Verfügungsgeld auf zweitem Girokonto eines Betreuten - Pfändungsschutz ?

  • Eine Betreuerin hat mir berichtet, dass sie aufgrund der Änderung des Betreuungsrechts verpflichtet wäre, für ihre Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt ein zweites Girokonto zu eröffnen, auf welches dann das Verfügungsgeld für die Betreuten überwiesen und von diesen dort frei verfügt werden kann. ( § 1839 BGB ?)


    Ist dies eine Verpflichtung oder eine Kann-Regelung ?

    Werden dann bei einer Bank zwei Konten auf den Namen des Betreuten geführt ?


    Problem:

    Wenn bei betreffender Bank eine Kontopfändung vorliegt und das Hauptkonto des Betreuten als Pfändungsschutzkonto geführt wird, erstreckt sich dieser Pfändungsschutz nur auf genau dieses Konto und das zweite Girokonto, auf welches das Verfügungsgeld gezahlt wird, wäre voll pfändbar. Ebenso könnte ein Zweitkonto bei einer anderen Bank gepfändet wäre bzw. wären diese von einem eventuellen Insolvenzbeschlag betroffen.


    Oder gibt es irgendeine Sonderregelung, die dazu führt, dass auch dieses zweite Girokonto vollen Pfändungsschutz genießen kann ?

  • Also die Anlage eines Verfügungskontos in der Regel notwendig, es sei denn, es läuft dem Wunsch des Betreuten zuwider, 1838 Abs. 1 BGB. Gemeint ist hier ein Girokonto, über das der gewöhnliche Zahlungsverkehr abgewickelt wird und das unproblematisch als PKonto geführt werden kann. Ein Zweit- oder Taschengeldkonto wird vom Gesetz nicht gefordert. Es dient lediglich der Entlastung des Betreuers, der so nicht regelmäßig Bargeld an den Betreuten auszahlen muss. Ist der Betreute Schuldner, sollte man dringend die Finger vom zwei Konten Modell lassen, auch wenn es praktisch ist. Denkbar sind zwei Vorgehensweisen: Entweder der Betreuer zahlt das Haushalts- oder Taschengeld eben regelmäßig in Bar aus oder man vereinbart mit der Bank, dass zu Abhebungen in Höhe von x€ wöchentlich vom PKonto die Zustimmung erteilt wird. Die zweite Variante erscheint wohl praktikabler. Pfändungsschutzrechtlich ist hier aber nichts zu wollen.

  • Es geht wohl hauptsächlich um die Fälle mit Einwilligungsvorbehalt, bei denen angeblich häufig Taschengeldkonten für die Betreuten eröffnet werden, auf denen diese ohne Einwilligung frei verfügen können. Ob dies neu ist (wurde im Zuge des neuen § 1825 BGB diskutiert, ob dort das "Taschengeldkonto" explizit genannt werden soll) oder eventuell nur selten vorkommt, ist mir nicht bekannt.

  • Also die Anlage eines Verfügungskontos in der Regel notwendig, es sei denn, es läuft dem Wunsch des Betreuten zuwider, 1838 Abs. 1 BGB. Gemeint ist hier ein Girokonto, über das der gewöhnliche Zahlungsverkehr abgewickelt wird und das unproblematisch als PKonto geführt werden kann. Ein Zweit- oder Taschengeldkonto wird vom Gesetz nicht gefordert. Es dient lediglich der Entlastung des Betreuers, der so nicht regelmäßig Bargeld an den Betreuten auszahlen muss. Ist der Betreute Schuldner, sollte man dringend die Finger vom zwei Konten Modell lassen, auch wenn es praktisch ist. Denkbar sind zwei Vorgehensweisen: Entweder der Betreuer zahlt das Haushalts- oder Taschengeld eben regelmäßig in Bar aus oder man vereinbart mit der Bank, dass zu Abhebungen in Höhe von x€ wöchentlich vom PKonto die Zustimmung erteilt wird. Die zweite Variante erscheint wohl praktikabler. Pfändungsschutzrechtlich ist hier aber nichts zu wollen.

    ...ja und da hat mir die Betreuerin auch erzählt, dass nach neuem Betreuungsrecht solche Barauszahlungen oder auch Auszahlungen an Betreute per Scheck nicht mehr zulässig wären und sie in ihrem Betreuungsverein jetzt standardmäßig diese Taschengeldkonten - die auch Egon´s Mama bestätigt hat - eröffnen


    Dann sollten wir da unbedingt drauf achten, dass mit verschuldeten Betreuten zwingend eine andere Lösung gesucht werden muss.


    Im Insolvenzverfahren könnt ich mir noch vorstellen, dass viele IV diese Taschengeldkonten aus dem Insolvenzbeschlag freigeben.


