Berufsbetreuer lügt - was tun?

  • Guten Morgen,

    wir haben hier einen Berufsbetreuer, der in all seinen Jahresbericht angibt, dass er zu seinen Betreuten „vierteljährlich“ persönlichen Kontakt hat. Auf konkrete Nachfrage teilte er mit, dass er die Tage nicht genau angeben könne. Er wäre so viel in den Einrichtungen unterwegs, er würde mindestens einmal im Quartal jeden Betreuten antreffen.

    Darüber hinaus hat eben jener Betreuer uns nachweislich mindestens in 2 Verfahren dahin gehend angelogen, dass er bei Vorlage des JB angegeben hat, über das Betreutenvermögen nicht verfügt zu haben – inkl. Vorlage der von den Betreuten unterschriebenen Selbstverwaltungserklärungen. Auf konkrete Nachfrage unsererseits, wie genau die Vermögensverwaltung durch den schwerstmehrfach behinderten Betreuten im Alltag aussieht, legte der Betreuer in beiden Fällen die Rechnungslegungen vor. Darin befanden sich diverse Rechnungen, auf welchen der Betreuer ein Eingangsdatum und das Datum seiner Überweisung vermerkt hat.

    Frage I: Lässt der neue § 1863 BGB zu, dass wir von diesem Betreuer fordern, die genauen Tage im Jahresbericht anzugeben, damit wir prüfen können, ob der angegebene Kontakt wirklich stattgefunden hat?

    Ah, nochmal nachgelesen. Im Grüneberg seht, dass der Betreuer im Jahresbericht „Art, Anzahl, Ort, Zeitpunkt, Dauer und Anlass der Kontakte“ angeben muss lt. LG Hamburg, FamRZ 17, 247. Also Frage erledigt. Ich lass es trotzdem mal hier stehen.

    Frage II: Ist das Anlügen pflichtwidriges Verhalten i. S. d. § 1862 II BGB? Der schreibt ja vor, dass der Betreute persönlich anzuhören ist, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betreuer pflichtwidrig den Wünschen des Betreuten nicht oder nicht in geeigneter Weise oder seinen Pflichten gegenüber dem Bereuten in anderer Weise nicht nachkommt, es sei denn… So 100%ig klar scheint mir das hier nicht zu sein, da das Gesetz ja auf die Pflichten des Betreuers gegenüber dem Betreuten abstellt. Über die Kommentierung im Grüneberg könnte man zu dem Schluss kommen, dass persönlich anzuhören ist. Aber ich weiß wirklich nicht, ob eine persönliche Anhörung in diesem Fällen sinnvoll ist. Würde die ganze Sache nicht in einem Betreuerwechsel münden, wäre u. U. das für die Führung der Betreuung erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem doch vermutlich nachhaltig zerstört, wenn wir dem Betreuten sagen, dass sein Betreuer uns anlügt. Würde es genügen, wenn wir in den Akten vermerken, dass genau aus eben jenem Grund die persönliche Anhörung hier nicht angezeigt ist? Oder ist das Eis zu dünn? Ich hab grad kein Gefühl dafür.

    In jedem Fall werden wir aber sowohl Betreuungsbehörde als auch alle Betreuungsrichter über die Vorfälle informieren, auch insbesondere damit letztere über die Geeignetheit nachdenken.

    Danke Euch!

  • das wär mir zu wenig; ich würde auch eher versuchen wollen, aktiv und gestaltend auf die Situation einzuwirken

    zu Frage I: normalerweise habe ich nicht drauf bestanden derart detaillierte Auskünfte zu erhalten; aber; bei konkretem Überprüfungsanlass (wie bei dir) habe ich auch konkreter nachgefragt; ich denke auch, dass §1863 BGB das hergibt

    zu Frage II: Ich würde die Betroffenen zu den persönlichen Kontakten (und der unrichtigen/unvollständigen Berichterstattung) eher nicht persönlich anhören, wenn nicht ein konkreter Bedarf zu erkennen ist (Anhaltspunkte für Vernachlässigung o.Ä.)

    Das Vertrauensverhältnis zwischen Betreuer und Betroffenem ist wichtig und die Berichterstattung ist eine Sache zwischen Betreuer und Gericht..

    Ganz sicher würde ich Betreuungsbehörde und Betreuungsrichter und die anderen Rechtspfleger informieren und möglichst gemeinsam besprechen wollen, wie man der Sache Herr wird.

    Einladen, ins Gebet nehmen (vielleicht gemeinsam), klar machen, dass man ihn besonders intensiv betrachtet, etc.

    Ändern sich Verhalten und Berichterstattung des Betreuers nicht, wird man über einen oder mehrere Betreuerwechsel nachdenken müssen (Zuständigkeit je nach Bundesland).

