Zivilprozess nach Eröffnung Insolvenzverfahren

  • Hallo!

    Im Mai 2018 wurde gegen den Beklagten das Insoverfahren eröffnet - 2 Tage nach Eröffnung ging eine Klage wegen einer Forderung aus einem Mietvertrag gegen den Beklagten ein.

    Während des Prozesses hat das Insoverfahren gar keine Rolle gespielt, findet keinerlei Erwähnung in der Akte (der Beklagte war anwaltlich vertreten). Der Beklagte wurde Anfang 2019 mittels VU verurteilt und hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Diese Kosten wurden ihm ins Soll gestellt. Jetzt meldet er sich da versucht wurde zu vollstrecken wegen der GK und sagt die Ereignisse (also die Forderung) und der Prozess liegen vor der Insolvenzeröffnung, dies alles hätte ja eigentlich der Verwalter regeln sollen was nie passiert ist.

    Die Forderung entstand ja nun tatsächlich vorher, die GK ja nach Eröffnung. Meiner Ansicht nach kann man nun in die Schulden, unsere GK, weiterhin gegen den Beklagten vollstrecken, da es sich um eine neue Forderung gegen ihn handelt? Was meint ihr?

    Danke!

  • Der Beklagte wurde Anfang 2019 mittels VU verurteilt und hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Diese Kosten wurden ihm ins Soll gestellt.

    :gruebel: Welche Kosten denn? Hatte der Kläger PKH? Die Gerichtskosten sind doch normalerweise durch den Vorschuss gedeckt...

  • Die Forderung entstand ja nun tatsächlich vorher, die GK ja nach Eröffnung. Meiner Ansicht nach kann man nun in die Schulden, unsere GK, weiterhin gegen den Beklagten vollstrecken, da es sich um eine neue Forderung gegen ihn handelt? Was meint ihr?


    Der Justizfiskus ist aus diesem Grunde Neugläubiger (BGH, NJW-RR 2012, 1465 - Rn. 4). Daher richtet sich der Anspruch auch gegen den Beklagten in sein insolvenzfreies (pfändungsfreies oder nach § 35 II InsO freigegebenes) Vermögen.

    Im übrigen (nur der Vollständigkeit halber) müßte der Beklagte gegen die Kostenentscheidung (bzw. das VU selbst) vorgehen. Die Klage war aufgrund der vor Rechtshängigkeit bereits erfolgten Eröffnung des InsO-Verfahrens gem. § 87 InsO unzulässig (BGH, NJW-RR 2009, 566 - Rn. 7; Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 240 Rn. 7; MK-InsO, vor § 85 Rn. 42 m.w.N.). Mit Zustellung der Klage war der Rechtsstreit gem. § 240 ZPO unterbrochen. Das dennoch ergangene VU ist aber nicht nichtig, sondern nur anfechtbar (BGH, NJW-RR 2012, 1465 - Rn. 3).

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    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Zitat

    Mit Zustellung der Klage war der Rechtsstreit gem. § 240 ZPO unterbrochen.

    Daran habe ich gewisse Zweifel.
    Setzt die Anwendung des § 240 ZPO nicht einen zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits anhängigen Rechtsstreit voraus? :gruebel:


    Das ist absolut richtig. Ich habe das anhand der zitierten BGH-Entscheidung verkürzt wiedergegeben. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung war der Rechtsstreit trotz bereits eröffnetem InsO-Verfahren nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen, weil es an der von Dir genannten Voraussetzung (Rechtshängigkeit) mangelte. Nach Klagezustellung lag diese Voraussetzung dann aber vor.

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  • Zitat

    Mit Zustellung der Klage war der Rechtsstreit gem. § 240 ZPO unterbrochen.

    Daran habe ich gewisse Zweifel.
    Setzt die Anwendung des § 240 ZPO nicht einen zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits anhängigen Rechtsstreit voraus? :gruebel:


    Das ist absolut richtig. Ich habe das anhand der zitierten BGH-Entscheidung verkürzt wiedergegeben. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung war der Rechtsstreit trotz bereits eröffnetem InsO-Verfahren nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen, weil es an der von Dir genannten Voraussetzung (Rechtshängigkeit) mangelte. Nach Klagezustellung lag diese Voraussetzung dann aber vor.

    Daran habe ich gleichfalls Zweifel. Aus meiner Sicht ist keine Unterbrechung nach § 240 ZPO eingetreten, vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, 36. Ed. 1.3.2020, ZPO § 240 Rn. 2:

    "Erst recht wird ein Verfahren nicht unterbrochen, das erst nach Insolvenzeröffnung – wenn auch nur irrtümlich – gegen den Schuldner anhängig gemacht wird (OLG München BeckRS 2007, 13013 = ZIP 2007, 2052 mwN). Ist eine Klage gegen den Beklagten wegen einer Insolvenzforderung unzulässig, weil über sein Vermögen bereits vor Rechtshängigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, bleibt er prozessführungsbefugt und kann die Unzulässigkeit geltend machen unabhängig davon, ob der Prozesskostenerstattungsanspruch – möglicherweise – in die Insolvenzmasse fällt (vgl. OLG Köln NZI 2012, 26;.."

  • Zitat

    Mit Zustellung der Klage war der Rechtsstreit gem. § 240 ZPO unterbrochen.

    Daran habe ich gewisse Zweifel.
    Setzt die Anwendung des § 240 ZPO nicht einen zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits anhängigen Rechtsstreit voraus? :gruebel:


    Das ist absolut richtig. Ich habe das anhand der zitierten BGH-Entscheidung verkürzt wiedergegeben. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung war der Rechtsstreit trotz bereits eröffnetem InsO-Verfahren nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen, weil es an der von Dir genannten Voraussetzung (Rechtshängigkeit) mangelte. Nach Klagezustellung lag diese Voraussetzung dann aber vor.

