Der Mieter und der Gutachter

  • Kai (21.02.2005)


    Inwieweit klären Gutachter, wer Mieter des zu bewerteten Objektes ist? Wird nur der Eigentümer nach Mietern gefragt oder wird selbst durch das Abschreiben von Namen auf Klingelschildern oder Einwohnermeldeamtsanfragen recherchiert?

    Wenn der Eigentümer nicht zum Besichtigungstermin kommt, wird ein Gutachten nach äußerem Anschein gemacht? Oder: Wird neben dem Eigentümer auch der Mieter zwecks Besichtigung und Mietvertragskopie angeschrieben?


    loop63 (22.02.2005)

    Hallo Kai,

    grundsätzlich recherchiere ich höchstpersönlich jeden Mieter, der Rechtspfleger bekommt von mir eine Liste (nicht im Gutachten) mit Namen, Anschrift, Tel-Nr.. Zudem versuche ich vorab zuklären, ob der Mieter zur Erhaltung der Mietsache (z.B. Mieterdarlehen) beigetragen hat.

    Ein gewissenhafter Gutachter kommt eigentlich auch garnicht daran vorbei, sofern er Mietverträge, Nachträge etc. erhält und prüft.

    Klar, wenn wir als Gutachter keinen Zutritt erhalten, wirds eng.

    Sofern ich keinen Zutritt erhalte bzw. vergeblich keinen OT abstimmen konnte, erhält das ZV-Gericht eine zeitnahe Nachricht. Daraufhin erhält der Eigentümer ein schreiben, wonach er den OT ermöglichen sollte, da andernfalls das Gutachten, nach dem äußeren Anschein begutachtet wird.

    I.d.R. lassen mich die Mieter aber immer rein und geben bereitwillig Auskunft!! Klar, wenn der ET auch das unterbindet, muss er die Folgen eines ggf. zu geringen Verkehrswerts selbst verantworten.

    Siehe auch nachfolgende Urteile:
    Verweigert der Vollstreckungsschuldner dem gerichtlich bestellten Gutachter den Zutritt zum Versteigerungsobjekt, hat das Gericht die Festsetzung des Verkehrswertes nach dem äußeren Anschein und den amtlichen Unterlagen vorzunehmen. Die Festsetzung kann nicht mit der Begründung der Unrichtigkeit des Wertes angefochten werden.
    (Leitsatz, nicht amtlich)
    LG Dortmund, Beschluss vom 20.04.2000 - 9 T 400/00; Rpfleger 2000, Heft 10, S. 466; Saurus

    bzw.

    Landgericht Kiel vom 2.11.2001 - 13 T 211/01 - 82 K 43/99 AG Neumünster

    herzliche Grüße
    Jens Rohde


    Kai (23.02.2005)


    Hallo Herr Rohde,
    so ähnlich wie von Ihnen dargestellt sehe ich es auch. Grund meiner Frage war, dass mich ein Gutachter mehr oder weniger ungläubig
    angeguckt hat. Ich hatte beiläufig erzählt, dass manche Gutachter auch die Mieter zwecks Besichtigung kontaktieren. Er meinte, er
    habe dazu keine juristische Handhabe. Wenn der Eigentümer ihm keine Besichtigung verschaffe, würde er nichts weiter unternehmen.

    Daneben habe ich von einem anderen Gutachter das Argument gehört, die Kontaktierung der Mieter wie zB durch Anbringung eines Aushangs im Treppenhaus sei datenschutzrechtlich bedenklich; denn so würden die Mieter von der Versteigerung lange vor Terminierung erfahren.

    In einem Fall habe ich jetzt Ärger wegen der fehlenden Kontaktaufnahme mit dem Mieter und der nicht vorgenommenen Besichtigung an der Backe. Klar ist, dass der Mieter den Gutachter nicht reinlassen muss. Aber versuchen sollte er es im zumutbaren Rahmen.

    Mich würde interessieren, ob es dazu weitere Rechtsprechung oder Literatur gibt.


    Kai (24.02.2005)

    So, ich habe zwar keine repräsentative Umfrage gemacht, aber jeden Gutachter angehauen, der mir die letzten Tage über den Weg gelaufen ist. Die ganz überwiegende Mehrheit hat sich vehement für die Pflicht des Gutachters ausgesprochen, eine Kontaktaufnahme mit dem Mieter zwecks Besichtigung und Kopie Mietvertrag wenigstens zu versuchen.

