Bindungswirkung gemeinschaftliches Testament?

  • Hallo, ich hoffe mal auf Denkanstöße aus der Schwarmintelligenz:

    Eheleute M und F, es gibt Kinder T1, T2 und S. Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute M und F aus 2011 (ein früheres Tesament, in dem T1 und T2 aus Gründen schon von der Erbfolge ausgeschlossen bzw. beschränkt wurden, ist durch Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung widerrufen worden) lautet:

    "Wir vererben und gegenseitig unser jeweiliges Gesamtvermögen. Der Überlebende kann über das Erbe frei verfügen.

    Die Kinder sollen ihr Erbteil erst nach dem Tod des überlebenden Ehegatten erhalten.

    Sollte ein Kind vorher auf das Erbteil bestehen, so soll dieses auf den Pflichtteil begrenzt sein - auch nach dem Tod des Überlebenden, es sei denn, dieser verfügt über das Erbe neu!"

    F verstirbt, M testiert 2021 wie folgt neu:

    "Von meinem Konto X ist [Betrag] auf ein neues Konto umzubuchen [es wird konkretisiert, den näher bezeichneten Hund damit zu versorgen]. Nach dem Tod des Hundes soll Restgeld in die Erbmasse fallen. Mein gesamtes Vermögen soll S erhalten. Andere Erbberechtigte erhalten nur den Pflichtteil in Geld."

    Ich denke hier, dass M berechtigt war, neu zu Gunsten allein des S zu testiteren. Es ist eine entsprechende allgemeine Öffnungsklausel enthalten, welche es dem Überlegebenden erlaubt, von der Schlusserbeneinsetzung "der Kinder" abzuweichen. Das gemeinschaftliche Ehegattentestament bringt zum Ausdruck, dass sich die Eheleute M und F zu Vollerben einsetzen. Eine Bindungswirkung, dass die Kinder nach dem Tod des längstlebenden auch dessen Schlusserben des Erstversterbeneden werden sollen, ist damit m.E. nicht enthalten. Es ist ausdrücklich keine Vor- und Nacherbschaft angeordnet. bin ich auf dem Holzweg?

    ORBIS NON SVFFICIT

    Einmal editiert, zuletzt von Quantum (11. Januar 2023 um 18:59)

  • Schlusserbeneinsetzung nach dem Erstversterbenden natürlich nicht. Schlusserbe kann man nur nach dem Längerlebenden sein, der eindeutig Vollerbe des Erstversterbenden sein soll.

    Aber wie ist die Öffnungsklausel "Der Überlebende kann über das Erbe frei verfügen" auszulegen? Soll das nur klarstellen, dass er zu Lebzeiten über das Erbe des Erstverstorbene frei verfügen kann (ohne z.B. durch eine Nacherbschaft belastet zu sein)? Oder soll er auch ohne Bindungswirkung beliebig neu testieren können?

    Am besten so lange drüber streiten, bis der Hund in den ewigen Jagdgründen ist ...

  • Schlusserbeneinsetzung nach dem Erstversterbenden natürlich nicht. Schlusserbe kann man nur nach dem Längerlebenden sein, der eindeutig Vollerbe des Erstversterbenden sein soll.

    meinte ich, sry. bin heute etwas verpeilt.

  • Der in blau gehaltene Satz bezieht sich (nur) auf die lebzeitige Verfügung des überlebenden Ehegatten. Zweifelhaft kann aber sein, ob sich der in rot gehaltene Satz in seinem letzten Teilsatz nur auf den ersten Teilsatz bezieht. Die Frage ist also, ob dem Überlebenden nur gestattet sein soll, den infolge Geltendmachung des Pflichtteils Enterbten nun doch wieder letztwillig zu bedenken oder ob der letzte Teilsatz eine umfassende - gleich welche - Änderungsbefugnis beinhaltet.

    Letzteres scheint mir das eigentliche Problem zu sein.

  • Über den roten Teil war ich auch gefallen. Spontan habe ich den so gelesen: Verlangt ein Kind den Pflichtteil, bekommt es auch nach dem Letztversterbenden den Pflichtteil. Das (und nur das) kann der Überlebende sich aber anders überlegen.

    Erst im zweiten Lesen bin ich dazu gekommen, dass das auch als generelle Änderungsbefugnis zu verstehen sein könnte.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

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