Beratungshilfe bei Widerspruch im Sozialverwaltungsverfahren

  • Hallo,


    ich bin sowohl hier als auch im Bereich Beratungshilfe neu und würde mich über einen Erfahrungsaustausch und wertvolle Tipps freuen.


    Bei mir laufen sehr viele Vergütungsanträge mit einer Einigungs- und Erledigungsgebühr nach Nr. 2508 VV RVG auf.

    Bei den meisten Angelegenheiten ist ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt (meist Jobcenter oder gesetzliche Krankenkasse) erfolgt.

    Nach meinen Recherchen wäre eigentlich eine Kostenerstattung nach § 63 SGB X erforderlich, wenn dem Widerspruch stattgegeben wird.

    Die Bescheide des Jobcenters beinhalten allerdings keine Kostenentscheidung, sie nehmen nicht einmal auf den Widerspruch Bezug (lediglich "Änderungsbescheid").


    Die nächste Frage wäre sodann: Entsteht die Einigungsgebühr nach Nr. 2508 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG ohne Weiteres (nur Widerspruch eingelegt und begründet).

    Da ich hierzu im Forum bereits einige verschiedene Ansichten gefunden habe, bin ich nun vollends verwirrt.


    Auch zu der Frage, ob überhaupt Beratungshilfe zur Einlegung eines Widerspruchs bewilligt werden sollte, sind verschiedene Ansichten vertreten.

    Daher für mich die Frage:


    Wie ist die gängige Praxis?


    Viele Grüße

  • Was die Bewilligung von Beratungshilfe angeht, handhabe ich es wie folgt:


    In meinem Bundesland (in den anderen wohl auch) gibt es nach § 25 LVwVFG eine Behördenberatungspflicht, die in ihrer Ausgestaltung im Wesentlichen der gerichtlichen Rechtsantragstelle entspricht. Erstanträge auf Sozialleistungen und dergleichen können daher unter Ausnutzung dieser Beratungsmöglichkeit gestellt werden. Insoweit handelt es sich um eine andere Hilfsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG.


    Da nur ein Verweis auf eine zumutbare andere Hilfsmöglichkeit möglich ist und die Behörde spätestens im Widerspruchsverfahren eine gegnerische Stellung einnimmt, ist hier ein Verweis auf die Behördenberatungspflicht nicht mehr möglich.


    Dies bedeutet aber nicht, dass für sämtliche Widerspruchsverfahren Beratungshilfe zu bewilligen ist.


    Insbesondere wenn der Antragsteller den Bescheid (sprachlich oder in anderer Weise) nicht versteht, sollte er zunächst versuchen, sich diesen von der Behörde erklären zu lassen. Einfach mit jeder Entscheidung, die man nicht nachvollziehen kann, zum Anwalt zu gehen, wäre mutwillig im Sinne des § 1 Abs. 3 BerHG.


    Wenn sich (ggf. nach Erläuterung der Entscheidung) ein konkretes rechtliches Problem ergibt, ist eine Bewilligung möglich. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, offensichtliche Unrichtigkeiten (z.B. Zahlendreher, Schreibfehler) für deren Beanstandung es keine juristische Prüfung braucht, kann der Antragsteller selbst rügen (§ 1 Abs. 3 BerHG).


    Ist der Antragsteller bereits Mitglied eines Sozialverbands oder kann er zu einer Erwerbslosenberatungsstelle, kann diese auch eine andere Hilfsmöglichkeit darstellen. Man kann den Antragsteller allerdings nicht verpflichten, eine kostenpflichtige Mitgliedschaft einzugehen.


    Was dein kostenrechtliches Problem angeht:


    Zur Frage, wann eine Erledigung im Sinne der Nr. 1002 VV-RVG vorliegt, orientiere ich mich hieran: HK-RVG/Hans-Jochem Mayer, 8. Aufl. 2021, RVG VV 2001 Rn. 13.


    Abhängig von den Umständen des Einzelfalls könnte der Anwalt durchaus recht haben. Wenn nach Eingang des Widerspruchs ein Änderungsbescheid ergeht, in dem dem Widerspruchsbegehren weitestgehend entsprochen wird, soll eine Erledigung vorliegen (macht ja auch Sinn: durch die Gebühr soll honoriert werden, dass der Anwalt bei einer außergerichtlichen Lösung des Problems mitgewirkt hat und ein gerichtliches Verfahren vermieden wurde. Dieses Ziel wird letztlich auch durch den Änderungsbescheid erreicht).


    Dass die Behörden einen Änderungsbescheid statt einen Widerspruchsbescheid erlassen, könnte durchaus der Kostenvermeidung dienen, das kannst du aber im Beratungshilfeverfahren nicht ändern.

  • Nachdem Corypheus das schon zutreffend ausgeführt hat, erlaube ich mir nur noch die Anmerkung, dass man zwischen Bewilligung von Beratungshilfe und der Vergütung der Beratungsperson unterscheiden muss.


    Wenn es ein rechtliches Problem mit einem Bescheid gibt und auch die anderen Voraussetzungen für die Bewilligung vorliegen, muss Beratungshilfe bewilligt werden.


    Beratungshilfe besteht immer aus Beratung und nur, wenn es auch erforderlich ist, auch aus Vertretung (§ 2 Abs. 1 BerHG). Das bedeutet, dass die Beratungsperson für eine Vertretung nur dann im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung erhalten kann, wenn diese auch notwendig war.

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