§ 344 Abs. 7 FamFG - Ausschlagung beim Amtsgericht statt bei Zweigstelle abgegeben

  • Das sehe ich auch so.


    Eine Zweigstelle ist doch erst einmal nichts anderes als ein zweites Gebäude, das Teile eines Gerichts im organisatorischen Sinne beherbergt, das unter einheitlicher Leitung eines Direktors steht.


    Wenn dieses zweite Gebäude in derselben Gemeinde wie die Hauptstelle stünde (zum Beispiel auf derselben Straße gegenüber wäre) , würde sich da wohl auch niemand Gedanken machen, dass die Einreichung im Briefkasten der Hauptstelle nicht genügen könnte.



    Daran kann sich aber ja durch den bloßen Zufall, dass dieses zweite Gebäude sich in einer anderen Gemeinde im Gerichtsbezirk befindet (aus den von AndreasH genannten historischen Gründen, oft wohl das Gebäude eines inzwischen aufgelösten Amtsgerichts) rechtlich nichts ändern.

  • Ich habe in meinem Bundesland mir mal die homepage von verschiedenen AGs angeschaut. Da scheint auch keine Einigkeit darüber zu bestehen, was eine Zweigstelle ist oder nicht. In den meisten Fällen werden Nebengebäude als Zweigstelle benannt, die aber im eigentlichen Sinne keine Zweigstellen sind (und schon gar nicht siegelführende Zweigstellen sind).


    Ein weiteres Beispiel: In Meck.-Vorp. lautet die entsprechende Rechtsverordnung über die Umsetzung des Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz (GerStrNeuGVO): [...] Die einer Zweigstelle zugeordnete Gemeinde liegt mit ihrem gesamten Gemeindegebiet in der örtlichen Zuständigkeit der Zweigstelle. [...]


    Von daher stimme ich Cromwell zu. Bei entsprechender Rechtsverordnung sind Zweigstellen selbständige Gerichte und eben nicht örtlich füreinander zuständig, sondern örtlich unzuständig.

  • Ich habe die Sache jetzt noch einmal für Sachsen geprüft. Aus meiner Sicht ist das alles unwirksam.


    Ausgangspunkt ist immer Art. 80 GG:

    "(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die

    Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen

    Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die

    Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß

    eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der

    Ermächtigung einer Rechtsverordnung."


    bzw. gleichlautend Artikel 75 SächsVerf

    "(1) Die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen kann nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen

    Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der

    Verordnung anzugeben."


    Also brauchen wir erst einmal ein Gesetz. Das wäre dann § 1 Abs. 5 SächsJG:

    "(5) Das Staatsministerium der Justiz kann durch Rechtsverordnung Zweigstellen eines Amtsgerichts

    errichten und auflösen sowie den Zweigstellen bestimmte sachliche und örtliche Zuständigkeiten

    übertragen, wenn dies nach den örtlichen Verhältnissen geboten ist."


    Und dann haben wir eine Sächsische Justizorganisationsverordnung. Diese benennt in § 3 die Zweigstellen. In § 4 heißt es:

    "§ 4

    Zuständigkeit der Zweigstellen

    1Die Zweigstellen sind vorbehaltlich der Geschäftsverteilung für sämtliche amtsgerichtlichen Geschäfte

    ihres Bezirks zuständig. 2Satz 1 gilt, die Einsichtnahme in die Grundbücher und die Ausdruckerteilung aus

    diesen ausgenommen, nicht für Grundbuchsachen. 3Für die richterlichen Geschäfte kann das Präsidium im

    Rahmen seiner Zuständigkeit Abweichendes beschließen."


    Es gibt in der Verordnung keinen Verweis auf § 1 Abs. 5 SächsJG, also ist das Zitiergebot verletzt. Es gibt auch keine Regelung im Gesetz, wonach die Ermächtigung in der Weise weiter übertragen werden dürfte, dass das Gericht das mit seinem Geschäftsverteilungsplan selbst regelt. Solange das Amtsgericht sich nach außen als einheitliches Gericht begreift (was hier so ist), wirkt sich das alles nicht aus. Sonst aber haben wir ein Verfassungsproblem in Bezug auf den gesetzlichen Richter.

