Ich wurde vom Chef gebeten, zum Referentenentwurf Stellung zu nehmen.
Ich füge das der Einfachheit halber hier mal ein und bedanke mich vorab für die Anregungen aus diesem Thread, das war hilfreich.
Grundsätzlich begrüße ich die Option, verschiedene Protokollierungen zukünftig über eine Bild- und Tonübertragung vornehmen zu können.
Mir fehlt allerdings in § 129 a Abs. 2 ZPO Ref-Entw der Zusatz „[kann] in geeigneten Fällen […]“.
Es muss gerade bei umfangreichen Antragsaufnahmen oder solchen, die eine Vorlage von verschiedenen oder einer hohen Anzahl von Dokumenten erfordern möglich sein, auf einer mündlichen Vorsprache zu bestehen.
Es könnte zu Problemen in folgenden Bereichen kommen:
Versicherung an Eides statt
Eine solche ist nach dem Referentenentwurf zumindest nicht per Bild- und Tonübertragung möglich.
Beispielsweise nach § 4 Abs 4 BerHG kann das Gericht die Versicherung an Eides statt aber zur Glaubhaftmachung verlangen.
Davon wird in der Praxis regelmäßig Gebrauch gemacht.
Selbst bei der Antragstellung amtlicher Bescheide über den Bezug von Leistungen (etwa SGB II) ist eine solche Versicherung an Eides statt m.E. notwendig, alleine schon wegen einem möglichen Sparguthaben, für das nach dem SGB II andere Schongrenzen gelten als im für das Beratungshilfeverfahren maßgeblichen SGB XII.
Möglich wäre evtl. die Unterschrift der Antragstellenden dadurch zu ersetzen, dass diese eine eindeutige Identifikation („Signatur“) mittels Personalausweis mit NFC-Chip abgeben.
Eine Vielzahl moderner Mobilfunkgeräte bietet die Möglichkeit an, den NFC-Chip auszulesen, so dass hierfür in den meisten Fällen nicht mal der Erwerb zusätzlicher, teurer Hardware notwendig wäre.
Vorlage von Belegen
Insbesondere bei Privatpersonen wird die Vorlage von Belegen im Regelfall nur durch das Präsentieren in die Kamera möglich sein.
Dabei ist dann wahrscheinlich nur ein kurzfristiger Blick in das jeweilige Dokument möglich, was der Prüfungspflicht m.E. nicht gerecht wird.
Beispielsweise sind SGB II Bescheide grundsätzlich mehrseitig, gelegentlich weisen sie sogar zweistellige Seitenzahlen auf.
Auch ist eine Prüfung der Echtheit der gezeigten Dokumenten kaum möglich.
In jedem Fall wird die Prüfung mehr Zeit in Anspruch nehmen, da Dokumente (bzw. Seiten von Dokumenten) nur einzeln in die Kamera gehalten werden können.
Fehlende Unterschrift der Antragsteller:Innen, stattdessen Vermerk des UdG im Protokoll
Ich befürchte, dass insbesondere in den Fällen, in denen Anträge abschlägig oder zumindest nicht im Sinne der Antragstellenden bescheiden werden, das Protokoll des UdG angezweifelt werden wird („Das habe ich so gar nicht gesagt“).
Dies gilt auch bei Sprachbarrieren.
Aufzeichnung des Gesprächs
Eine gerichtliche Aufzeichnung des Gesprächs findet nicht statt.
Dennoch sollte m.E. ausdrücklich im Gesetz angeordnet werden, dass es auch der antragstellen Partei untersagt ist, Bild- oder Tonaufnahmen des Gespräch anzufertigen, vergleichbar mit den Anordnungen aus § 128 a Abs. 6 ZPO Ref-Entw.
Dies sollte als Hinweis vor dem eigentlich Antragsgespräch durch den UdG vermittelt und ein Vermerk darüber im Protokoll aufgenommen werden.
Allgemein:
Eine Mehrarbeit sehe ich zumindest, aber nicht nur, in der Anfangszeit auf die Gerichte zukommen:
Es ist üblich, dass das antragstellende Publikum von Dritten (auch Rechtsanwälten, Behörden, etc.) mit den Worten zu Gericht geschickt werden, dass man „sich mal den Beratungshilfeschein abholen“ oder „sich eine einstweilige Verfügung besorgen“ solle.
Dass dies gerichtliche Verfahren, Prüfungspflichten des Gerichts und Mitwirkungspflichten der Antragstellenden voraussetzt, ist diesen in großer Mehrheit gar nicht bewusst.
Dies könnte dazu führen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl virtueller Antragsaufnahme daran scheitert, dass Antragsteller:Innen die notwendigen Auskünfte nicht oder nicht sicher geben und Unterlagen nicht vorlegen können, sondern sich solche erst besorgen müssen.
Dies wird jetzt im Vorfeld in einem Telefongespräch geklärt, bei dem Antragsteller:Innen aber wissen, dass dieses Gespräch rein informativ und nicht zur Antragstellung geeignet ist.
Sofern die virtuelle Rechtsantragstellung genutzt wird, wenden sich Antragsteller:Innen direkt mit einem anderen Verständnis bzw. einer konkreten Zielsetzung an das Gericht und werden mit Unverständnis reagieren, warum dies so nicht klappen kann.