Erhöhung des Pfändungsfreibetrages bei Rente wegen Steuern?

  • Hallo Zusammen!

    Ich habe hier folgenden Fall liegen:

    Ein Schuldner bezieht zwei Renten, eine von der DRV, dazu noch eine Rente des BVV (Versicherungsverein des Bankgewebes).
    Letztere Rente ist privat angespart worden.

    Der Schuldner macht geltend, dass er von den ausgezahlten Renten (deren Zusammenrechnung bei Erlass des Pfüb bzgl. beider Renten angeordnet worden ist) noch Steuern zu zahlen hat.
    Diese zahlt er zwar nicht monatlich, er hat aber regelmäßig als Folge der Jahressteuererklärung eine Nachzahlung zu leisten.

    Er beantragt nun, den Pfändungsfreien Betrag derart zu erhöhen, dass die voraussichtliche Steuerbelastung mit einberechnet wird.

    Rein praktisch habe ich den Antrag konkret auf die Steuerlast für das Jahr 2018 geteilt durch 12 Monate formuliert.

    Ich tue mich mit einer Entscheidung allerdings schwer:

    - gegenüber einem angestellten Arbeitnehmer ist der Schuldner benachteiligt, da er quasi keine Nettorente ausgezahlt bekommt, sondern den Auszahlungsbetrag selber erst noch versteuern muss. Der angestellte Arbeitnehmer genießt den Vorteil, dass die Pfändungsbeträge aus dem Nettoeinkommen berechnet werden. Zudem sind die Beiträge zur gesetzlichen Rente und auch zur privaten Altersvorsorge ja schon einmal versteuert worden.

    - mit einer positiven Entscheidung würde ich die Steuerforderung privilegieren, dh. das Finanzamt ohne Pfändung besser stellen als den Pfändungsgläubiger.
    Zudem habe ich keinen konkreten monatlichen Steuerbetrag für das laufende Kalenderjahr, da sich dieser nur nachträglich feststellen lässt.
    Bei einer Freigabe eines monatlichen Betrages X hätte ich als Gericht auch keine Möglichkeit dafür zu sorgen oder zu überprüfen, ob der Schuldner tatsächlich seine Steuerforderung bedient.

    Hat hier schon mal Jemand einen ähnlichen Fall gehabt?
    Wie wurde dabei entscheiden?

    Übrigens: die Suchfunktion brachte mich nicht weiter, falls es dieses Thema schon einmal gab, wäre ich über einen kurzen Hinweis dankbar.

    Danke für die Antworten!

  • Ich würde da die Parallele zu § 850i ZPO ziehen. Wenn dort die Steuerlast Berücksichtigung finden kann, dann auch bei Dir. Und das man da immer etwas hinterherhaspelt wegen der Jahressteuer: Ja mei....

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  • Ein Rentner, der seine Steuern selbst zahlt, ist wie du schon schreibst benachteiligt, wenn keine Freigabe erfolgt.

    Dein Argument:
    "mit einer positiven Entscheidung würde ich die Steuerforderung privilegieren, dh. das Finanzamt ohne Pfändung besser stellen als den Pfändungsgläubiger."

    ist nicht nachvollziehbar, denn Pfändungen werden vom Nettolohn berechnet bei anderen Arbeitnehmern- auch dort erfolgt also eine Abführung an das Finanzamt- das Finanzamt bekommt also auch bei jeder Lohnpfändung bei einem Arbeitnehmer sein Geld vorab (sprich: Das Finanzamt privilegierst du nicht, es ist immer privilegiert bei solchen Einnahmen). Wenn du es hier freigibst stellst du den Rentner nur genauso wie einen Arbeitnehmerund das Finanzamt genauso wie bei einer Lohnpfändung.

    "Zudem habe ich keinen konkreten monatlichen Steuerbetrag für das laufende Kalenderjahr, da sich dieser nur nachträglich feststellen lässt." Vollkommen richtig, geht leider nicht anders.

    Ich mache es hier so, denn ich habe hier zwei "Kunden" mit dem Problem: Ich gebe die Vorauszahlungen an das Finanzamt frei und ebenso eine entsprechende Nachzahlung- immer aufgrund des vorgelegten Steuerbescheides. In dem ist der Vorauszahlungsbetrag, der Nachzahlungsbetrag und dessen Zahlweise ersichtlich. Oft ist es vierteljährlich , also aufpassen. Ein Gläubiger hat hier noch nie gemeckert- ein Rechtsmittel wurde nicht eingelegt. Ist nur eine Nachzahlung zu leisten, gebe ich diese in dem Monat frei, in dem sie zu zahlen ist und zwar vollständig, sofern die Einkünfte des Schuldners dies zulassen; verteilen würde ich nur, wenn dies aufgrund geringer Renten nicht in einem Monat machbar ist.