    Aber bei Kontopfändungen wären diese Zweitkonten wohl nicht zu schützen.

  • ...ja und da hat mir die Betreuerin auch erzählt, dass nach neuem Betreuungsrecht solche Barauszahlungen oder auch Auszahlungen an Betreute per Scheck nicht mehr zulässig wären

    In dieser Absolutheit stimmt das nicht. Der Zahlungsverkehr soll grundsätzlich bargeldlos erfolgen, § 1840 Abs. 2 BGB lässt hier aber zum einen Ausnahmen für übliche Barzahlungen zu und zum anderen gilt § 1840 BGB nur, wenn kein entgegenstehender Wille des Betreuten gem. § 1838 BGB vorhanden ist.

  • Zahlungsverkehr beinhaltet m. E. auch Barauszahlungen an den Betreuten. Wo ist deiner Meinung nach der Unterschied ob der Betreuer eine Rechnung bar bezahlt oder Barauszahlungen an den Betreuten vornimmt?


    Leider lässt sich ein Gesetz in der Praxis häufig nicht problemlos umsetzen.


    Wie wäre es mit Auszahlungsscheinen, welche der Betreuer dem Betreuten zukommen lässt. Diese legt der Betreute der Bank vor und diese zahlt aus.

    Dies hat sich in der Praxis bewährt. Allerdings spielen nicht alle Banken mit.

  • Leider lässt sich ein Gesetz in der Praxis häufig nicht problemlos umsetzen.

    Problemlos nicht, aber dafür pragmatisch.



    Da das Bargeldverlangen der Betroffenen meist völlig unerwartet kommt, außer bei den regelmäßigen Auszahlungen, bewahrt der Rechtliche Betreuer auf Wunsch des Betroffenen Bargeld in der Zeit zwischen Abhebung und Auszahlung ordnungsgemäß dokumentiert und getrennt von weiteren Aufbewahrungen, in seinem Tresor auf.



    Da seit dem 01.01.2023 neben dem gesetzlichen „Bargeldverbot“, der Wunsch des Betroffenen über dem Gesetz steht, kann sich ein pragmatischer Rechtlicher Betreuer dem nicht verwehren. Sollte der Betroffene noch Defizite zur Wunschäußerung haben, hilft die unterstützte Entscheidungsfindung zur Willensbildung und -äußerung.

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    “Das tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut.” Marc-Uwe Kling, Die Känguru Chroniken
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  • Habe tatsächlich auch gerade - als Vollstreckungsgericht - einen ,,Antrag auf Genehmigung Tachengeldkonto'', einen Antrag auf zustätzliche Freistellung eines sog. Taschengeldkontos von der Pfändung neben dem bereits bestehenden P.Konto.


    Dafür fehlt es m.E. an einer Rechtsgrundlage...

  • Habe tatsächlich auch gerade - als Vollstreckungsgericht - einen ,,Antrag auf Genehmigung Tachengeldkonto'', einen Antrag auf zustätzliche Freistellung eines sog. Taschengeldkontos von der Pfändung neben dem bereits bestehenden P.Konto.


    Dafür fehlt es m.E. an einer Rechtsgrundlage...

    Nicht nur dafür. Auch Selbständige, welche ein Büro mit Mitabreitern unterhalten, haben das Problem, dass ihnen nur ihr persönlicher Pfändungsschutz zusteht. Man muss nicht mal unter Betreuung stehen, um mit solchen Problemen zu kämpfen.


    Kam mir nur in den Sinn, weil es passt. Ich habe heute früh zu dieser Problematik erst mit einem Unternehmer gesprochen.

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  • verpflichtet wäre, für ihre Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt ein zweites Girokonto zu eröffnen, auf welches dann das Verfügungsgeld für die Betreuten überwiesen und von diesen dort frei verfügt werden kann.

    Die Verpflichtung hierzu wäre mir neu, da Banken durchaus auch mit schriftlichen Auszahlungsverfügungen (mailen wir i.d.R.) arbeiten, Schecks wären hier auch noch eine Option.


    Kann-Regelung

    Meines Erachtens nach ist das eine Kann-Regelung, gerade im Insolvenzverfahren ist aber unbedingt eine Rücksprache mit dem Treuhänder zu halten.


    Werden dann bei einer Bank zwei Konten auf den Namen des Betreuten geführt ?

    Ja! Die Eröffnung eines "Sammelkontos", um solche Gelder unter dem Namen des Betreuers zu verwalten, würde gegen § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB sprechen.

    das zweite Girokonto, auf welches das Verfügungsgeld gezahlt wird, wäre voll pfändbar.

    Rechtlich gesehen ist das leider richtig.


