Aufhebung des Bezirksschutzes bei den Gerichtsvollziehern

  • Am 10. Febr. 2010 fand im JM Stuttgart eine Anhörung zur Besprechung über die Lockerung des Bezirksschutzes im Gerichtsvollzieherwesen statt.
    Herr XXXXX eröffnete die Veranstaltung und gab einen Abriss über den Entwurf zur Lockerung des Bezirksschutzes innerhalb des
    Amtsgerichts.
    Grundlage der heutigen Besprechung sei der Bericht der Arbeitsgruppe der Staatssekretäre vom April 2009 zu den Reformvorschlägen im Gerichtsvollzieherwesen.
    Als erstes nahm XXXXX von der DJG zu dem Entwurf Stellung. Die Argumente, die er vorbrachte, wurden mehr oder weniger von allen Interessenvertretern gleichfalls vorgebracht. Im Konsens stößt der Entwurf auf grundsätzliche Ablehnung der Verbände, der
    Oberlandesgerichte sowie der Dienstaufsicht.
    XXXX führte aus, dass es nach Rücksprache bei den Kollegen keine Zustimmung zu diesem Entwurf gibt. Das Tätigkeitsfeld
    des Gerichtsvollziehers ist eine hoheitliche; mit der Lockerung des Bezirksschutzes ist die Neutralität und das unabhängige Handeln des Gerichtsvollziehers gefährdet. Der ausgewählte Gerichtsvollzieher wird bei großen bekannten Inkassounternehmen keine Kostenkorrektur mehr vornehmen. Er führte ferner an:
    -Übermäßige Belastung für den Schuldner
    -mehrfache Vollstreckungsversuche und Durchsuchungen in den
    Räumen des Schuldners
    -Koordinierung mehrerer Termine durch den Schuldner zur EV-Abgabe
    oder Ratenzahlungen
    - Durcheinander bei Abnahme der E.V. durch mehrere Gerichtsvollzieher
    - Verpflichtung zur Übernahme
    - Aufträge auch außerhalb des eigenen Bezirks
    - Verstoß gegen gesetzliches Leitbild der gütlichen Erledigung
    - Verstoß gegen das Beamtenrecht dadurch, dass Überlastung erzeugt wird.

    -Überlastung führt zu vorzeitiger Erkrankung und Frühpensionierung auf
    -Kosten der anderen Gerichtsvollzieher, wenn bei großen Gerichten wie
    Mannheim, Stuttgart usw. ein Gerichtsvollzieher z.B. alle Aufträge der
    GEZ erhält, ist der Gerichtsvollzieher nach kürzester Zeit überlastet.
    - Im Gegenzug führt die Auflösung des Bezirksschutzes bei manchen
    Kollegen zu Unterbelastung und somit zu Ertragsschwäche; Folge
    daraus sind zuhauf Bürokostenerstattungsanträge bei den OLG’s
    -eine gütliche Erledigung mit Ratenzahlungen wird schwieriger, eine
    Koordinierung bei mehreren GV‘s unmöglich
    - Problematik mit anderen Vollstreckungsorganen (Vollstreckungsgericht,
    Vollziehungsbeamte) besteht zwar, verschärft sich dann erheblich.
    Auch die Vertreter von Ver.di argumentierten ähnlich.