    Ich muss mir -obwohl ich noch wenig an Literatur dazu gefunden habe- ernsthaft überlegen, Gutachter mit anderweitiger Auffassung nicht mehr zu bestellen. Letztlich ist mir die Gefahr, dass ich im Verfahren oder noch schlimmer im Termin dumm dastehe, weil das Gutachten ohne versuchte Besichtigung und ohne genaue Kenntnis der Miethöhe und der Mietvertragsverpflichtungen leichter angreifbar ist, zu hoch. Dann hätte ich noch mehr Gutachten nach äußerem Anschein.

  • Guten Tag,

    auch ich (Sachverständiger) bin der Meinung, dass des beauftragte Gutachter versuchen sollte, Kontakt mit den Mietern aufzunehmen und mit diesen dann das Objekt zu besichtigen.

    Die Frage ist für mich nur, ob die dadurch eventuell verursachten zusätzlichen Aufwendungen für den Gutachter auch vergütet bzw. erstattet werden.

    In einem aktuellen Fall war der Eigentümer eines Gewerbeobjektes nicht auffindbar. Daraufhin habe ich vor Ort nach Mietern recherchiert und und für jedes der 3 Gebäude auch einen Nutzer festgestellt. Leider ließen sich die Besichtigungen aus Termingründen der Mieter nicht verbinden, so dass ich insgesamt 4x vor Ort war. Das habe ich entsprechend abgerechnet.

    Leider wurde die Vergütung um 277 € gekürzt mit der Begründung, 2 Termine hätten ausgereicht.

    Daraus ergeben sich für mich folgende Fragen:
    1. Was hat Vorrang, ein zutreffender Verkehrswert oder die Kosten?
    2. Ist es notwendig, dass der Gutachter jeden Einzelschritt der Auftragsbearbeitung (z.B. zusätzliche Ortstermine) dem Gericht schriftlich bekannt macht?
    3. Welche zusätzlichen Kosten sind vertretbar (relativ oder absolut)?

    Für Anregungen wäre ich dankbar.

    mm62

  • Typische Juristenantwort: Es kommt darauf an. Eine pauschale ANtwort scheint mir nicht möglich zu sein.

    Grundsätzlich würde ich sagen:

    Verkehrswert hat Vorrang vor Kosten

    Wenn eine Besichtigung irgendwie ohne allzugroßen Zeitverlust möglich ist, sollte sie durchgeführt werden, ohne Rücksicht auf Kosten. Dabei kommt es allerdings auf das Objekt an. Bei einem individuelles Haus bestehend aus zwei Doppelhaushälften ist eine Besichtigung aller Einheiten sicher wichtiger als bei einem 100-Wohnungsblock mit gleichförmigen Wohnungen. Hier genügt sicher die stichprobenartige Besichtigung.

    Ich würde die Frage, wie intensiv der Gutachter die Besichtigung versuchen sollte, eher vom Zeit- als vom Kostenfaktor abhängig machen. Wenn eine Besichtigung nur an darauffolgenden Tagen möglich ist, dann muss der Gutachter eben entsprechend oft hin. Das würde er auch bezahlt bekommen. Sind Mieter 2 Monate zur Kur, sollte der Gutachter eher nicht so lange warten.

    Ortstermine würde ich immer auch dem Gericht anzeigen; zumindest wird das von den hiesigen Gutachtern so gehandhabt.

  • Hallo Kai,

    danke für die schnelle Antwort. Diese entspricht auch meinem Verständnis.

    Ich möchte das noch etwas untermauern. In dem o.g. wurde ein Verkehrswert von ca. 70T€ festgestellt. Hätte ich nun aufgrund fehlender Besichtigungsmöglichkeit einen Abschlag von z.B. 20% vorgenommen, wie verschiedentlich vorgeschlagen wird (halte ich aber für falsch-anderes Thema), wären das 14T€ - bei größerer Unsicherheit. Das steht wohl in keinem Verhältnis zu den Mehrkosten von 277 € durch die zusätzliche Besichtigung. Da zum Schluss der Schuldner zahlt, ist niemandem ein Schaden entstanden, im Gegenteil.

    Mein Fehler war nur der, nicht vorher schriftlich angefragt zu haben. Jetzt wird die Meinung vertreten, ich hätte meinen Auftrag überschritten. So ist es eben mit der Bürokratie...

