Fiskuserbrecht - Erblasserin 1909 verstorben

  • Hm, wenn ich mir § 4 Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Länder in der Deutschen Demokratischen Republik anschaue, da ist nur die Rede von "Überleitung der bisher von den Landesregierungen wahrgenommenen Aufgaben auf die Organe der Bezirke". Gehört dazu auch die Nachfolge an geerbtem Eigentum, das nicht staatlichen Verwaltungsaufgaben dient?

    Nein, aber das spielt auch keine Rolle. Es geht um die Funktionsnachfolge, und es bestand nie Eigentum des Volkes. Es gibt Erben, man weiß nur nicht, wer diese sind - und kann es jetzt (!) auch nicht mehr feststellen, daher Aufgebot mit dem Ziel, das Fiskuserbrecht festzustellen. Das ist ja auch dann nur eine Vermutung, dass der Fiskus Erbe sei.

    Und für das Verfahren gilt das jetzige Verfahrensrecht, und es erbt der Fiskus des Landes, das jetzt das Gebiet umfaßt, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz odern hilfsweise letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Nur "im Übrigen", also wenn insoweit nichts festgestellt werden kann, erbt der Bund.

    Erst nachdem der Beschluss nach § 1964 BGB ergangen ist, können durch und gegen den Fiskus Rechte aus dem Erbe geltend gemacht werden, § 1966 BGB.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Für tim1:

    Da die Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsnachfolgerin der DDR ist, ist die BImA nicht Kostenschuldnerin.

    Die Kosten für das Erbscheinsverfahren nach erfolgter Fiskusfeststellung können niemandem auferlegt werden.

    Äh, sie würde ja nicht als Rechtsnachfolgerin der DDR herangezogen, sondern ganz normal als Antragstellerin.

    Ich dachte die Zeiten, in denen sich die Treuhandanstalt ihr Recht selbst machte, seien vorbei?

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  • Zitat

    Bei einer als Eigentümerin eingetragenen Frau im Jahr 1909 eher unwahrscheinlich, dass das ein Problem sein könnte.

    deshalb schrieb ich ja "... eigentlich ..." :)

    wieso ist das unproblematisch?

    Nur weil die Frau im Ort x Eigentümerin eines Grundstücks ist, heißt das doch nicht, das sie auch dort gewohnt hat

  • Und für das Verfahren gilt das jetzige Verfahrensrecht, und es erbt der Fiskus des Landes, das jetzt das Gebiet umfaßt, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz oder hilfsweise letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

    Ist die Vorschrift, welcher Fiskus erbt, wirklich nur Verfahrensrecht?

    Soll es dann einen Erbschein geben, in dem bestätigt wird, dass das Land Brandenburg im Jahr 1909 mit dem Tod der Erblasserin Erbe geworden ist, obwohl der Erbe zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert hat? Wie verträgt sich das mit § 1923 BGB?

  • Erstmal danke an alle für die Beteiligung.

    So wirklich schlau bin ich daraus leider nicht geworden. Vielleicht frage ich mal bei der BImA an.

    Neulich hatte ich ein Verfahren, in welchem der Erblasser zu Zeiten der DDR verstarb. Dort beantragte die BImA den Erbschein zugunsten der DDR (nach der öffentlichen Aufforderung) und machte Gerichtskostenbefreiung gemäß § 2 GNotKG geltend, weil diese für die BRD handeln.

    Im vorliegenden Fall könnte ich mir das ähnlich vorstellen. Leider konnte mir bisher auch kein Kollege weiterhelfen. Ich werde berichten, sofern mir weitere Erkenntnisse vorliegen.

  • Und für das Verfahren gilt das jetzige Verfahrensrecht, und es erbt der Fiskus des Landes, das jetzt das Gebiet umfaßt, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz oder hilfsweise letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

    Ist die Vorschrift, welcher Fiskus erbt, wirklich nur Verfahrensrecht?

    Soll es dann einen Erbschein geben, in dem bestätigt wird, dass das Land Brandenburg im Jahr 1909 mit dem Tod der Erblasserin Erbe geworden ist, obwohl der Erbe zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert hat? Wie verträgt sich das mit § 1923 BGB?

    Jetzt wird es peinlich.

    Materielles Recht = BGB in der Fassung von 1909

    Verfahrensrecht = FamFG in der aktuellen Fassung

    Nachlassgericht

    Fiskuserbe = Preussen (§ 1936 BGB Urfassung)

    Erbschein = Preussen

    Antragsberechtigung = BRD (Art. 22 EinigVtr) = BImA (BImAG)

    Grundbuchamt

    Rechtsnachfolger Preussen = DDR

    Grundbucheintragung = Eigentum des Volkes

    Vermögenszuordnung durch BADV (VZOG) = Bundesfinanzvermögen (Art. 22 EinigVtr)

    Grundbuchberichtigung auf BImA aufgrund BImAG

    Das Land Brandenburg hat mit dem ganzen Fall gar nichts zu tun.


    Echt traurig, wenn man als Notar nicht über das nötige Grundwissen verfügt.

  • Ich sehe es übrigens wie Tom. Das Fiskuserbrechtsverfahren wird sowohl verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich m.E. nach den aktuellen Vorschriften durchgeführt. Es ist ein neues und eigenständiges Verfahren das nicht materiellrechtlich nach den Regeln von 1909 geht.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ich sehe es übrigens wie Tom. Das Fiskuserbrechtsverfahren wird sowohl verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich m.E. nach den aktuellen Vorschriften durchgeführt. Es ist ein neues und eigenständiges Verfahren das nicht materiellrechtlich nach den Regeln von 1909 geht.