    Auch Kollege XXXX nahm auf die vorgebrachten Argumente ausführlich Bezug. Er betonte, dass der Gerichtsvollzieher nach jetziger
    Leseart keine Möglichkeit habe, Aufträge abzulehnen oder weiterzuleiten. Der frei zu wählende Gerichtsvollzieher ist ausschließlich
    für die Bearbeitung der Zwangsvollstreckungsaufträge zuständig. Er habe nach jetziger Gesetzeslage keine Möglichkeit, zu delegieren
    Die Möglichkeit, dass dem Namen nach bekannte Gerichtsvollzieher überwiegend beauftragt werden und weniger bekannte nicht, ist bei dieser Vorlage vorprogrammiert; es kommt somit zu einer erheblichen Auftragsverlagerung, einhergehend mit einer zu erwartenden Unwirtschaftlichkeit durch zu hohen Zeitaufwand und zu langen Wegstrecken (der GV muss alle Aufträge persönlich erledigen).
    Die Vertreter des JM bedankten sich für die sehr sachlich geführte Diskussion und waren doch sehr überrascht, dass von allen Beteiligten außerhalb des JM eine so starke Ablehnung ihres Entwurfes erfolgte. Sie konnten auch in der gesamten Diskussion keine aussagekräftigen Gegenargumente liefern.
    Dr. XXXXr versprach, die genannten Argumente in einem noch erheblich zu überarbeiteten Entwurf zu berücksichtigen.
    Er mache jedoch sehr deutlich, dass es politisch gewollt ist, den Bezirksschutz auf Amtsgerichtsebene aufzuheben. Daran ließ er keinen Zweifel.

    Es würde mich sehr interessieren was man hier im Forum dazu meint. Besonders problematisch ist für mich auch dass - wie im Entwurf - für den GV keine Möglichkeit vorgesehen ist den Auftrag bei Überlastung oder aus wirtschaftlichen Gründen (weite Entfernung des Schuldners) an einen anderen Kollegen abzugeben, der unter Umständen sein Büro näher am Wohnsitz des Schuldners hat. Dies kann dazu führen, dass man wegen eines einzelnen Auftrages bis zu 50- 100 Km und mehr über seine jetzige Bezirksgrenze hinausfahren muss. Viele GV's haben in den letzten Jahrzehnten ihre Büro's in der Nähe des Amtsbezirks eingerichtet wie es von der Justizverwaltung ja auch gefordert war. Viele Schuldner haben kein Fahrzeug und in ländlichen Bezirken ist das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel nicht gut. Gerade bei EV-Terminen hat es sich herausgestellt, dass Schuldner mit weiten Wegen einfach nicht mehr erscheinen und warten dass sie dann später aufgrund des Haftbefehls die EV (irgendwann am Abend) in ihrer Wohnung abgeben können.

  • Höre ich jetzt zum ersten Mal.:eek:

    Ich dachte , der Bezirksschutz würde erst fallen , wenn es irgendwann mal ( nach Grundgesetzänderung )zum "beliehenen" Gerichtsvollzieher kommt.

    Na dann gut Nacht liebe Gerichtsvollzieherein in Ba-Wü.:daumenrun

    Passt aber natürlich in den Kontext der ausgebrochenen Privatisiererei dieser Landeskoalition .
    Vgl. auch Notariate auflösen, Fordungsmanagement durch Fa. info**** etc.

    Da sieht man mak wieder , dass Politik wie so häufig gegen Sachargumente -gerade im Bereich des angestrebten Outsourcings - resistent ist.

    Wenn das so kommt , bedaure ich schon jetzt die GVZ in meinem Bezirk.
    Überall gibt es "fleißigere" Kollegen unter den GVZ , die noch bei den Prüfungen angeben , das sie - angesichts einer Belastung von z.B. 160 % - nur schwach überlastet fühlen.
    Na die werden dann den anderen, die nur 130 % belastet sind, das Wasser wegen des Konkurrenzkampfes ganz schön abgraben.

    Finde ich unmöglich und daher ::daumenrun:daumenrun

  • Statt sich bei dicker Bezahlung mit so einem Schwachsinn auseinanderzusetzen, hätten die Damen/Herren Politiker mal einen Englisch-Kurs buchen sollen, damit sie endlich mal den Sinn dieses Schildes verstehen: [Blockierte Grafik: http://www.schildersmilies.de/schilder/ntars.gif]

  • Vielen Dank für die ausführliche Darstellung unter #1.
    Da ich demnächst für "mein" Amtsgericht eine Stellungnahme zu dem Thema vorbereiten werden, und sehr wahrscheinlich alle unsere GV gegen die Lockerung des Bezirksschutzes votieren, kann ich alles, was es an Argumenten gibt, immer gut gebrauchen.