  • Der Gutachter muss sich bei Absetzungen schon fragen, ob sich eine Meckerei lohnt; bei der Gefahr dann nicht mehr oder weniger beauftragt zu werden. Schliesslich gibt es noch andere Gutachter. Ob die Sorge berechtigt ist, lass ich mal dahingestellt.

  • Wenn man aus solchen Erwägungen auf einen berechtigten Teil seiner Vergütung verzichten soll, dann stimmt mich das aber sehr nachdenklich...

    Letztlich profitiert die Anweisungsstelle ja auch von der Rechtsklarheit.

  • Hallo,

    das ist genau der Punkt. Sicher könnte ich streiten und würde mir auch gute Chancen ausrechnen. Nur, den Festsetzungsantrag müsste derjenige bearbeiten, der mir den Auftrag erteilt hat. Und angesichts der sich dort auftürmenden Aktenberge glaube ich nicht, dass er über zusätzliche Arbeit sonderlich erfreut ist.

    Ein Erfolg in obiger Sache könnte sich somit leicht als Pyrrhussieg erweisen. Leider ist es nun einmal nicht so, dass Aufträge nur streng nach sachlichen (Qualitäts-) Kriterien vergeben werden. Das ist aber schon ein neues Thema.

  • Hallo,
    eigentlich läßt mich als Rechtspfleger die Sachverständigenvergütung ziemlich kalt. Wenn sie begründet und verdient ist, sollten auch keine kleinlichen Absetzungen vorgenommen werden. Mir fällt jedoch auf, daß die Vergütungen häufig durch steigende Zeitaufwände erheblich gestiegen sind. 1.500,-- € ohne Auslagen sind keine Seltenheit. Wenn ich mir dann die Honorartabelle angucke, so gibt es in dem oben erwähnten Beispiel (VW 70T€) eine Vergütung in der Normalstufe von 437,-- bis 527 €. Frage also, wie erklärt sich diese Diskrepanz? Oder ist Vater Staat grundsätzlich so großzügig?
    Zweite Anmerkung: mm62 schreibt, daß letzlich der Schuldner zahlt und niemand zu Schaden gekommen ist. Frage: Ist der Schuldner niemand? Letztlich trägt doch er die Kosten, um die sich die zu verteilende Masse schmälert.
    Dritte Anmerkung: Aufträge sollen in der Praxis nicht nur nach Qualitätskriterien vergeben werden. Wie soll ich bitte das verstehen? Bei der Auftragsvergabe an nicht befähigte Gutachter haben die Rechtspfleger hinterher die Arbeit, ihre VW-Festsetzung bei Beschwerden zu begründen.
    Gegebenfalls haut das LG ihnen was hinter die Ohren.
    Gruß
    Stefan

  • Hallo Stefan,

    der Vergleich der Vergütung nach JVEG mit den Honorarsätzen der HOAI ist m.E. nicht gerechtfertigt. Es ist doch offensichtlich, dass die Honorare nach HOAI in vielen Fällen den tatsächlichen Aufwand überhaupt nicht wiedergeben. Kleines Beispiel: Objekt mit gravierenden Mängeln oder Belastungen (zusätzlicher Bewertungsaufwand!): VW 70T€ - Honorar 600€(Schwierigkeitsstufe), gleiches Objekt ohne Belastungen VW 200 T€ - Honorar 1000€. Weniger Aufwand-mehr Honorar, absurd- aber Gesetz.

    Auch scheint mir etwas Unkenntnis da zu sein, was die Tätigkeit und Vergütung der Sachverständigen anbelangt. 1500€ Vergütung - das sind 20h, und die kommen schnell zusammen, wenn man gründlich recherchiert, sauber arbeitet und damit ein wenig angreifbares Produkt abliefern will. Dazu empfehle ich weitergehend die Leküre des Artikels von Dr. R.Fischer u.a. in "Rechtspfleger", Heft 7/2002, S. 337ff. Über die Stundensätze braucht man nicht zu diskutieren, diese sind per Gesetz vorgegeben und müssen im Übrigen auch die Fixkosten des SV abdecken.

    Weiter möchte ich dir die Frage stellen, was für den Schuldner günstiger ist,
    eine um 277 € höhere Gebühr oder ein um 14T€ geringer angesetzter und mit der Gefahr zusätzlicher Abschläge durch den Ersteher behafteter Verkehrswert.

