Bindung des Erstgerichts an die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts?!

  • Einen wunderschönen guten Morgen!

    Kleiner Auszug aus einem Zurückverweisungsbeschluss einer Beschwerdekammer:

    "...Eine Zurückverweisung bindet das Erstgericht an die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts. Im vorliegenden Fall hat das AG entgegen der Anordnung des LG ... ausweislich der Verfügung vom ... lediglich die Beteiligte zu 2), nicht aber die weiteren Beteiligten zu 3) und 4) angehört..."

    Was ist denn mit § 9 RPflG? :confused:

    In der Sache selbst bin ich (und ca. 23 andere Kollegen auch) nämlich nach wie vor der Meinung, dass ich alles richtig gemacht habe (die Anhörung der Beteiligten zu 3) und 4) ist nicht erfolgt, weil sie schlicht und einfach nicht Betroffene sind).
    Aber wie kann ich mich wehren? Ich glaube fast, dass es keine Möglichkeit gibt. Telefonate mit der Beschwerdekammer bringen nichts, das haben schon andere vor mir versucht...
    Hab mir schon überlegt, dass ich meinen Unmut in einem Vermerk Kund tue und dann aber lieb und brav schreibe, dass ich den "Anweisungen" des Beschwerdegerichts folge, um dem Verfahren Fortgang zu geben.;)

    Danke schon mal für die Antworten!

  • Zitat

    Hab mir schon überlegt, dass ich meinen Unmut in einem Vermerk Kund tue und dann aber lieb und brav schreibe, dass ich den "Anweisungen" des Beschwerdegerichts folge, um dem Verfahren Fortgang zu geben.;)


    Damit handelst Du Dir nur die Weisung ein, den Vermerk aus der Akte zu entfernen. Diese Weisung macht sich in Deiner Personalakte nicht so gut.

    Zitat

    Was ist denn mit § 9 RPflG? :confused:


    Die Weisungsfreiheit des Rechtspflegers ist allerdings nicht unbegrenzt. Auch Gerichte können an Rechtsauffassungen der Obergerichte gebunden werden. Zum Beispiel ist das Berufungsgericht an die Auffassung des Revisionsgerichts gebunden (§ 563 Abs. 2 ZPO).

    Die Beschwerdegerichte verweisen eine Sache regelmäßig nur dann zurück, wenn grobe Verfahrensmängel vorliegen. Würden sie als Beschwerdegericht selbst entscheiden, hätten sie der Partei eine Instanz abgeschnitten. Das Du eine andere Auffassung vertritts, als das Beschwerdegericht, ist nur natürlich. Andernfalls hätte wohl keine Beschwer vorgelegen. In Deinem Fall würde ich brav die zwei anderen Beteiligten anhören und dann erneut entscheiden.

  • Ein einziges Mal habe ich mich nicht an die Rechtsauffassung des LG gehalten: Zwischen dem Rechtsmittel und der Entscheidung des LG hat der BGH den Fall im meinem Sinn entschieden. Unter Hinweis auf die aktuelle Rechtssprechung des BGB habe ich dann meine Entscheidung wiederholt und es kam kein Rechtsmittel mehr. Es macht wenig Sinn permanent gegen die Auffassung des LG zu entscheiden.

  • Von "permanent" kann keine Rede sein. Aber in diesem Fall hat die Beschwerdekammer ganz eindeutig Unrecht. (Im Bezirk ist es auch allgemein bekannt, dass diese Kammer manchmal etwas seltsame Entscheidungen trifft, z. B. Aufhebung eines rechtskräftigen Wertfestsetzungbeschlusses...).

    Aber ich hab wohl verstanden, dass ich mich hier dem beugen muss, was von "oben" kommt. Dann werd ich mal...
    Danke!

    :)

  • Zitat von Uschi

    Aber ich hab wohl verstanden, dass ich mich hier dem beugen muss, was von "oben" kommt. Dann werd ich mal...
    Danke!

    :)



    Einen Vermerk in die Akte würde ich auch nicht empfehlen. allerdings mag es trösten, dass der "Mist" nicht selbst produziert ist. Man kann zur Verdeutlichung in der eigenen Entscheidung ja ausdrücklich auf die Entscheidung des LG Bezug nehmen, damit jeder sieht, wo es herkommt. Ansonsten ist es in der Tat wenig Erfolg versprechend, dagegen anzugehen. Solange diese Kammer mit dieser Auffassung zuständig ist, kann man nichts machen.