  • Gleichzeitig soll ein neues Kostenrecht kommen. Die Gebühren werden um ca. 50% angehoben weil die Gerichtsvollzieher für die Länder ein "Zuschussbetrieb" sind.
    Bei der Aufhebung des Bezirksschutzes geht es in erster Linie darum den Gläubigern die Reform schmackhaft zu machen indem man denen die Aufhebung der Bezirksgrenzen und die Konkurrenz der GV als "Zuckerle" verkauft damit die Proteste wegen der Gebührenerhöhung milde ausfallen.
    Nach Meinung der JM wird die Vollstreckung durch den Konkurrenzdruck effektiver. (Was immer man auch damit meint)
    Beim Gerichtsvollzieher wird von der Gebührenerhöhung natürlich nichts ankommen denn es gilt ja zunächst die Not leidenden Haushalte der Länder zu sanieren.

  • Also das solche Gedankenspiele im Gang sind war mir auch nicht bekannt.
    Von der Sache her bin ich auch dagegen. Die oben genannten Gründe sind vollends zutreffend.

    Was mir auch verloren gehen würde sind die genaueren Kenntnisse die ein altgedienter GV über einen ihm altbekannten Schuldner hat und die dann verloren gehen würden, wenn jeweils nur noch der bekannteste und schnellste GV beauftragte würde.

    Gerade bei heiklen Räumungsschutzanträgen nach § 765a ZPO hat es sich aus meiner Sicht durchaus bewährt mal bei GV nachzufragen, ob er mir nähere Hintergründe zur Person nennen könne. Aus der Akte sind solche Dinge ja meist nicht ersichtlich.

    Ich hoffe das die ganze Umstrukturierungsorgie doch endlich aufhört - die Justiz in BW steht in sehr vielen bundesweiten Statistiken sehr sehr gut da, wieso da mit dem Rasenmäher alles niedergemacht weil man sich kurzfristigen finanziellen Erfolg verspricht verstehe ich nicht.

  • Ein weiteres Problem wird wohl die Entschädigung für die zu fahrenden Wegstrecken sein. Nach dem derzeitigen GvKostG zählt entweder die Entfernung vom Büro des GV oder vom Amtsgericht, je nachdem was billiger ist.
    Warum soll der Schuldner beim GV Müller € 15,- Weg bezahlen wenn der im Bezirk wohnhafte GV Meier nur € 2.50 verlangen darf.
    Warum sollte der Schuldner die Mehrkosten dafür übernehmen dass der Glbg. einen GV aus einer weiteren Entfernungszone beauftragt hat.
    Anmerkung eines anderen Kollegen:
    Mit 100 Kilometer Fahrstrecke des Hin- und Rückweges ist es nicht getan. Die Entfernung wird nach Luftlinie gemessen, so dass durchaus auch 120 oder mehr Kilometer für den Hin- und Rückweg zurückzulegen sind und zwar für einen Einzelauftrag. Für diese Fälle kann deshalb nur eine Sonderregelung eingeführt werden, die für den gefahrenen Kilometer eine kostendeckende Kilometerpauschale festlegt, weil die in KV 711 festgelegten Pauschbeträge voraussetzen, dass auf einem Weg mehrere Aufträge erledigt werden. Es könnte allerdings auch eine Sonderregelung dahin geben, dass der Gläubiger den Mehrbetrag an den tatsächlich entstehenden Wegekosten selbst tragen muss. In jedem Fall muss insoweit das GvKostG geändert werden, was sicher nicht so schnell gehen wird. Anderenfalls müsste das Bundesland, das eine solche Konkurrenz-Regelung einführt, den Gerichtsvollziehern die vom Schuldner nicht zu tragenden Wegekosten (§ 788 ZPO) aus der Landeskasse ersetzen. Die Differenzbeträge könnten ggf. in Sp. 13 des KB II eingestellt und auf diesem Weg erstattet werden.


