Verfügungsbeschränkung gemäß EU-Terrorismusverordnung?

  • Es ist ja bald Wochenende...
    Bei Erwerbsvorgängen sollen durch die Grundbuchämter in NRW mit Hilfe dieser Seite http://ec.europa.eu/comm/external_…consol-list.htm.
    die Beteiligten auf ihre Terrorunverdächtigkeit hin überprüft werden.
    Mal abgesehen vom Sinn oder Unsinn einer solchen Überprüfung:
    was stellt denn das rechtlich dar?
    Eine (relative?) Verfügungsbeschränkung?
    Und fallen derartig praxisrelevante Tätigkeiten in die Zuständigkeit des Rechtspflegers?

  • Ist Gerichtssprache nicht Deutsch?? Wie kann da jemand verlangen, dass in NRW englisch sprachige Webseiten dienstlich verwendet werden?!?

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Berechtigte Überlegung, aber wenn es darum geht, nur einen Namen in eine Suchfunktion einzugeben, sollte die sprachliche Hürde zu bewältigen sein.

  • Vgl. hierzu auch LG Berlin, Rpfleger 2006, 183 (Verordnung EG Nr. 881/2002 des Europäischen Rates, restrikte Maßnahmen gegen Al-Qaida-Netzwerkes u.a.; stellt angeblich ein zu beachtendes "relatives Veräußerungsverbot" dar).
    Möglicherweise können unsere Berliner Kollegen (Franziska...) Näheres dazu berichten.

  • Diese Liste ist der absolute Wahnsinn.
    Wir sollen jetzt vom Prinzip her jeden Vorgang überprüfen.
    Wenn man das tatsächlich macht, ist der Aufwand enorm.
    Es fängt zunächst damit an, daß keine ordentliche Suchfunktion vorhanden ist. Manche Namen findet man nicht wenn man zuviel eingibt, und die Eingabe von Namensbestandteilen findet sehr viele Treffer.
    Lustig wird es erst wenn der erste Deutsche mit Namen Müller oder ähnlich verbreitet in der Liste auftaucht. Dann wird man tatsächlich bei jedem Vorgang prüfen müssen.

    Gruß
    Ron

  • Zitat

    Möglicherweise können unsere Berliner Kollegen (Franziska...) Näheres dazu berichten.

    Öööööhm...:gruebel: neee... eigentlich nicht...

    Die Entscheidung des LG hatten wir damals heiß diskutiert... die allgemeine Meinung war, dass wir eine Amtsprüfung nicht vornehmen. Die damals vom LG entschiedene Sache war insoweit besonders, als dass das GBA ersucht worden war (ich glaube, von einer StA:gruebel: ), eine beantragte Eintragung nicht vorzunehmen.

    Die EG-Verordnung wurde von Leuten gemacht, die an Grundbuchrecht gar nicht denken. Irgendein StA-Sachbearbeiter ist dann auf die Idee gekommen, dass man ja versuchen könnte, sich an das GBA zu wenden... es dürfte auch dort nicht klar sein, auf welche Rechtsgrundlagen sich eine solche Verfügungsbeschränkung stützen könnte.

    Wir halten die Sache für unbeachtlich und durch das GBA nicht zu prüfen. Und auch ein LG kann mal falsch entscheiden... ;) wie gut, dass wir an diese Auffassung nicht gebunden sind.

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • Der BDR Hamburg hat in seiner Mitglieder-Infomail vom 1.12.2006 die Auffassung vertreten, "dass es dem Grundbuchrechtspfleger oder der Rechtspflegerin im Handelsregister nicht zuzumuten ist, bei jeder vorzunehmenden Eintragung die Liste nach terrorismusverdächtigen Personen durchzusehen. Der BDR Hamburg wird auch über seine Personalratsmitglieder an die Verwaltung des AG herantreten und die Lage erörtern."
    Abhilfe kann meiner Ansicht nach nur durch die Integration spezieller Software geschaffen werden, die den Abgleich automatisch vornimmt (entspr. Software-Module existieren bereits, aber wohl nur im Bereich vereinzelter Unternehmen, denn auch aus dem Unternehmenslager vernimmt man, dass sich dort kaum jemand um die Beachtung der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27.12.2001 kümmert).
    Wie es wohl in anderen europäischen EU-Ländern gehandhabt wird ?

