Niederländischer Testamentsvollstrecker

  • Eine niederländische Testamentsvollstreckerin/Abwicklungsvollstreckerin verkauft zum einen an einen Dritten (wobei die volle Entgeltlichkeit wegen sehr geringen Kaufpreis fraglich ist) ohne Mitwirkung der Erben. In einem weiteren Vertrag überträgt sie die übrigen Grundstücke an sich selbst. Die Erben stimmen „vorsorglich“ zu. In dem Vertrag ist vermerkt, dass die TV Anspruch auf Übertragung der Grundstücke aufgrund eines Erbteilungsvertrag vor einem niederländischen Notar hat.

    Erben sind die Testamentsvollstreckerin (Ehefrau, 10/1000 Anteil) und die zwei Kinder des Erblassers (je 495/1000 Anteil). Es liegt ein ENZ vor. Mir liegen zu den beiden Verträgen Übersetzungen des ENZ von zwei unterschiedlichen Übersetzern vor. Bei den Kindern ist unter Ziffer 10 (Bedingungen und Beschränkungen in Bezug auf die Rechte des Erben) der Anlage IV des ENZ vermerkt: „der Erbteil wird unter der auflösenden Bedingung erworben, dass das, was er im Falle seines Versterbens nicht aufgebraucht aus dem Nachlass hinterlässt, seinen eigenen Kindern zukommt.“ Es folgt ein eingeklammerter Zusatz, der unterschiedlich übersetzt wurde:(Nacherbfolge/ Bestellung eines Vor- und Nacherben) bzw. (fidei commis/Bedingtes Vermächtnis)

    Darf ein niederländischer TV Insichgeschäfte vornehmen und unentgeltlich verfügen? Muss die Entgeltlichkeit beim Verkauf an einen Dritten, wie im deutschen Recht, dargelegt werden?

    Bei der Übertragung der Grundstücke der TV an sich, stell ich mir die Frage, ob aufgrund der auflösenden Erbenstellung weitere Zustimmungserfordernisse bestehen.

    Für eure Hilfe wäre ich sehr dankbar.

  • Die Handlungsbefugnis eines niederländischen TV ist hier unter 9.3 dargestellt:

    https://e-justice.europa.eu/166/DE/success…%20erforderlich.

    Die Verwaltung durch den niederländischen TV richtet sich nach Artikel 4:144 BW ff.

    Artikel 144 - Taak executeurs - Wetboek+
    Artikel 4:144 BW - Taak executeurs - Onverminderd de testamentaire lasten die de erflater aan de executeur mocht hebben opgelegd, heeft deze voor zover...
    wetboekplus.nl

    In der google-Übersetzung lautet Art. 4:147:

    1. Der Testamentsvollstrecker ist ermächtigt, das von ihm verwaltete Vermögen zu verwerten, soweit dies zur Begleichung der Nachlassschulden und zur Erfüllung der ihm auferlegten Lasten erforderlich ist.

    2. Sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat, wird der Testamentsvollstrecker die Erben über die Auswahl des zu verwertenden Vermögens und die Art der Verwertung so weit wie möglich beraten und, falls ein Erbe einer beabsichtigten Verwertung widerspricht, diesen auf die Möglichkeit hinweisen die Entscheidung des Amtsgerichts anzufechten.

    3. Der Erblasser kann bestimmen, dass der Testamentsvollstrecker für die Verwertung eines Vermögens die Zustimmung der Erben benötigt. Diese Erlaubnis kann jedoch durch eine Ermächtigung des Amtsgerichts ersetzt werden.

    4. Die Bestimmungen der vorstehenden Absätze in Bezug auf Erben gelten auch für diejenigen, denen der Nießbrauch am Nachlass oder an einem Anteil daran vermacht wurde.


    Die in 1994 herausgegebene Veröffentlichung von Karlheinz Muscheler „Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung“,

    scheint veraltet zu sein.

