Bundesrat will Beratungshilfe für Hartz-IV-Empfänger einschränken


  • Die Schlagzeile ist einfach nur reißerisch. Mit dem eigentlichen Inhalt hat es nicht viel zu tun und außerdem betrifft es nicht nur Leistungsbezieher.


    Es klingt hier, als wolle der Gesetzgeber direkt gegen Leute vorgehen die Leitungen nach SGB II bekommen - das stimmt so aber nicht; es geht um alle Antragsteller der BerH



    Damit (und in dem anderen genannten Thread) ist eigentlich alles gesagt.


    es würde mich schon interessieren wie Du einem ALG - II - Empfänger der Nichtraucher, Nichttrinker, Nicht - TV - Besitzer, Nicht - Online - Spieler und Nichtflirter am Telefon ist



    Wie realistisch...

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • ...

    [quote='Studierender','RE: Bundesrat will Beratungshilfe für Hartz-IV-Empfänger einschränken']
    es würde mich schon interessieren wie Du einem ALG - II - Empfänger der Nichtraucher, Nichttrinker, Nicht - TV - Besitzer, Nicht - Online - Spieler und Nichtflirter am Telefon ist



    Wie realistisch...



    Das ist nicht so unrealistisch. Kenne genug Leute die bis auf TV, nicht Premiere, keines dieser Laster haben. Sind zwar nicht die typischen Menschen wie Bild sie gern beschreibt, aber zum Glück gibt es diese Menschen noch in unserer Gesellschaft.

    An der Uni trifft man halt noch reale Menschen.

    Mit freundlichem Gruß
    Studierender

  • Nun dann nennen wir es ein bischen anders.
    Der Gesetzgeber beabsichtigt gegen die Menschen vorzugehen die sich eine Beratung mal eben nicht aus der Portokasse leisten können.
    Ein Schelm, wer da vorrangig an ALG - II - Empfänger denkt.



    Mal ne Frage am Rande: inwieweit hast/hattest Du bisher in der Praxis mit BerH zu tun?




    Als Student? Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen.

    Mit freundlichem Gruß
    Studierender


  • Als Student? Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen.



    Dann in den Semesterferien ab zum AG, 4 Wochen Beratungshilfe und Du lernst die Menschheit von einer ganze anderen Seite kennen. :D

    Wie reden hier nicht über den armen ALG Empfänger, der sich gegen eine unberechtigter Forderung wehren will. Der wird auch weiterhin seinen Schein bekommen.

  • Der beabsichtigte Eigenanteil entspricht einer halben Stange Zigaretten, dem Monatspreis von Premiere, einem kleinen Einsatz im Onlinecasino oder 6 Minuten Handytelefonie mit der Flirtline.... und sollte als Gegenleistung für die Aushändigung des Beratungshilfescheins direkt beim AG gezahlt werden müssen.




    Da kann ich mich nur anschließen:
    Zur Zeit gibt es ja auch nur Beratungsgutscheine. Jeder der eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, sollte sich im klaren sein, dass es was kostet.
    Jeder der ein Anwalt aus eigener Tasche bezahlen muss, macht sich erst einmal schlau. Das kostet bei unserer Verbraucherzentrale für mich 5,00 EUR und für ALG II-Bezieher meines Wissens 0,00 EUR. Oder mal in die Bücherei und ein wenig in einem Test-Heft schmöckern; das hilft auch und kostet gar nichts.


  • Als Student? Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen.



    Dann in den Semesterferien ab zum AG, 4 Wochen Beratungshilfe und Du lernst die Menschheit von einer ganze anderen Seite kennen. :D

    Wie reden hier nicht über den armen ALG Empfänger, der sich gegen eine unberechtigter Forderung wehren will. Der wird auch weiterhin seinen Schein bekommen.



    da kann ich mich himmel nur anschließen. die praxis sieht nämlich so wie bereits oben beschrieben aus. die meisten antragsteller sind wiederholungstäter, die man mehrmals im jahr vor sich sitzen hat. und das häufig auch bei sachen, die man mit ein wenig engagement selber regeln kann, ohne dass sofort ein anwalt benötigt wird.
    es ist ja nicht so, dass die beratungshilfe generell verweigert werden soll, sie soll nur darauf beschränkt werden werden, wozu sie wirklich gebraucht wird: demjenigen den notwendigen rechtschutz mit unterstützung gewähren, der ihn auch wirklich braucht

  • Die Diskussion bewegt sich größtenteils außerhalb meiner eigentlichen Sphäre.