    Der Betreuer ist zur regelmäßigen Kontaktpflege und zur (wahrheitsgemäßen) Berichterstattung verpflichtet

    Kommt er dem nachhaltig nicht nach, sind das Gründe, ihn (in den betroffenen Verfahren!) zu entlassen (egal, wie gut oder schlecht er sein Amt im Übrigen führt)

    Hierzu sind der/die Betroffenen spätestens ohnehin anzuhören.

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Ob der § 1863 BGB eine kalendergenaue Datumsangabe der Besuche hergibt halte ich zumindest für fraglich.

    "1.Art, Umfang und Anlass der persönlichen Kontakte zum Betreuten und der persönliche Eindruck vom Betreuten"

    Art = wie der Kontakt aussieht. Also persönlich, telefonisch, Whats App etc.

    Umfang = Wie lange der Kontakt dauerte

    Anlass = Warum war ich da

    persönlicher Eindruck = Was meine ich wie es ihm geht

    Sollten hier wirklich die kalendergenauen Datumsangaben im Bericht erfolgen müssen wäre dies wohl ein irrer Aufwand. Ich habe Betreute die ich alle 2 Wochen aufsuchen muss um ihnen Geld auszuzahlen. Im Bericht würde dann also 24 mal stehen "Datum XXXXXX" "persönlicher Kontakt" "ca. 45 Minuten" "Geldauszahlung" "geht ihm gut".

    Hinzu kämen alle Telefonate "Datum XXXXX" "telefon" "ca. 5 Minuten" "Er fragte nach mehr Geld".

    Ausserdem stellt sich die Frage wie dies bitte kontrolliert werden soll.

    Der Betreute kann ja immer behaupten das der Betreuer nie da war. Sollen dann die Fahrtenbücher des Betreuers kontolliert werden?

    Selbst in Pflegeheimen wird keine Liste der Besuche geführt.

    Diese Überprüfung der Kontakte geht völlig an der Realität vorbei da nicht durchführbar.

    Das Urteil des LG Hamburg interressiert mich als Schleswig Holsteiner ehrlich gesagt nur "Nice to know".

  • Für die "Standard"-"Massen-Fälle"/Berufsbetreuer stimme ich dir völlig zu- das was du umrissen hast, halte ich für absolut ausreichend

    jetzt haben wir aber eine Konstellation in der sich konkrete und erhebliche zweifel an der richtigkeit der Berichterstattung ergeben haben!

    und in solchen Situationen kann man m.E. - zumindest für künftige Berichte (und bei den aktuellen darf man zumindest nachfragen)- darauf bestehen, genauere Auskünfte/Berichte zu erhalten

    Das Betreuungsverfahren und die Aufsichtsführung sind ja nicht "statisch"- als Rechtspfleger in Betreuungssachen kann/darf/muss? man m.E. durchaus etwas einzelfall/einzelkonstellationsbezogen arbeiten

    Ich kaufe ein "I" und möchte lösen! -BOCKWURST-


    Wenn ich sterbe, sollen meine Überreste in Disneyland verstreut werden.
    Außerdem möchte ich nicht verbrannt werden.

  • Für die "Standard"-"Massen-Fälle"/Berufsbetreuer stimme ich dir völlig zu- das was du umrissen hast, halte ich für absolut ausreichend

    jetzt haben wir aber eine Konstellation in der sich konkrete und erhebliche zweifel an der richtigkeit der Berichterstattung ergeben haben!

    und in solchen Situationen kann man m.E. - zumindest für künftige Berichte (und bei den aktuellen darf man zumindest nachfragen)- darauf bestehen, genauere Auskünfte/Berichte zu erhalten

    Das Betreuungsverfahren und die Aufsichtsführung sind ja nicht "statisch"- als Rechtspfleger in Betreuungssachen kann/darf/muss? man m.E. durchaus etwas einzelfall/einzelkonstellationsbezogen arbeiten

    Ganz genau. :thumbup:

    Selbstverständlich werde ich natürlich nicht bei jedem Jahresbericht in allen Betreuungsverfahren diese ganz konkreten Angaben verlangen - aber da, wo es nötig ist, auf jeden Fall. Und der betr. Berufsbetreuer hat sich mit seiner Lügerei selbst ins entsprechende Licht gerückt, was mich veranlasst kritischer zu hinterfragen. Bzw. sogar hinterfragen zu müssen. Dies gerade vor dem Hintergrund, dass er auch Berufsvormund ist und die gesetzlich vorgeschriebenen monatlichen Kontakte nie (!) hin bekommt. Dort wird er teils quartalsweise überwacht und muss unter Angabe der Daten mitteilen, wann er persönlichen Kontakt zum Mündel hatte. Lieber eine sehr engmaschige Kontrolle als dass - falls (Gott bewahre) etwas passiert - uns vorgehalten wird, dass wird ihm mehr auf die Füße hätten treten müssen. Dann bin ich doch lieber die nervige Alte vom Betreuungsgericht, die alles übergenau wissen will...