    Schon wieder einer, der keine Ahnung hat. Das nimmt allmählich überhand hier. :strecker

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • "Die endgültige Überführung der Liegenschaften des Deutschen Reiches und des aufgelösten preußischen Staates in Volkseigentum als letzte Konsequenz des im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung 1950 eingeleiteten Verfahrens brachte die Gemeinsame Anweisung über die Berichtigung der Grundbücher und Liegenschaftskataster für Grundstücke des ehemaligen Reichs–, Preußen–, Wehrmachts–, Landes–, Kreis– und Gemeindevermögens vom 11. 10. 1961. Aufgrund dieser Anweisung aus dem Jahre 1961 ist endgültig davon auszugehen, daß in der DDR zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung nahezu kein unverteiltes Reichsvermögen mehr bestand."

    (Eckert in VIZ 1995, 78, beck-online

    Entscheidungsbesprechung des VG Meiningen v. 2. 3. 1994 – 2 K 233/93. Me = VIZ 1994, 620 ff.)

  • Ich sehe es übrigens wie Tom. Das Fiskuserbrechtsverfahren wird sowohl verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich m.E. nach den aktuellen Vorschriften durchgeführt. Es ist ein neues und eigenständiges Verfahren das nicht materiellrechtlich nach den Regeln von 1909 geht.

    ... es erbt der Fiskus des Landes, das jetzt das Gebiet umfaßt, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz ...

    Sicher?

    Über einen identischen Erbfall aus dem Jahr 1943 im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt wurde bereits entschieden (OLG Naumburg, Beschluss vom 07.01.2014, 2 Wx 93/13).

  • Ich sehe es übrigens wie Tom. Das Fiskuserbrechtsverfahren wird sowohl verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich m.E. nach den aktuellen Vorschriften durchgeführt. Es ist ein neues und eigenständiges Verfahren das nicht materiellrechtlich nach den Regeln von 1909 geht.

    ... es erbt der Fiskus des Landes, das jetzt das Gebiet umfaßt, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz ...

    Sicher?

    Über einen identischen Erbfall aus dem Jahr 1943 im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt wurde bereits entschieden (OLG Naumburg, Beschluss vom 07.01.2014, 2 Wx 93/13).

    Das war kein "identischer" Erbfall. Zum einen schon deshalb nicht, weil der Erblasser ein anderer ist. Zum anderen deshalb, weil es sich hier um das Fiskalerbrecht des ZGB-DDR handelte.

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  • "Die endgültige Überführung der Liegenschaften des Deutschen Reiches und des aufgelösten preußischen Staates in Volkseigentum als letzte Konsequenz des im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung 1950 eingeleiteten Verfahrens brachte die Gemeinsame Anweisung über die Berichtigung der Grundbücher und Liegenschaftskataster für Grundstücke des ehemaligen Reichs–, Preußen–, Wehrmachts–, Landes–, Kreis– und Gemeindevermögens vom 11. 10. 1961. Aufgrund dieser Anweisung aus dem Jahre 1961 ist endgültig davon auszugehen, daß in der DDR zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung nahezu kein unverteiltes Reichsvermögen mehr bestand."

    (Eckert in VIZ 1995, 78, beck-online

    Entscheidungsbesprechung des VG Meiningen v. 2. 3. 1994 – 2 K 233/93. Me = VIZ 1994, 620 ff.)

    Ja klar. Aber das setzt voraus, dass es sich um Landesvermögen pp. (in der Sprache des Einigungsvertrags wäre das "Finanzvermögen") handelte.

    Davon kann vor Feststellung des Nachlaßgerichts nach § 1966 BGB, dass ein anderer Erbe nicht vorhanden ist, nicht ausgegangen werden (Bundessozialgericht, 01. Dezember 1971, 12 RJ 186/71).

    NB: es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn alle Eltern, Großeltern und Urgroßeltern einer im Jahr 1909 verstorbenen Person ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstorben wären.

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  • NB: es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn alle Eltern, Großeltern und Urgroßeltern einer im Jahr 1909 verstorbenen Person ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstorben wären.

    Dann können wir die Diskussion elegant beenden und es wird ein Nachlasspfleger bestellt. Wenn der für die 1843 geborene Erblasserin auch keine Verwandten findet, steht aber die Frage wieder im Raum, welcher Fiskus denn nun nach welchem Recht zum Erben berufen ist.

    Mein (zugegebenermaßen nicht durch akademisches Studium erlangter) Wissensstand war bisher, dass das deutsche Fiskuserbrecht ein zivilrechtliches Erbrecht und kein hoheitliches Aneignungsrecht ist und dass das materielle Erbrecht immer auf den Todeszeitpunkt abhebt. Bis #9 hatte ich den Eindruck, dass auch tom es so sieht, dass für den Erbfall von 1909 der später untergegangene preußische Staat Fiskuserbe sein kann und "nur noch" die Frage zu klären ist, was ab 1947 mit diesem Stückchen Land passiert ist.

  • Ich sehe es übrigens wie Tom. Das Fiskuserbrechtsverfahren wird sowohl verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich m.E. nach den aktuellen Vorschriften durchgeführt. Es ist ein neues und eigenständiges Verfahren das nicht materiellrechtlich nach den Regeln von 1909 geht.

    ... es erbt der Fiskus des Landes, das jetzt das Gebiet umfaßt, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz ...

    Sicher?

    Über einen identischen Erbfall aus dem Jahr 1943 im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt wurde bereits entschieden (OLG Naumburg, Beschluss vom 07.01.2014, 2 Wx 93/13).

    Das war kein "identischer" Erbfall. Zum einen schon deshalb nicht, weil der Erblasser ein anderer ist. Zum anderen deshalb, weil es sich hier um das Fiskalerbrecht des ZGB-DDR handelte.

    1943 gab es das ZGB-DDR noch gar nicht. Noch nicht einmal die DDR

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