  • Ich habe dazu einen gleichlautenden Antrag des Schuldners im Insolvenzverfahren und habe insoweit über den Antrag des Schuldners zu entscheiden über § 36 InsO.

    Mit entsprechendem Beschluss wurde bereits die Zusammenrechnung der zwei Renten, die der Schuldner bezieht, angeordnet. Die zwei Renten zusammen betragen ca. 1.900 € netto.

    Der Schuldner hat nunmehr mit Hilfe eines Steuerberechnungsprogramms seine Steuerlast (Steuerprognose für das Jahr 2022) berechnet, die er sodann nachträglich (ca. 1.224,00 €) an das Finanzamt im Jahr 2023 für das laufende Jahr 2022 zurückzuerstatten. Das ergibt eine auf den Monat gerechnete Steuerlast in Höhe von 102,00 €. Der Schuldner beantragt nunmehr folgendes:

    Gesamtrente 1.900,00 € abzüglich 102,00 € = 1.798,00 € --> Laut Tabelle insoweit 321,89 € pfändbar.

    Das ist für mich der erste Antrag dieser Art.

    Inwieweit ist der Antrag:

    a) begründet und

    b) wie hat die Entscheidung zu lauten?

    Danke für die Hilfe.

  • Ich meine, das geht nicht: Schau Dir mal diese Entscheidung an: BGH, Beschluss vom 19. September 2019 - IX ZB 2/18 -

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Naja, die BGH Sache da ist aber schon eine andere Grundkonstellation, Einnahmen aus irgendeiner Beteiligung und deswegen dann Steuer usw.

    Die hier angesprochenen klassischen Fälle sind ja in den letzten Jahren erst vermehrt entstanden und dafür muss es eine Lösung geben.

    Und ich würde dem BGH entgegnen, dass "unmittelbar" in diesem Falle nicht zeitlich sondern sachlich gemeint ist. Bei dem ganz einfachen Fall, dass ein Rentner nur aufgrund der Rentenhöhe zeitlich verzögert unmittelbar eine Steuerlast hat, muss eine Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern erfolgen oder aber eine unpfändbare "Steuerlastnichtberücksichtigungsersatzprämie" entwickelt werden

  • Wenn Du das hier machst, und Du eine Gleichbehandlung möchtest, müsstest Du es aber auch bei jedem anderen Arbeitnehmer/Steuerzahler , der nach der Steuererklärung nachzahlen muss, wieder aufs Jahr umrechnen. Wie soll das funktionieren? Und dann müsste gar jede Erstattung auch wieder auf das Jahr umgerechnet werden. So geht es eben nicht.

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  • für einen solchen Antrag fehlt die gesetzliche Grundlage, also zurück weisen. Nach welcher Vorschrift sollte das gehen?

    850 e passt nicht, es sind keine unmittelbaren steuerlichen Verpflichtungen.

    Im Insolvenzverfahren würde ja auch die Masse verringert und damit die insogl. benachteiligt um neuschulden zu befriedigen

  • @ lumpi:

    Moin,

    solche Freigabe von Nachzahlung von Steuern mache ich regelmäßig, denn: Pfändungen der Tabelle gehen nach dem Netto- ein Rentner muss genauso behandelt werden, wie jeder andere auch, das bedeutet:

    Ist die Rente gepfändet und waren dabei noch nicht alle Steuern abgezogen, so liegt ein Fehler vor, der nur über eine Freigabe korrigiert werden kann.

    Dazu lasse ich mir den Steuerbescheid vorlegen und rechne nach, wie hoch die Steuern waren, die auf die Rente entfielen, ggf. wie viele davon bereits berücksichtigt waren und gebe entsprechend frei.

    ACHTUNG: Ihr müsst dabei sicher feststellen, dass es um die Rente geht und die Nachzahlung (siehe obige BGH Entscheidung) nicht auf anderen Einkünften beruft, wie Kapitalerträge, Kleingewerbe, Beteiligungen und und und.

    In deinem Fall würde mir irgendein Steuerberechnungsprogramm nicht reichen- ich möchte den Steuerbescheid bzw. den Bescheid der für die Vorauszahlungen erstellt wurde. Sonst gebe ich nichts frei. Da in deinem Fall auch noch nichts gezahlt werden muss würde ich auch nicht freigeben!