  • Für die in NRW arbeitenden Forumsmitglieder gibt es einen Erlass des JM vom 20.07.2006 zur Beachtung der Terrorismusverordnung (über das Intranet zugänglich: http://lv.justiz.nrw.de/Bibliothek/Erl…_2006_07_20.pdf; für andere Interessierte, soweit der nachfolgende Auszug nicht bereits ausreichend informiert, kann ich das vollständige Dokument als pdf-Datei versenden)
    Das JM bittet darin die Chefpräsidenten, die Gerichte des Bezirkes "auf die Verordnungen (....) aufmerksam zu machen" und führt u. a. dazu aus:
    "Die Rechtslage stellt sich nach hiesiger Einschätzung - bezogen auf Grundstückskaufverträge aufgrund der Verordnung wie folgt dar:
    Das in den Verordnungen angeordnete Einfrieren von Vermögensgegenständen gelisteter Personen begründet eine absolute Verfügungsbeschränkung gem. § 134 BGB. Diesem gesetzlichen Verbot widersprechende Auflassungserklärungen sind nichtig. Der Erwerber erwirbt daher das Grundstück nicht. Ein Eintragungsantrag kann vom Grundbuchamt zurückgewiesen werden. Wird der Erwerber dennoch als Eigentümer eignetragen, ist das Grundbuch insoweit unrichtig; gem. § 53 GBO kann von Amts wegen ein Widerspruch eingetragen werden.
    Ein gutgläubiger Ersterwerb ist ausgeschlossen, § 892 BGB findet bei Vorliegen absoluter Verfügungsverbote des § 134 BGB keine Anwendung. Die Verfügungsbeschränkung selbst kann nach gegenwärtiger Rechtslage nicht in das Grudnbuch eingetragen werden (vgl. BayObLG, DNotZ 19988, 784 m. Anm. Sieveking). allerdings kann das Grundbuchamt auf andere Weise, etwa durch einen Vermekr in der Grundakte dafür Sorge tragen, dass eingefrorene Grundstücke bei Eingang eines Umschreibungsantrags als solche erkannt werden.
    Der Verkauf eines Grundstücks an eine gelistete Person ist grundsätzlich ebenfalls untersagt. Fraglich ist allerdings, ob dies auch dann gilt, wenn der Verkauf zu regulären Marktbedingungen erfolgt ist und der Erwerber erst nach Zahlung des Kaufpreises, aber noch vor Umschreibung des Eigentums im Grundbuch in die Sanktionsliste aufgenommen wurde. Hierzu hat das Kammergericht Berlin mit Beschluss vom 21.02 bzw. 23.02.06 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entsprechende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt."
    Zur Vereinfachung (!) verweist der Erlass auf die einschlägig bekannte Datenbank.
    Meine praktische Erfahrung mit dieser Liste ist frustrierend. Allein der Aufruf der Datenbank dauert zwischen fünf und fünfzehn Minuten. Die Suche ist dann auch entsprechend zeitaufwändig. Ich greife daher auf die Liste nur in "begründeten" Verdachtsfällen (entsprechende Namen und Nationalitäten der Beteiligten) zu. Es gibt hier wohl auch einige Landgerichtspräsidenten, die über die unmögliche Handhabung nach oben berichtet haben.
    Daraufhin gibt es wohl inzwischen Bemühungen im JM, eine Softwarelösung bereitzustellen, die eine praktikable Handhabung der Sanktionsliste ermöglicht. Details sind mir dazu aber nicht bekannt.

    Grüße aus dem Rheinischen
     Bee
    ________________________________________________
    Jedes Wort ist falsch und wahr, das ist das Wesen des Wortes.
    Max Frisch

  • Ist Gerichtssprache nicht Deutsch?? Wie kann da jemand verlangen, dass in NRW englisch sprachige Webseiten dienstlich verwendet werden?!?



    ein kleiner klick auf der linken seite bei "de" löst das unüberwindliche Problem

  • Lesenswert sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Rellermeyer im neuen Rechtspflegerblatt 4, Okt. bis Dez. 2006, Seite 45 ff, insbesondere der Vorschlag von Rellermeyer, "an die Möglichkeit von Bescheinigungen durch eine zentrale Stelle" zu denken, und zwar in Anlehnung an § 104a GBV. :daumenrau

  • Kennt jemand die neue Adresse der current list auf den Seiten der EU? Der hier im NRW-Intranet getunnelte Link (wie in #1) führt nicht mehr zum Erfolg!

    Grüße aus dem Rheinischen
     Bee
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    Jedes Wort ist falsch und wahr, das ist das Wesen des Wortes.
    Max Frisch

  • Die einschlägigen EU-Verordnungen sind in jedem Mitgliedsstaat unmittelbar geltendes Recht (Art. 249 Abs. 2 EGV) und daher auch im Grundbuchverfahren zu beachten.

    Die aktuellen sogenannten Terrorlisten sind unter folgenden Links abrufbar:

    http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/sit…20051223-de.pdf

    http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/sit…20060805-de.pdf

    Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich der Rechtspfleger, der die Listen ignoriert, u.U. nach § 34 Außenwirtschaftsgesetz strafbar macht.