    Zu gesellschaftlichen Fragen des Selbstkontrahierens führt das OLG Düsseldorf im Beschluss vom 23.12.1994, 3 Wx 262/92, aus: „Im dritten Buch des neuen niederländischen bürgerlichen Gesetzbuches, das am 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist, findet sich unter dem Titel 3: "Vollmacht" die Bestimmung des Art. 68, nach der ein Selbsteintritt eines Bevollmächtigten nur dann zugelassen ist, wenn der Inhalt des abzuschließenden Rechtsgeschäfts so genau feststeht, dass ein Streit der Interessen ausgeschlossen ist. Diese, dem § 181 BGB vergleichbare Bestimmung, findet aber nach der vom Senat eingeholten Rechtsauskunft des Universitätsprofessors für Zivilrecht an der KU N. Dr. E. A L. auf die Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer niederländischen B.V. oder N.V. keine Anwendung, so dass sich eine Beschränkung des Geschäftsführers X. hinsichtlich der Vornahme des hier in Rede stehenden Rechtsgeschäftes nur aus den Bestimmungen des niederländischen Rechts über die Kapitalgesellschaften ergeben kann“.

    Ob Buch 3 Artikel 68 (3:68 DCC) auf den TV Anwendung finden kann (siehe hier nebst Erläuterung und Rechtsprechung),

    Artikel 68 - Tegenstrijdige belangen - Wetboek+
    Artikel 3:68 BW - Tegenstrijdige belangen - Tenzij anders is bepaald, kan een gevolmachtigde slechts dan als wederpartij van de volmachtgever optreden, ...
    wetboekplus.nl

    konnte ich nicht feststellen. Einem Bevollmächtigten dürfte er aber nicht gleichstehen

    Vorliegend ist die Ehegattin des verstorbenen Erblassers zur Testamentsvollstreckerin berufen. Bei gesetzlicher Erbfolge ginge auf diese nach Art. 4.13 BW

    Art. 4:13 BW - BW Boek 4 - Artikel 13 Burgerlijk Wetboek Boek 4 :: Maxius.nl voorheen Lexius.nl

    das Vermögen als Alleinerbin über. Eine Erbengemeinschaft mit den Abkömmlingen des Erblassers entstünde dann nicht (siehe Eule in der RNotZ 9/2003, 434/444).

    https://eule-tangenberg.de/downloads/Prob…ftserbrecht.pdfund die Ausführungen zum Europäischen Nachlasszeugnis hier:

    Niederländisches Güterrecht - Fach-Forum von, für und über Rechtspfleger
    Hallo, ich hab hier folgenden Fall vorliegen: im Grundbuch sind A + B in Gütergemeinschaft nach niederländischem Recht eingetragen. Nun ist A verstorben…
    rechtspflegerforum.de

    In solchen Fällen könnte es mE auch kein Problem mit einem Insich-Geschäft geben.

    Beruht denn vorliegend die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen ?

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für deine Antwort und Hilfe, Prinz.

    Die Erbfolge beruht auf einer Verfügung von Todes wegen.

    in dem ENZ Anlage VI ist die Ziffer 4.12 Veräußerung von unbeweglichen Vermögen und sonstigem Vermögen angekreuzt.

    Unter dem Punkt : "Falls die Befugnisse de TV aus den vorstehenden Feldern nicht genau hervorgehen, fügen Sie hier weitere Erläuterungen ein" ist folgendes vermerkt:

    "Im Testament hat der Verstorbene seine Ehefrau zu seiner Testamentsvollstreckerin/Abwicklungsvollstreckerin ernannt. Die Ehefrau hat diese Ernennung angenommen. Als Testamentsvollstreckerin/Abwicklungsvollstreckerin ist Frau X als einzige befugt, den Nachlass des Verstorbenen zu verwalten und darüber zu verfügen.

    Die Testamentsvollstreckerin/Abwicklungsvollstreckerin ist befugt, die von ihr verwalteten Güter zu verwerten, sofern sich dies für die Begleichung der Nachlassschulden für notwendig erweist.

    Die Testamentsvollstreckerin/Abwicklungsvollstreckerin wird sich was die zu verwertende Güter sowie die Art und Weise der Verwertung betrifft, nicht mit den Erben beraten.

    Die Testamentsvollstreckerin/Abwicklungsvollstreckerin benötigt für die Verwertung eines Gutes nicht die Genehmigung der Erben.