    Ein Kollege aus Frankfurt/Main hatte bei der LG-Kostenfestsetzung 2 Beschwerdekammern des OLG für sein Dezernat zuständig und musste sich mit der Entscheidungsfindung der jeweils zuständigen Kammer anpassen, weil diese beiden sich alles andere als einig waren...that´s life!

  • Zitat von Manfred

    Damit handelst Du Dir nur die Weisung ein, den Vermerk aus der Akte zu entfernen. Diese Weisung macht sich in Deiner Personalakte nicht so gut.

    Da habe ich aber Zweifel, denn wersollte die Weisung erteilen? Und selbst wenn: In der Personalakte hätte das nichts zu suchen. Abgesehen davon ist der Rechtpfleger durchaus berechtigt,seine abweichende Rechtsauffassung in einem Vermerk festzuhalten. Das kann bei einer völlig abwegigen Entscheidung des Beschwerdegerichts in besonderen Fällen auch durchaus sinnvoll sein. Im geschilderten Fall dürfte das aber eher nicht so sein und eher dem eigenen Abreagieren dienen.

    Zitat von Ralf Zeigermann

    Es macht wenig Sinn permanent gegen die Auffassung des LG zu entscheiden.

    Nicht unbedingt, denn wenn die Besetzung der Beschwerdekammer wechselt, stellt sich das vielleicht ganz anders dar und besonders in Fällen, in denen die Kammer offensichtlich abseits liegt (beispielsweise entgegen der überwiegenden Literatur und Rechtsprechung muss man nicht jeden Unfug übernehmen, nur weil es bequemer ist.

  • @ § 21 BGB

    Zitat

    Da habe ich aber Zweifel, denn wer sollte die Weisung erteilen?


    Die Weisung kommt auf dem Verwaltungsweg vom Direktor des AG (z.B. initiiert durch das LG). Wir hatten hier einen solchen Fall schon gehabt.

  • Dann hat sich der Behördenleiter ganz schön weit vor gewagt. Die Begründung eines in rechtlicher Hinsicht nicht zu Weisungen befugten Behördenleiters dafür, dass ein sachlichen Vermerk über eine abweichende Rechtsauffassung (beispielsweise als Begründung, weshalb man entgegen anderer Auffassung eine bestimmte Handlung vornehmen muss) in einer Rechtssache zu entfernen ist, dürfte kaum zu halten sein. Natürlich darf der Vermerk keine unsachlichen Äußerungen enthalten (beispielsweise: Die Dunkelkammer des Landgerichts hatte wieder mal keine Ahnung.).

  • Einen ähnlichen Fall hatte ich ´mal bei der Frage der Zusammenrechnung von AE mit Wohngeld, wobei ich entgegen dem Gläubiger der Auffassung war, dass Wohngeld als zweckgebundene Sozialleistung unpfändbar sei (was eine Zusammenrechnung ebenfalls ausschließt). Das Landgericht hatte meinen zurückweisenden Beschluss aufgehoben und den Vorgang unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des LG an mich zurückverwiesen (die hatten keine Lust einen neuen PfÜb zu entwerfen). Ich habe in meinem Beschluss (unter Hinweis auf die Weisung des Landgerichts) dann den ausdrücklichen Hinweis auf die Möglichkeit eines Verfahrens nach § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO gegeben und der Höhersetzungsantrag kam dann auch schnell... :teufel:

    Zunächst fühlte ich mich auch in meiner rechtspflegerischen Unabhängigkeit unangenehm berührt, dann habe ich gelesen, dass es einem Richter im Revisionsbereich auch so gehen kann und war etwas beruhigter.

    Letztendlich hat eine Gesetzesänderung meine Rechtsauffassung doch noch umgesetzt... :strecker

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Mahlzeit zusammen!

