Testierfähigkeit, gesetzliche Erben unbekannt, Grundbesitz

  • Hallo,

    ich habe folgenden Fall:

    Nachlasswert über 3 Mio. €, über 40 bebaute Grundstücke und Mietobjekte.

    Erblasser war rechtskundig. Dieser hatte keine Kinder, die Eltern sind vorverstorben, keine Geschwister.

    In 2. Ehe verheiratet. Zum Zeitpunkt des Todes war ein Scheidungsantrag gestellt. (ob rechtshängig oder anhängig weiß ich noch nicht, Akte ist angefordert)

    Es liegt ein handschriftliches Testament vor.

    Dort ist ein Dritter, der nicht verwandt ist, als Alleinerbe eingesetzt.

    Die Ehefrau wurde -soweit möglich - enterbt. Es wird ausgeführt, dass der Fehler begangen wurde diese zu heiraten.

    Erbscheinsantrag ist gestellt.

    Die noch Ehefrau habe ich angehört. -keine Reaktion-

    Ich gehe jedoch davon aus, dass diese nach § 1933 BGB nicht mehr erbberechtigt ist.

    Eheregister der Eltern liegt mir vor.

    Die Namen der Eltern der Eheschließenden (also Großeltern des Erblassers) kaum zu entziffern.

    Zumindest glaube ich lesen zu können unter welcher Heiratsurkundennummer diese jeweils geheiratet haben.

    Der Antragsteller hat bei mir schon mehrfach angerufen und ich muss sagen die Art und Weise hat mir ein ungutes Bauchgefühl verschafft.

    Eine Anfrage bei der hiesigen Betreuungsabteilung hat ergeben, dass seitens des Heims, in dem der Erblasser gelebt hat, 10 Monate nach Testamentserrichtung Betreuung angeregt wurde wegen psych. Erkrankung.

    Es wurde ein Gutachten erstellt, 1 Jahr nach Testamentserrichtung, laut dem eine organisch-wahnhafte Störung und hirnorganisches Psychosyndrom vorliegt. Die Person sei nicht in der Lage den Willen bezüglich der Notwendigkeit der Errichtung einer Betreuung frei zu bestimmen.

    Erblasser wirft der Ehefrau bereits damals wahnhaft vor, dass diese das Vermögen veruntreut.

    Im Verlauf des Anordnungsverfahrens hat der Sachverständige bzw. Arzt sodann jedoch knapp mitgeteilt, dass seines Erachtens der Betr. noch geschäftsfähig sei.

    Er sei hinsichtlich der Person eines möglichen Betreuers wahnhaft.

    Es wäre jedoch im Gutachten nicht davon ausgegangen, dass der Betrof. grundsätzlich nicht frei willensbestimmt sei.

    Er sei durchaus in der Lage eine rechtswirksame Vollmacht zu erteilen.

    Die Ehefrau wurde sodann durch eine öffentlich beglaubigte (durch Betreuungsbehörde) Vorsorgevollmacht bevollmächtigt.

    Betreuung abgelehnt.

    Ich habe jetzt folgende Probleme:

    - Ermittlung gesetzliche Erben zur Anhörung: wird sich a) ziehen und b) ungewiss, ob dort etwas bei rum kommt.

    -> Aufgrund der vielen Mietshäuser allerdings durchaus problematisch. Ein Mieter hat sich bereits hier gemeldet. -> Nchlasspflegschaft?

    - Was ist wenn ich niemanden finde?

    - Kann ich jetzt davon ausgehen, dass der Erblasser testierfähig war, da der Gutachter/Arzt ja schrieb er sei noch geschäftsfähig.

    Um Meinungen wäre ich dankbar.

  • Eine Nachlasspflegschaft wäre ratsam bzw. fahrlässig, keine anzuordnen (ggf auch gegen den Willen des ES-Antragstellers, vorher rechtliches Gehör gewähren).

    Für das ES Verfahren muss grds der Antragsteller die gesetzlichen Erben mitteilen. Im Zweifel im späteren Verlauf ermitteln oder (wenn das zu lang dauert) einen Verfahrenspfleger bestellen. Aufgrund der Vermögenshöhe wird dann ganz bestimmt ohnehin irgendjemand Einwendungen erheben und es muss Beweiserhebung (durch Richter) erfolgen.

