Amtslöschung im Rahmen einer Umschreibung

  • Im Rahmen der Umschreibung eines Grundbuchs stehe ich vor der Entscheidung, ein altes Recht in Abt. II mit umzuschreiben oder gem. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen zu löschen.

    Zitat

    Besitzer hat um die Fläche herum und zwar von der Brücke auf dem Dorfwege ab längst der Grenze der Blatt 99 und 100 geführten Gärten einen für das Dorf und den westlich gelegenen Schäferteich pp bestimmten Vorflutgraben in einer Breite von einer Rute nach Anordnung ordnungsgemäß anzulegen und zu unterhalten. Kaufkontrakt vom 28. Mai 1866. Mit dem belasteten Grundstück hierher übertragen am 20. November 1962.

    - UNTERSCHRIFT -

    Der Sachverhalt scheint eindeutig - es fehlt der Berechtigte. Damit handelt es sich um ein inhaltlich unzulässiges Recht und wäre gem. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ohne weiteres von Amts wegen zu löschen. Was mich irritiert ist die Tatsache, dass das Recht 1962 überhaupt noch umgeschrieben wurde.

    Was meint Ihr, sollte ich einfach nur konsequenter als der Kollege von 1962 sein oder übersehe ich da irgendwas?

  • Du übersiehst vielleicht, dass bei ursprünglich vor Inkrafttreten des BGB erfolgten Eintragungen auf das damalige Recht abzustellen sein wird. Dies mag dazu führen, dass eine Eintragung ohne Berechtigten damals zulässig gewesen sein könnte.

  • Im Rahmen der Umschreibung eines Grundbuchs stehe ich vor der Entscheidung, ein altes Recht in Abt. II mit umzuschreiben oder gem. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen zu löschen.

    Zitat

    Besitzer hat um die Fläche herum und zwar von der Brücke auf dem Dorfwege ab längst der Grenze der Blatt 99 und 100 geführten Gärten einen für das Dorf und den westlich gelegenen Schäferteich pp bestimmten Vorflutgraben in einer Breite von einer Rute nach Anordnung ordnungsgemäß anzulegen und zu unterhalten. Kaufkontrakt vom 28. Mai 1866. Mit dem belasteten Grundstück hierher übertragen am 20. November 1962.

    - UNTERSCHRIFT -

    Der Sachverhalt scheint eindeutig - es fehlt der Berechtigte. Damit handelt es sich um ein inhaltlich unzulässiges Recht und wäre gem. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ohne weiteres von Amts wegen zu löschen. Was mich irritiert ist die Tatsache, dass das Recht 1962 überhaupt noch umgeschrieben wurde.

    Was meint Ihr, sollte ich einfach nur konsequenter als der Kollege von 1962 sein oder übersehe ich da irgendwas?

    Klar gibt's einen (mehrere) Berechtigte, zumal nach damaligem Verständnis.

    Nach heutiger Auslegung: "für das Dorf": die Gessamtheit der Bewohner, jetzt typischerweise die politische Gemeinde, und "für den westlich gelegenen Schäferteich": der Eigentümer des jeweiligen Grundstücks. Dass die Bezeichnung nicht so explizit eingetragen ist, spielt bei Altrechten typischerweise keine Rolle.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Okay, das hatte ich schon befürchtet. Ich werde das Recht einfach wörtlich umschreiben und gut ist's.

    Was mich aber dann doch noch interessiert: Wie kriegt der Eigentümer das Recht je wieder raus aus dem Grundbuch? Der voreingetragene Berechtigte wird sich schwer finden lassen. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass es sich bei den Berechtigten um die Dorfgemeinschaft handelt, so müsste die Rechtsnachfolge ja doch irgendwie nachgewiesen werden. Eine einfache (selbstverständlich gesiegelte) Erklärung der Bürgermeisterin wird ja nicht reichen, oder?

  • Neue Bundesländer? Art. 233 § 10 Abs. 2 EGBGB?

    Ja, und daran habe ich auch schon gedacht. Gemäß § 2 Absatz 1 Satz 2 und § 4 Satz 1 Gesetz über die Auflösung der Zusammenschlüsse alten Rechts in Sachsen-Anhalt vom 19.11.2020 müsste man ja dann sogar eine Grundbuchberichtigung durch die Gemeinde in Betracht ziehen. Aber darum kann sich ja dann die Eigentümerin kümmern, oder?

