Behindertentestament

  • Hallo,

    mir liegt folgender Fall vor:

    Der Betreute ist Vorerbe zu 30 % nach seinem Vater geworden. Seine Mutter und Betreuerin ist Erbin zu 70%.

    Die Mutter, ersatzweise die Schwester wurden zur Nacherben bestimmt. Die Schwester wurde als Testamentsvollstreckerin eingesetzt.

    Grundbesitz ist vorhanden. Die Grundbuchberichtigung erfolgte bereits.

    Es gibt Barvermögen i. H. v. 160.000,00 €. Davon stehen dem Betreuten 30% als Vorerbe zu. Das heißt doch, dass er nur die Zinsen von diesen 30% erhält.

    Die Schwester hat das Amt des TV angenommen. Wie überprüfe ich, ob der Betroffene seinen Anteil bekommt?

    Laut Testament soll der jährliche Reinertrag in Form von Geschenken, Sachleistungen,….verwendet werden.

    Ein Ergänzungsbetreuer brauche ich doch nicht, da die TV angeordnet ist und die Schwester als TVìn ernannt wurde.

    Die Betreuerin müsste doch die Testamentsvollstreckerin kontrollieren.

    Der Betroffene ist schwerstbehindert und bekommt Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

    Muss die Betreuerin das Sozialamt von der Erbschaft informieren? Muss der Betrag, der dem Betroffenen als Vorerbe zusteht auf ein Konto des Betroffenen angelegt werden?

    Müssen Gerichtskosten erhoben werden?

    Fragen über Fragen...

    Im Forum habe ich bisher nichts passendes dazu gefunden...

  • Das der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögen unterliegt nicht der Prüfungspflicht des Betreuungsgericht und ist auch dem Sozialamt entzogen.

    Der Erbe (Betroffene, vertreten durch die Betreuerin) hat aber gegenüber dem TV (seiner Schwester) Rechte gemäß §§ 2215, 2218 BGB, so dass wir beim klassischen Vertretungsausschluss sind (Betreuerin = Mutter der TVin). Ich würde einen Ergänzungsbetreuer, § 1817 Abs. 5 BGB, zur Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen gegenüber der TV bestellen. Gilt natürlich nicht, wenn mit "Schwester" die Schwester der Mutter und nicht des Betroffenen gemeint ist. In diesem Fall hätte ich evtl. aber einen Interessenkonflikt.

  • Wegen der Kosten:

    Ist recht streitig.... Unter anderem mein OLG ist der Meinung, dass aus der Vorerbschaft Kosten zu erheben sind (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Februar 2021 - 14 W 69/20 (Wx). Es gibt auch diverse Meinungen, die das genaue Gegenteil sagen (OLG München, Beschluss vom 18. Januar 2019 – 34 Wx 165/18 Kost –, juris).

    Bei OLG Nürnberg, Beschluss vom 17. August 2021 – 8 W 1738/21 –, juris sind diverse Fundstellen genannt. Schau einfach wie dein OLG es sieht....

    (OT: Ich halte die Entscheidung von meinem OLG für ziemlich falsch, aber da der Kostenbeamte nicht sachlich unabhängig ist, habe ich insoweit kein Mitspracherecht).

  • Danke für die Antworten. Dann werde ich wohl einen Ergänzungsbetreuer bestellen müssen, da die TV die Tochter der Betreuerin ist. Das ist ja ein ganz schöner Eingriff in die Familie, die eigentlich ja alles geregelt hat...

    Muss das Geld, welches dem Betreuten als Vorerben zusteht auf den Namen des Betroffenen angelegt werden?

  • Danke für die Antworten. Dann werde ich wohl einen Ergänzungsbetreuer bestellen müssen, da die TV die Tochter der Betreuerin ist. Das ist ja ein ganz schöner Eingriff in die Familie, die eigentlich ja alles geregelt hat...

    Bestimmte Dinge kann man eben nicht gegen den Willen des Gesetzgebers regeln. Es ist vollkommen normal, dass hier jemand bestellt wird, der die Rechte der Erbin gegen den TV ausüben kann, zu deren Ausübung sie selbst nicht in der Lage ist. Sonst wäre sie den "Machenschaften" des/der TV vollkommen schutzlos ausgeliefert.