    Ich muss zu diesem unliebsamen Thema noch einen Satz aus dem Beschluss der Beschwerdekammer hinzufügen, weil ich da einfach nicht drüber komme...:
    „Ggfls. dürfte es dem Beteiligten zu 1) obliegen, die Unrichtigkeit des Grundbuchs durch einen Erbschein nachzuweisen, welchen ihn als Nacherben betreffend den ... Grundbesitz ausweist. Hierzu dürfte der Erbschein des Amtsgerichts ... vom ... nicht ausreichend sein, da dieser ausschließlich zum Gebrauch für das Grundbuchberichtigungsverfahren in einem anderen Fall erteilt worden ist.„
    Niedlicherweise geht unsere schnuckelige Beschwerdekammer davon aus, dass der Vermerk "Zum ausschließlichen Gebrauch für das Grundbuchberichtigungsverfahren zu ermäßigten Gebühren erteilt" dem geneigten Leser die Beschränkung des Erbscheininhalts auf das zu berichtigende Grundstück (!!!) erklären soll.

    Das war nur so zur allgemeinen Erheiterung... ;)

  • Soweit ich mich an meine Grundbuchzeiten erinnere, durfte diese Art Erbschein auch nur zur Berichtigung der dort aufgeführten Blätter verwendet werden und nicht für andere.
    Ich habe darin allerdings immer einen fiskalischen Grund gesehen, der Erbschein muß ja gleichwohl die richtige Erbfolge zum Zeitpunkt der Erteilung ausweisen.

  • Hi,
    diese Diskussionsrunde ist echt interressant!
    Wir hier leiden ebenfalls unter den manchmal haarsträubenden Entscheidungen unserer Dunkelkammer. Es war mir aber neu, dass ich bei einer Zurückverweisung nicht an die Auffassung des Beschwerdegerichts gebunden sein soll. Seid ihr da sicher? Was macht dann die Beschwerde bzw. Zurückverweisung für einen Sinn?
    Und wie verhält es sich bei Beschwerden gegen die Kosten? Natürlich sind wir im konkreten Einzelfall an die Entscheidung des LG gebunden. Aber was ist mit Folgefällen? Wenn wir uns als Kostenbeamte z.B. an die Rechtsprechung anderer Gerichte halten, dann riskieren wir doch höchstens, bei Beschwerde erneut aufgehoben zu werden. Aber gebunden sind wir doch nicht. Oder sehe ich das falsch?

  • Bis auf solche Fälle, wo in einer Beschwerdeentscheidung steht, dass an den Rechtspfleger zurückverwiesen wird zur erneuten Entscheidung, wobei die Rechtsauffassung der Kammer /des Senats wie folgt zu beachten ist, sehe ich keine Bindung.
    Ob es - ich spreche jetzt speziell aus dem KF-Bereich - allerdings Sinn macht, sich mit aller Gewalt gegen die Ansicht des eigenen Obergerichts zu stellen, erscheint mehr als fraglich. Immerhin kann man es ja nochmals versuchen nach dem Motto: Auch nach erneuter Prüfung wird weiterhin die Auffassung vertreten, dass... und dann evtl. noch plausible Gründe zusätzlich platziert. Allerdings ist das selten von Erfolg beschieden.

    Ich hatte mal vor langer Zeit das Glück, beim LG eine ältere Entscheidung des OLG gegen eine neuere zu setzen, die sich genau widersprachen. Ich fand die ältere überzeugender und habe 3 Seiten Begründung geschrieben. Das OLG hat mich aufgehoben, die neue Entscheidung verteidigt und meine 3 Seiten mit einem Satz abgetan: In der alten Entscheidung von ... ist seinerzeit ... "übersehen worden". Alles klar! Für mich ist so etwas "Fortbildung des Rechts" und für die Zukunft weiß man halt Bescheid.

  • Bei mir hat sich das LG in einer Sache selbst aufgehoben. Ich hatte einen 903-er abgebürstet und wurde vom LG aufgehoben. Passiert halt. 903 liegt vor. Ohne überzeugt zu sein mußte ich im Termin einen Widerspruch mit meiner Begründung aus dem Zurückweisungsbeschluß entgegen nehmen. Ich wollte ähnlich klug sein und schrieb meine Begründung der Zurückweisung beim LG ab. Der Schuldner legte Rechtsmittel ein und ich wurde erneut vom LG aufgehoben. Dieselbe Kammer in derselben Besetzung. Die hätten nur ein paar Seiten zurück blättern müssen. Resultat: Dann kann man wenigstens 903-er nach dem Stand der Sonne zurückweisen, eine LG-Entscheidung zur Begründung habe ich in jedem Fall.

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