Anfechtung der Annahme vor Ablauf der Ausschlagungsfrist möglich?

  • E ist am 19.03. verstorben.
    Er hinterläßt seine Ehefrau und 2 volljährige Kinder A und B.
    Alle haben seit dem Todestage Kenntnis vom Anfall der Erbschaft.
    Kind A hat am 29.04. bei einem Notar im hiesigen Gerichtsbezirk die Erbschaft nach dem Erblasser formgerecht ausgeschlagen.
    Diese Erbausschlagungserklärung ist fristgerecht am gleichen Tage beim hiesigen Amtsgericht eingegangen, so daß Kind A als Miterbe weggefallen ist.
    Kind B hat ebenfalls am 29.04. bei einer Notarin in Bayern die Erbschaft nach dem Erblasser formgerecht ausgeschlagen.
    In dieser Urkunde hat Kind B für den Fall, daß die Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 BGB bereits abgelaufen sein sollte, die Annahme der Erbschaft infolge Fristablaufs höchst vorsorglich gemäß § 1956 BGB angefochten.
    Als Begründung führt Kind B an, daß es der Meinung gewesen sei, die Ausschlagungsfrist laufe erst mit einer Mitteilung des Nachlaßgerichtes.
    Im Zeitpunkt der Abfassung dieser Anfechtungserklärung war die eigentliche Erbausschlagungsfrist jedoch noch nicht abgelaufen.
    Gleichzeitig hat der Notar Kind B darauf hingewiesen, daß die Erbausschlagungserklärung erst mit dem Eingang beim Nachlaßgericht wirksam wird und daß Kind B die Urkunde im Original sofort beim zuständigen Nachlaßgericht einzureichen hat, damit die Erbausschlagungsfrist von 6 Wochen gewahrt ist.
    Kind B hat die Urkunde dann allerdings weder an das für seinen gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 344 Abs. 7 S. 1 FamFG örtlich zuständige Amtsgericht C noch an das hiesige Nachlaßgericht gesandt sondern an die Ehefrau des Erblassers wo sie am Montag, den 02.05. eingegangen ist.
    Diese hat sodann das in ihrem Haushalt wohnende Kind A damit beauftragt, die Urkunde noch am gleichen Tage in den Briefkasten des hiesigen Amtsgerichts einzuwerfen, damit diese noch fristgerecht eingeht.
    Kind A hat die Urkunde dann allerdings erst nach Beginn des Dienstags, den 03.05.2022, in den Briefkasten des hiesigen Amtsgerichts eingeworfen, so daß sie erst nach Ablauf der Erbausschlagungsfrist, welche am Montag, den 02.05.2022 um 24:00 Uhr abgelaufen ist, hier eingegangen ist.
    Die Ehefrau beantragt nun die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, daß der Erblasser von ihr und Kind B zu je 1/2 Anteil beerbt worden ist.
    Ist Kind B Miterbe geworden oder greift die vor dem Ablauf der eigentlichen Erbausschlagungsfrist erklärte Anfechtung der Annahme?

  • Über den Anfall der Erbschaft war Kind B nicht im Irrtum.
    M.E. dürfte Kind B auch schon vor der Beurkundung von der Erbausschlagungsfrist gewußt haben, da sich die Ehefrau des Erblassers nach seinem Tode an einen Notar gewandt hatte, um einen Erbschein zu beantragen.
    Dieser Notar teilte der Ehefrau mit, daß es sinnvoll sei, wenn ihre beiden Kinder die Erbschaft umgehend ausschlagen würden, da sie dann Alleinerbin würde.
    Daraufhin haben die Kinder Beurkundungstermine zur Ausschlagung der Erbschaft vereinbart, da es auch ihr Wunsch war, daß ihre Mutter Alleinerbin des Erblassers wird.
    Beide Kinder haben keine Abkömmlinge.
    Falls die Anfechtung wirksam wäre, käme als Miterbin neben der Ehefrau die einzige Nichte des Erblassers in Betracht.

