Antrag der STA auf Ergänzungspflegschaft für Zeugenbefragung eines Minderjährigen

  • Klar, Anordnung der Ergänzungspflegschaft nur nach vorheriger Entziehung. Die würde aber hier grundsätzlich über 1796 BGB erfolgen, nicht über 1666 BGB. Und durch den Rechtspfleger. (In dem eklatanten Fall wie oben hätte ich allerdings wohl auch eine Anregung zur Prüfung eines 1666er-Verfahrens gesehen und mit dem Richter abgestimmt.)

  • Ich hoffe, nicht gegen Zitierregeln zu verstoßen:
    OLG Karlsruhe vom 23.11.2011, 2 UF 209/11 (vermutlich nicht veröffentlicht):

    es wurde antragsgemäß Ergänzungspflegschaft durch den RPfl. angeordnet für:

    - Zustimmung zur Untersuchung des Kindes nach § 81c StPO -
    - Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht für die behandelnden Ärzte des Kindes -
    - Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 52 StPO -
    - Zustimmung zur Mitwirkung des Kindes bei der Erstattung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Glaubwürdigkeit -
    - Die Aufenthaltsbestimmung in Bezug auf die oben angeführten Untersuchungshandlungen und Zeugenvernehmungen.

    Die Anordnung bzgl. der ersten vier Punkte wurde durch das OLG rechtlich nicht beanstandet, aber die Beschwerde hinsichtlich des teilweisenEntzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechts wurde für begründet erachtet, da die getroffene Anordnung gemäß § 8 Abs. 4 RPflG mangels funktioneller Zuständigkeit des Rechtspflegers unwirksam sei.
    Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 RPflG bestünde Richterzuständigkeit. Das Amtsgericht habe das den Eltern zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht teilweise entzogen, ein derartiger Eingriff in das elterliche Sorgerecht stehe jedoch allein dem Richter zu und führe deshalb zur Aufhebung in diesem Punkt.


  • Mein erstes Problem: Kann ich tatsächlich einen E-pfleger im Rahmen des § 52 StPO durch einstweilige Anordnung bestellen? Ich denke nein. Ich kann dazu nichts finden. Ich könnte u.U. auf die Anhörung verzichten, den Pfleger bestellen, Beschluss zustellen und Pfleger verpflichten. Aber die Eltern müssten immer was vorher erfahren.

    Also Pflegerbestellung im Wege der eAO dürfte prinzipiell möglich sein. Das E-pflegschaftsverfahren ist gem. 151 FamFG Kindschaftssache und gem. § 49 FamFG gilt das Eilverfahren für alle Fam-sachen. Aber es passt in vielen Bereichen nicht wirklich, z.B. ist ja dann nach Bekanntgabe auch die Beantragung einer mündlichen Verhandlung möglich, was im E-pflegschaftsverfahren eigentlich nie gemacht wird. Außerdem ist bei der eAO die sofortige Wirksamkeit anordenbar; das bedeutet in meinem Fall, dass die Vernehmung schon vorbei ist, wenn die Eltern den Beschluss über die Anordnung der E-pflegschaft bekommen. Klingt für mich nicht sehr rechtstaatlich.:mad:

    Wenn der Rechtspfleger die einstweilige Anordnung erlassen hat, ist sie nach Maßgabe des § 57 FamFG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG anfechtbar.
    Für die (unterbleibende) Anhörung der Eltern gilt § 160 Abs. 3 FamFG, da eine vorherige Information den Zweck des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gefährden würde. Hier wird es meist so gehandhabt, dass die Eltern erst nach Durchführung der Vernehmung von der familiengerichtlichen Entscheidung in Kenntnis gesetzt werden.


