Neues Berliner Testament mit 2. Ehefrau trotz bindendem 1. Testament

  • Hallo zusammen,

    folgender Fall:

    Es gibt ein gem. Testament mit der 1. Ehefrau, wonach sich die Eheleute gegenseitig eingesetzt haben und als Schlusserbe ohne Abänderungsbefugnis den gemeinsamen Sohn

    Die Frau ist verstorben.

    Nach dem Tod seiner 1. Frau hat der Mann neu geheiratet und ein gem. Testament mit dieser neuen Frau erstellt, wonach sie sich gegenseitig eingesetzt haben und als Schlusserbin die Tochter der Frau aus deren 1. Ehe. Die 2. Ehefrau ist ebenfalls seit einigen Jahren ebenfalls verstorben.

    Der Mann hat einen Erbscheinsantrag nach der 2. Ehefrau gestellt, wonach er Alleinerbe nach diese geworden ist. Der Erbschein wurde antragsgemäß erteilt.

    Nunmehr ist der Mann verstorben und das Nachlassverfahren läuft nun erstmalig an unserem Amtsgericht.

    Meine Frage nun:

    Ist der Erbschein nach der 2. Ehefrau unwirksam? Meiner Meinung nach ja, weil der Ehemann durch die Bindungswirkung des Testaments mit der 1. Ehefrau nicht neu testieren konnte. Allerdings betrifft es ja den Nachlass der 2. Ehefrau. Sie durfte ja neu testieren. Daher bin ich doch etwas unsicher.

    Ich hoffe, ihr versteht den Fall und könnt mir helfen.

    Danke und Liebe Grüße

  • Wenn man davon ausgeht, dass der Ehemann an die im gemeinschaftlichen Testament mit seiner ersten Ehefrau verfügte Schlusserbeneinsetzung gebunden war, konnte er durch das mit seiner zweiten Ehefrau errichtete gemeinschaftliche Testament seine zweite Ehefrau nicht wirksam zur Alleinerbin einsetzen. Dies würde dann nach § 2270 Abs. 1 BGB bewirken, dass auch die seitens der zweiten Ehefrau zugunsten des Ehemannes getroffene Alleinerbeneinsetzung unwirksam ist, weil nicht anzunehmen ist, dass diese ihren Ehemann zum Alleinerben eingesetzt hätte, wenn sie gewusst hatte, dass jener sie umgekehrt nicht wirksam zur Alleinerbin einsetzen kann.

    Die Konsequenzen für den vorliegenden Erbfall des Ehemannes erscheinen klar: Der gemeinsame Sohn aus erster Ehe ist Alleinerbe.

    Eine andere Frage ist, wer die zweite Ehefrau des Erblassers beerbt hat. Ich würde insoweit dazu tendieren, dass die als Schlusserbin eingesetzte Tochter der Ehefrau als alleinige Ersatzerbin zum Zuge kommt.

  • Der Mann hat einen Erbscheinsantrag nach der 2. Ehefrau gestellt, wonach er Alleinerbe nach diese geworden ist. Der Erbschein wurde antragsgemäß erteilt.

    Da würde ich den zuständigen (Rechtspfleger) unverzüglich informieren, damit dieser den Erbschein kraftlos erklären kann.

    Eine andere Frage ist, wer die zweite Ehefrau des Erblassers beerbt hat. Ich würde insoweit dazu tendieren, dass die als Schlusserbin eingesetzte Tochter der Ehefrau als alleinige Ersatzerbin zum Zuge kommt.

    Würde ich auch so sehen, man kann aber auch zur Meinung kommen, dass das Testament nicht mehr greift und ein etwaiges älteres Testament oder gesetzliche Erbfolge greift.

    Wenn aber die Tochter auch in den anderen denkbaren Fällen Alleinerbin wäre, würde ich mir keine Gedanken darüber machen.

  • Der nach der zweiten Ehefrau erteilte Erbschein ist nicht "unwirksam" und er ist auch nicht für kraftlos zu erklären, sondern er ist inhaltlich unrichtig und daher einzuziehen.

    Ich gehe nicht davon aus, dass die zweite Ehefrau wollte, dass ihr Ehemann als gesetzlicher Miterbe zum Zuge kommt, wenn dieser sie seinerseits nicht wechselbezüglich wirksam zur Alleinerbin einsetzen konnte.

  • Ich danke euch für eure Meinungen, die meine Ansicht stärkt. Ich habe das Amtsgericht bereits darauf hingewiesen und angeregt, den Erbschein nach der 2. Ehefrau, die den Mann als Alleinerben ausweist, einzuziehen. Dieses teilt mit, dass der Erbschein im Einklang mit der materiellen Erblage steht und eine Einziehung nicht in Betracht kommt.

