Vormundschaft für Neugeborenes aufgrund Schwerbehinderung der Mutter

  • Der Großvater eines vor ca. zwei Monaten geborenen Kindes teilt mit, dass seine Tochter und Mutter des Neugeborenen zu 100 % schwerbehindert ist und beantragt das Sorgerecht für seinen Enkel. Genauere Angaben werden nicht gemacht.

    Meines Erachtens ist hier erst zu ermitteln, ob die Kindsmutter geschäftsfähig ist oder nicht. Somit wäre der Richter zuständig.

    Wie seht Ihr das?

  • Möglicherweise steht die Tochter unter Betreuung, dann Einsicht in die Betreuungsakte. "100 % schwerbehindert" kann alles mögliche bedeuten.

    Wenn für die Tochter keine Betreuung angeordnet ist, dann das volle Programm.

    »Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustandegekommen sind.«
    Charles de Gaulle (1890 − 1970)

  • Die zu klärende Frage ist erstmal, ob die Mutter geschäftsfähig ist oder nicht. Bei Geschäftsunfähigkeit gilt § 1673 Abs. 1 BGB, die Feststellung hierzu erfordert ein entsprechendes Gutachten und ist grundsätzlich mal Rechtspflegerzuständigkeit, sofern nicht gleichzeitig die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater zu prüfen ist (Richterzuständigkeit bei § 1678 Abs. 2 BGB).

    Ob da jetzt eine Betreuung besteht oder nicht, kann dir egal sein. Die sagt nichts über die Geschäftsfähigkeit aus und auch das Gutachten im Betreuungsverfahren beschäftigt sich selten ausdrücklich damit.

  • Da der Großvater die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich beantragt, würde ich die Akte zunächst dem Richter vorlegen.

    Im Betreff des Schreibens steht: "Antrag auf Vormundschaft für...". Es folgt der ausdrückliche Antrag des Gr0ßvaters auf Übertragung des Sorgerechts auf ihn.

    Mit welcher Begründung könnte man die Akte dem Richter vorlegen? Dass inhaltlich die Übertragung des Sorgerechts beantragt ist?

  • Sehe es wie #3. Zu klären ist, ob die Schwerbehinderung ein rechtliches Hindernis im Sinne des § 1673 BGB oder auch ein tatsächliches Hindernis im Sinne des § 1674 BGB darstellt (zweiteres zum Beispiel, wenn sie zwar nicht geschäftsunfähig ist, aber die Behinderung sie doch so sehr beeinträchtigt, dass sie keine dem Kindeswohl dienlichen Entscheidungen treffen kann).

    Beides ist Rechtspflegerzuständigkeit.

  • Sehe es wie #3. Zu klären ist, ob die Schwerbehinderung ein rechtliches Hindernis im Sinne des § 1673 BGB oder auch ein tatsächliches Hindernis im Sinne des § 1674 BGB darstellt (zweiteres zum Beispiel, wenn sie zwar nicht geschäftsunfähig ist, aber die Behinderung sie doch so sehr beeinträchtigt, dass sie keine dem Kindeswohl dienlichen Entscheidungen treffen kann).

    Beides ist Rechtspflegerzuständigkeit.

    Woraus entnimmst Du, dass eine tatsächliche Verhinderung vorliegt (§ 1674 I), wenn die Mutter keine „kindeswohldienlichen“ Entscheidungen treffen kann?

  • Sehe es wie #3. Zu klären ist, ob die Schwerbehinderung ein rechtliches Hindernis im Sinne des § 1673 BGB oder auch ein tatsächliches Hindernis im Sinne des § 1674 BGB darstellt (zweiteres zum Beispiel, wenn sie zwar nicht geschäftsunfähig ist, aber die Behinderung sie doch so sehr beeinträchtigt, dass sie keine dem Kindeswohl dienlichen Entscheidungen treffen kann).

    Beides ist Rechtspflegerzuständigkeit.

    Woraus entnimmst Du, dass eine tatsächliche Verhinderung vorliegt (§ 1674 I), wenn die Mutter keine „kindeswohldienlichen“ Entscheidungen treffen kann?

    Weil entsprechende Probleme bei zB psychischen Erkrankungen solche darstellen können, vgl. so ziemlich jede Literatur (bsp.: BeckOK 2025, § 1674 BGB, Rn. 9-10, MüKo 2024, § 1674 BGB, Rn. 8).

  • Sorry, da steht aber nichts davon, dass es sich um die Unfähigkeit handeln muss, eine „kindeswohldienliche“ Entscheidung zu treffen. Darum ging es mir aber in meiner Frage. Die totale Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen, ist etwas anderes.

  • Wenn die elterliche Sorge tatsächlich nicht ausgeübt werden kann bzw. ruht, wäre dies ein Fall für eine Vormundschaft und somit in der Zuständigkeit des Rechtspflegers.

    Mit dem Betreff "Antrag auf Vormundschaft für..." und dem im Scheiben enthaltenen Antrag "...auf Übertragung der elterlichen Sorge..." und der Angabe der 100 % Schwerbehinderung, ohne Einzelheiten zu nennen (dies könnte auch eine rein körperliche Behinderung sein, die grundsätzlich keinen Einfluss auf die elterliche Sorge hat), ist tatsächlich nicht klar, in welche Richtung es gehen soll.

