Erhöhung pfandfreier Betrag

  • Hallo Vollstreckungsprofis!

    Ich habe den Fall, dass Kontoguthaben und Arbeitseinkommen gleichzeitig gepfändet worden sind. Auf dem Konto geht daher nur der pfandfreie Betrag ein.
    Früher habe ich auf Antrag, dann das Arbeitseinkommen insgesamt gem. § 850 k Abs. 4 ZPO freigegeben.

    Dieser lautete: (4) 1Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag einen von den Absätzen 1, 2 Satz 1 Nr. 1 und Absatz 3 abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. 2Die §§ ZPO § 850a, ZPO § 850b, ZPO § 850c, ZPO § 850d Abs. ZPO § 850D Absatz 1 und ZPO § 850D Absatz 2, die §§ ZPO § 850e, ZPO § 850f, ZPO § 850g und ZPO § 850i sowie die §§ ZPO § 851c und ZPO § 851d dieses Gesetzes sowie § SGB_I § 54 Abs. SGB_I § 54 Absatz 2, Abs. SGB_I § 54 Absatz 3 Nr. SGB_I § 54 Absatz 3 Nummer 1, SGB_I § 54 Absatz 3 Nummer 2 und SGB_I § 54 Absatz 3 Nummer 3, Abs. SGB_I § 54 Absatz 4 und SGB_I § 54 Absatz 5 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, § SGB_XII § 17 Abs. SGB_XII § 17 Absatz 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und § ESTG § 76 des Einkommensteuergesetzes sind entsprechend anzuwenden. 3Im Übrigen ist das Vollstreckungsgericht befugt, die in § ZPO § 732 Abs. ZPO § 732 Absatz 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.


    In den §§ 899 ff. ZPO finde ich diese Möglichkeit nicht mehr so richtig. § 906 Abs. 2 ZPO passt m. E. nicht. Nach welchen §§ kann ich denn nun eine Freigabe erklären?!

  • Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass 906 II ZPO der Nachfolger des 850k Abs. 4 ZPO a.F. ist. Durch die deutlich offenere Formulierung sollte erreicht werden, dass sämtliche Pfändungsschutzvorschriften (z.B. auch der bisher nicht ausdrücklich umfasste 851 ZPO) auf das Pfändungsschutzkonto angewandt werden können. Ohne die Gesetzesbegründung wäre ich aber auch nicht darauf gekommen, was der Gesetzgeber hier regeln wollte. Ich halte die Formulierung der Vorschrift auch für sehr unglücklich.

  • Ich habe den abweichenden Fall, dass das P-Konto gepfändet ist, jedoch der Arbeitslohn nicht.

    Schuldner erhält auch Auslöse und möchte diese zusätzlich zu den 1.260 € erhalten.

    Antragstellung erfolgte ausdrücklich nach § 906 Abs. 2 ZPO. Passt der für diesen Fall oder kann man das nicht mit einer Bescheinigung leichter lösen? :gruebel:

  • Auslösegelder dürften unter § 850a Nr. 3 ZPO fallen. Dieser kann, wie bereits von Queen erwähnt, nur nach § 906 II ZPO auf das Pfändungsschutzkonto angewandt werden. Das heißt, du musst eine Entscheidung treffen, eine Bescheinigung geht nicht.

    Über den Bescheinigungsweg des § 903 ZPO können die gesetzlichen Erhöhungsbeträge nach § 902 ZPO (in der Praxis meist: Unterhaltspflichten, Kindergeld und diverse Sozialleistungen) bescheinigt werden. Dasselbe gilt für die Nachzahlung gewisser Sozialleistungen (in der Praxis meist: ALG II). Diese können nach § 904 Abs. 4 ZPO bescheinigt werden. Hier bist du nur zu einer Entscheidung berufen, wenn eine andere Stelle die Bescheinigung nicht erteilen kann. Das geht dann über § 905 ZPO.

    Alles andere, z.B. §§ 850a, 850b, 850c, 851, 850i ZPO geht ausschließlich über § 906 Abs. 2 ZPO. Hier musst du in aller Regel im Beschlusswege entscheiden (etwas anderes gilt nur für die Vollstreckungen öffentlicher Stellen, die per Pfändungs- und Einziehungsverfügung vollstrecken. Diese müssen ihre Pfändungsschutzsachen selbst entscheiden).

  • Vielen Dank für die ausführliche Erläuterung. Ich hatte eben die Hoffnung, das Problem wäre mit einer Bescheinigung des Arbeitgebers lösbar.

    Also muss der Schuldner jeden Monat einen neuen Antrag stellen? Pauschalbeschluss dürfte nicht gehen mangels Pfändung des Lohns, oder?

  • Vielen Dank für die ausführliche Erläuterung. Ich hatte eben die Hoffnung, das Problem wäre mit einer Bescheinigung des Arbeitgebers lösbar.

    Also muss der Schuldner jeden Monat einen neuen Antrag stellen? Pauschalbeschluss dürfte nicht gehen mangels Pfändung des Lohns, oder?

