Erbausschlagung Nachlasspfleger

  • Der Nachlasspfleger kann sich mit seinen Handlungen nur im Rahmen dessen bewegen, was ihm das Rechtsinstitut der Nachlasspflegschaft mittels der ihm vom Gesetz verliehenen Rechtsmacht gestattet und der ihm im Bestellungsbeschluss verliehene Aufgabenkreis kann natürlich nicht über diese (maximalen) gesetzlichen Befugnisse hinausgehen.

    Aufgrund dieser Rechtslage ist es unstreitig nicht möglich, dass der Nachlasspfleger in erbfolgerelevanter Weise im Hinblick auf den Nachlass agiert, für den er bestellt ist: Er kann die Erbschaft für die unbekannten Erben weder annehmen noch ausschlagen und der kann auch keinen Erbscheinsantrag stellen.

    Es ist seit jeher streitig, ob das, was vorstehend für den Nachlass gilt, für den der Nachlasspfleger amtiert, auch für die Erbschaft eines anderen (Erst-)Nachlasses gilt, die dem Zweiterblasser zu seinen Lebzeiten angefallen war, die er aber bis zu seinem Ableben - bei laufender Ausschlagungsfrist - noch nicht angenommen oder ausgeschlagen hatte. Die bislang hM hat diese Frage verneit und deshalb war es bislang auch gängige Praxis, dass der Nachlasspfleger diese "Erbschaft in der Erbschaft" annehmen oder ausschlagen und diesbezüglich auch einen Erbscheinsantrag stellen konnte. Der BGH hat dieser herrschenden Ansicht nunmehr widersprochen und wenn ich es richtig sehe, sind alle, die sich hier bislang dazu geäußert haben, der Ansicht, dass dies eine Fehlentscheidung ist.

    Das ist die rechtliche Ausgangssituation.

    Wenn wir nunmehr für die weitere Diskussion unterstellen, dass die Rechtsauffassung des BGH zutrifft, so sind dem Nachlasspfleger des Zweitnachlasses die genannten Maßnahmen im Hinblick auf den Erstnachlass verwehrt, weil ihm die hierfür erforderlichen Befugnisse - bedingt durch die Besonderheiten der Nachlasspflegschaft - materiell nicht zustehen. Diese Feststellung führt dann zwangsläufig zu der Frage, wer denn überhaupt die Erbschaft des Erstnachlasses annehmen oder ausschlagen kann, wenn dem Nachlasspfleger des Zweitnachlasses diese Befugnis nicht zusteht. Hierfür kommt - und dies wurde hier auch bereits angesprochen (ohne dass es ausdiskutiert worden wäre) - einzig und alleine ein nach § 1913 BGB zu bestellender Pfleger in Betracht.

    Bevor ich mich näher mit den Befugnissen eines solchen Pflegers im Hinblick auf die vorliegende Streitfrage befasse, möchte ich betonen, dass die hier diskutierte Problematik der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft des Erstnachlasses nicht die einzige Fallgestaltung ist, bei welcher der nach § 1913 BGB bestellte Pfleger einspringt, wenn der Nachlasspfleger insoweit "ausfällt". Ich denke hier insbesondere an die bekannte Streitfrage, ob man eine originäre Erbteilspflegschaft für unbekannte Erben zu dem Zweck anordnen kann, sich an der Erbauseinandersetzung im Verhältnis zu den bekannten Erben zu beteiligen. Die Nachlassgerichte - und auch die Rechtsprechung - sind insoweit bekanntlich sehr zurückhaltend und deswegen hat sich der besagte Streit auch schon fast zu einer Glaubensfrage entwickelt. Dabei wird aber übersehen, dass das, was der Nachlasspfleger wegen der (auch hier unterstellten) systemimmanenten Beschränkung seiner Rechtsmacht nicht zu leisten vermag, natürlich ohne weiteres von einem nach § 1913 BGB zu bestellenden Pfleger geleistet werden kann, weil er diesen systemimmanenten Beschränkungen des Rechtsinstituts der Nachlasspflegschaft nicht unterliegt. Mit anderen Worten: Im Gegensatz zum Nachlasspfleger kann ein nach § 1913 BGB bestellter Pfleger den unbekannten Erben bei allen Rechtsgeschäften vertreten, die der Erbe auch selbst vornehmen könnte, ohne dass insoweit die Beschränkungen einer Nachlasspflegschaft Platz greifen.

