Jobcenterbescheide, Inflationsausgleich

  • Liebe Gemeinde,

    inzwischen laufen hier mehr oder weniger regelmäßig Anträge derselben Kanzlei auf Beratungshilfe für Widerspruchsverfahren ein mit der einzigen Begründung, dass der aktuelle Jobcenterbescheid nicht die aktuelle Inflation berücksichtigt.
    Der SGB II sei insoweit verfassungswidrig.

    So sehr ich das tatsächliche Problem der Antragsteller verstehe: ist das ein Fall für die Beratungshilfe?

  • Ganz aus der Luft gegriffen ist das nicht:
    https://www.hartziv.org/news/20220715-…z-iv-regelsatz/

    Mag sein. Aber es steht und fällt mit der Frage der Mutwilligkeit. Bei der Beamtenbesoldung ist aufgrund der laufenden Erhöhungen der Sozialleistungen auch klar, daß diese vielfach nicht verfassungskonform ist. Aber das bedeutet eben nicht, daß ich einen Anwalt beauftrage, sondern mit diesem pauschalen Einwand kann ich auch selbst tätig werden.

    Das wäre jedenfalls außergerichtlich zumutbar. Wenn es - wovon auszugehen ist - nicht fruchtet, kann die Angelegenheit - ggf. über PKH - beim Sozialgericht durchgefochten werden.

  • kann die Angelegenheit - ggf. über PKH - beim Sozialgericht durchgefochten werden.

    Dann sind aber viele Chancen bereits vertan. Mit Deiner Argumentation könnte jegliche Beratungshilfe abgewählt werden.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wie sollte sich die beanstandete gesetzliche Grundlage außergerichtlich klären lassen?

    Verfassungskonforme Auslegung etc. , Du glaubst gar nicht, was manche Sozialbehörden seit dem Beginn der Pandemie so entscheiden. Wir gewähren mit der Gießkanne und prüfen nichts.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wie viel man da außergerichtlich erreichen kann, ist tatsächlich fraglich. Die Regelsätze basieren auf § 8 RBEG (bzw. dessen Fortschreibung). Da das Gesetz recht eindeutig regelt, in welcher Höhe die Leistungen zu gewähren sind, dürften die Abhilfe- und Auslegungsmöglichkeiten des Jobcenters sehr beschränkt bis nicht vorhanden sein.

    Wenn der Antragsteller selbst Verfassungsbeschwerde einlegen will / muss, kann man ihn meiner Meinung nach nicht darauf verweisen, einfach "einen Brief nach Karlsruhe" zu schreiben. Ich kenne mich in der Materie nicht so gut aus, aber es könnte sein, dass zunächst Rechtswegserschöpfung eintreten muss (also dass man das Problem in allen Instanzen durchficht) bis eine Verfassungsbeschwerde zulässig wird, § 90 Abs. 2 BVerfGG. Daher wird zunächst zu prüfen sein, wie gegen die mutmaßliche Grundrechtsverletzung korrekterweise vorzugehen ist.

    Alternativ kann man hoffen, dass das Sozialgericht im Falle einer Klage direkt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht veranlasst, weil es selbst Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm hat.

    Will sagen:
    Auch wenn es (mir ebenfalls) nicht gefällt: Die Sache ist nicht so trivial, wie man im ersten Moment vielleicht denkt. Eine Bewilligung wird sich in meinen Augen eher nicht vermeiden lassen. Dass hierdurch eine "Beratungshilfeflut" ausgelöst werden könnte, steht zu befürchten, ist aber nicht zu vermeiden.

  • Wie viel man da außergerichtlich erreichen kann, ist tatsächlich fraglich. Die Regelsätze basieren auf § 8 RBEG (bzw. dessen Fortschreibung). Da das Gesetz recht eindeutig regelt, in welcher Höhe die Leistungen zu gewähren sind, dürften die Abhilfe- und Auslegungsmöglichkeiten des Jobcenters sehr beschränkt bis nicht vorhanden sein.