  • Nach Meinung der JM wird die Vollstreckung durch den Konkurrenzdruck effektiver. (Was immer man auch damit meint)



    Das ist leicht vorstellbar, was damit gemeint ist: Neben der ohnehin schon beabsichtigten und auch hier angesprochenen Absicht, den Landeshaushalt zu sanieren, wird nichts weiter mit dem Konkurrenzdruck beabsichtigt, als die GV-Kollegen gegeneinander auszuspielen, damit die Arbeitsleistung - egal wie - noch weiter in die Höhe getrieben wird. Schiet auf Arbeitszeit, Gesundheit, Burnout oder was auch immer. Hauptsache die Menge stimmt. Das ist nichts anderes als PeBB§Y mit anderen Mitteln. Ob man eine Belastung von 150% "umtauft" auf 100 % oder mittels Konkurrenzdruck das Personal gegeneinander ausspielt, der gewollte Effekt ist derselbe und schon lange nicht mehr hinnehmbar. Dieser Sparwahn und ständig erfolglose Sanierungsfimmel (ach wie kommt da doch die Wirtschaftskrise zupass) ruiniert nur die letzten noch funktionierenden Bereiche. Mehr kommt dabei nicht heraus! Und die so etwas einfädeln, haben von der Praxis keine Ahnung und sitzen mit ihrem fetten Gehalt hoch und trocken. So einen Schwachmatismus kann man nur rundweg ablehnen!

  • Das könnte auch ein erster Schritt zur Privatisierung sein.

    Die Ängste wegen der längeren Fahrstrecken dürften nur im Einzelfall begründet sein - warum sollte ein Gläubiger einen GV, der weiter entfernt seinen Dienstsitz hat (und den Auftrag nicht will) überhaupt losschicken?

    Warum ist der Gedanke, dass Konkurrenz das Geschäft belebt und vielleicht effektiver gestaltet ausgerechnet hier so abwegig?

    Dass die GV als begünstigte des Bezirksschutzes Bedenken haben und dem skeptisch gegenüber stehen ist normal. Der Sinn des Ganzen liegt aber darin, die Vollstreckung nach rechtsstaatlichen Prinzipien so effektiv wie möglich zu gestalten und nicht die Strukturen für eine Berufsgruppe zu schützen.

    Und für den, den´s interessiert: Totschlagargument.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Zitat


    Nach Meinung der JM wird die Vollstreckung durch den Konkurrenzdruck effektiver. (Was immer man auch damit meint)



    Das frage ich mich nach wie vor auch, was wo wie effektiver werden soll. Das habe ich auch dem Vorbeitrag nicht entnehmen können. Den Begriff "Totschlagargument" überlasse ich der Bewertung von anderen...


  • Die Ängste wegen der längeren Fahrstrecken dürften nur im Einzelfall begründet sein - warum sollte ein Gläubiger einen GV, der weiter entfernt seinen Dienstsitz hat (und den Auftrag nicht will) überhaupt losschicken?


    Woher soll der Glbg. das wissen dass der beauftragte GV weiter entfernt ist als ein anderer........
    Er wird wohl den GV beauftragen mit dessen Arbeit er bei den letzten Aufträgen zufrieden war. Dieser GV der bisher "gut" gearbeitet hat wird aber den Auftrag zunächst beiseite legen weil er sonst keinen weiteren Auftrag hat der ihn in diese Richtung führt und er wegen einen einzigen Auftrages nicht 50 oder 60 Km fahren will.
    Der Gläubiger ist dann wegen der verzögerten Erledigung sauer und beauftragt diesen GV überhaupt nicht mehr.
    Das macht für mich alles keinen Sinn.............:gruebel:
    Genauso gut könnte man bei Amtsgerichten mit mehreren Rechtspflegern bei denen die PfÜB nach Buchstaben aufgeteilt sind, immer den selben Rechtspfleger beauftragen weil dieser den PfÜB schnell erlässt und nie Beanstandungen hat.........dieser wäre dann irgendwann total überlastet.