    Eine Nachlasspflegschaft ist schon deshalb unumgänglich weil all dies nicht abgewartet werden kann.

  • Nachlasspfleger.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (20. Januar 2023 um 23:36)

  • Gut, so sehe ich das auch. Das Bauchgefühl war da wohl nicht so falsch…

    Dass da dann tatsächlich ein Betreuungsverfahren existiert hat… mit so knappem zeitlichen Zusammenhang…

    Wenn jedoch keiner Einwände erhebt, werde ich ja wohl von Amts wegen Beweis erheben müssen im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit des Testaments oder ?

    Wobei ich in diesem Falle wohl kaum an der Bestellung eines Pflegers für unbekannte Beteiligte vorbei kommen werde, da ich kaum alle potentiellen gesetzlichen Erben ermittelt bekomme. Es besteht m.E. Amtsbeteiligtenermittlungspflicht.

    Wenn der Antragsteller mir nichts liefert kann ich den Antrag nicht deswegen zurückweisen.

    Würdet Ihr ihr bei dem Sachverhalt nochmal ein eigenes Gutachten über die Testierfähigkeit v.A.w. einholen?

    Zeugen anhören ?

    Ich schätze es so ein, dass man damals die Möglichkeit der Vollmachtserteilung einer Betreuung vorgezogen hat…

    Ich muss jetzt erstmal jemanden für die Nachlasspflegschaft finden, der mir das übernimmt…

    Danke für die Meinungen :)

  • Du prüfst die Testierfähigkeit im Rahmen des Erbscheinsverfahrens.

    Die gesetzlichen Erben werden dabei leider nicht vom NLP vertreten, da dieser ja immer der Vertreter der tatsächlichen Erben ist. Und das kann ja auch der Testamentserbe sein.

    Also muss (vom Betreuungsgericht) auf dein Ersuchen hin ein Pfleger für unbekannte Beteiligte bestellt werden. Der kann dann angehört werden u. Stellungnahme abgeben.

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  • Die anzuhörenden Beteiligten sind zu ermitteln und sodann anzuhören. Man kann diese Ermittlungen nicht einfach unterlassen und anstatt dessen einen Pfleger für unbekannte Beteiligte bestellen lassen.

    Ich würde vor allem zunächst auch sehr genau prüfen, ob die Noch-Ehefrau tatsächlich nach 1933 BGB ausgeschlossen ist (Stichwort Geschäfts-/ Verfahrensfähigkeit des Erblassers!) und wirklich keine Erben 2. Ordnung vorhanden sind - es wäre nicht das erste Mal, dass es doch noch vergessene (Halb-)geschwister / deren Nachfahren gibt (Geburtenregister und Familienbuch beider Elternteile überprüfen)

  • Die anzuhörenden Beteiligten sind zu ermitteln und sodann anzuhören. Man kann diese Ermittlungen nicht einfach unterlassen und anstatt dessen einen Pfleger für unbekannte Beteiligte bestellen lassen.

    Warum nicht? Der Erbscheinsantragsteller kann doch nicht ernsthaft auf vielleicht jahrelange Recherchen nach gesetzlichen Erben warten müssen?

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  • Habe ich bei einem Nachlass von 5 Mio. € aber schon einmal so durchexerziert. Die nach Jahren ermittelten gesetzlichen Erbprätendenten haben dann Einwendungen gegen den Erbscheinsantrag erhoben und in der Beschwerdeinstanz wurde dann ein Vergleich geschlossen. Die Testamentserben hatten gegen diese Verfahrensweise allerdings auch keine Einwendungen erhoben.

    Man muss auch bedenken, dass der bestellte Pfleger eigentlich schon aus Haftungsgründen Einwendungen erheben muss, denn auch wenn er im Verfahren (und Beschwerdeverfahren) unterliegt, ist er dann insoweit aus dem Schneider. Das ist wie beim Pfleger für unbekannte Nacherben, der ebenfalls den Teufel tun wird und einer zweifelhaften Verfügung des Vorerben daher nicht zustimmt. Das ist ja auch der Grund dafür, dass Verfügungen des Vorerben über Grundsbesitz bei unbekannten Nacherben - jedenfalls bei nicht befreiter Vorerbschaft - faktisch blockiert sind.

