellung, ob eine unselbständig ausgeübte Erwerbstätigkeit bereits angemessen ist, wird durch 295a nicht geregelt.

    Die von dir genannten Kriterien - Freigabe und statt einer unselbständigen Tätigkeit - kann man dem Gesetzestext des 295a allerdings nicht entnehmen

  • Ich entnehme es der Begründung des Gesetzes.

    https://dserver.bundestag.de/btd/19/253/1925322.pdf#page=18

    Dort heißt es:

    Die Regelungen zu den Obliegenheiten bei einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners werden in einem neuen § 295a InsO zusammengefasst. ...

    Absatz 2 ermöglicht es dem Schuldner, Rechtssicherheit in der Frage zu erlangen, in welcher Höhe er die Zahlungen zu leisten hat. Ihm wird das Recht eingeräumt, eine gerichtliche Feststellung der fiktiven Bezüge aus einem angemessenen Dienstverhältnis zu erwirken. Auf Grundlage dieser Feststellung kann der Schuldner den pfändbaren Anteil am Nettoeinkommen und damit die Höhe der ihn treffenden Abführungsobliegenheit errechnen. Um dem Gericht die Entscheidung zu ermöglichen, obliegt es dem Schuldner, die Höhe der aus dem fiktiven Dienst-
    verhältnis erzielbaren Bezüge glaubhaft zu machen.


    Ich entnehme dieser Begründung, dass es nur um freigegeben Tätigkeiten gehen "kann"; sonst wäre doch alles Masse, was da in der Selbständigkeit zusammenkommen könnte.


    Aber wenn ich den Bundestag heute so erlebe, dann ist so eine Begründung von damals wohl auch mit Vorsicht zu verarbeiten.... :)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!