    M. E. müssten die näheren Umstände beim Großvater schriftlich erfragt werden. Das würde ich veranlassen.

    Je nach Ergebnis würde ich die Sache dann selbst bearbeiten oder dem Richter vorlegen.

    Möglich wäre auch, das Jugendamt um eine Stellungnahme zu bitten und dann über die Zuständigkeit zu entscheiden.

    Was würdet Ihr tun?

  • Es als Anregung nach § 1674 BGB betrachten, Verfahrensbeistand bestellen, Stellungnahme des Jugendamtes anfordern, dann einen Anhörungstermin anberaumen, zu welchem Großvater und Kindesmutter geladen werden. Du hast dann hoffentlich alle Informationen, um eine sachgerechte Entscheidung zu treffen.

  • Es als Anregung nach § 1674 BGB betrachten,...

    Das würde ich ohne nähere Ermittlung des Sachverhalts (Nachfrage beim Großvater) nicht machen. Am Ende kommt man ggf. zur Richterzuständigkeit und alles war umsonst.

    Der Antrag des Großvaters ist bereits in sich widersprüchlich. Möchte er dass ein Vormund bestellt wird oder soll seiner Tochter die elterliche Sorge entzogen und ihm übertragen werden?

  • Vielleicht sollte man dem Wortlaut des "Antrags" des Großvaters nicht so viel Bedeutung beimessen. Es handelt sich hierbei (unterstelle ich zumindest einfach mal) um einen juristischen Laien. Es ist rechtlich alleine schon gar nicht möglich, die elterliche Sorge auf jemand anderen als auf die Eltern(teile) zu übertragen, vom Sonderfall des § 1630 Abs. 3 BGB mal abgesehen.
    Im Rahmen der Auslegung kommt man also recht schnell zu dem Ergebnis, dass entweder ein Ruhen oder Entzug der elterlichen Sorge mit anschließender Anordnung Vormundschaft gewollt ist.
    Dem bisherigen Vortrag nach steht hier eher ein Ruhen im Raum. Falls sich im Verfahrensverlauf was anderes ergibt (z.B. dass die Übertragung auf den Vater in Frage kommt, zu dem wurde bisher noch gar nichts geschrieben), kann man es doch immer noch problemlos dem Richter vorlegen.

  • Zur Aufklärung des Sachverhalts habe ich den Großvater angeschrieben und um nähere Erläuterungen gebeten.

    Dieser hat sich innerhalb der gesetzten Frist nicht gemeldet. Mein Gefühl sagt mir, dass er sich auch auf ein zweites Schreiben von mir nicht melden wird. Außerdem ist aufgrund der sehr dürftigen Angaben auch eine Kindeswohlgefährdung nicht auszuschließen. Man kann also nicht ewig warten.

    Ich habe nach wie vor das Problem, dass ich im Prinzip gar nichts weiß und so auch nicht beurteilen kann, ob Richter- oder Rechtspflegerzuständigkeit besteht.

    Was kann man in einem solchen Fall tun?

  • Außerdem ist aufgrund der sehr dürftigen Angaben auch eine Kindeswohlgefährdung nicht auszuschließen. Man kann also nicht ewig warten.

    Ich habe nach wie vor das Problem, dass ich im Prinzip gar nichts weiß und so auch nicht beurteilen kann, ob Richter- oder Rechtspflegerzuständigkeit besteht.

    Was kann man in einem solchen Fall tun?

    Was soll man da tun? Eine volljährige Frau hat ein Kind bekommen. Solange nicht konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Kindeswohl gefährdet wird - und da sind Krankenhäuser, Geburtshelfer etc. in der Regel nicht übermäßig zurückhaltend - bleibt es bei der gesetzlichen Regelung. Die Mutter ist sorgeberechtigt und das Gericht hält sich aus dem Leben der Bürger heraus.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung. Warum ist die Akte immer noch offen? Wenn Du Dich nicht selbst traust, das Ding zu schließen, lasse das eben den Richter wegen des Antrags auf Übertragung der elterlichen Sorge tun.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Zur Aufklärung des Sachverhalts habe ich den Großvater angeschrieben und um nähere Erläuterungen gebeten.

    Dieser hat sich innerhalb der gesetzten Frist nicht gemeldet. Mein Gefühl sagt mir, dass er sich auch auf ein zweites Schreiben von mir nicht melden wird. Außerdem ist aufgrund der sehr dürftigen Angaben auch eine Kindeswohlgefährdung nicht auszuschließen. Man kann also nicht ewig warten.

    Ich habe nach wie vor das Problem, dass ich im Prinzip gar nichts weiß und so auch nicht beurteilen kann, ob Richter- oder Rechtspflegerzuständigkeit besteht.

    Was kann man in einem solchen Fall tun?

    Wenn aus deiner Sicht eine Kindeswohlgefährdung nicht auszuschließen ist (wofür es keine Anhaltspunkte gibt, sehe ich genauso wie in #17 und #18 schon gesagt), wieso beschäftigst du dich dann seit > 3 Wochen mit der Frage der funktionellen Zuständigkeit?

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