  • Es spricht nichts dagegen, dass der Pfleger das Verfahren zum OLG bringt. Aber das Rechtschutzinteresse des testamentarischen Erben spricht dagegen, die Entscheidung über den ESA auf ggf. Jahre hinaus aufzuschieben.

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  • Es spricht nichts dagegen, dass der Pfleger das Verfahren zum OLG bringt. Aber das Rechtschutzinteresse des testamentarischen Erben spricht dagegen, die Entscheidung über den ESA auf ggf. Jahre hinaus aufzuschieben.

    Das seh ich grds auch so.

    Im vorliegenden Fall ist aber doch - noch - nicht in Sicht, dass die Ermittlungen der gesetzlichen Erben übermäßig lange dauern müssten und dass das ES- Verfahren insgesamt lange dauern wird, ist eher den zu erwartenden Einwendungen, Beweiserhebung und den (allgemein zu) langen Bearbeitungszeiten beim Gericht geschuldet.

    Wenn parallel der Nachlass angemessen gesichert wird, wird der Antragsteller gewisse Ermittlungen erstmal hinnehmen müssen - zumal wenn er selbst gar keine Anhaltspunkte für die gesetzlichen Erben liefert, was eigentlich zum Antragsinhalt gehört.

  • Also Erben 2. Ordnung sind definitiv nicht vorhanden. Habe bereits Geburtenregisterauszüge der Eltern, Heiratsregisterauszug der Eltern und auch in der Betreuungsakte steht, dass keine Geschwister vorhanden sind.

    Was ich mich jetzt aber frage:

    Sollte ich nicht schon jetzt ein Gutachten v.A.w. einholen und nicht warten bis ich dann eventuell irgendwen gefunden habe, der dann eventuell doch keine Einwände erhebt.

    Da ich ja doch berechtige Zweifel daran haben muss, dass der Erblasser noch wirksam testieren konnte.

    Und aus der Betreuungsakte ergibt sich auch, dass während der einzelnen Besuche der Betreuungsbehörde noch ein befreundeter Rechtsanwalt des Erblassers anwesend war.

    Diesen eventuell als Zeugen hören ?

    Inwieweit muss ich jetzt auch dem Antragsteller die Ergebnisse aus der Betreuungsakte mitteilen hinsichtlich der Erkrankung des Erblassers?

    Aus der Betreuungsakte ergibt sich aber eben auch, dass der Erblasser schreibt ,,es ist sowieso niemand mehr da außer meiner ,,Ehefrau‘‘.

    Sodass man ja durchaus davon ausgehen muss, dass er den Willen hatte über seinen Nachlass zu verfügen.

  • Es ist egal was potentielle gesetzliche Erben denken, wenn du Zweifel an der Testierfähigkeit hast, dann machst du das im Erbscheinsverfahren was nötig ist, um die Zweifel zu beseitigen.

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  • Für mich ist die Diskussion hier etwas einseitig...

    Prinzipiell ist von Testierfähigkeit auszugehen. Was wäre denn hier der Ansatzpunkt für eine Testierunfähigkeit? Ein Gutachter hat anscheinend festgestellt, dass er noch frei willensbestimmt war und eine wirksame Vollmacht erteilen konnte - und das soll dann dafür sprechen, dass er ein Jahr vorher testierunfähig war :gruebel: ??

    Dass er seine Frau enterbt hat, scheint hier ja auch nicht ungewöhnlich, da wohl die Scheidung beantragt war. Da sich die Ehefrau hier nicht äußert, scheint das für sie auch so in Ordnung zu sein. Ansonsten wäre sie ja die erste Person, die Einwendungen vorbringen müsste. Da auch wohl sonst keine Verwandtschaft mehr vorhanden war, hat er eben einen Dritten eingesetzt. Und auch wenn es vielleicht Erbschleicherei war: Was ist an einem Dritten so viel schlechter als an einer weit entfernten Verwandtschaft, die den Erblasser nicht einmal kannte? Nur weil der potenzielle Erbe am Telefon einen schlechten Eindruck macht?

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