    Zum Abschluss möchte ich noch sagen, dass es einfach meine Erfahrung ist, dass Gutachten in ganz unterschiedlichem Niveau auf dem Markt sind und dass für mich ein Qualitätsmanagement der Auftraggeber dahingehend nicht erkennbar ist. Häufig anzutreffen ist z.B. auch Unkenntnis über die Wertigkeit der verschiedenen SV-Qualifikationen. Das mag aber von Region zu Region variieren.

    Ich beteilige mich hier am Forum, um mich erstens besser in die "Denke" der Rechtspfleger als potentielle Auftraggeber hineinversetzen zu können und hoffe zweitens, mit den Beiträgen auch etwas zum gegenseitigen Verständnis beitragen zu können.

  • Hallo mm62,
    ich habe schon bewußt 20 Std.= 1.500 € angesetzt und ich bin mir absolut über die Sachverständigentätigkeit und die gängigen Bewertungsmethoden im klaren. Aus Ihrer Antwort entnehme ich leider nur, daß es wesentlich lukrativer ist, Aufträge vom Gericht anzunehmen. Die Vergütungsdiskrepanz begründen Sie nicht. Gehe ich also recht in der Annahme, daß dann HOAI-Aufträge ein Zuschußgeschäft sind? Zumindest dann, wenn die Aufträge nicht über einen Objektwert von 1 Mio.€ hinausgehen?
    Mir scheint es aus eigenen Erfahrungen fast so, jedenfalls, wenn ich beobachte, wie einige Sachverständige hier devot um Aufträge betteln (wohlgemerkt: einige!).
    Zurück zur Ausgangslage: Um nicht mißverstanden zu werden, nötiger Zeitaufwand soll auch entsprechend vergütet werden, jedoch: noch vor einigen Jahren wurden Gutachtenaufträge mit einem damals geringeren Stundensatz ab 12 Stunden abgerechnet. Haben sich also die Fälle so verkompliziert, daß nunmehr mindestens bei jeder kleinen Wohnung 20-27 Stunden Zeitaufwand entsteht? Oder waren die Gutachten früher schlechter?
    Ich bin übrigens nicht der einzige Rpfl., der diese Entwicklung beobachtet. Bei einer Tagung vor kurzem haben mindestens 10 ZV-Rpfl. dieses Phänomen bestätigt.
    Gruß Stefan

  • Hallo Stefan,

    sicher ist die Aussage richtig, dass seit JVEG viele Aufträge vom Gericht lukrativer sind als Privataufträge für das gleiche Objekt. Insofern ist auch Ihre Beobachtung glaubhaft, dass sich jetzt viele Sachverständige (die vorher nicht das Interesse hatten) verstärkt um Gerichtsaufträge bemühen. Zudem drängen viele neue Gutachter auf den Markt, die früher als Architekten, Bauingenieure etc. ihre Brötchen verdient haben und jetzt in Schnellkursen von mehr oder weniger seriösen Instituten zu Sachverständigen gemacht werden. Umsomehr besteht aus meiner Sicht die Notwendigkeit (aber auch Möglichkeit), die Qualität der Gutachten zu sichern. Auch, wenn sich die Gerichte mit einem eigenen Qualitätsmanagement überfordert sehen: es gibt eine einfache Möglichkeit, einen Schritt in diese Richtung zu tun. Sachverständige, die von einer bei der TGA akkreditierten Zertifizierungsstelle (WF-Zert und IfS) nach DIN EN 45013 oder jetzt DIN EN ISO/IEC 71024 zertifiziert wurden, haben erstens nach einer gründlichen Ausbildung eine sehr anspruchsvolle Prüfung abgelegt und unterliegen zweitens ständig einer fachlichen Überwachung durch ein kompetentes Fachgremium.

    Nochmal zurück zur HOAI. Ich halte die von Ihnen gerügte Diskrepanz auch für einen untragbaren Zustand. Anscheinend hat das auch der Gesetzgeber erkannt und treibt Bestrebungen voran, die Verbindlichkeit der HOAI abzuschaffen. Ob ein verschärfter Wettbewerb über das Honorar allerdings der Qualität der Gutachten zuträglich ist, bleibt abzuwarten.