    Hierzu habe ich auch eine Entscheidung des OLG Karlsruhe, an der ich noch immer knabbere:
    In meiner ersten Entscheidung nach Inkrafttreten des FamFG habe ich ausdrücklich im Weg der einstweiligen Anordnung Ergänzungspflegschaft angeordnet, teilweise gemäß § 1795 und hinsichtlich der Wirkungskreise, bei denen kein gesetzlicher Vertretungsausschluss bestand, über § 1796 BGB nach Entzug der Vertretungsmacht der Eltern. Gleichzeitig habe ich einen Anhörungstermin bestimmt, in dem ein Elternteil Beschwerde eingelegt hat.
    Meine Rechtsmittelbelehrung wies auf die Erinnerung nach damaligem § 11 RPflG hin.
    Das OLG (anderer Senat als in vorstehender Entscheidung) hat die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen und darauf hingewiesen, dass meine Rechtsbehelfsbelehrung falsch war, da die Entscheidung gemäß § 57 FamFG unanfechtbar sei. Auf § 11 RPflG sind die überhaupt nicht eingegangen.

  • Es fällt mir schwer, die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 23.11.2011, 2 UF 209/11 einzuordnen. Möglicherweise ist die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit einer Kindeswohlgefährdung begründet worden und nicht mit der Feststellung des erheblichen Interessengegensatzes. Anders ist mir der Hinweis auf § 8 Abs. 4 RpflG (noch) nicht erklärlich.

  • Wie gesagt, ich habe den letzten Punkt (Aufenthaltsbestimmungsrecht) immer über die "Annexkompetenz" mit in den Beschluss aufgenommen, so wie es mir meine damalige Richterin in einer Stellungnahme mitgeteilt hat. Wie soll man etwa die Entscheidung über eine Zustimmung zu einer Anhörung oder einer Untersuchung auch praktisch umsetzen, wenn man nicht bestimmen darf, dass sich das Kind hierzu an den Ort X zu begeben hat. Sicherlich kann man da auch anderer Auffassung sein. Dann müsste ich aber derartige Vorlagen immer erst der Geschäftsstelle vorlegen, die dann ein Richterverfahren (1666 BGB) anlegt - und erst wenn eine solche Entscheidung getroffen wurde, könnte ich sodann den Beschluss zur Bestellung eines Ergänzungspflegers erlassen, der dann sinnvollerweise alle Wirkungskreise in einer Entscheidung erfasst. Das wird sich dann hinziehen (und oftmals möchte ja die STA gerade wegen dringend erforderlicher Vernehmungen und Untersuchungen im Hinblick auf den Ermittlungserfolg, dass es möglichst ganz schnell geht).
    Auf der anderen Seite könnte ich natürlich auch so weitermachen wie bisher, vlt legt ja doch jemand mal Beschwerde ein, und dann möge hierzu unser OLG entscheiden ... dann wissen auch unsere Richter in Zukunft Bescheid, dass sie in solche Sachen involviert sind.

  • Es fällt mir schwer, die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 23.11.2011, 2 UF 209/11 einzuordnen. Möglicherweise ist die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit einer Kindeswohlgefährdung begründet worden und nicht mit der Feststellung des erheblichen Interessengegensatzes. Anders ist mir der Hinweis auf § 8 Abs. 4 RpflG (noch) nicht erklärlich.


    Begründung hierzu aus dem og. Beschluss:
    "Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 RPflG entscheidet der Richter jedoch über die Maßnahmen auf der Grundlage des § 1666 BGB zur Abwendung der Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes sowie über die Übertragung der elterlichen Sorge nach den §§ 1671, 1672, 1678 Abs. 2, 1680 Abs. 2 und 3 sowie § 1681 Abs. 1 und 2 BGB. In Ziffer 1 e) hat das Amtsgericht das den Eltern zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht teilweise entzogen.Ein derartiger Eingriff in das elterliche Sorgerecht steht jedoch allein dem Richter zu und führt deshalb zur Aufhebung in diesem Punkt."

    Im Gegensatz zu dem "richtigen" Entzug der Vertretungsmacht durch den RPfl wegen Interessenkonflikts in den anderen Punkten.