    Und deshalb kann ein nach § 1913 BGB bestellter Pfleger - und jetzt sind wir wieder bei der aktuellen Problematik - die Erbschaft des (Zweit-)Nachlasses, für den der Nachlasspfleger amtiert, ihm Gegensatz zu diesem auch annehmen und ausschlagen (BGB-RGRK/Kregel § 2043 Rn. 4 sowie BGB-RGRK/Dickescheid § 1913 Rn. 14 - jeweils für die Erbannahme, aber für die Erbausschlagung kann natürlich - als Spiegelbild der Annahme - nichts anderes gelten). Und wenn er dies kann, dann kann er natürlich "erst recht" auch eine Erbschaft für die unbekannten Erben des Zweiterblassers annehmen und ausschlagen, die sich zugunsten des vor Ablauf der Ausschlagungsfrist verstorbenen Zweiterblassers aus einem Erstnachlass ergibt, welche dieser zu seinen Lebzeiten noch nicht angenommen oder ausgeschlagen hatte.

    Die Befugnisse eines Nachlasspflegers und diejenigen eines nach § 1913 BGB bestellten Pflegers sind also nicht identisch, denn wären sie es, könnte neben einem Nachlasspfleger nie ein Pfleger nach § 1913 BGB bestellt werden, weil es dadurch nicht zur materiellen Erschließung weiterer Befugnisse (die einem Nachlasspfleger nicht zustehen) kommen könnte. Diese Abgrenzung zwischen § 1960 BGB (als lex specialis im Verhältnis zu § 1913 BGB) und § 1913 BGB ist daher auch exakt der Punkt, der in jedem Kommentar für die Beurteilung der Frage diskutiert wird, wofür denn nun der Nachlasspfleger und wofür der Pfleger nach § 1913 BGB zuständig ist.

    Die Antwort auf diese Frage lautet: Der Pfleger nach § 1913 BGB kann für die unbekannten Erben alles tun, was der Nachlasspfleger nicht tun kann und umgekehrt darf er nichts tun, wofür der Nachlasspfleger zuständig ist.

    Und wenn nun streitig ist, was der Nachlasspfleger tun darf und was nicht, gibt es eben zwei denkbare Problemlösungen. Entweder man weist die betreffenden materiellen Befugnisse dem Nachlasspfleger zu (was wir hier alle im Gegensatz zum BGH für die vorliegende Problematik befürworten) oder man verneint - wie der BGH -, dass dem Nachlasspfleger diese Befugnisse zustehen. Im Falle einer solchen Verneinung ist die Diskussion aber noch nicht am Ende angelangt, denn aus dieser Verneinung folgt zwangsläufig, dass die besagten Befugnisse einem nach § 1913 BGB zu bestellenden Pfleger zustehen.

    Die Welt geht also nicht unter, wenn man dem Nachlasspfleger die betreffenden Befugnisse verwehrt, weil als Ausweichslösung - wie bei der angesprochenen Frage der Erbauseinandersetzung - immer noch § 1913 BGB zur Verfügung steht. Es liegt auf der Hand, dass diese Ausweichlösung nicht erstrebenswert ist (und deswegen "kämpft" man ja für die Nachlasspflegerlösung), weil sie zu einem unbefriedigenden Nebeneinander von nachlassgerichtlichen und betreuungsgerichtlichen Zuständigkeiten, zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung und zu erhöhten Kosten führt (Gerichtskosten, Pflegervergütung und Verfahrenspflegervergütung im betreuungsgerichtlichen Verfahren). Das ändert aber nichts daran, dass es diese Ausweichlösung gibt und dass man sich ihr als "letzter Ausweg" auch bedienen kann. Es liegt allerdings nahe, dass die Betreuungsgerichte angesichts dieser "neuen" Aufgaben keine Freudensprünge vollführen werden (was man ja auch verstehen kann).