    Wenn der Antragsteller selbst Verfassungsbeschwerde einlegen will / muss, kann man ihn meiner Meinung nach nicht darauf verweisen, einfach "einen Brief nach Karlsruhe" zu schreiben. Ich kenne mich in der Materie nicht so gut aus, aber es könnte sein, dass zunächst Rechtswegserschöpfung eintreten muss (also dass man das Problem in allen Instanzen durchficht) bis eine Verfassungsbeschwerde zulässig wird, § 90 Abs. 2 BVerfGG. Daher wird zunächst zu prüfen sein, wie gegen die mutmaßliche Grundrechtsverletzung korrekterweise vorzugehen ist.

    Es ist in der Tat nicht trivial; die Möglichkeit der Geltendmachung beim Jobcenter aber schon. Und die werden - wie du richtig sagst - aufgrund der eindeutigen Regelungen kaum eine Möglichkeit haben, dem Begehr nachzugeben. Also wird es auf eine gerichtliche Geltendmachung hinauslaufen, die von der BerH nicht erfaßt ist. Erst nach Rechtswegerschöpfung dürfte der Gang nach Karlsruhe möglich sein. Da dürften aber schon manche Verfahren laufen...

  • Für so etwas gibt es Verbände -Paritätischer Wohlfahrtsverband oder ähnliches- ich habe Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine evtl. Verfassungswidrigkeit von SGB II bereits vom Wohlfahrtsverband geprüft wird und dies nicht etwas ist, wofür jede Einzelperson einzeln einen Rechtsanwalt beauftragt

  • Wenn jemand bereits Mitglied eines Sozialverbands ist, würde ich den Antrag auch wegen einer anderen zumutbaren Hilfsmöglichkeit ablehnen. Der Verband kann zumindest eine Erstberatung vornehmen und im Widerspruchsverfahren unterstützen, alles andere läuft ohnehin über PKH.

    Oft sind meine Antragsteller nicht Mitglied einer solchen Vereinigung und ich kann sie nicht zwingen, eine kostenpflichtige Mitgliedschaft zu abzuschließen um in den Genuss einer Beratung zu kommen.

    In meiner ländlichen Region gibt es leider keine Erwerbslosenverbände oder ähnliches, bei denen man eine kostenfreie Beratung in Anspruch nehmen könnte ohne Mitglied zu sein.

    Daher bleibt bei mir nur der Gang zum Rechtsanwalt. Ich finde es auch ungeschickt, aber irgendwo muss sich der Antragsteller ja informieren können, wie der Einwand der Verfassungswidrigkeit korrekt vorgebracht werden kann.

  • Ich finde es auch ungeschickt, aber irgendwo muss sich der Antragsteller ja informieren können, wie der Einwand der Verfassungswidrigkeit korrekt vorgebracht werden kann.

    Dito
    Unklar ist m.E. auch inwieweit bei einem evtl. entsprechenden Urteil dieses für alle Leistungsempfänger gelten würde und für welchen rückwirkenden Zeitraum.

  • kann die Angelegenheit - ggf. über PKH - beim Sozialgericht durchgefochten werden.

    Dann sind aber viele Chancen bereits vertan. Mit Deiner Argumentation könnte jegliche Beratungshilfe abgewählt werden.



    Grüße aus dem SG: Ich bin hier bei Gegs und Corypheus. Ich hocke zu lange in der Fachgerichtsbarkeit; mindestens eine BerH-Reform ist daher an mir vorbeigegangen, aber die Reihenfolge war doch "Zumutbare Eigenbemühungen > BerH beim AG> Klage (beim SG)", wobei BerH natürlich übersprungen werden darf, aber nicht muss?

    Wenn jemand bereits Mitglied eines Sozialverbands ist, würde ich den Antrag auch wegen einer anderen zumutbaren Hilfsmöglichkeit ablehnen. Der Verband kann zumindest eine Erstberatung vornehmen und im Widerspruchsverfahren unterstützen, alles andere läuft ohnehin über PKH.

    Nicht, wenn man Mitglied in einem Sozialverband ist. Die vertreten auch vor dem Sozialgericht. Die Mitgliedschaft zählt da wie einzusetzendes Vermögen; wozu also Anwalt mit PKH?