    Das hatte mich eben verwirrt und ich habe hier erstmal angefragt.

    Ich würde jetzt noch einmal "beantragen", den Erbschein einzuziehen. Ich würde darauf hinweisen, förmlich darüber zu entscheiden. Sollte dieses die Einziehung aber weiter ablehnen, steht mir sicher kein Beschwerderecht zu?!

  • Nun ja, vielleicht sollte das NachlG den § 2270 Abs. 1 BGB mal lesen.

    Sei es wie es sei: Der zum Schlusserben berufene Sohn des Erblassers wird die Einziehung des nach der zweiten Ehefrau des Erblassers erteilten Erbscheins sicher nicht anregen, weil er ihm zum Vorteil gereicht (Nachlass der zweiten Ehefrau des Erblassers im Nachlass des Erblassers). Aber die Tochter der zweiten Ehefrau sollte insoweit doch wohl sicher tätig werden, sobald sie von der Sachlage erfährt. Das NachlG müsste sie jedenfalls insoweit anhören, da bereits von dritter Seite die Einziehung angeregt wurde.

  • der Erbschein im Einklang mit der materiellen Erblage steht u

    Was verbirgt sich denn hinter der Formulierung? Ist mir gänzlich neu....

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Theoretisch denkbar ist es natürlich, dass der Erbschein richtig ist. Wenn die Auslegung des Testamentes zum Ergebnis kommt, dass die Einsetzung des Ehemanns durch die 2. Ehefrau nicht wechselbezüglich erfolgt ist. Das ist aber natürlich reichlich unwahrscheinlich.

    Ich würde beim Nachlassgericht wohl erneut unter Darlegung der Rechtslage anregen die eigene Auffassung zu überdenken.

  • Die Tochter muss doch im jetzigen Erbscheinsverfahren benachrichtigt werden, da zu ihren Gunsten ein (unwirksames) Testament existiert. Wäre dort nicht ein Hinweis sinnvoll, dass sie sich beraten lassen soll, weil das Nachlassgericht ihr nicht sagen kann/darf, welche Folgen dies für die Erbfolge nach ihrer Mutter hat, z.B. die Frage, ob sie ihre Mutter allein beerbt hat und der Erbschein vom ... unrichtig und damit einzuziehen ist?

  • Also aus meiner Sicht ist das ein Lehrbuchfall des § 2270 BGB und der Erbschein auf die zweite Frau ist unrichtig und muss eingezogen werden. Ohne das Testament gelesen zu haben, müsste ja schon ziemlich viel zusammen kommen, dass man von der mMn hier einschlägigen Zweifelsfallregelung des § 2270 Abs. 2 zur Wechselbezüglichleit Abstand nehmen könnte, oder?

    Wie ein weiser Dozent zu sagen pflegte:

    • Das haben wir schon immer so gemacht.
    • Dafür gibt 's keinen Kommentar.
    • Wo kämen wir denn da hin?
  • Ein Zweifel besteht nicht, wenn das erste Testament eine Befreiungsklausel (vgl. Grüneberg, BGB, § 2270, Rn. 2) enthält, z.B.:
    "Der überlebende Ehegatte kann über sein eigenes Vermögen und das ererbte frei verfügen".
    Dann ist nix mit Bindung.

    Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten (H.-J. Watzke). :cool:

    Einmal editiert, zuletzt von Spaltenmuckel (7. Juli 2025 um 13:55)

  • Ein Zweifel besteht nicht, wenn das erste Testament eine Befreiungsklausel (vgl. Grüneberg, BGB, § 2270, Rn. 2) enthält, z.B.:
    "Der überlebende Ehegatte kann über sein eigenes Vermögen und das ererbte frei verfügen".
    Dann ist nix mit Bindung.

    Lt. SV enthält das 1. Testament keine Öffnungsklausel.

    Aber der Ehemann hätte - wirksam - neu testieren können, wenn er das Erbe nach seiner 1. Ehefrau ausgeschlagen oder nach der erneuten Eheschließung seine Annahme angefochten hätte. Dazu ist bislang nichts bekannt.

  • Dann macht die Klausel aber nicht viel Sinn.
    Falls keine Testamentsvollstreckung oder Nacherbschaft angeordnet wurde,
    kann der überlebende Ehegatte sowieso rechtsgeschäftlich frei verfügen.

    Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten (H.-J. Watzke). :cool:

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