    Der BGH hat die Befugnis eines Zweit-Nachlasspflegers, eine Ersterbschaft anzunehmen oder ausschlagen, mit der Begründung verneint, dass dies Aufgaben seien, die dem Rechtsinstitut der Nachlasspflegschaft fremd sind. Er hat aber - wie sollte er auch - nicht den Grundsatz in Frage gestellt, dass eine Erbschaft von einem gesetzlichen Vertreter (also etwa von den Eltern für ihre minderjährigen Kinder) angenommen oder ausgeschlagen werden kann. Nur muss dies in den hier einschlägigen Fällen dann eben ein anderer gesetzlicher Vertreter als der Nachlasspfleger sein.

    Ich rechne aus den genannten Gründen nicht damit, dass der BGH - sollte er mit dieser Frage überhaupt befasst werden und hierfür wäre (weil Angelegenheiten des Betreuungsgerichts in Frage stehen) letztlich auch ein anderer Senat zuständig - auch die entsprechenden Befugnisse eines nach § 1913 BGB zu bestellenden Pflegers verneint, weil auch jeder andere gesetzliche Vertreter (etwa die Eltern) für die von ihr jeweils vertretene Person sog. "höchstpersönliche" Entscheidungen treffen kann. Der Nachlasspfleger kann dies nach Ansicht des BGH nur wegen der Besonderheiten des Rechtsinstituts der Nachlasspflegschaft nicht. Diese systemimmanenten Beschränkungen gelten aber für einen nach § 1913 BGB bestellten Pfleger nicht.

    Sollte der BGH wider Erwarten auch einem nach § 1913 BGB bestellten Pfleger die besagten Befugnisse verweigern, könnte überhaupt niemand die Erbschaft des Erstnachlasses annehmen oder ausschlagen, solange die Erben des Zweitnachlasses nicht ermittelt sind (was bekanntlich Jahre dauern kann). Damit würde das Annahme- und Ausschlagungsrecht im Hinblick auf den Erstnachlass zur res extra commercium. Dies wäre in der Tat ein völlig unannehmbares Ergebnis, weil dann sowohl der Erstnachlass als auch der Zweitnachlass in verwaltungsmäßiger Hinsicht bis zum Abschluss der Erbenermittlung beim Zweiterbfall brach liegen.

    Unabhängig von den vorstehenden Überlegungen halte ich die Entscheidung des BGH aber gleichwohl für völlig verfehlt. Bevor man Entscheidungen mit derart weitreichenden Konsequenzen trifft und seit Jahrzehnten bewährte Verfahrensweisen mit leichter Hand vom Tisch wischt, sollte man vielleicht ein wenig über den Tellerrand des zur Entscheidung stehenden Sachverhalts hinausblicken, bevor man die Tätigkeit von Nachlasspflegern und Nachlassgerichten im gesamten Bundesgebiet ohne Not erschwert und beeinträchtigt.

  • ... Nicht zu folgen ist auch den weiteren Ausführungen des BGH zum Betreuungsrecht, wonach der Betreuer nur ausschlagen könne, wenn der Betroffene geschäftsunfähig ist. Diese Annahme verkennt den anerkannten Grundsatz des möglichen "Doppelhandelns" von Betreuer und geschäftsunfähigem Betroffenen, ...

    Ich kann der Auffassung des BGH voll und ganz zustimmen. Weil eben die rechtliche Vertretung schon seit 1992 nur erfolgen soll, wenn der Betroffene nicht selbst agieren kann! Was da ist geschäftsunfähigkeit oder auch tatsächlich wegen einer komatösen Abwesenheit.