  • Warum soll der Schuldner beim GV Müller € 15,- Weg bezahlen wenn der im Bezirk wohnhafte GV Meier nur € 2.50 verlangen darf.
    Warum sollte der Schuldner die Mehrkosten dafür übernehmen dass der Glbg. einen GV aus einer weiteren Entfernungszone beauftragt hat.



    Muss er das wirklich? :gruebel: Oder wird § 788 ZPO geändert? Kann ich aber nicht glauben.
    Somit trägt der Schuldner nur die notwendigen Kosten, also wird sich der "Markt" von selbst regeln.

  • Sollte die Konkurrenz unter den GV kommen, sehe ich ein ganz anderes Problem, als mögliche längere Fahrstrecken.

    Wie überall gibt es solche und jene GV, will heißen:
    Es gibt GV, die sich an das Gesetz halten und die auch den Schutz des Schuldners beachten, es soll aber auch ein paar Kollegen geben, die Moskau Inkasso zur Ehre gereichen. Der Gläubiger will Geld sehen, egal wie und je schneller je besser. Gerade im Bereich der berufsmäßigen Gläubiger (z.B. Inkassounternehmen) wird sich schnell herumsprechen, wer "betreiben" kann.

    Außerdem wird das wirtschaftliche denken der GV in den Hintergrund treten. Was nützt es dem Gläubiger, wenn der GV den Schuldner (z.B. Kleinunternehmer) mit lauter Kassenpfändungen in den Ruin treibt. Dann doch lieber kleinere Raten, die dafür aber regelmäßig. Der Schuldner behält seine Existenz und bleibt zahlungsfähig. Viele Gläubiger wollen aber das "schnelle" Geld, egal ob die wirtschaftliche Basis des Schuldners dabei zerstört wird. Auch hier wird sich schnell herumsprechen, welcher GV das Letzte aus dem Schuldner herausholen kann. Und wenn der Schuldner dann ruiniert ist, und die Restforderung des Gläubigers nicht mehr beitreibbar ist, da kann der GV doch nichts dafür...

    Ich bin absolut kein Freund von solchen Ideen. Wer so etwas plant, der kommt ganz schnell zu der Einführung der Forderungspräsentation, bei der der Präsentierende (= Beliehener) auch gleich einen Titel erstellen kann, sofern sich der Schuldner nicht dagegen wehrt. Und beliehen werden vorrangig die Inkassounternehmen, die könnens ja. Alles aus einer Hand: Forderung - Titel - Vollstreckung :ironie:

  • [quote='GVCom','RE: Aufhebung des Bezirksschutzes bei den Gerichtsvollziehern']
    Muss er das wirklich? :gruebel: Oder wird § 788 ZPO geändert? Kann ich aber nicht glauben. Somit trägt der Schuldner nur die notwendigen Kosten, also wird sich der "Markt" von selbst regeln.


    Dann gibt es nur zwei Alternativen
    1.) der Gläubiger trägt die Mehrkosten selbst oder
    2.) sie werden aus der Landeskasse erstattet.

    In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen dass es ein System mit Konkurrenz unter den Gerichtsvollziehern schon einmal gab. Es wurde dann abgeschafft weil es sich nicht bewährt hat.

    Eine mit der Unterschrift „Mehrere alte Gerichtsvollzieher“ versehene Eingabe in DGVZ 1898, Seite 5-6, verdeutlicht, wie sich die von 1879 bis 1900 bestehende freie Gläubigerauswahl innerhalb des Landgerichtsbezirks für die damaligen Gerichtsvollzieher ausgewirkt hat.