    Zu der Beobachtung, dass die Begutachtung vergleichbarer Objekte jetzt fast doppelt so lange dauert wie zu ZSEG-Zeiten, kann ich leider nichts sagen, es ist bei mir nicht der Fall. Wie man allerdings bei einzelnen ETW (nicht mehrere gleiche in einer Anlage) mit 12h ausgekommen ist, ist mir rätselhaft. dann müssen schon extrem gute Bedingungen herrschen (Teilungserklärung, Mietverträge, Baupläne etc. liegen vor, sehr gute Daten vom Gutachterausschuss, keine Fahrzeit). Ansonsten halte ich das bei gründlicher Arbeit für nicht möglich. Mir ist aber auch bekannt, dass derartige Vorgaben von einigen Amtsgerichten gemacht wurden, was erstens nicht gesetzeskonform (wurde vom LG Leipzig festgestellt) und zweitens mit Sicherheit nicht der Qualität zuträglich war.

  • Hi,

    Zitat von mm62

    Leider ist es nun einmal nicht so, dass Aufträge nur streng nach sachlichen (Qualitäts-) Kriterien vergeben werden. Das ist aber schon ein neues Thema.



    in erster Linie zählt Qualität!
    Bei gleicher Qualität kommen aber in der Tat schon die vielfältigsten anderen Kriterien bei der Auftragsvergabe zum tragen.
    Bei mir kommt von Fall zu Fall an zweiter Stelle schon der Preis. Ein anständiges Gutachten für eine 0815 Wohnung sollte meines Erachtens in der Regel 20 h nicht überschreiten. Wenn ein Gutachter gleicher Qualität dafür 25 h benötigt, ist der bei mir aus dem Rennen.

    Die Absetzung der EUR 277,- im geschilderten Fall erscheint mir jedoch sehr kleinlich.

    Zitat von mm62


    1. Was hat Vorrang, ein zutreffender Verkehrswert oder die Kosten?



    An oberster Stelle steht natürlich ein zutreffender Verkehrswert. Wenn aber 10 gleich qualifizierte Gutachter in der Lage sind, ein hochwertiges Gutachten abzuliefern, dann bekommt zumindest bei mir der (über eine reichliche Auswahl an Gutachtern kann ich nicht klagen) den Auftrag, der dafür die wenigsten Stunden benötigt. Das nennt man Leistungsprinzip.

    Zitat von mm62


    2. Ist es notwendig, dass der Gutachter jeden Einzelschritt der Auftragsbearbeitung (z.B. zusätzliche Ortstermine) dem Gericht schriftlich bekannt macht?



    Aus meiner Sicht nein. Doch sollte der Sachverständige wohl die Eigenheiten des jeweiligen Auftraggebers (Rechtspflegers) einkalkulieren. Also im Zweifel die Vorgehensweise kurz telefonisch mit dem Rechtspfleger abstimmen; wäre mir persönlich am liebsten und wird mit den Sachverständigen, mit denen ich zusammenarbeite auch so gehandhabt.

    Zitat von mm62


    3. Welche zusätzlichen Kosten sind vertretbar (relativ oder absolut)?



    Zusätzliche Kosten sind immer dann vertretbar, wenn sie notwendig waren.
    Wenn also z.B. eine Innenbesichtigung - wie im vorliegenden Fall - möglich ist, aber bei mehreren Objekten kein gemeinsamer Besichtigungstermin in angemessener Zeit möglich war, dann sind aus meiner Sicht sämtliche Kosten im Zusammenhang mit den weiteren Terminen notwendig und daher erstattungsfähig. Schließlich trägt eine Innenbesichtigung maßgeblich dazu bei, dass der ermittelte Verkehrswert den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht.

    Zitat von mm62


    Da zum Schluss der Schuldner zahlt, ist niemandem ein Schaden entstanden, im Gegenteil.



    In vielen Fällen zahlt letztlich der Gläubiger, weil der Erlös meist nicht ausreicht um die gesamten Schulden zu decken. Und auch die Gläubiger beäugen die Gutachterkosten immer wieder kritisch im Hinblick auf die Höhe.

    Gruß
    Bördie

  • Hallo,

    im Großen und Ganzen stimme ich den Aussagen von Bördie zu.

    Nur, ist es wirklich so, dass die Rechtspfleger die Qualität der Gutachten im Detail einschätzen können? Oder wird das anhand von Indizien (wenig Einsprüche, äußere Form) beurteilt? Ich habe da meine Zweifel. Soll aber gar kein Vorwurf sein, denn wozu bräuchte es sonst Sachverständige. Es wäre nur schön, wenn die Kriterien transparent wären.