    Die Betreuungsrechtsreform ab 1.1.2023 bringt es eben nochmals deutlich zum Ausdruck: notfalls vertreten!


    Wie Du es schon nennst, der gelebte Grundsatz, dass haben wir schon immer so gemacht, ist ja gerade durch die VN Behindertenkonvention angeprangert worden!


    Da ich als Guter Mensch in meiner Funktion als Rechtlicher Betreuer nicht über den Kopf meiner Betroffenen entscheide (außer Notfalls), wie es Gutmenschen als rechtliche Betreuer machen, da sie ja wissen und eben auch bestimmen, was für den Betroffen gut ist, ist mein Arbeitstag zu 80% damit ausgefüllt, dem Umfeld meiner Betroffenen Sinn, Zweck und Grenzen der Rechtlichen Betreuung zu erklären.

    Für mich gilt dies im Übrigen auch bzgl. der Vorsorgevollmacht. Diese, manchmal steht es auch drin, soll eben auch erst greifen, wenn der Vorsorgevollmachtgeber nicht mehr selbst agieren kann.

    Da es aber eine unter Vertragsfreiheit stehende privatrechtliche Angelegenheit ist, agieren Geber und Nehmer aus gelebter Tradition scheinbar permanent nebeneinander. Oft widersprüchlich, und ganz oft der Nehmer gegen den Willen und den Wünschen des Gebers!

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    “Das tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut.” Marc-Uwe Kling, Die Känguru Chroniken
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  • Im Grundbuch- und Bankverkehr funktioniert aber eine Vorsorgevollmacht nicht, die nur für den Fall der Geschäftsunfähigkeit erteilt wird, weil der Eintritt dieser Bedingung im Grundbuchverfahren nicht förmlich nachweisbar und auch sonst nicht rechtssicher nachweisbar ist. Die Vorsorgevollmachten sind also mit gutem Grund im Außenverhältnis unbeschränkt. Klar ist natürlich, dass dies im Innenverhältnis geregelt ist und sich der seriöse Bevollmächtigte natürlich auch daran hält. Und wenn der Vollmachtgeber kein absolutes Vertrauen zum Vollmachtnehmer hat, stattet er ihn ohnehin nicht im Außenverhältnis mit einer unbeschränkten Vollmacht aus.

    Bezüglich der Erbausschlagung durch den Betreuer muss ich widersprechen. Es geht nicht darum, dass der Betreuer natürlich nur in Absprache mit dem geschäftsfähigen Betroffenen eine Erbausschlagung erklären wird, sondern darum, ob er rein rechtlich zu einer Erbausschlagung in der Lage ist, selbst wenn der Betroffene geschäftsfähig ist. Nach dem geltenden Recht ist dies - entgegen der Ansicht des BGH - aber eindeutig der Fall, weil die Erbausschlagung nicht bei den erbrechtlichen Geschäften in § 1903 BGB aufgezählt ist, für die kein Einwilligungsvorbehalt zulässig ist. Einen Erbverzichtsvertrag als potentieller Erblasser kann der geschäftsfähige Betreute dagegen nur persönlich schließen, ohne dass er dabei durch seinen Betreuer vertreten werden kann (§ 1903 Abs. 2 Nr. 5 BGB i.V.m. § 2347 Abs. 2 S. 1 BGB). Für die Erbausschlagung gibt es aber keine entsprechende Regelung, sodass es bei der Doppelhandlungsbefugnis des Betreuers und des Betroffenen verbleibt. Dass der Betreuer ohne Rücksprache mit seinem geschäftsfähigen Betreuten nicht ausschlagen wird, steht auf einem anderen Blatt.

    Im vorliegenden Kontext geht es nur um das rechtliche Können und nicht über das rechtliche Sollen. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für die Annahme, ein geschäftsfähiger Betreuter könne nur selbst ausschlagen.