    Aber: An das Geld kommte der Ergänzungsbetreuer nicht ran, wenn das vernünftig gemacht ist und die Familienangehörigen ihre Rechte kennen - wenn der Ergänzungsbetreuer natürlich schreibt "überweisen Sie den Erbteil Ihrer Schwester auf deren Konto Nr. xxx", und das wird vom TV dann tatsächlich so gemacht (= Freigabe + Rückforderung Sozialleistungen + Einstellung Leistungen bis alles verbraucht ist), dann war das schöne Behindertentestament de facto für die Katz.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Wer zahlt denn die Vergütung des Ergänzungsbetreuers? Muss diese, obwohl es ein Behindertentestamt ist und der Betroffene Vorerbe ist, aus dem Nachlass entnommen werden?

    Gerichtskosten sind ja zu erheben. Der Grundbesitz wird von der Ehefrau des Erblassers bewohnt. Den Wert des Grundbesitzes müsste ich ja dann auch berücksichtigen, da es kein Schonvermögen ist.

    Wie sieht es mit der aus der Staatskasse gezahlten Aufwandsentschädigung aus? Müsste die auch zurück gefordert werden?

    Das würde ja dem Grundsatz des Behindertentestaments zuwider laufen...

  • Die Vergütung des Verhinderungsbetreuers zahlt meiner Meinung nach das Land. Nach § 1880 BGB gilt der Betreute als vermögend, wenn sein Vermögen die in § 90 SGB XII (i.V.m. der DVO zu § 90 SGB XII) genannten Beträge übersteigt. Wir haben daher einen Gleichlauf zwischen Sozialhilferecht und Vergütungsrecht.

    Daher gilt der Betroffene bei einem wirksamen Behindertentestament grundsätzlich als mittellos. Wenn das Sozialamt nicht an das Erbe herankommt, gilt für mich dasselbe. Kostenschuldner ist daher das Land und ein Regress ist nicht möglich (es sei denn, der Betreute käme anderweitig zu Geld) Nur bei einer anderslautenden Verwaltungsanordnung könnte etwas anderes gelten (habe ich aber in der Praxis nie gesehen).

    Das mit den Gerichtskosten ist ziemlich unglücklich. Sofern der Betreute mit Ausnahme der Vorerbschaft vermögenslos ist, kann der Betreuer die Gerichtskosten nicht bezahlen, da er keinen Zugriff auf den Nachlass hat. Die Sollstellungen werden teilweise niedergeschlagen. Aber wenn das OLG meint, ich müsste Kosten erheben lassen, mache ich das halt....

  • Zur Frage der Bestellung eines Ergänzungsbetreuers:

    Die nachstehenden Ausführungen dürften auch gelten bei Entscheidung über die Bestellung eines weiteren Betreuers (Ergänzungsbetreuer), wenn die Betreuer die Eltern sind und ein Elternteil zum Testamentsvollstrecker für einen ererbten Nachlass des Betreuten eingesetzt ist:

    1. Die Voraussetzungen für eine Ergänzungspflegschaft liegen nicht vor, weil der Vater an der Vermögenssorge für seine minderjährigen Kinder nicht gehindert ist. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers allein zur Prüfung, ob der gesetzliche Vertreter die Rechte des Kindes pflichtgemäß wahrnimmt oder ob es etwa im Interesse des Kindes nötig sein könne, gegen ihn vorzugehen, findet im Gesetz keine Stütze. Vielmehr muss ein Interessenwiderstreit im konkreten Fall auftreten und die Befürchtung rechtfertigen, der Vertreter könnte aus Eigennutz die von ihm wahrzunehmenden Belange des Kindes vernachlässigen.

    2. Der Umstand, dass der gesetzliche Vertreter in einer Person auch die Aufgaben als Testamentsvollstrecker über den vom Minderjährigen ererbten Nachlass wahrnimmt bzw. als Miterbe in einer Erbengemeinschaft mit seinen Kindern ist erfordert ohne konkreten Anlass nicht die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft.

    3. Für den Fall, dass der Vater wegen seiner Stellung als Testamentsvollstrecker und/ oder Miterbe von der Verwaltung des von den Kindern ererbten Vermögens ausgeschlossen wäre, wäre nicht die Bestellung eines Ergänzungspflegers die Folge, sondern die alleinige elterliche Sorge durch den anderen, nicht ausgeschlossenen sorgeberechtigten Elternteil. (Leitsätze der FD-ErbR- Redaktion)

    OLG München, Beschluss vom 03.06.2022 - 2 WF 232/22e = FD-ErbR 2022, 450288


    Zur Jahresgebühr beim Behindertentestament:

    1. In KV Nr. 11101 GNotKG ist nur das tatsächlich verwertbare und verfügbare Vermögen gemeint (sozialhilferechtlicher Vermögensbegriff).