    Ich danke schon mal für Eure Rückmeldungen!

  • Wenn mich einer anlügt...ist er raus.

    Da würde ich klar mit dem Richter kommunizieren.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Diese Überprüfung der Kontakte geht völlig an der Realität vorbei da nicht durchführbar.

    Das Urteil des LG Hamburg interressiert mich als Schleswig Holsteiner ehrlich gesagt nur "Nice to know".

    Guten Morgen,

    ich möchte darauf nochmals zurück kommen, da ich es sehr anders sehe. Wir haben hier eine Berufsbetreuerin, welche jeden persönlichen Kontakt zu ihren Betreuten in eine Tabelle einträgt, mit all dem, was das LG Hamburg fordert. Ich bin NRWler, trotzdem freu ich mich, wenn ich eine Entscheidung auch eines noch so fernen Gerichts finde, welche meine Ansicht bestätigt; zudem wurde die hamburgsche Entscheidung im neuen Grüneberg zitiert, was ja auch für sich spricht... Diese Tabelle wird von der Betreuerin zusammen mit dem Jahresbericht einfach so mit vorgelegt, was ich super finde. Dort hält sie auch kurz aber knackig stichpunktartig fest, was besprochen worden ist und ggf. wie der Eindruck vom Betreuten ist. Das ist vorbildlich und zeigt, dass diese Vorgehensweise durchaus möglich ist.

    Und selbstverständlich sind die Zügel bei einem, der mich so dumm-dreist anlügt, wesentlich kürzer.

  • In der Sache sehe ich es wie HorstD, aus Sicht des Betreuungsgerichts wird die passende Vorschrift aber eher § 309a Abs. 2 FamFG sein.

    § 26 Abs. 4 BtOG scheint mir bei ersten Lesen eher der datenschutzrechtliche Genehmigungstatbestand für die Datenübermittlung zu sein.

    Perfekt, danke für die gesetzliche Grundlage! Den hatte ich tatsächlich gar nicht auf m Schirm. ?(

  • Darin befanden sich diverse Rechnungen, auf welchen der Betreuer ein Eingangsdatum und das Datum seiner Überweisung vermerkt hat.

    Jetzt mal nur so ne Frage die ich mir stelle.... Wenn der Betreuer die Rechnungen erhalten hat und auf der Rechnung einen Posteingangsstempel gesetzt hat, dann eine kopie der Rechnung an seinen Betreuten gesendet hat, mit der Bitte die Zahlung zu veranlassen. Der Betreute zahlt die Rechnung, der Betreuer prüft den Vorgang im Onlinebanking und vermerkt auf der Rechnung, dass diese bezahlt ist....

    Das ist jetzt mal ein gängiges Beispiel, wie man Betreuungen führen kann und dem Leitsatz "Unterstützung geht vor Vertretung" nachkommen kann. Das ist in meinen Augen eine hohe Qualität von Betreuung.

    Die Bar Abhebungen könnte der Betreute ja auch mit Hilfe von einem ABW Dienstleister oder meinetwegen auch von einem Nachbarn gemacht haben, völlig unabhängig von seiner Krankheit. Er scheint es ja auch geschafft zu haben, die Selbstverwaltung zu unterzeichnen.

    Aus diversen Gutachten und Anhörungen, muss doch hervor gehen, ob der Betroffene sich selbst äußern kann und auch in der Lage ist solche Verfügungen mit hinzuziehung aller Hilfen selbst zu tätigen.

    Also ich will da nichts schön reden, in Fällen wo ich verfüge, mache ich grundsätzlich eine Rechnungslegung, oder der Betroffene unterzeichnet eine SV Erklärung und wenn ich zb nur eine Buchung gemacht habe, dann wird eben diese Buchung in der SV Erklärung erwähnt.

    Du hast völlig recht, es muss alles korrekt sein, aber man sollte auch überlegen, ob der Betreuer ggf sogar richtig gut ist und dem Betroffenen die Sachen zum bezahlen zusendet.

    Was die Besuche angeht, so schreib ich mir jeden einzelnen Kontakt eh immer auf, dass aber schon seit Jahren. Aber im Jahresbericht habe ich bislang noch nie die genauen Kontakte angeben müssen und auch nicht die Inhalte der Gespräche.... Seit 2023 lege ich den Betreuten den Bericht immer vor und lass ihn auf der letzten Seite unterschreiben, dass er diesen zur Kenntnis genommen hat. Das hat den Rechtspflegern bislang immer ausgereicht.

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