  • Im vorliegenden Kontext geht es nur um das rechtliche Können und nicht über das rechtliche Sollen. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für die Annahme, ein geschäftsfähiger Betreuter könne nur selbst ausschlagen.

    @ Cromwell

    OK, akzeptiert.
    Da der Gesetzgeber es wegen grundrechtsmäßiger Hemmnisse nicht besser fassen kann, werde ich wohl als Rechtlicher Betreuer weiter permanent den Unterschied zwischen meinem müssen, können, wollen und sollen für den Betroffenen mit dessen Umfeld diskutieren müssen. :D

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  • ARK
    Der BGH-Beschluss gesteht dem Betreuer das Recht zur Ausschlagung ja noch zu, jedenfalls dann, wenn der Betreute geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist. Dass der Wortlaut von § 1902 BGB eine Einschränkung der Vertretungsmacht des Betreuers nicht hergibt, scheint dem BGH egal zu sein.

    Das hilft aber alles nichts für das Thema Ausschlagung durch Nachlasspfleger. Der unbekannte Erbe wird zwar meistens geschäftsfähig sein (oder er hat einen Vertreter), aber solange er unbekannt ist, ist er nun mal nicht handlungsfähig.

    Cromwell
    Die Argumentation mit § 1913 BGB verstehe ich nicht. § 1960 BGB ist lex specialis zu § 1913 BGB. Das ist klar. Aber wo steht denn geschrieben, dass der Nachlasspfleger weniger Vertretungsmacht hat, als der 1913-Pfleger? Wenn eines Tages der Betreuungs-Senat des BGH dem Nachlass-Senat dahingehend folgt, dass die Erbausschlagung ein höööchstpersönliches Recht ist, dann wird er dieses Recht konsequenterweise auch dem Betreuer eines Geschäftsunfähigen und dem 1913-Pfleger absprechen.

  • Der Nachlasspfleger darf nicht weniger als ein nach § 1913 BGB bestellter Pfleger, sondern beide Pfleger haben unterschiedliche Befugnisse in dem Sinn, dass keiner von ihnen handeln kann, soweit der jeweils andere handeln kann, dass aber jeder von ihnen handeln kann, soweit dies der jeweils andere nicht kann. Deswegen ist es in der Abgrenzung zwischen § 1960 BGB und § 1913 BGB entscheidend, um welches Rechtsgeschäft es in concreto geht.

    Besonders plastisch lässt sich dies an der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft festmachen, für die der Nachlasspfleger amtiert. Der Nachlasspfleger kann die Erbschaft des Nachlasses, für den er bestellt ist, nicht für die unbekannten Erben annehmen oder ausschlagen, der nach § 1913 BGB für die unbekannten Erben bestellte Pfleger kann dies aber schon. Umgekehrt kann der nach § 1913 BGB bestellte Pfleger den Nachlass nicht sichern und nicht verwalten, weil dies dem Nachlasspfleger vorbehalten ist. Die jeweiligen Befugnisse schließen sich also gegenseitig aus.

    Also von den Befugnissen her kein Minus, sondern ein Aliud.

    Nebenbei: Einen beschränkt geschäftsfähigen Betreuten gibt es nicht. Er ist entweder geschäftsfähig oder er ist es eben nicht.

  • Dass ich als NLP für die von mir vertretenen Erben nicht annehmen oder ausschlagen kann, ist klar. Das ist schlicht nicht von meinem Wirkungskreis abgedeckt.

    Nehmen wir aber mal den Fall, dass wegen möglicher Unwirksamkeit eines Testaments für die unbekannten gesetzl. Erben ein Pfleger nach § 1913 BGB bestellt wird. Der vertritt die gesetzl. Erben in dem Erbscheinverfahren, das der test. Erbprätendent betreibt. Er ist anzuhören, kann Einwendungen vorbringen und so dafür sorgen, dass der ES-Antrag des test. Erben zurückgewiesen wird. So weit, so gut.