    2. Das dem Betreuten über ein sog. Behindertentestament zugewandte Vermögen unterliegt der Verwaltung des Testamentsvollstreckers, so dass es bei der Berechnung des Geschäftswerts für die Jahresgebühr nach KV Nr. 11101 GNotKG nicht in Betracht kommt.


    LG Ravensburg, Beschluss vom 4.08.2022, 2 T 28/22, Rpfleger 2022, 658

  • Kann man darüber diskutieren, ob man einen weiteren Betreuer braucht oder nicht....

    Ich habe mit der Ansicht des OLG München so meine Schwierigkeiten und folge daher der Gegenansicht (z.B. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 3. Dezember 2003 – 3 W 235/03 –, juris). Würde man dem OLG München folgen, würde es den Betroffenen im Verhältnis zum Testamentsvollstrecker faktisch rechtlos stellen.

    Der Betroffene (vertreten durch den Ergänzungsbetreuer) hat zum Beispiel einen Rechnungslegungsanspruch gegen den Testamentsvollstrecker und er kann bei (gravierenden) Pflichtverstößen sogar dessen Entlassung beantragen.

    Wenn sich beide Ämter in einer Hand befinden oder Betreuer und Testamentsvollstrecker sehr eng miteinander sind, funktioniert diese Kontrolle in der Regel nicht mehr. Im Ausgangsfall müsste die Mutter die Tätigkeit ihrer eigenen Tochter prüfen und im schlimmsten Fall gegen die beim Nachlassgericht vorgehen. Sofern nicht ohnehin Streit in der Familie ist, würde ich aus Erfahrung annehmen, dass über etwaige Pflichtwidrigkeiten eher hinweggesehen wird.

    Erschwerend kommt hinzu, dass du als Gericht die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers nicht prüfen kannst, da du nur für die Vermögensverwaltung durch den Betreuer zuständig bist.

    Daher meine ich, dass wir zwar keinen gesetzlichen Vertretungsausschluss nach § 1824 BGB haben, der zur Bestellung eines Ergänzungsbetreuers durch den Rechtspfleger führt. Der frühere § 1796 BGB, mit dem bei solchen Interessengegensätzen regelmäßig argumentiert wurde, hat im Betreuungsrecht auch keine direkte Nachfolgeregelung erhalten (zur Problematik etwa: BeckOGK/Schmidt-Recla, 1.1.2023, BGB § 1824 Rn. 45).

    Allerdings würde ich davon ausgehen, dass die Angelegenheiten des Betreuten durch die Bestellung mehrerer Betreuer i.S.d. § 1817 Abs. 1 S. 1 BGB besser besorgt werden können. Daher halte ich über diese Vorschrift die Bestellung eines weiteren Betreuers für die Überwachung des Testamentsvollstreckers für möglich.

    Voraussetzung für die Bestellung mehrerer Betreuer nach § 1817 BGB ist nur, dass die Angelegenheiten des Betroffenen hierdurch besser besorgt werden können, der erhebliche Interessensgegensatz des § 1796 BGB a.F. ist nicht erforderlich. Daher dürfte die Betreuerbestellung rechtlich leichter zu begründen sein als im alten Recht.

    Für diese Entscheidung dürfte meiner Meinung nach aber der Richter zuständig sein.

  • Nein, der Vertretungsausschluss verhindert ein Rechtsgeschäft zwischen dem Betreuer und seinen nahen Angehörigen, außer es handelt sich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit.

    Man könnte allenfalls überlegen, ob man die Ausnahme "Erfüllung einer Verbindlichkeit" teleologisch reduziert. Allerdings erscheint mir der Weg über § 1817 Abs. 1 BGB da rechtlich sicherer.

  • Erschwerend kommt hinzu, dass du als Gericht die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers nicht prüfen kannst, da du nur für die Vermögensverwaltung durch den Betreuer zuständig bist.

    Als Betreuungsgericht kann man aber durchaus prüfen, ob der Betreuer seinen Aufsichtspflichten gegenüber dem Testamentsvollstrecker nachkommt.

    Bezüglich des Vorgehens zur Bestellung eines weiteren Betreuers stimme ich dir aber zu :)

  • Ich habe die Akte vom Richter zurück bekommen mit dem Hinweis, dass ein Ergänzungsbetreuer nach § 1817 Abs. 5 BGB zu bestellen ist, da es sich um eine gebundene Entscheidung handelt. (Jürgen/Kretz, 7. Auflage 2023, Rpflg § 15 Rn. 16)

    Dann werde ich wohl nicht drumherum kommen, den Ergänzungsbetreuer zu bestellen...

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