    Aber da wiederholt davon gesprochen wurde "dem armen SGB-II-Bezieher" seine letzte Möglichkeit zum Widerstand zu geben sollte man sich vor Augen führen, dass sich die Möglichkeit, sich z.B. gegen einen ARGE-Bescheid zu wehren nicht in einer rechtsanwaltlichen Beratung oder Vertretung erschöpft.

    Die Verfahren vor den Sozialgerichten sind für Versicherte nach wie vor gerichtskostenfrei. Auch die Kosten der (obsiegenden) Gegenseite müssen grundsätzlich nicht getragen werden. Wenn der Richter Erfolgsaussichten bejaht, kann Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Hinzu kommt der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 103 SGG). In dringenden Fällen kann ein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung gestellt werden.

    Insgesamt meines Erachtens also ein durchaus geeignetes Istrumentarium um rechtsfehlerhaften Behördenentscheidungen o.ä. zu begegnen. Außerdem ist es für den Leistungsempfänger in der Regel völlig kostenfrei.

    Wie gesagt: Dass nur am Rande, damit man sich in Erinnerung rufen kann, dass eine gewisse Einschränkung im Bereich der Beratungshilfe nicht zwangsläufig den Wegfall jeglicher Verteidigungsmöglichkeiten mit sich ziehen muss.

  • So, nun ist der Gesetzesentwurf wohl endgültig "drin", da zumindest heute seitens des bdr der aktuelle Entwurf übersandt hat.

    Ich habe ihn noch nicht ganz gelesen, dennoch erscheint es mir, als seien einige Änderungen ( unglücklückliche ) vorgenommen worden. Insbesondere das mit dem guten Glauben der RAE macht mir zu schaffen. Genauso, dass die nachträgliche Beratungshilfe wohl doch nicht abgeschafft wird.

    Was meint ihr ? Ich bin dafür, dass die Praktiker doch nochmals ihre Meinung in einer Stellungnahme abgeben sollten.

  • ... Ich habe ihn noch nicht ganz gelesen, dennoch erscheint es mir, als seien einige Änderungen ( unglücklückliche ) vorgenommen worden. Insbesondere das mit dem guten Glauben der RAE macht mir zu schaffen. Genauso, dass die nachträgliche Beratungshilfe wohl doch nicht abgeschafft wird. ...


    Das die nachträgliche Beratungshilfe nicht abgeschafft werden soll, ist übrigens falsch. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf (2007) und auch der jetzige sehen vor, dass nur die anwaltlichen Beratungsstellen (gibt es nur in wenigen Bundesländern) nachträglich Anträge stellen dürfen. Nach dem Gesetzesentwurf von 2007 sollte anlässlich der Vergütungsfestsetzung über eine Notwendigkeit der Vertretung (durch den Rechtspfleger, nicht durch den UdG) entschieden werden, also nachträglich. In meiner Stellungnahme an das JM RLP habe ich mich gegen diesen Ansatz gewehrt, da er dogmatisch falsch ist. Die jetzige Fassung sieht vor, dass die bereits bewilligte Beratungshilfe durch Beratung bei Notwendigkeit auch auf die Vertretung zu erstrecken ist. Nur diese Erstreckung der bereits bewilligten Beratungshilfe soll auch nachträglich möglich sein.

    Nachtrag: Ministerin Zypries hat sich im Bundesrat übrigens gegen die Abschaffung der nachtr. BerH ausgesprochen.

    Einmal editiert, zuletzt von Manfred (14. Oktober 2008 um 21:46)

  • Ich hab den eingebrachten Entwurf mal schnell überflogen:

    • die nachträgliche Bewilligung durch RAe soll abgeschafft werden; ob ich das positiv finden soll oder nicht bin ich mir ehrlich gesagt selbst nicht im Klaren, da ich mit der nachträglichen Bewilligung durchaus gute Erfahrungen gemacht habe
    • die Senkung der Eigenbeteiligung von 30 auf 20 € sehe ich mit gemischten Gefühlen
    • ansonsten ist mir keine wirkliche Veränderung um "alten" Entwurf aufgefallen (vom Erinnerungsrecht der Staatskasse halte ich immer noch nix und sehe dieses auch verfassungsrechtlich als bedenklich an)


  • Gut so.


