Übertragung der Nachlasssachen auf Notar!!

  • Das überzeugt, spricht aber m. E. (s. o.) eher gegen die Notarzuständigkeit und für eine Verstaatlichung.



    wieso? "einheitlich" kann bei der einen oder der anderen stelle sein. ich könnte mir eine alleinzuständigkeit der notare gut vorstellen, theoretisch auch ein mit beurkundungs- und beglaubigungskompetenz ausgestattetes nachlaßgericht.

    Wer an diesem bewährten, eingespielten und im Bewusstsein der Bürger verankerten System (noch dazu ohne Not) etwas ändern will, muss demzufolge Gründe haben, die dazu führen, dass die künftige notarielle Zuständigkeit wesentliche Vorteile im Vergleich zum bisherigen Rechtszustand bietet. Diese wesentlichen Vorteile gibt es nicht [...]



    der heutige ansatz ist m. E. genau andersherum geboten und dies ist auch der eigentliche grund, warum aufgaben übertragen werden sollen: hier geht es nicht um gebühreneinnahmen und wer die arbeit einen tick besser macht. es geht darum, dass der aufgabenüberfrachtete staat dinge loswerden will, die sich in der vergangenheit ohne heute noch gegebene notwendigkeit bei ihm angesiedelt haben. der staat möchte und muss sich gesundschrumpfen, hier kommt das schlagwort kernaufgaben berechtigt ins spiel.

    die frage: gibts einen wesentlichen grund, dies vom staat abzutrennen ist heute verfehlt. die frage muss vielmehr umgekehrt lauten: gibt es einen zwingenden grund, dass diese arbeit durch den staat bwz. behörden verrichtet werden muss. hier liegt die rechtfertigungslast beim staat, nicht umgekehrt. was nicht staatliche aufgabe ist, gehört den freien kräften der gesellschaft belassen; der moderne, liberale staat hat gar keine rechtfertigung, sich bereiche ohne notwendigkeit unter den nagel zu reissen. die erledigung durch beliehene ist jedenfalls das schwächere, gleich geeignete mittel.

  • Unter den Nagel reißen kann man sich begrifflich nur, was man nicht bereits hat. Die Intention, sich etwas "unter den Nagel zu reißen" zu wollen, kann also nur der Notarschaft zur Kritik gereichen.

    Wenn die Zuständigkeitsübertragung tatsächlich kommen sollte, wäre etlichen Nachlassrechtspflegern zu raten, sich für ein Bombengehalt beim Notar zu verdingen und dort die gesamte Verfahrensabwicklung zu übernehmen.

  • die frage muss vielmehr umgekehrt lauten: gibt es einen zwingenden grund, dass diese arbeit durch den staat bwz. behörden verrichtet werden muss. hier liegt die rechtfertigungslast beim staat, nicht umgekehrt. was nicht staatliche aufgabe ist, gehört den freien kräften der gesellschaft belassen; der moderne, liberale staat hat gar keine rechtfertigung, sich bereiche ohne notwendigkeit unter den nagel zu reissen. die erledigung durch beliehene ist jedenfalls das schwächere, gleich geeignete mittel.



    Der Staat hat sich nichts unter den Nagel gerissen. Selbst die Befürworter der Übertragung betrachten Nachlasssachen als hoheitliche Aufgabe.

    Also muss die Auslagerung gerechtfertigt werden, nicht die Beibehaltung.

    Diese Aufgaben werden durch die Nachlassgerichte gut erfüllt, und das für den Antragsteller kostengünstiger als es beim Notar der Fall wäre. Also besteht keine Veranlassung für eine Übertragung.