  • Ich hatte es bisher auch anders gehandhabt, mich aber irgendwann gewundert, warum ich in letzter Zeit kaum mehr solche Verfahren bekommen habe. Dann wurde festgestellt, dass diese inzwischen (teilweise :confused:) direkt bei den Richtern landen.
    Ganz ätzend finde ich, wenn diese nicht nur von der Anhörung der Eltern, sondern auch von der Zustellung des Beschlusses nach Anordnung der Pflegschaft absehen. Ohne die Richterakte beizuziehen, sehe ich das in dem Pflegschaftsverfahren, für das ich dann ja zuständig geworden bin, gar nicht. Mit welcher Zustellung die Ergänzungspflegschaft überhaupt wirksam wird (nur an Ergänzungspfleger? Kann m.E. , insbesondere bei Sorge-/Vertretungsrechtsentzug nicht sein), wird unterschiedlich diskutiert.

  • Dass die Verfahren häufig gleich beim Richter landen, liegt meiner Meinung nach an der Tatsache, dass die STA keinen Antrag schickt, sondern den ominösen vorgefertigten Beschluss; da steht zum einen was von eAO und zum anderen ist bei der Unterschrift "Richter" vorgedruckt. Also trägt die Geschäftsstelle für den Richter ein. Von diesem Fall habe ich auch nur erfahren, weil die STA-Akte direkt an den einzigen früh anwesenden Familienrichter vorgelegt wurde (durch die Staatsawältin persönlich). Das war ein ganz junger Richter, der keine Erfahrung hat und in seiner Verzweiflung darauf gestoßen ist, dass das Rpfl-zuständigkeit sein könnte und mich angerufen hat. Wäre die Akte bei einem alten Hasen auf dem Tisch gelandet, hätte die STA den Beschluss mittags mitgenommen. Da hab ich keinen Zweifel. Richter und Pflegschaft/Vormundschaft geht bei uns irgendwie gar nicht.
    Hab übrigens die nächste solche Akte auf dem Tisch. Die KM beschuldigt den KV des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes. Der Vorfall war im Januar. Seither hat der KV die Kinder nicht mehr gesehen. Jetzt kommt der "Antrag"(=vorgefertigter Beschluss) im Wege der einstweiligen Anordnung wegen Eilbedürftigkeit: Ja gehts noch?? Wenn man wenigstens mal so ne Sache ans OLG brächte - aber das funktioniert irgendwie nicht. Hier ist es oft so, dass nach einem Brief mit Beanstandungen gar nichts mehr kommt. :(:daumenrun

  • Die alten Hasen freuen sich in der Regel auch: Unterschrift unter den vorgefertigten Beschluss, Verfügungsbaustein aus forumStar basteln und unterschreiben und wieder zurück an die Geschäftsstelle - ein flotter Richter schafft das in weniger als drei Minuten. Nach Pebb§y beträgt die Basiszahl 237 für RA 090.

    Der Turnus spuckt dann für den Kollegen ein aufwendigeres Verfahren aus...

  • Hatte in dieser Wochen schon wieder 2 solcher Verfahren (jeweils schwerer sexueller Missbrauch von Minderjährigen, einer war kaum 3 Jahre alt). 2x EAO erlassen, schnelle Erledigung für mich. Und zur Gewissheit habe ich nochmal unsere aktuell tätigen Richter gefragt: Auch sie vertreten die Meinung, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Untersuchungen und Vernehmungen ist nur eine Annexkompetenz zu den anderen Wirkungskreisen, die sonst nicht umsetzbar wären, somit kein richterlicher Entzug eines Teils der elterlichen Sorge erforderlich. Ich erlasse somit weiter die Beschlüsse nach dem Muster der STA, habe mir in ForumStar hierzu längst ein eigenes Formular gebastelt, sodass nicht mehr viel zu ändern ist.

  • Hier ist inzwischen die Beschwerde des Kindsvaters des vernommenen Kindes eingegangen. Bin gespannt, wie es weitergeht.

  • Es geht um den Ausgangsfall. Der KV ist sorgeberechtigt, wurde allerdings von der E-pflegerberstellung und Vernehmung des Kindes erst im Nachhinein informiert wie die beschuldigte KM auch. Darüber ist er gar nicht erfreut. Was ich nachvollziehen kann. Ich werde berichten.

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