    Hier ein Auszug aus diesem Beitrag:
    „Die Bestimmung des § 17 der Gerichtsvollzieher-Ordnung, wonach die örtliche Zuständigkeit den ganzen Landgerichtsbezirk umfasst, hat bezwecken sollen, den Geschäftskreis der Gerichtsvollzieher möglichst auszudehnen, um dadurch den Auftraggebern eine größere Auswahl unter mehreren Gerichtsvollziehern zu geben. Dieser Zweck ist nicht erreicht; die Bestimmung hat nur eine nicht zu billigende Jagd nach Aufträgen herbeigeführt. Überall herrschen dieselben Missstände, dass die am Ort des Landgerichts ansässigen Rechtsanwälte den daselbst angestellten Gerichtsvollziehern fast alle Zwangsvollstreckungsaufträge erteilen, welche in dem ganzen Landgerichtsbezirk zu erledigen sind. Diese Gerichtsvollzieher vollstrecken also, mit wenigen Ausnahmen, die landgerichtlichen Urteile, während der Gerichtsvollzieher des betreffenden Amtsgerichtsbezirks in derselben Prozesssache die unlohnende Beschäftigung der Beitreibung der Gerichtskosten zu besorgen hat. Außer der näheren Bekanntschaft der am Sitz des Landgerichts angestellten Gerichtsvollzieher mit den Bürovorstehern der daselbst ansässigen Rechtsanwälte liegen andere Gründe zu dieser Auftragserteilung nicht vor. Bekanntlich überlässt der größte Teil der Rechtsanwälte den Bürovorstehern die Verteilung der Zwangsvollstreckungsaufträge.

    Die Macht der Rechtsanwälte beziehungsweise deren Bürovorsteher über das Wohlergehen, oder richtiger gesagt, über das Nichtwohlergehen der Gerichtsvollzieher muss gebrochen werden; hier sitzt das Übel und da muss die Axt angesetzt werden. Aber auch den Parteien entstehen durch diese willkürliche Auftragserteilungen höhere Reisekosten, die vielfach vom Schuldner eingezogen werden, welcher nur verpflichtet ist, diejenigen Reisekosten zu zahlen, welche der Gerichtsvollzieher des betreffenden Amtsgerichtsbezirks liquidieren kann, während der Mehrbetrag der Reisekosten der Auftraggeber zu tragen hat.“

    Die Mehrkosten waren übrigens damals vom Gläubiger zu tragen. Der GV erhob somit das "normale" Wegegeld beim Schuldner und den eventuell höheren Differenzbetrag beim Gläubiger.




  • In dieser Sache brauchen die GV-Kollegen bei einem derartigen Angriff nicht nur die Rückendeckung der Rechtspfleger- und Richterverbände sondern auch darüber hinaus. Wehret den Anfängen!
    Man kann nur hoffen dass sich die Praxis gegen einen derartigen Murks zur Wehr setzen kann. Wichtig ist, dass sich auch die Verwaltungen der Gerichte bei der Praxisanhörung sehr deutlich von derartigen unsinnigen Plänen distanzieren. Gute Argumente gegen die geplanten Änderungen wurden in den Beiträgen ja bereits geliefert. Der GV in einem Rechtsstaat darf nicht bloßes Werkzeug eines Gläubigers sein, sondern auch die rechtsstaatlichen Grundsätze des Zwangsvollstreckungsverfahrens beachten dürfen, ohne befürchten zu müssen von d. gläubiger bei dem er eine Zwischenverfügung gemacht hat ( Rechtsnachfolgeklausel fehlt, Geldempfangsvollmacht fehlt, Vollstreckungskosten zu hoch angesetzt usw.) künftig nicht mehr beauftragt wird. Derartige Folgen wären eines Rechtsstaats nicht mehr würdig.