    Die abgerechnete Zeit zum Vergleich heranzuziehen, halte ich zumindest für problematisch, zumal ein direkter Vergleich selten möglich sein dürfte (z.B. 2 Gutachten dür dieselbe Wohnung bzw. mehrere Gutachter bei gleichzeitig versteigerten Wohnungen in der gleichen Anlage). Ansonsten gibt es i.d.R. werterhebliche Unterschiede (mit der Folge eines unterschiedlichen Recherche- und/oder Berechnungsaufwandes) selbst bei auf den ersten Blick identischen Objekten.

    Gegen Erfahrungswerte in angemessenen Toleranzgrenzen ist sicher nichts einzuwenden. Allerdings sollte eine Abweichung davon bei plausibler Begründung dem SV nicht zum Nachteil gereichen.

    Ich kann mir zudem durchaus vorstellen, dass es Kollegen gibt, die die für Ihre ordentliche Arbeit tatsächlich aufgewendeten Stunden nicht vollständig ansetzen, weil sie das Kriterium des "Leistungsprinzips" kennen. Fakt ist aber, dass dadurch das für die Einführung des JVEG mitausschlaggebende Ziel des Gesetzgebers, befähigte Sachverständige durch eine attraktivere Vergütung für die Tätigkeit für die Gerichte zu gewinnen, unterlaufen wird.

    Schließlich ist ein zutreffend und nachvollziehbar ermittelter Verkehrswert von Vorteil für alle "Beteiligten". Dahinter sollte die "Taxationsökonomie" zurücktreten. Natürlich ist das kein Freibrief, die Vergütungen ins Uferlose zu treiben.

  • Moin,


    m.E. ist ein Vergleich von HOAI und JVEG nicht sachgerecht, da eine Vielzahl von Unterlagen, Recherchen, Berechnungen, ggf. Aufmaße und Zeichnungen im Rahmen einer Gutachtenerstellung in ZV-Verfahren zusätzlich zu erbringen sind.

    Bei Privatgutachten hat der Auftraggeber diese Unterlagen und Berechnungen zur Verfügung zu stellen oder eben gesondert (nach Zeitaufwand) zu bezahlen.

    Nur nebenbei die § 34 HOAI ist sicherlich kein gerechter Vergütungsanspruch für Wertermittlungen. Da die Objektwerte die Grundlage für das Grundhonarar (excl. MwSt. und Nebenkosten) darstellen, ergeben sich bundesweut für ein und den selben Auftrag schon erhebliche diskrepanzen.

    Der Kollege in München oder Hamburg ermittelt z.B. durchschnittliche VW um 300 - 500 T€ für ein EFH - Grundstücke, in ländlichen Gegenden liegt der VW bei derzeit rd. 100 - 150 T€. Der Aufwand ist grundsätzlich der Gleiche. Gleiche Arbeit gleiches Honorar, sollte man meinen, aber die Differnz der Honaorare in der Normalstufe mittlerer Satz beträgt durchschnittlich rd. 600 € je Gutachten.

    Die Bewertung besonders schadhafter Objekte oder Objekte mit erfoderlichen Umnutzungen erfordern i.d.R. einen deutlichen Mehraufwand gegenüber "normalen" Obkjekten, führen aber bei strenger Anwendung der HOAI zu geringeren Honoraren.

    Zudem machen wir Marktwertentwicklung. Bei fallenen Werten erzielen wir so nach HOAI geringereHonorare, bei gleicher Arbeit und genauso umgekehrt.
    Ein Vorredner schrieb es schon: So ist aber das Gesetz! Dies kann jedoch nicht sachgerecht sein und sollte alsbalb geändert werden. Die Abrechnung auf Stundenbasis wäre m.E. ein Weg für eine gerechtere Lösung.

    Allerdings wäre hierfür auch verbindlich zu klären, wer alles Gutachten machen darf und sich Sachverständiger nennen darf. Leider wird der Markt von Möchtegern und selfmade Sachverständigen überflutet, die mal gerade ein Wochenendseminar hinter sich haben. Ist kein Witz, recherchieren sie mal im Internet, wer das was alles os anbietet.

    Aber kommen wir noch mal auf den üblichen Aufwand für eine Wertermittlung zurück. Ich habe in diesem Zusamenhang nämlich einige (noch nicht abschließnede) Recherchen angestellt. Fragestelllung: Wieviele Stunden bei der Erstellung eines Gutachtens werden benötigt (alles natürlich unter der Beachtung von Mindestanforderungen bei der Erstellung von Gutachten).