    Ob dies neu ist (wurde im Zuge des neuen § 1825 BGB diskutiert, ob dort das "Taschengeldkonto" explizit genannt werden soll) oder eventuell nur selten vorkommt, ist mir nicht bekannt.

    Ich würde nicht sagen, dass dies neu ist.
    Wir haben zahlreiche Betreute, bei denen das sogenannte Taschengeldkonto zusätzlich zum regulären Girokonto geführt wird - teilweise auch unabhängig von einem Einwilligungsvorbehalt.
    Zum einen erleichtert es den Alltag für den Betreuer, zum anderen fördert es die Selbstständigkeit des Betreuten. (§ 1821 Abs. 6 BGB :))

    Oder gibt es irgendeine Sonderregelung, die dazu führt, dass auch dieses zweite Girokonto vollen Pfändungsschutz genießen kann ?

    Mir wäre keine rechtliche Regelung für Pfändungsschutz über dem zweiten Girokonto bekannt.
    Ich kann aus einem Fall in der Praxis berichten, bei dem die Bank Kenntnis von der Einleitung eines Insolvenzverfahrens erhalten hat und somit das weitere Konto, das bereits bestand, zunächst sperrte. (§ 850k Abs. 3 Satz 1 ZPO).
    Ich hielt hier kurz Rücksprache mit dem Treuhänder, welcher mitteilte, dass er das zweite Konto natürlich bei der Bank freigibt.
    Bei betreuten Personen seie es sehr gut bekannt, dass ein Taschengeldkonto existieren könnte.
    Der Treuhänder teilte der kontoführenden Bank auf dem Schriftwege mit, dass das zweite Girokonto aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben wird.
    Somit war das weitere Konto wieder für Verfügungen nutzbar.
    Vollstreckungsmaßnahmen sind wegen dem Insolvenzverfahren ohnehin unterblieben, bei etwaigen Versuchen würde ich als Betreuer jedoch einfach auf §89 Abs. 1 InsO verweisen, was in der Regel schon reicht.

    Bei vorliegenden Pfändungen und keiner geplanten Durchführung eines Insolvenzverfahrens würde ich aber dringend von dieser Regelung abraten.

    ohne Einwilligung frei verfügen können.

    Ich kenne die Verfahrensanweisungen der Banken hierzu nicht, jedoch arbeitet (meinem Gefühl nach) jede Bank da unterschiedlich.
    Während die Sparkasse im hiesigen Kreis mit der Eröffnung eines weiteren Kontos für einen Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt mit Verfügungsmacht des Betreuten kein Problem darstellt, ist das einen Landkreis weiter ein riesiges Problem und überhaupt nicht möglich... (und beides sind Sparkassen....)

  • Der BGH hat am 30.04.2020, VII ZB 82/17, den Beschluss gefasst, dessen Leitsatz wie folgt formuliert wird:


    Der Anspruch des sich in einer Pflegeeinrichtung befindlichen Schuldners gegen den Träger der Pflegeeinrichtung auf Auszahlung des gegenwärtig auf einem “Taschengeldkonto” verwalteten Guthabens sowie die künftigen Ansprüche des Schuldners gegen den Träger der Pflegeeinrichtung auf Auszahlung der jeweils monatlich auf dem “Taschengeldkonto” eingehenden Geldbeträge sind gemäß § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 1. Fall BGB jeweils bis zu der Höhe unpfändbar, die in § 27b Abs. 3 SGB XII für den angemessenen Barbetrag geregelt ist.


    Ob das dann auch für den Auszahlungsanspruch gegen das Kreditinstitut so gesehen wird, kann man diskutieren. Die Entscheidung kann m.E. aber in der Argumentation helfen.

  • Ich habe auch mal wieder dieses Problem, wo ich mir aber wegen Örtlichkeiten nicht mit Schecks behelfen kann.


    Da ich jetzt ständig Pfändungsschutz gelesen habe und wir ja nur ein Pfändungsschutzkonto bekommen, schoß mir gerade so etwas wie der §850 ZPO durch den Kopf. 1992 gab es den glaube nur bis C.


    Könnte man sich das Taschengeldkonto nicht durch einen Pfändungsschutz Beschluss schützen lassen?

    Wir sind doch jetzt bei "Wünsch Dir was" und wir tun doch Alles für unsere Sorglinge.

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  • Könnte man sich das Taschengeldkonto nicht durch einen Pfändungsschutz Beschluss schützen lassen?

    Wir sind doch jetzt bei "Wünsch Dir was" und wir tun doch Alles für unsere Sorglinge.

    Nein, weil pfändungsschutz für's Konto gibt es nur über das pfändungsschutzkonto. Und da darf halt jeder nur 1 haben

    Danke. Ich ahnte es. Aber in der Not frist der Teufel Fliegen.

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