    Das Recht ist mit den Hellen! :hetti:

    Einmal editiert, zuletzt von Mitwisser (3. Februar 2023 um 10:29) aus folgendem Grund: Link zum Gesetz eingefügt

  • Ich bezweifle, dass es sich um einen Personenzusammenschluss alten Rechts handelt. Dazu müsstest Du mal die Nachweise in der Abhandlung von Böhringer: „Auflösung der Personenzusammenschlüsse alten Rechts in Sachsen-Anhalt“, NJ 2021, 9 ff. nachlesen („Mit einem Rechtsbereinigungsgesetz werden die Relikte alter Feldergemeinschaften der letzten Jahrhunderte beseitigt…Die Länder konnten bestimmten, dass alle Zweckgrundstücke wie z. B. Wege und Gräben den Separationsinteressenten zur gemeinschaftlichen Nutzung und Unterhaltung verblieben. [Fn. 2: RG, Urt. v. 15. Dezember 1924 – V 644/1923 (unveröffentlicht).] Sie bildete den Personenzusammenschluss alten Rechts)“

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Derselbe unterscheidet in einem früheren Aufsatz (NJ 2015, 58) im Dorf zwischen zwei Selbstverwaltungseinheiten: Die Separationsinteressenten und die politische Gemeinde. "Für das Dorf" könnte natürlich auch letztere meinen.

  • Dafür muss ich doch nicht erst einen Aufsatz lesen. Art. 233 § 10 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist doch da ziemlich eindeutig, oder?

    Zitat


    Steht ein dingliches Recht an einem Grundstück einem Personenzusammenschluß zu, dessen Mitglieder nicht namentlich im Grundbuch aufgeführt sind, ist die Gemeinde, in der das Grundstück liegt, vorbehaltlich einer anderweitigen landesgesetzlichen Regelung gesetzliche Vertreterin des Personenzusammenschlusses und dessen Mitglieder in Ansehung des Gemeinschaftsgegenstandes.

  • Es handelt sich aber weder um Separationsinteressenten, noch um alte Feldergemeinschaften, sondern schlicht um eine Unterhaltungspflicht des Eigentümers des mit der altrechtlichen Dienstbarkeit belasteten Grundstücks gegenüber der Gemeinde und dem Eigentümer des Grundstücks auf dem sich der Schäferteich befindet („ab längst der Grenze der Blatt 99 und 100 geführten Gärten einen für das Dorf und den westlich gelegenen Schäferteich pp…“)

    Art. 233 § 10 Abs. 1 Satz 1 EGBGB kann doch gar nicht zur Anwendung kommen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • In Art. 233 § 10 EGBGB steht weder etwas von Separationsinteressenten noch von Feldergemeinschaften. Vielmehr stellt das Gesetz im Wortlaut darauf ab, dass die Mitglieder eines Personenzusammenschlusses nicht namentlich benannt sind.

    Wenn man jetzt fragt, wer der Berechtigte des oben genannten Rechts sein könnte, könnte man zunächst auf eine Gruppe von Personen kommen, deren Mitglieder nicht namentlich benannt sind - die Gruppe derer, die im Dorf leben.

    Andererseits deutet die Formulierung "für das Dorf und den westlich gelegenen Schäferteich pp" eher auf ein Gebiet als auf eine Personengruppe. Der Eigentümer wäre zu einer Leistung verpflichtet, deren Nutzen doch wieder diejenigen ziehen, die in diesem Gebiet leben.

    Da die Personenzusammenschlüsse alten Rechts in Sachsen-Anhalt per 31.12.2021 aufgelöst sind und deren Vermögen der jeweiligen Gemeinde zugefallen ist, dürfte das aufs Gleiche hinauslaufen: Zur Löschung des Rechts bedarf es einer Bewilligung der Kommune. Über Art. 233 § 10 EGBGB finde ich das jedenfalls nachvollziehbarer. Dementsprechend könnte sich die Gemeinde auch berichtigend als Berechtigte eintragen lassen.

    Nachtrag:

    Böhringer referiert nach meiner Lesart stets vom Grundstückseigentum, nicht jedoch von der Inhaberschaft dinglicher Berechtigungen (wie im Ausgangsfall).

    Das Recht ist mit den Hellen! :hetti:

    Einmal editiert, zuletzt von Mitwisser (14. Februar 2023 um 12:26) aus folgendem Grund: Nachtrag

  • Art. 233 § 10 Absatz 1 Satz1 EGBGB setzt voraus, dass ein dingliches Recht an einem Grundstück einem Personenzusammenschluss zusteht, dessen Mitglieder nicht namentlich im Grundbuch aufgeführt sind. In solchen Fällen wären lt. Böhringer im Grundbuch etwa eingetragen: „Gesamthandseigentümer kraft rezessmäßiger Interessengemeinschaft“. „Ackerinteressenten“, „Separationsgemeinschaft“, „Separationsinteressenten“, „viehhaltungsberechtigte Bürger“, „Forstinteressenten“, „Zusammenlegungsinteressenten“.