  • Zunächst möchte ich einmal klarstellen, dass es sich um ein Problem der örtlichen Zuständigkeit handelt.


    Wenn ich mir das bayerische Landesrecht betrachte, so hat § 3 AGZweigstV folgenden Wortlaut, wobei ich den wesentlichen Teil hervorgehoben habe:


    § 3
    (1) Die Zweigstellen sind in ihrem Bezirk für sämtliche amtsgerichtliche Geschäfte zuständig, soweit nicht im Rahmen der Geschäftsverteilung Abweichendes bestimmt wird.
    (2) Von der Regelung in Absatz 1 sind ausgenommen:
    1. Angelegenheiten, deren Erledigung durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmten Amtsgerichten übertragen ist,
    2. Schöffen- und Jugendschöffengerichtssachen,
    3. Strafsachen nach dem Weingesetz und nach dem Lebensmittelrecht,
    4. Familiensachen nach § 23b Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes,
    5. Strafsachen nach dem Betäubungsmittelgesetz.


    Also ist die Regelung ganz klar: Wenn die Zweigstelle in ihrem Bezrik für sämtliche amtsgerichtliche Geschäfte (örtlich) zuständig ist, so ist die Zweigstelle nicht (örtlich) zuständiges Gericht für den Restbezirk (des Hauptgerichts) und umgekehrt ist das Hauptgericht auch nicht (örtlich) zuständig für den Bezirk der Zweigstelle.


    Damit liegt im Hinblick auf die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung ein Fall der Entgegennahme durch ein örtlich unzuständiges Gericht vor, sodass sich die Fristwahrung nach dem Zeitpunkt des Eingangs der weitergeleiteten Erklärung beim zuständigen Gericht beurteilt.


    In allen übrigen Bundesländern wird es wahrscheinlich genauso geregelt sein.


    Das Beispiel mit mehreren Gebäuden am gleichen Ort ist fehl am Platz. Eine Zweigstelle setzt begrifflich voraus, dass sie einen eigenen Bezirk hat. Wenn sich mehrere Gerichtsgebäude (wie z. B. in den Großstädten) im Stadtbezirk befindet, so handelt es sich also um ein und dasselbe Gericht. Wenn also eine Ausschlagungserklärung beim Amtsgericht in der Nürnberger Fürther Straße eingeht, dann geht sie dort - beim zuständigen (sic!) Amtsgericht - fristgerecht ein, wenn sich das Nachlassgericht in der Nürnberger Flaschenhofstraße befindet (Nachlassgericht ist ja das Amtsgericht). Diese Fallgestaltung hat also mit unserer Problematik nichts zu tun, zumal ich ohnehin nicht nachvollziehen kann, was das Ganze mit der Entfernung zu tun haben soll, weil ja auch der Bezirk der Zweigstelle und der Restbezirk des Hauptgerichts unmittelbar aneinander grenzen.

  • Bürgerservice Hessenrecht


    § 1 Abs. 2 JuZuV Hessen: "Die amtsgerichtlichen Zweigstellen sind Dienststellen des Amtsgerichts, in dessen Bezirk sie ihren Sitz haben. Sie sind in ihrem Bezirk für alle amtsgerichtlichen Geschäfte zuständig, soweit sich nicht aus den Abs. 3 bis 5 etwas anderes ergibt."


    Satz 1 könnte man so lesen, dass man überall fristwahrend etwas einwerfen kann. Satz 2 klingt schon wieder ein bisschen anders.


    Immerhin ist in Abs. 3 bis 5 dann ausdrücklich geregelt, welche Zweigstelle für was (nicht) zuständig ist. Man überlässt es nicht - wie in Bayern oder Sachsen - der Geschäftsverteilung.

  • Ich habe die Sache jetzt noch einmal für Sachsen geprüft. Aus meiner Sicht ist das alles unwirksam.

    ...

    Es gibt in der Verordnung keinen Verweis auf § 1 Abs. 5 SächsJG, also ist das Zitiergebot verletzt.

    Der Hinweis auf den genannten Paragrafen ist im Text der Ursprungsfassung der Verordnung in der Eingangsformel unter 35. enthalten:


    REVOSax Landesrecht Sachsen - Sächsische Justizorganisationsverordnung – SächsJOrgVO

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