    Genau. Diese Fälle sind dann leider etwas nervig, aber bestenfalls kommt dann der Gläubiger auch noch darauf doch den Lohn zu pfänden.


  • Also muss der Schuldner jeden Monat einen neuen Antrag stellen?

    Wenn die Höhe oder der Bezug der Auslöse nicht gleichbleibend ist, dann ist das so. Anderenfalls, kann man den Pfändungsfreibetrag ja auf Dauer um die Höhe der Auslöse erhöhen.

  • Ich habe einen Antrag auf Erhöhung des pfändungsfreien Betrages. Das P-Konto des Schuldners ist gepfändet, der Lohn nicht. Soweit alles klar. Das Problem bei der Sache ist, dass der Arbeitgeber bereits den pfändbaren Teil des Lohnes an einen angeblichen Abtretungsgläubiger abführt. "Angeblich", da es dem Schuldner nicht möglich ist, die Abtretungserklärung vorzulegen. Er kann sich nicht erinnern, jemals eine solche Erklärung unterschrieben zu haben. Die ihm dazu von seinem Arbeitgeber ausgehändigten Unterlagen beinhalten ebenfalls keine Abtretungserklärung. Er hat auch schon versucht, von dem Inkassounternehmen eine Kopie der Abtretungserklärung zu erhalten. Ebenfalls ohne Ergebnis.

    Der Schuldner bekommt auf sein Konto somit tatsächlich lediglich den unpfändbaren Lohnanteil überwiesen. Plus Spesen, die aber ja auch unpfändbar sind. Aber was ist mit dem Betrag, welcher durch den Arbeitgeber bereits dem "Abtretungsempfänger" zugeführt wird. Muss ich den irgendwie berücksichtigen? Er ist ja quasi außen vor, wenn ich den unpfändbaren Betrag festsetze.

    Das kommt mir alles etwas merkwürdig vor. Zumal ich sowieso Vorbehalte gegen diverse Inkassounternehmen habe. Wenn dann noch der Arbeitgeber nicht richtig geschaut hat, wird möglicherweise ohne Grundlage gezahlt. Aber ist das mein Problem?

    Einmal editiert, zuletzt von ally (5. November 2024 um 16:12)

  • Du hast also einen §§ 906 Abs. 2, 850c ZPO Antrag vorliegen, korrekt?

    Meiner Meinung nach musst du zwischen zwei Varianten differenzieren:

    Zunächst kannst du den § 850c ZPO auch ohne Pfändung / Lohnabtretung auf das P-Konto anwenden. Dann musst du aber selbst den unpfändbaren Teil des Arbeitseinkommens berechnen. Das ist lästig aber lösbar.

    Bei einer bestehenden Pfändung / Lohnabtretung kannst du gegebenenfalls anordnen, dass dem Schuldner anstelle der nach §§ 899, 902 ZPO unpfändbaren Beträge ein Betrag in Höhe der Lohngutschrift auf dem Konto pfandfrei bleiben soll. Neben der bestehenden Pfändung / Abtretung musst du dir auch über § 906 Abs. 3 Nr. 1 ZPO Gedanken machen. Eine solche Festsetzung ist nur bei schwankenden unpfändbaren Beträge möglich, bei gleichbleibendem Einkommen ist der unpfändbare Betrag zu beziffern. Im Hinblick darauf, dass dein Schuldner Spesen bekommt, dürfte im konkreten Fall § 906 Abs. 3 Nr. 1 ZPO wohl kein Hindernis darstellen.

    Solltest du dem Schuldner einen unpfändbaren Betrag in Höhe der Lohnzahlungen gewähren, wäre zudem zu überlegen, die Anordnung zu befristen. Ich orientiere mich insoweit an den durchschnittlichen Auskehrungen bei der Lohnpfändung und der Forderungshöhe des Gläubigers.

    Diese Überlegungen vorausgeschickt:

    Der Schuldner bekommt auf sein Konto somit tatsächlich lediglich den unpfändbaren Lohnanteil überwiesen. Plus Spesen, die aber ja auch unpfändbar sind. Aber was ist mit dem Betrag, welcher durch den Arbeitgeber bereits dem "Abtretungsempfänger" zugeführt wird. Muss ich den irgendwie berücksichtigen?

    Für dich ist nur wichtig, wie hoch der unpfändbare Teil des Lohns ist. Auf welcher Grundlage an der Arbeitgeber an den Gläubiger leistet, ist für dich egal, da du ja nur den unpfändbaren Betrag des Pfändungsschutzkontos bestimmst.

    Wenn dann noch der Arbeitgeber nicht richtig geschaut hat, wird ohne Grundlage gezahlt. Aber ist das mein Problem?

    Keinesfalls. Der Streit, ob die Lohnteile zurecht abgeführt werden und ob der Arbeitgeber schuldbefreiend leistet ist (insbesondere bei einer Lohnabtretung) vor dem Arbeitsgericht zu führen.

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