    Das ist vorliegend nicht der Fall, weil das Grundbuch als Berechtigte nicht namentlich nicht benannte Mitglieder eines Personenzusammenschlusses ausweist, sondern „das Dorf“, also nach heutigem Verständnis die Kommune, und zusätzlich eine Privatperson, den Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Schäferteich befindet.

    Personenzusammenschlüsse alten Rechts sind aus den Vorschriften, wie z. B. der Preußischen Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821 hervorgegangen. Im Rahmen der Gemeinheitsteilungen wurden nutzbare Grundstücke geschaffen, die den Teilnehmern des Auseinandersetzungsverfahrens durch einen abschließenden Auseinandersetzungs- oder Gemeinheitsteilungsrezess als Abfindungsflächen zu Alleineigentum zugeteilt wurden. Die durch die Teilnehmer nutzbaren Grundstücke dienten der Bewirtschaftung. Dabei handelte es sich um Wirtschaftswege, Gräben, Viehweiden, Waldungen, Tränkeplätze, Triften, Lehm- und Sandgruben, Steinbrüche etc. Sie wurden als gemeinschaftliche Anlagen und gemeinschaftliches Eigentum aller Grundbesitzer behandelt. Die durch den abschließenden Rezess ausgewiesenen Zweckgrundstücke blieben Gemeinschaftsvermögen der Personenzusammenschlüsse, die wiederum in ihrer Gesamtheit als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurden. Es erfolgte dementsprechend keine namentliche Aufführung der Grundbesitzer (siehe VG Gera 3. Kammer, Urteil vom 10.06.2021, 3 K 34/20 Ge, Rz. 23 unter Zitat Böhringer, Auflösung der Personenzusammenschlüsse alten Rechts in Sachsen-Anhalt, NJ 2021, 9 f.).

    Das ist vorliegend nicht der Fall. Es handelt sich um keinen Personenzusammenschluss.

    Das „Dorf“ stellt auch keinen Gesamthandseigentum bildenden Personenzusammenschluss dar. Und an der Eintragung ist auch nichts zu berichtigen, weil sie so wie sie in 1866 vorgenommen wurde, nach Art. 184 EGBGB fortbesteht. Beschränkte dingliche Rechte, mit denen ein Grundstück am 01.01.1900 belastet war, blieben auch nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs gemäß Art. 184 EGBGB in ihrem Umfang unverändert bestehen, ohne dass es einer Eintragung im Grundbuch bedurfte (siehe zuletzt OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. Dezember 2021; 12 U 392/20,

    Urteil des 12. Zivilsenats vom 16.12.2021 - 12 U 392/20 -

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

    Einmal editiert, zuletzt von Prinz (14. Februar 2023 um 13:34)

  • dürfte das aufs Gleiche hinauslaufen: Zur Löschung des Rechts bedarf es einer Bewilligung der Kommune ...

    Es macht einen Unterschied, ob die politische Gemeinde oder die Separation Berechtigte ist. Bei der Separation ist die Kommune Rechtsnachfolger, bei der politischen Gemeinde nicht.

    Deine Kommune ist erst am 17. Mai 1990 entstanden. Wie soll sie Berechtigte eines Rechts von 1866 sein?

    Für mich ist das ein typischer Fall von "Es gibt keinen Berechtigten mehr, da dieser (politische Gemeinde) ohne Gesamtrechtsnachfolger untergegangen ist."

    Im Ergebnis gebe ich dir Recht. Das Recht ist erloschen und im Verfahren §§ 84 ff GBO, nicht § 53 GBO, zu löschen.

  • Da es sich um eine Kommune in Neufünfland handelt, gibt es einen Rechtsnachfolger: Volkseigentum. Und dafür gibt es eine Bewilligungsstelle...

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Da es sich um eine Kommune in Neufünfland handelt, gibt es einen Rechtsnachfolger: Volkseigentum. Und dafür gibt es eine Bewilligungsstelle...

    Die Dienstbarkeit fällt für mich weder weder unter Art. 21 (Verwaltungsvermögen) noch unter Art. 22 (Finanzvermögen) Einigungsvertrag. Hast du eine Idee?

  • Ich halte das für Finanzvermögen. Was soll es denn sonst sein?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

    Einmal editiert, zuletzt von FED (15. Februar 2023 um 08:41)

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