Ich möchte mit diesem Post eine Diskussion zur Umsetzung der gesetzlichen Bestimmung des § 1821 Absatz 1 BGB in der täglichen Praxis -bei mir als Gericht, aber auch bei den Betreuern- anstoßen.
Seit nunmehr 9 Monaten kennen wir die Vorschrift des § 1821 Absatz 1 BGB in nunmehr geltenden Fassung, die da lautet:
"Der Betreuer nimmt alle Tätigkeiten vor, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Er unterstützt den Betreuten dabei, seine Angelegenheiten rechtlich selbst zu besorgen, und macht von seiner Vertretungsmacht nach § 1823 nur Gebrauch, soweit dies erforderlich ist".
Und (fast) jeden Tag trudeln bei mir Anträge von Betreuern
a) zur Genehmigung von Grundstücksveräußerungsverträgen;
b) zur Kündigung von Mietverhältnissen betr. die Wohnung der/des Betroffenen;
c) zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnraum, der dem Betroffenen gehört
ein. Und dies, obwohl der Betroffene in der Lage ist, den Grundstückskaufvertrag, die Kündigung bzw. den Mietvertrag -mit Unterstützung des Betreuers, z.B. durch erklären in einfacher Sprache, durch Vorbereitung einer entsprechenden Erklärung bzw. durch Erläuterung des Inhalts des entsprechende Vertrags- selbst abzuschließen. Aber wie selbstverständlich werden die entsprechenden, vom Betreuer unterzeichneten Urkunden -und in den Regel ohne irgendeine Erklärung, wieso der Betreuer und nicht der Betroffene selbst gehandelt hat- dem Gericht zur Genehmigung eingereicht.
Eine Rückfrage beim Betreuer, weshalb Stellvertretung erforderlich und Unterstützung nicht ausreichend war, wird von vielen Betreuern als Einmischung in ihre Betreuungsführung angesehen.
Im Rahmen von persönlichen Anhörungen im Genehmigungsverfahren wird von manchen -eigenständig noch handlungsfähigen, aber unterstützungsbedürftigen- Betroffenen erklärt, sie seien nicht gefragt worden, ob sie den Grundstückskaufvertrag beim Notar selbst unterzeichnen wollen bzw. die Kündigung oder den Mietvertrag selbst unterzeichnen wollen.
Aber auch im Aufgabenbereich der Gesundheitssorge kam es zu Berichten von Betroffenen, die ärztliche Aufklärung (das Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patienten) hätte nur gegenüber dem Betreuer stattgefunden. Der Betroffene selbst sei vom behandelnden Arzt gar nicht aufgeklärt worden. Und so selten kann dieses Vorgehen in der täglichen Praxis nicht sein. Letztendlich hat sich ja sogar das Bundesministerium für Justiz dazu berufen gefühlt, eine entsprechende Broschüre mit dem Titel "https://www.bgt-ev.de/fileadmin/Medi…Innen_final.pdf" herauszugeben.
Meines Erachtens ist deshalb eine Diskussion zwischen Betreuern, weiteren "Beteiligten" (z.B. Ärzte, Notare, ...) angezeigt, inwieweit der Grundsatz "Unterstützung vor Stellvertretung" in der täglichen Praxis angewandt bzw. gegen ihn verstoßen wird. Interessant dürften die Gründe sein, weshalb gegen den Grundsatz verstoßen wird. Mir wurde z.B. durch einen Betreuer auf Nachfrage mitgeteilt, dass beim Abschluss eines Grundstückskaufvertrags der Urkundsnotar erklärt habe, eine Beurkundung könne nur stattfinden, wenn neben dem Betroffenen auch der bestellte Betreuer bei der Beurkundung mitwirken würde. Bei Bestellung eines Betreuers könne die Beurkundung nur unter Mitwirkung des Betreuers erfolgen.
Wie sehen denn die bisherigen diesbezüglichen Erfahrungen der Rechtspflegerinnen/Rechtspfleger bzw. Betreuerinnen/Betreuer aus?