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Wenn jemand bereits Mitglied eines Sozialverbands ist, würde ich den Antrag auch wegen einer anderen zumutbaren Hilfsmöglichkeit ablehnen. Der Verband kann zumindest eine Erstberatung vornehmen und im Widerspruchsverfahren unterstützen, alles andere läuft ohnehin über PKH.

    Nicht, wenn man Mitglied in einem Sozialverband ist. Die vertreten auch vor dem Sozialgericht. Die Mitgliedschaft zählt da wie einzusetzendes Vermögen; wozu also Anwalt mit PKH?

    Gut zu wissen, dass die Verbände auch gerichtlich vertreten dürfen. Wieder was gelernt :D

  • Hier flattern jetzt Anträge ein "gegen Mieterhöhungen", welches letztendlich Erhöhungen der Vorauszahlungen bedeutet wegen der stark gestiegenen Gas- und Strompreise.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Gut zu wissen, dass die Verbände auch gerichtlich vertreten dürfen. Wieder was gelernt :D

    Der VdK vertritt bei uns regelmäßig. Der DGB kommt auch mal vor, aber nicht so oft wie die Sozialverbände.

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Hier flattern jetzt Anträge ein "gegen Mieterhöhungen", welches letztendlich Erhöhungen der Vorauszahlungen bedeutet wegen der stark gestiegenen Gas- und Strompreise.

    Das ist mE ein nicht einfaches rechtliches Problem, für das Beratungshilfe zu gewähren ist (es sei denn der ASt. ist im Mieterbund und dessen Inanspruchnahme zumutbar).

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Hier flattern jetzt Anträge ein "gegen Mieterhöhungen", welches letztendlich Erhöhungen der Vorauszahlungen bedeutet wegen der stark gestiegenen Gas- und Strompreise.

    Das ist mE ein nicht einfaches rechtliches Problem, für das Beratungshilfe zu gewähren ist (es sei denn der ASt. ist im Mieterbund und dessen Inanspruchnahme zumutbar).

    Wo liegt in der bitte des Vermieters freiwillig die Vorauszahlungen zu erhöhen ein rechtliches Problem?

    Nur das ist es doch. Ob man so einer bitte nachkommt erfordert doch keine rechtliche Überlegung, sondern nur wirtschaftliche

  • Unter der Formulierung "Erhöhungen der Vorauszahlungen" von PuCo habe ich jetzt keine "Bitte, freiwillig die Vorauszahlungen zu erhöhen" verstanden sondern eine förmliche Erhöhung der Vorauszahlungen.

    Hier flattern jetzt Anträge ein "gegen Mieterhöhungen", welches letztendlich Erhöhungen der Vorauszahlungen bedeutet wegen der stark gestiegenen Gas- und Strompreise.

    Das ist mE ein nicht einfaches rechtliches Problem, für das Beratungshilfe zu gewähren ist (es sei denn der ASt. ist im Mieterbund und dessen Inanspruchnahme zumutbar).

    Wo liegt in der bitte des Vermieters freiwillig die Vorauszahlungen zu erhöhen ein rechtliches Problem?

    Nur das ist es doch. Ob man so einer bitte nachkommt erfordert doch keine rechtliche Überlegung, sondern nur wirtschaftliche

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Unter der Formulierung "Erhöhungen der Vorauszahlungen" von PuCo habe ich jetzt keine "Bitte, freiwillig die Vorauszahlungen zu erhöhen" verstanden sondern eine förmliche Erhöhung der Vorauszahlungen.

    Hier flattern jetzt Anträge ein "gegen Mieterhöhungen", welches letztendlich Erhöhungen der Vorauszahlungen bedeutet wegen der stark gestiegenen Gas- und Strompreise.

    Das ist mE ein nicht einfaches rechtliches Problem, für das Beratungshilfe zu gewähren ist (es sei denn der ASt. ist im Mieterbund und dessen Inanspruchnahme zumutbar).

    Wo liegt in der bitte des Vermieters freiwillig die Vorauszahlungen zu erhöhen ein rechtliches Problem? Nur das ist es doch. Ob man so einer bitte nachkommt erfordert doch keine rechtliche Überlegung, sondern nur wirtschaftliche

    das was jetzt passiert, ist fast immer eine Bitte - einfach Schreiben lesen, das geht erst mal ohne Anwalt

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