  • Absolut :zustimm: :daumenrau

  • Es ist nicht im Sinne des Bürgers, dass das geltende System dazu führt, beim Notar gebührenträchtigere Tätigkeiten besser zu erledigen als solche mit geringem Gebührenumsatz. Es wird wohl niemand bestreiten, dass ein Testament für den Thyssen-Clan durch den Notar mit mehr Muße bearbeitet wird als ein solches für Else Kling. Niemand außer Anhängern freiberuflichen Juristen hat z. B. (Gebühren-)Interesse daran, dass den Leuten jedes Jahr nach Weihnachten wieder ein Testament verkauft wird.
    Weswegen in diesem Sinne eine Abgabe gewinnbringender Tätigkeitsfelder von der staatlichen an die notarielle Heuschrecke etwas mit dem neoliberal gern benutztem Biosiegel "Gesundschrumpfen" zu tun haben soll vermag ich nicht zu erkennen, sofern nicht bloß im Interesse von Beamten oder Juristenlobbies gedacht wird.
    Eine neutrale und von wirtschaftlichen Interessen unabhängige Stelle ist im Bürgerinteresse unzweifelhaft die geeignetere wenn für den Bürger preiswertere Festgebühren eingeführt würden, Notar- und Rechtspflegeraufgaben streichen und irgendwo in der öffentlichen Verwaltung, meinetwegen bei den Kommunen Beurkundungsstellen einrichten, die mit geeignetem (meinetwegen gerne auch volljuristischem) Personal besetzt sind und Register-, Betreuungs-, Erbscheins- und Grundbuchsachen miterledigen.
    Nur am Rande: wie z. B. die gescheiterte Gesetzgebung bei einvernehmlichen Scheidungen gelaufen ist weckt (wie hier) bei mir eher die Sehnsucht nach einem auch für solche Fälle zuständigem Kartellamt als die Hoffnung es würde "gesünder".



  • es geht darum, dass der aufgabenüberfrachtete staat dinge loswerden will, die sich in der vergangenheit ohne heute noch gegebene notwendigkeit bei ihm angesiedelt haben. der staat möchte und muss sich gesundschrumpfen, hier kommt das schlagwort kernaufgaben berechtigt ins spiel.



    Bzgl. des Gesundschrumpfens stimme ich zu (s. Signatur). Allerdings brauche ich (bewährte) Kernaufgaben gar nicht erst anzugehen, wenn es genug arbeits- und kostenintensive Bereiche gibt, derer sich der Staat viel besser entledigen könnte und meiner Meinung nach auch sollte.

    Der Staat muss aufhören seine Bürgern mit seiner Zuwendung zu ersticken und Ihnen den A.... nachzutragen (Bitte um Entschuldigung). Das dies im vorliegenden Fall seitens der Nachlassgerichte passiert vermag ich jedoch (ausnahmsweise) nicht zu erkennen.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • der staat möchte und muss sich gesundschrumpfen, hier kommt das schlagwort kernaufgaben berechtigt ins spiel.



    Dazu sagt der Hamburger Rechnungshof in seinem Jahresbericht 2007 unter der Überschrift : „Übertragung von Aufgaben der Nachlassgerichte“ unter der Textziffer 143:

    • „ Finanzielle Auswirkungen nicht berechnet.


    Die Justizbehörde hat bisher die Auswirkungen einer Übertragung der Aufgaben der Nachlassgerichte auf die Notare für den Hamburger Haushalt nicht berechnet.

    In Nachlassangelegenheiten werden bundeseinheitliche Gebühren erhoben, die bezogen auf das einzelne Nachlassgericht abhängig von dessen Kostenstruktur zu Unterdeckungen oder Überschüssen führen können. Die Hamburger Amtsgerichte haben 2005 für Nachlasssachen Gebühren für rund 4 Mio. Euro eingenommen. Diesen Einnahmen standen Ausgaben von rund 3 Mio. Euro gegenüber. Dem Hamburger Haushalt ist damit ein Überschuss von rund 1 Mio. Euro verblieben.

    Auf der Basis dieser Daten würde eine Übertragung der Nachlasssachen auf die Notare – je nach Umfang der Übertragung – den Wegfall von Einnahmeüberschüssen in erheblicher Höhe bedeuten.“

    Unter Textziffer 144 gibt es denn auch noch einen dezent formulierten Rüffel :

    • „Nutzen und Kosten einer gesetzlich vorgesehenen Aufgabenübertragung können nur dann ausreichend beurteilt werden, wenn die Verwaltung bereits im Vorfeld eines Gesetzgebungsverfahrens entsprechende Berechnungen anstellt. Der Rechnungshof hält es daher für erforderlich, dass die Justizbehörde bei der Abwägung, inwieweit Initiativen der JuMiKo den Interessen Hamburgs entsprechen, die voraussichtlichen haushaltswirksamen Folgen für Hamburg berücksichtigt. Er hat sie gebeten, dies künftig zu beachten.