    Als Testamentsvollstreckerin/Abwicklungsvollstreckerin ist Frau X kraft niederländischem Recht als einzige befugt, den Nachlass des Verstorbenen zu verwalten und ist befugt, über Nachlassgüter, die zur aufgelösten Gütergemeinschaft gehören, sowie über den Nachlass zu verfügen, ohne Mitarbeit des (der) Berechtigten und ohne Vollmacht des niederländischen Amtsrichters "

    Warum die Bestimmung "Die Testamentsvollstreckerin/Abwicklungsvollstreckerin ist befugt, die von ihr verwalteten Güter zu verwerten, sofern sich dies für die Begleichung der Nachlassschulden für notwendig erweist" aufgenommen wurde, frage ich mich zu dem auch. Ist das eine Beschränkung? Das würde der im Übrigen bestimmten umfassenden Verfügungsbefugnis widersprechen.

  • ...Warum die Bestimmung "Die Testamentsvollstreckerin/Abwicklungsvollstreckerin ist befugt, die von ihr verwalteten Güter zu verwerten, sofern sich dies für die Begleichung der Nachlassschulden für notwendig erweist" aufgenommen wurde, frage ich mich zu dem auch. Ist das eine Beschränkung? Das würde der im Übrigen bestimmten umfassenden Verfügungsbefugnis widersprechen.

    Das entspricht der gesetzlichen Bestimmung des Art. 4:147 Satz 1 BW. Von dieser Bestimmung hätte der Erblasser Ausnahmen machen können.

    Klüsener führt dazu in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Auflage 2022, Länderbericht Niederlande, RN 65

    Burandt/Rojahn, Erbrecht - beck-online

    aus: „Er kann die gesetzlichen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten des Testamentsvollstreckers beschränken oder erweitern. Ist dieses nicht geschehen, gelten die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften der Artikel 4:142–152 BW“.

    Wenn also die Beschränkung „sofern sich dies für die Begleichung der Nachlassschulden für notwendig erweist" in das Europäische Nachlasszeugnis aufgenommen wurde, würde ich schon von einer Beschränkung im Außenverhältnis ausgehen wollen.

    Für einen solchen Fall führt das Gutachten des DNotI vom 24.11.2009, Gutachten/Abruf-Nr: 98679

    Details - DNotI

    aus (Hervorhebung durch mich): „Auch der Testamentsvollstrecker kann nicht allein einen Nachlassgegenstand veräußern, wenn dies nicht zur Begleichung der Schulden erforderlich ist. In einem solchen Fall müssten somit Testamentsvollstrecker und Erben gemeinsam handeln“…

    Zu diesen Erben dürften auch die Nacherben gehören. Nacherbeinsetzungen sind als bedingte letztwillige Zuwendungen möglich (Art. 4: 137 ff. BW).

    Der Übertragung auf die Testamentsvollstreckerin haben die Erben offenbar zugestimmt, denn eingangs führst Du aus: „In einem weiteren Vertrag überträgt sie die übrigen Grundstücke an sich selbst. Die Erben stimmen „vorsorglich“ zu. In dem Vertrag ist vermerkt, dass die TV Anspruch auf Übertragung der Grundstücke aufgrund eines Erbteilungsvertrag vor einem niederländischen Notar hat“. Also wird diese Zustimmung nachzuweisen sein. Für den Fall, dass auch die Veräußerung an den Dritten nicht zur Begleichung der Nachlassschulden erforderlich war, würde das dann wohl auch dafür gelten. Zu Fragen der Erbteilung siehe auch die Ausführungen hier:

    De ouderlijke boedelverdeling, de wettelijke verdeling en het kindsdeel | Advocaat Kindsdeel Amsterdam | Brenner Advocaten
    Van onze advocaat kindsdeel. De advocaat-generaal bij Parket bij de Hoge Raad heeft op 17 juni 2016 het verschil en de overeenkomsten toegelicht tussen de…
    www.kindsdeel.info

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Bei einer anderen Lesart würde der Art. 4:147 meiner Meinung nach mehr Sinn ergeben. Danach gehören die Nummern 1 und 2 zusammen. Der Erbe kann einer Verwertung grds. widersprechen, wenn zur Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten nicht die Verwertung des Familienheims erforderlich ist, weil die der Ferienwohnung wertmässig schon ausreicht. Unabhängig davon könnte der Erblasser nach Nummer 3 aber auch ein generelles Zustimmungserfordernis verhängen. Bei der Sichtweise würde sich der von Lena aufgezeigte Widerspruch lösen.

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