    Aber wo steht geschrieben, dass er für die unbekannten gesetzlichen Erben die Erbschaft annehmen oder ausschlagen kann? Dass hat alle Welt die letzten 122 Jahre einfach so angenommen. Wenn sich aber jetzt die Theorie von der Höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechts durchsetzt, könnte es damit vorbei sein

  • Du schilderst jetzt selbst einen Fall, nämlich die Vertretung im Erbscheinsverfahren für den Nachlass, für den der Nachlasspfleger bestellt ist, bei welchem dem Nachlasspfleger nicht die Befugnis zur Vertretung der unbekannten Erben zusteht. Außerdem stellst Du zu Recht fest, dass insoweit ein nach § 1913 BGB bestellter Pfleger für die unbekannten Erben im Erbscheinsverfahren agieren kann.

    Das ist genau das, was ich meine. Was der Nachlasspfleger nicht kann, das tut der Pfleger nach § 1913 BGB und Letzterer kann das nicht tun, wofür der Nachlasspfleger die Befugnis hat.

    Zur Frage der Erbschaftsannahme und Erbausschlagung durch den nach § 1913 BGB bestellten Pfleger hatte ich zwei Fundstellen aus dem BGB-RGRK zitiert.

  • 1. Glaube ich nicht, dass die Richter des BGH auch nur ansatzweise so tief gedanklich in der Pflegschafts-Materie unterwegs waren und sind wie Cromwell. Du beeindruckst mich immer wieder.

    2. Denke ich dennoch nicht oder genau deswegen, dass die nach BGH ach so höchstpersönliche Entscheidung bzgl. der Ausschlagung dann auf einen 1913 Pfleger übertragen werden kann - für den (wie gesagt) die gleichen Vorschriften und auch der ominöse § 1952 BGB (der ja angeblich wesentlich für die Höchtpersönlichkeit ist) gelten. Oder anders gesagt: Mit welcher Befugnis soll das Betreuungsgericht die Höchspersönlichkeit aufheben können? Weil es Betreuungsgericht und nicht Nachlassgericht ist? Ich bin da nicht mit dir übereinstimmend lieber Cromwell.

    Fakt ist, dass sich der BGH völlig vergaloppiert hat und in sich sehr widersprüchliche Aussagen bis hin zu beinahe laienhaften Verquickungen getroffen hat. Klar ist nur, dass der NLP nicht ausschlagen kann. Unklar ist aber, ob er annehmen (und wie vom BGH vorgeschlagen) ggf. Haftungsbeschränkungsmaßnahmen ergreifen kann. Schon an dem Punkt ist eigentlich nichts mehr klar und darum müssen wir uns meines Erachtens über 1913 Pfleger keine Gedanken machen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Danke! Sehr umfassende Anmerkung.

    Bleibt abzuwarten, was der BGH machen wird. Aber ich vermute mal, dass man sich dort mit einem „Revocatio“ schwer tun wird.

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  • Danke! Sehr umfassende Anmerkung.

    Dem kann ich mich nur anschließen. Auch inhaltlich bin ich mit der Anmerkung absolut konform.


    Aber ich vermute mal, dass man sich dort mit einem „Revocatio“ schwer tun wird.

    Das glaube ich auch. Auch wenn ich es richtig finde, wenn der BGH mit sowas eher zurückhaltend ist, scheint mir das vorliegend zweckmäßig. Da gibt es einfach viel zu viele beachtliche Punkte die der BGH gar nicht erst bedacht zu haben scheint.

  • Ich möchte hier mal zur Diskussion in den Raum werfen, ob nicht die besagte Rechtsprechung des BGH durch die Neufassung und Konkretisierung des § 1823 BGB hinfällig geworden sein könnte…

    Was meint ihr?