    Der Rechnungshof hat die Behörde außerdem gebeten, darauf hinzuwirken, dass ein Gesetzentwurf zur Aufgabenübertragung auf Notare in Nachlasssachen eine Öffnungsklausel für die Länder enthält, die es ihnen ermöglicht, auf der Basis einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung über eine Übertragung und gegebenenfalls deren Umfang eigenständig zu entscheiden.

    Die Behörde hat dies zugesagt.“

    Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen…. außer vielleicht, dass der Hinweis, im Vorfeld derartiger Gesetzesvorhaben Wirtschaftlichkeitsberechnungen anzustellen, auch für diejenigen gelten sollte, die sich in einem Rechtspflegerforum zu dieser Problematik äußern und auf Grund ihres Berufes eine gewisse Sachkunde dafür mitbringen, zumindest in abgeschwächter und mehr laienhafter Form einige Überlegungen zur wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit derartiger Vorhaben anzustellen.:(

  • Was mir gerade noch so einfällt:

    Hat dann auch jeder Notar einen Nachtbriefkasten? Immerhin gibt es beim Nachlassgericht auch Fristen und es kann entscheidend sein, ob ein Brief um 23.50 Uhr oder 0.10 Uhr eingeworfen wurde......

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • @ #147::zustimm: Dem ist nichts hinzuzufügen. Allerdings ist es meines Erachtens fraglich, wie sinnvoll eine derartige Öffnungsklausel wäre. Recht häufig sind ja doch mehrere Nachlassangelegenheiten unterschiedlicher gerichte miteinander verknüpft. Soll es dem Bürger tatsächlich zugemutet werden, in jedem Bundesland erst zu forschen, ob er zum Notar oder zum Gericht soll? Zumal es da ja doch sehr unterschiedliche Arbeitsweisen gibt... :gruebel:

  • Also jetzt muß ich hier doch mal schnell meinen Senf abgeben:

    ich bin absolut der Meinung, die bisherige Zuständigkeit bei den Gerichten beizubehalten (ohne den NotarInnen bzw. deren SachbearbeiterInnen deren Kompetenzen abzusprechen). Und zwar aus dem einfachen Grund, dass es bei der örtlichen Zuständigkeit hier eindeutige gesetzliche Regelungen gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Gesetzgeber eine örtliche Zuständigkeit der Notariate regeln will. Außerdem gibt es auch bei Gericht Service (wir bieten vielleicht keinen Kaffee an und legen keine Zeitschriften aus, was auch nicht nötig ist, weil niemand warten muss, wenn er einen Termin hat!! - im übrigen, wenn jemand nach einem Glas Wasser fragt, bekommt ein natürlich eins). Zwar ist es richtig, dass es (bei Amtsermittlung wie in Bayern) unumgänglich ist, Termine zu vergeben (und ES-Anträge nicht wie in #127 dargestellt auch ohne Termin aufgenommen werden - wobei es auch hier mal eine Ausnahme geben kann....) und dass man ggf. auch mal länger warten muss (Personalknappheit!!) aber das muß Bürger beim Notar auch.

    Das weitere Argument, dass dem Staat Einnahmen verloren gehen ist aber doch sicherlich nicht von der Hand zu weisen, sollte aber nicht das Hauptargument sein. Vorallem sollte es um den Bürger gehen und hier insbesondere darum, dass er weiß, wer ist für mich zuständig. Er kann bei jedem Nachlassgericht anrufen und sich erkundigen. Dort bekommt er die Auskunft, dass das Nachlassgericht des letzten Wohnorts zuständig ist. Dort bekommt er einen Termin und kann seine Anträge stellen. Nach entsprechendem Ersuchen kann es jedes andere Nachlassgericht auch. Und dem Bürger bleibt die Möglichkeit, den Antrag jederzeit über ein Notariat zu stellen (die dann aber bitte schön auch mal die notwendigen Personenstandsurkunden mitvorlegen mögen; meistens heißt es nämlich in den Vorlageschreiben, liebes Gericht fordere doch bitte die Urkunden beim Bürger an). Im übrigen wird er dabei von unserem Gericht darauf hingewiesen, dass der Notar zusätzlich Mwst. und Auslagen verlangen kann!!

    So jetzt mache ich mich über meine Nachlass- und Vormundschaftsakten und habe gleich noch Termine!!

    Ich warte den Ausgang gespannt ab; rechne aber nicht mit einer Änderung.

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