  • Die Anfechtung greift nicht. Zum Zeitpunkt der Anfechtung war die Frist nicht abgelaufen, der dargelegte Irrtum ist auch nicht der maßgebliche Grund für die (spätere) Versäumung der Frist. Nach Erklärung der Ausschlagung war noch Zeit zur Einreichung und über den Ablauf wurde der Ausschlagende belehrt. Eine Anfechtung aufgrund eines anderen/neuen Irrtums mag theoretisch möglich sein, aber dafür muss die auch erklärt werden.


  • ...Dieser Notar teilte der Ehefrau mit, daß es sinnvoll sei, wenn ihre beiden Kinder die Erbschaft umgehend ausschlagen würden, da sie dann Alleinerbin würde.
    Daraufhin haben die Kinder Beurkundungstermine zur Ausschlagung der Erbschaft vereinbart, da es auch ihr Wunsch war, daß ihre Mutter Alleinerbin des Erblassers wird...

    ..., käme als Miterbin neben der Ehefrau die einzige Nichte des Erblassers in Betracht...


    Mal OT:
    Da hat der Notar aber ggfls. der Witwe einen Bärendienst erwiesen.
    Wenn zielgerichtete Ausschlagungen gemacht werden, damit die Witwe Alleinerebin wird, sollte man vielleicht erst die zweite Erbordnung "eliminieren", bevor die Kinder ausschlagen.
    Unabhängig von der Wirksamkeit der Ausschlagung des Kindes B ist die Witwe nicht Alleinerbin geworden, solange noch eine Nichte da ist.

    Konkret dürfte die Anfechtung ins Leere gehen, da bin ich bei Bob Lowlaw.

  • Die Anfechtung greift nicht. Zum Zeitpunkt der Anfechtung war die Frist nicht abgelaufen, der dargelegte Irrtum ist auch nicht der maßgebliche Grund für die (spätere) Versäumung der Frist. Nach Erklärung der Ausschlagung war noch Zeit zur Einreichung und über den Ablauf wurde der Ausschlagende belehrt. Eine Anfechtung aufgrund eines anderen/neuen Irrtums mag theoretisch möglich sein, aber dafür muss die auch erklärt werden.

    richtig, aber B hätte die not. Erklärung nicht bei seinem Wohnsitzamtsgericht einreichen könnne, denn der § 344 Abs. 7 FamFG betrifft nur die Erklärungen welche vor dem Gericht abgegeben werden, so dass im Falle des § 343 FamFG das Risiko der rechtzeitigen Übermittlung der notariellen Erklärung immer der Ausschlagende trägt. Meiner Meinung ist er damit Miterbe geworden.

  • richtig, aber B hätte die not. Erklärung nicht bei seinem Wohnsitzamtsgericht einreichen könnne, denn der § 344 Abs. 7 FamFG betrifft nur die Erklärungen welche vor dem Gericht abgegeben werden,


    Das halte ich nicht für zutreffend - der Wortlaut des Gesetzes spricht von "Entgegennahme" und die von mir gelesenen Kommentierungen zu § 344 Abs. 7 FamFG sind da eindeutig der Meinung, dass das auch für notarielle Erklärungen gilt.

  • Sollte die Anfechtung der Annahme doch wirksam sein, dann könnte der Irrtum über die gesetzliche Erbfolge, den der Notar in die Köpfe der Leute gebracht hat, ein Grund für die Anfechtung der Ausschlagung sein.

  • Ein Irrtum über die Person des Nächstberufenen ist kein Anfechtungsgrund.

    Insofern dürfte es ein Glücksfall für die Beteiligten sein, dass die vermutlich wegen Unkenntnis der gesetzlichen Erbfolge erklärte Ausschlagung unwirksam ist. (Es sei denn, es war auch mit der Nichte abgesprochen, dass sie ausschlagen würde, dann hätten sie jetzt zusätzlichen Aufwand.)

  • B wollte ausschlagen. Das ist Fakt. Dass mit der Ausschlagung nicht das erwartete Ergebnis erreicht wird, ist irrelevant.

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