    Noch besser.


    Ohne Worte...

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • ... Ich habe ihn noch nicht ganz gelesen, dennoch erscheint es mir, als seien einige Änderungen ( unglücklückliche ) vorgenommen worden. Insbesondere das mit dem guten Glauben der RAE macht mir zu schaffen. Genauso, dass die nachträgliche Beratungshilfe wohl doch nicht abgeschafft wird. ...


    Das die nachträgliche Beratungshilfe nicht abgeschafft werden soll, ist übrigens falsch. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf (2007) und auch der jetzige sehen vor, dass nur die anwaltlichen Beratungsstellen (gibt es nur in wenigen Bundesländern) nachträglich Anträge stellen dürfen. Nach dem Gesetzesentwurf von 2007 sollte anlässlich der Vergütungsfestsetzung über eine Notwendigkeit der Vertretung (durch den Rechtspfleger, nicht durch den UdG) entschieden werden, also nachträglich. In meiner Stellungnahme an das JM RLP habe ich mich gegen diesen Ansatz gewehrt, da er dogmatisch falsch ist. Die jetzige Fassung sieht vor, dass die bereits bewilligte Beratungshilfe durch Beratung bei Notwendigkeit auch auf die Vertretung zu erstrecken ist. Nur diese Erstreckung der bereits bewilligten Beratungshilfe soll auch nachträglich möglich sein.

    Nachtrag: Ministerin Zypries hat sich im Bundesrat übrigens gegen die Abschaffung der nachtr. BerH ausgesprochen.




    Da war ich wohl ein bißchen zu schnell :)
    -> werde es mir mal in Ruhe durchlesen.

  • ... Ich habe ihn noch nicht ganz gelesen, dennoch erscheint es mir, als seien einige Änderungen ( unglücklückliche ) vorgenommen worden. Insbesondere das mit dem guten Glauben der RAE macht mir zu schaffen. Genauso, dass die nachträgliche Beratungshilfe wohl doch nicht abgeschafft wird. ...


    Das die nachträgliche Beratungshilfe nicht abgeschafft werden soll, ist übrigens falsch. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf (2007) und auch der jetzige sehen vor, dass nur die anwaltlichen Beratungsstellen (gibt es nur in wenigen Bundesländern) nachträglich Anträge stellen dürfen. Nach dem Gesetzesentwurf von 2007 sollte anlässlich der Vergütungsfestsetzung über eine Notwendigkeit der Vertretung (durch den Rechtspfleger, nicht durch den UdG) entschieden werden, also nachträglich. In meiner Stellungnahme an das JM RLP habe ich mich gegen diesen Ansatz gewehrt, da er dogmatisch falsch ist. Die jetzige Fassung sieht vor, dass die bereits bewilligte Beratungshilfe durch Beratung bei Notwendigkeit auch auf die Vertretung zu erstrecken ist. Nur diese Erstreckung der bereits bewilligten Beratungshilfe soll auch nachträglich möglich sein.

    Nachtrag: Ministerin Zypries hat sich im Bundesrat übrigens gegen die Abschaffung der nachtr. BerH ausgesprochen.




    Das lese ich jetzt nicht so:
    § 4 Abs. II letzter Satz sagt doch, dass der Antrag weiterhin nachträglich gestellt werden kann, wenn sich der Bürger an eine Stelle in § I wendet ( und das sind doch nicht nur die Beratungsstellen)

  • Ich bin immer noch der Meinung, dass das BerHG zu verbrennen ist und wie in Hamburg bundesweit öffentliche Rechtsberatungsstellen zu eröffnen sind.


    Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dann müssen dort Anwälte und Richter Dienst verrichten und die gewünschten Auskünfte erteilen.

    Billiger und besser gehts nimmer mehr... Richter sind auch mal an der Front äh "Basis des Volkes" und die jungen Anwälte können Erfahrung sammeln (und die Anwaltschaft hat ihre Sozialpflicht getan).

  • die Senkung der Eigenbeteiligung von 30 auf 20 € sehe ich mit gemischten Gefühlen

    :( Ich nehme immer nur 10 €, wie es in Ziff. 2500 RVG steht. Und die auch nicht immer.
    Die Abschaffung der nachträglichen Beantragung durch Anwälte finde ich nicht gut. Aber das ist ja schon in vielen Themen durchdiskutiert.

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

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