    Erst wenn der Steuerbescheid vorliegt, dann muss der Schuldner zahlen und ich gebe dann die Nachzahlung in mehreren Monaten frei und dann jedes Quartal die vierteljährlichen Vorauszahlungen, die im Steuerbescheid aufgeführt und verlangt werden.

    Ich würde dies auch dem Schuldner so mitteilen- ohne Forderung des FA, welche beglichen werden muss auch keine Freigabe. Wir geben ja nicht für eventuelle entstehende Forderungen frei, nur für konkrete nachvollziehbare.

    Möge er sich an sein Finanzamt wenden, wenn die für ihn eine Steuervorauszahlung festsetzen, dann darf er auch wieder kommen...

  • Mal kurz rechnerisch:

    Steuerbescheid für 2022 weist Anfang 2023 eine Nachzahlungspflicht/Steuerlast in Höhe von 1.200 € aus.

    Pfändbare Beträge monatlich rund 300,00 €.

    Ergebnis: 2023 gibst du dann für 3 Monate die Rentenzahlungen komplett durch Beschluss an den Schuldner frei, bis die eigentlich abzuführenden pfändbaren Beträge für 3 Monate (zusammen = 1.200 €) die Steuerlast ausgeglichen haben?

  • und aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage?

    §§ ???

  • Niemand muss sich meiner Meinung anschließen, dieser Beschluss basiert auf der vom Gesetzgeber gewollten Berechnung der Pfändung vom NETTO- einkommen.

    Durch die Berücksichtigung der Steuerlast des Rentners stelle ich diesen mit einem Arbeitnehmer(dessen Steuer ja vor der Pfändung bereits abgeführt worden sind) gleich und korrigiere damit gemäß des Willens des Gesetzgebers die Pfändung.

    Hat das LG Hannover in den Beschwerden stets bestätigt und dies weder für absurd noch für rechtlich nicht haltbar gehalten... Und auch nicht nach einer erweiterten Begründung gefragt... :)

    Läuft ja wie die Erhöhung wegen Krankenversicherungen bei Pfändungen bei Beamten, auch mit den Erhöhungen sorge ich für eine Gleichheit von Pfändungen bei Beamten und anderen Beschäftigten...

    Wenn jemand den Wunsch hat, lass ich mal die Akte suchen, dürfte noch keine 5 Jahre her sein, und gebe euch das LG Aktenzeichen- Interesse?

  • entschuldige, wenn ich nerve, aber mir fehlt immer noch die gesetzliche Grundlage in der ZPO

    Auch bei den privaten Krankenversicherungen z.bsp der Beamten in 850 e Nr. 1b gibt es ja keine Entscheidungsbefugnis des Vollstreckungsgerichts.

    Das ist doch eindeutig anders gesetzlich geregelt als bei der zusammenrechnung mehrerer Einkommen.

  • Wenn jemand den Wunsch hat, lass ich mal die Akte suchen, dürfte noch keine 5 Jahre her sein, und gebe euch das LG Aktenzeichen- Interesse?

    Gerne.

    Das LG wird ja sicherlich eine rechtliche Grundlage genannt haben oder aber zumindest, da die rechtliche Grundlage anscheinend fehlt, irgendeine Analogie in den Entscheidungsgründen angeführt haben.

    PS:

    Aus dem Bauch heraus finde ich diese Entscheidung grundsätzlich richtig und geRecht :)

    Auch wenn der Gesetzgeber dieses Thema bisher (absichtlich?) nicht auf dem Schirm hatte bzw. es nunmehr erst aktuell wird?

  • Wobei auch vieles dafür spricht, dass die bisherige Handhabung so gewollt ist.

    Seit spätestens 01.01.2005 (Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes) ist dem Gesetzgeber die Thematik der nachträglich Besteuerung von Renten bekannt.

    Und trotz zahlreicher Änderungen in der ZPO erfolgte diesbezüglich keine Regelung für Renten. Und da hätte eine kurze Erweiterung des 850e ZPO gereicht.

  • Moin,

    habe die Rechtsprechungen durchgesehen, die es bei mir gab-das LG hat es sich in allen Beschlüssen jeweils einfach gemacht und auf Beschluss und Nichtabhilfebeschluss verwiesen.

    Ich habe die Steuerzahlungen hier immer über § 850 f II laufen lassen- also jetzt über § 906 Abs. 2 ZPO.

    Also nichts veröffentlicht und leider auch nix zum zitieren...

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