    Im RDM - Informationsdient wurde mal eine Zahl von durchschnittlich 35h (Stand 1998) veröffentlicht. Diese Zahl halte ich für nicht sachgerecht und deutlich überzogen. Deshalb habe ich bundesweit einmal Sachverständige befragt bzw. befrage noch. Vorläufiges Ergebnis für ein durchschnittliches Gutachen:
    EFH: rd. 20 h, ETW: 16 h, MFH, Gewerbeobjekte, Objekte mit zu beachtenden Rechten oder sonstige Besonderheiten: Angaben mit großer Streubreite von 25 - 50 h.

    Die v.g. Stundenansätze sind vorläufig, da noch nicht komplett ausgewertet und noch nicht repräsentativ. Teile die Ergebnoisse der Umfrage aber noch mit.

    Bin für weitergehende Infos dankbar. Der Fragebogen kann bei mir per Email abgefordert werden.

  • Bei den harten Qualifikationsfakten versuche ich mich schon an die öff. Bestellung oder eine Akademie wie die WF-Akademie zu halten.

    Ich bilde mir jedoch nicht ein, Experte für die Auswahl von Sachverständigen zu sein. Jedenfalls habe ich keine quasi gerichtsfesten Kriterien für die Auswahl. Da spielen mehr so Sachen wie bisherige Erfahrungen, persönliche Chemie und Eindruck vom Gutachten eine Rolle; also nichts Greifbares. Das mag man kritisieren; ich meine aber, dass ich damit ganz gut fahre. Die Zahl der Beschwerden ist, sofern aufallend ein bestimmter Gutachter betroffen ist, durchaus ein Aspekt und auch die Erlöse im Verhältnis zum geschätzten Wert. Wobei das alles eher nebulös einfließt und nicht mit fester Gewichtung.

    Herr Rohde, auf die Ergebnisse Ihrer Befragung bin ich gespannt.

  • Hallo,
    auf die Ergebnisse von Herrn Rohde bin ich auch gespannt. Ein anderes Auswahlkriterium für Gutachter ist zusätzlich zu den berits genannten Punkten für mich die Dauer bis zur Abgabe der Gutachten. Einige Gutachter sind scheinbar von allen Hamburger Rechtspflegern für gut befunden worden und bestellt worden, so daß sie überlastet waren und teilweise 8 Monate für die GHutachtenerstellung benötigten. Ich finde das nicht hinnehmbar und weiche dann (notgedrungen) auf andere Gutachter aus.
    Gruß
    Stefan

  • Moin, moin,

    8 Monate halte ich persönlich auf für deutlich zulange, ist mir bei einem gerichtlichen Auftrag noch nicht passiert, aber 4 - 8 Wochen wird es im Regelfall immer dauern, aber es gibt auch Ausnahmen, da ja auch andere Gerichte die Dienste eines Sachverständigen anfordern. Das kann schon mal zu Engpässen führen und mehr als arbeiten, kann man nicht und mehr Aufträge dürfen auf keinen Fall zu Lasten der Qualität gehen.

    Deshalb fände ich es aber nur fair dem Gericht entweder die Verzögerung bei der GA-Erstattung zu erklären oder aber den Auftrag dann zurück zu geben. Ich praktiziere dies so und mir war deswegen noch kein richter oder Rechtspfleger böse und aufträge habe ich auch danach wieder bekommen.

    Okay, dass könnte (bei einigen Kollegen) ein/der Knackpunkt sein, weil vielleicht vermutet wird der Rechtspfleger könnte denken, mir gehts zu gut oder die Gutachter denken, bloß nichts ablehen, sonst bekomm ich keinen Auftrag mehr. Ich glaube ein Anruf bei Gericht würde da schon Wunder bewirken, jeder weiß woran er ist.

    Oder wie denken die Rechtspfleger(innen) darüber.

  • Bei der Justizbehörde fällt auch auf, dass die Sachverständigenkosten 2005 überproportional gestiegen sind. Wir wurden jetzt um Stellungnahme gebeten.

    JVEG ist sicher ein Grund, eine Steigerung der Verfahrenszahlen so sie denn eingetreten ist, könnte ein weiterer sein.

    Der nach dem Empfinden vieler Kollegen erhöhte Zeitaufwand ist damit aber nicht erklärlich.

    Ich habe jedenfalls meine Vorschussanforderung an die neue Vergütung angepasst und auf um die 2.000 € angehoben.

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