  • In dieser Sache brauchen die GV-Kollegen bei einem derartigen Angriff nicht nur die Rückendeckung der Rechtspfleger- und Richterverbände sondern auch darüber hinaus. Wehret den Anfängen!
    Man kann nur hoffen dass sich die Praxis gegen einen derartigen Murks zur Wehr setzen kann. Wichtig ist, dass sich auch die Verwaltungen der Gerichte bei der Praxisanhörung sehr deutlich von derartigen unsinnigen Plänen distanzieren. Gute Argumente gegen die geplanten Änderungen wurden in den Beiträgen ja bereits geliefert. Der GV in einem Rechtsstaat darf nicht bloßes Werkzeug eines Gläubigers sein, sondern auch die rechtsstaatlichen Grundsätze des Zwangsvollstreckungsverfahrens beachten dürfen, ohne befürchten zu müssen von d. gläubiger bei dem er eine Zwischenverfügung gemacht hat ( Rechtsnachfolgeklausel fehlt, Geldempfangsvollmacht fehlt, Vollstreckungskosten zu hoch angesetzt usw.) künftig nicht mehr beauftragt wird. Derartige Folgen wären eines Rechtsstaats nicht mehr würdig.


    :daumenrau :daumenrau

  • Wie funktioniert es denn im Ausland, in unseren Nachbarländern?

    Ich bekomme mittelbar etwas davon mit, wenn ich eine Auslandszustellung nach Frankreich oder in die Niederlande habe; dann muss ich nämlich den Gerichtsvollzieher selbst aussuchen - wenn ich den Wohnort des Zustellungsempfängers eingebe, erhalte ich eine Liste von Gerichtsvollziehern, die für diesen Ort zuständig sind. Da schaue ich dann immer so: :eek:. Mir wäre es lieber, es gäbe einen zuständigen. Nach welchem Kriterium soll ich den Gerichtsvollzieher auswählen? Man könnte den ersten auf der Liste nehmen. :gruebel: Ich versuche immer, an Hand der PLZ herauszufinden, welcher Gerichtsvollzieher wohl am nächsten dran ist...


    _________________________________________________________________________________



    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Wie funktioniert es denn im Ausland, in unseren Nachbarländern?..


    In Frankreich sind die Gerichtsvollzieher -selbständige Volljuristen- wie Anwälte und Notare. Diese vollstrecken zumeist nicht selbst sondern beauftragen Angestellte mit der Vollstreckung. Es gibt dort - Konkurrenz - innerhalb eines bestimmten Gebietes. So ist es auch in anderen europäischen Ländern. (Belgien/Holland)
    Der grundlegendste Unterschied ist aber, dass es dort sowas wie ein EV-Verfahren nicht gibt und der Gerichtsvollzieher auch keine Verhaftungen vornimmt.
    Eine weiterer Unterschied liegt natürlich in den Kosten. Eine persönliche Zustellung kostet in Frankreich zum Beispiel rund 180,- €. Bei uns sind es je nach Weg zwischen € 13,- und € 20.--
    Für die bei uns anfallenden Gebühren für die Vollstreckung € 12,50 + Auslagen würde ein franz. Hussier nicht einmal vom Schreibtisch aufstehen und für die bei uns "pro Auftrag" geltenden Wegegelder
    711Wegegeld je Auftrag für zurückgelegte Wegstrecken
    -bis zu 10 Kilometer2,50 EUR
    -von mehr als 10 Kilometern bis 20 Kilometer5,00 EUR
    -von mehr als 20 Kilometern bis 30 Kilometer7,50 EUR-
    von mehr als 30 Kilometern10,00 EUR

    bestimmt nicht das Büro verlassen.

    Einmal editiert, zuletzt von GVCom (15. März 2010 um 09:32) aus folgendem Grund: korrektur

  • Langsam wird es lustig........die Zukunft wirft die Schatten bereits voraus...

    Ein Kollege erzählte mir heute am Telefon von einem Disput mit einem großen Inkassobüro wegen der Anforderung einer Vollmacht. Die Angestellte hat ihm angedeutet man wäre bereits informiert über den zukünftigen Wegfall der Bezirksgrenzen und GV die so pingelig wären wie er würden zukünftig keine Aufträge mehr erhalten...........:gruebel:

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!