    Daran habe ich gleichfalls Zweifel. Aus meiner Sicht ist keine Unterbrechung nach § 240 ZPO eingetreten, vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, 36. Ed. 1.3.2020, ZPO § 240 Rn. 2:

    "Erst recht wird ein Verfahren nicht unterbrochen, das erst nach Insolvenzeröffnung – wenn auch nur irrtümlich – gegen den Schuldner anhängig gemacht wird (OLG München BeckRS 2007, 13013 = ZIP 2007, 2052 mwN). Ist eine Klage gegen den Beklagten wegen einer Insolvenzforderung unzulässig, weil über sein Vermögen bereits vor Rechtshängigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, bleibt er prozessführungsbefugt und kann die Unzulässigkeit geltend machen unabhängig davon, ob der Prozesskostenerstattungsanspruch – möglicherweise – in die Insolvenzmasse fällt (vgl. OLG Köln NZI 2012, 26;.."


    Du hast recht. :daumenrau In der von mir zitierten Entscheidung des BGH (NJW-RR 2009, 56 - Rn. 12) steht es sogar ausdrücklich, daß stets keine Unterbrechung eintritt, wenn zum Zeitpunkt der Klageeinreichung und damit vor Anhängigkeit das InsO-Verfahren eröffnet wurde. Auch im dortigen Fall ist erst danach die Klage zugestellt worden - was aber "stets" nicht mehr die Wirkungen des § 240 ZPO auslösen kann.

    Also revidiere ich ganz fix meine Aussage: "Mit Zustellung der Klage war der Rechtsstreit gem. § 240 ZPO unterbrochen." <- ist falsch, weil geht "stets" nicht mehr. :D

    Der Rest dürfte aber wohl nicht zur Diskussion stehen (Gerichtskosten sind Neuforderung, VU nicht nichtig, allenfalls anfechtbar, weil Klage an sich unzulässig), oder?

    (Danke für's Nachhaken und Korrigieren... ;))

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  • Ich hätte hierzu eine Anschlussfrage: Habe auch schon im Kommentar zu §240 ZPO nachgelesen, aber ich komme auf keine Lösung für mein Verfahren, vielleicht hat jemand eine Idee:

    InsoEÖ von A am 02.12.2021

    Am 10.02.2023 geht eine Klage gegen A aufgrund Räumung wegen Eigenbedarf ein (d.h. Beklagter in Inso).

    Das Verfahren wurde ganz normal durchgezogen und mit Vergleich abgeschlossen. Die Inso war auch bekannt, habe diesbezüglich auch mit der Richterin besprochen. Sie meinte bei ihr käme §240 ZPO nicht in Betracht, da keine "Vermögenswerte etc" bestehen, die in die Masse fallen würden. Ursprünglich sollten auch Mietrückstände miteingeklagt werden. Dies wurde dann unterlassen, da diese in die Masse fielen.

    Jetzt habe ich einen KFA der Klägerseite gegen den Beklagten in Inso zu prüfen (gemäß Kostengrundentscheidung des Vergleichs). So wie ich das verstanden habe, bleibt ja die Kostengrundenstcheidung wirksam (anfechtbar) und ich habe fürs Kostenfestsetzungsverfahren §240 ZPO zu prüfen. Laut Kommentar greift §240 ZPO nur, wenn die Forderung die Insomasse betrifft. Hier handelt es sich ja um eine Neuforderung gegen die Masse, die mit Erlass der Kostengrundentscheidung fällig wurde?

    Würdet ihr unterbrechen? ich bin echt ratlos. Klägervertreter sagt natürlich keine Unterbrechung und Beklagtenvertreter spricht sich für Unterbrechung aus.

    Bin um jede Meinung dankbar.

  • Du hast ja bereits selbst herausgearbeitet, dass der eingeklagte Anspruch (Räumung) nicht massezugehörig ist und damit auch die Kosten nicht massezugehörig sind bzw. keine Unterbrechung nach § 240 InsO stattfindet. Zudem wurde das Klageverfahren erst nach Insolvenzeröffnung anhängig. Die Anhängigkeit ist der früheste Entstehungszeitpunkt für die Kosten dieses Verfahrens. Damit ist die Klägerseite mit ihren Kostenforderungen Neugläubiger (Umkehrschluss aus § 38 InsO: Anspruch nicht vor Insolvenzeröffnung entstanden) und die Festsezung kann gegen den Beklagten selbst erfolgen (keine Unterbrechung und keine Festsetzung gegen den IV).

    quidquid agis prudenter agas et respice finem. (Was immer Du tust, tue klug und bedenke das Ende.) :akten

  • Und zum Hintergrund: Wenn es nur um die Herausgabe der Wohnung geht, betrifft die Klage die Masse nicht und deswegen findet keine Unterbrechung nach § 240 ZPO statt. Sonst könnte kein Vermieter, dessen Mieter insolvent ist und daher die Miete nicht mehr bezahlt, die Wohnung zurückbekommen.

    Anders ist es bei Räumung. Die Räumung umfasst die Entleerung der Wohnung auf Kosten des Mieters. Das betrifft die Masse und daher wird der Räumungsprozess nach § 240 ZPO unterbrochen.

    Ein Vermieter, der seine Wohnung wiederhaben will, muss deswegen die Räumungsklage nach Insolvenzeröffnung auf Herausgabe umstellen. Und dann eben die Wohnung auf eigene Kosten räumen und ggf. die Gegenstände einlagern lassen. Zu letzterem gibt es Umgehungsmöglichkeiten, die hier zu weit führen.

    Mit freundlichen Grüßen

    AndreasH

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