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (17. Januar 2023 um 08:01)

  • Nachdem der Vormund (und auch jeder Pfleger mit Ausnahme des Nachlasspflegers...) nach § 1793 BGB a.F. bereits unstreitig zur Erbausschlagung berechtigt war, sehe ich jetzt nicht, was die Neufassung daran ändern sollte.

    Problem ist und bleibt (die nach meiner Ansicht herbeifantasierte) Einschränkung beim Nachlasspfleger durch den BGH.

  • …die jetzt hinfällig sein könnte, weil der Gesetzgeber ein neu anzuwendendes Recht eingeführt hat, welches ausdrücklich aussagt, dass der Pfleger den Erben auch gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Das war zuvor nicht in der Deutlichkeit gestanden.

    Ich glaub schon, dass man mit der Einführung der neuen Vorschriften und den Begründungen in der Bundestagsdrucksache diese abwegigen „Höchstpersönlichkeitsrechte“ wegdiskutieren kann. Man muss es nur wollen und sich trauen.

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  • Ich denke nicht, dass man auf diesem Weg zu Ziel kommt, weil der BGH wegen des von ihm vertretenen Höchstpersönlichkeitsdogmas auch dem Betreuer eine Ausschlagung nur gestattet, wenn der Betreute geschäftsunfähig ist. Das ist zwar genauso unzutreffend wie die gleichgelagerte Argumentation beim Nachlasspfleger und beim Testamentsvollstrecker (für den Nachlass im Nachlass), aber nach der BGH-Rechtsprechung ergibt sich durch die im neuen Recht angeordnete andersartige gesetzliche Verweisung für die vorliegende Problematik keine Änderung. Wenn man das anders sehen möchte, muss man eben offen sagen, dass die BGH-Entscheidung falsch ist oder man muss den Weg über eine Pflegschaft nach § 1882 BGB (vormals § 1913 BGB) gehen.

  • Ein höchstpersönliches Recht kann auch nicht von einem 1882-Pfleger ausgeübt werden.

    Dann bleibt nur, die offenkundig falsche Rechtsprechung zu ignorieren bzw. eine baldige Neuvorlage an den BGH.

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  • …die jetzt hinfällig sein könnte, weil der Gesetzgeber ein neu anzuwendendes Recht eingeführt hat, welches ausdrücklich aussagt, dass der Pfleger den Erben auch gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Das war zuvor nicht in der Deutlichkeit gestanden.

    Ich glaub schon, dass man mit der Einführung der neuen Vorschriften und den Begründungen in der Bundestagsdrucksache diese abwegigen „Höchstpersönlichkeitsrechte“ wegdiskutieren kann. Man muss es nur wollen und sich trauen.

    naja. mit dem § 1823 BGB alleine kommt man nicht weiter. Wie Cromwell schon ausführte, nutz auch eine präzisierte gesetzliche Vertretungsbefugnis gerichtlich und außergerichtlich nichts, wenn man mit dem BGH meint, die Erbausschlagung sei eine höchstpersönliche Angelegenheit. grundlegend stimme ich dir aber zu, dass die besagte Rechtsprechung des BGH - wie jede - sich aufgrund des damals geltenden (Gesetzes-)Rechts ergibt, und ggf. infolge einer Gesetzesänderung (eben nur nicht § 1823 BGB) auch ändern kann. Das würde den BGH aktuell sicherlich (habe noch keine Norm gefunden, aus der sich das Gegenteil ergeben würde) nicht davon abhalten , auch unter dem neuen Recht die Höchstpersönlichkeit der Erbausschlagung auszusprechen. Helfen würde eine gesetzliche Ergänzug, etwa in der Weise, dass der Nachlasspfleger berechtigt ist, die Erbschaft an den Verstorbenen anzunehmen oder auszuschlagen (steht meines Erachtens schon im geltenden Recht, §§ 1888 i.V.m. 1851 BGB. Dass § 1952 die höchstpersönlichkeit des Ausschlagungsrechts begründen soll, vermag ich nach wie vor nicht ganz zu glauben...

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