  • Durch die strafrechtliche Variante bekommt das ganze natürlich eine andere Qualität, als wenn ich wegen unwahrscheinlicher Haftungsrisiken beide Augen zu mache.
    Der Rellermeyer´sche Aufsatz liegt mir leider nicht vor - wird dort angedacht, für jeden Vorgang (im Hinblick auf die absolute Verfügungsbeschränkung auch für Grundschulden, Wohnrechte, etc.) ein Negativattest anzufordern?
    Auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes muss man dann ja konsequenterweise jeden Erwerber abklopfen, schließlich bergen auch urdeutsche Namen wie Klar, Hogefeld, Mahler oder Steinmeier das menschenrechtliche Risikopontential eines Bremer Taliban. Da Sicherheit Vorfahrt haben soll wird ein aufwändiges Genehmigungsverfahren sicher auf flächendeckendes Verständnis der Häuslebauer stossen, auch wenn dabei der Amtsschimmel etwas wiehern sollte.

  • Das Justizministerium NRW hat gerade eine Umfrage gestartet, wieviel Zeit die Grundbuchrechtspfleger durchschnittlich bei der Abfrage benötigen. In dem Schreiben heißt es, dass nächstes Jahr mit dem Aufbau einer technischen Unterstützung begonnen werden soll, mit der die Überprüfung erleichtert werden soll. Das heißt für mich, dass aber nicht beabsichtigt ist, den Rechtspflegern die Prüfung abzunehmen.
    Aus dem Schreiben geht weiter hervor, dass dort davon ausgegangen wird, dass man nur bei Eigentumsumschreibungen prüfen muss. Da es sich aber um ein gesetzliches Verbot ( 134 BGB) handelt, müßte meines Erachtens vor jeder Verfügung geprüft werden. Es soll ja erreicht werden, dass das Vermögen verdächtiger Personen und Gruppen eingefroren werden soll. Und durch die Belastung des Grundstücks mit einem Grundpfandrecht kann man ja wohl doch gut an Geld kommen...
    Ich frage mich nur, was passiert, wenn man mal jemanden findet. Klar kann man den Antrag dann zurückweisen, aber soll man denjenigen wirklich vorwarnen, dass er in einer Liste von Terrorverdächdigen steht?!

  • Man könnte das ganze ja unbürokratisch mit einem Anruf bei Herrn Schäuble oder Condoleeza verbinden. Die werden den Ortstermin bei der betreffenden Immobilie dann schon organisieren.

  • Übrigens ist es ziemlich ungefährlich einen Antrag aufgrund der sogenannten Al-Qaida-Liste zurückzuweisen. Denn in Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 DES RATES vom 27. Mai 2002
    heißt es:

    "Weder die natürlichen oder juristischen Personen, Gruppen oder Organisationen,
    die Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche
    Ressourcen in dem Glauben einfrieren, dass derartige Handlungen
    mit dieser Verordnung im Einklang stehen, noch deren Direktoren oder
    Beschäftigte können auf irgendeine Weise hierfür haftbar gemacht
    werden, sofern das Einfrieren nicht erwiesenermaßen auf Nachlässigkeit
    zurückzuführen ist."

  • @ HorstSergio: Das war auch unsere erste Wahl;-)

    @ HorstK: Ich würde trotzdem keinen Beschluss in die Welt schicken wollen, der meinen Namen trägt!!!

  • Die bisherigen Beiträge vermitteln den Eindruck, als ob die Listen in der Praxis auf recht wenig Interesse stoßen. Ich gestehe, auch als Versteigerungsrechtspfleger müsste ich die Listen beachten und habe das Thema selbst bisher nicht problematisiert.

    Gibt es denn Rechtspfleger / Gerichte, die einen regelmäßigen Datenabgleich vornehmen? Gibt es - außer NRW - Landesjustizverwaltungen, die außer mit allgemeinen Erlassen auch mit praktischen Hinweisen etc. reagieren?

  • Von den hiesigen Grundbuch- und Versteigerungs-Rechtspflegern (oder den Grundbuchführern) verschwendet damit keiner seine Zeit. Wenn Bin Laden hier Eigentumswohnungen kaufen will, dann soll er es meinetwegen tun, das kurbelt die Wirtschaft an. Es bleibt mir auch ein Rätsel, weswegen ausgerechnet die elektronisch zugängliche Grundeigentümerdaten nicht einfach elektronisch von unseren Sicherheitsbehörden regelmäßig abgeglichen werden können. Beim Einverleiben anderer Daten ist der Innenminister an sich doch auch nicht zimperlich. Sollte es wirklich ausnahmsweise derartige Fälle geben, dann könnte man schließlich kurzfristig Widersprüche eintragen. In NRW erfolgt die technische Betreuung der elektronischen Grundbuchsachen (nicht ohne Grund?) schließlich durch Leute die dem Innenminister untergeordnet sind.
    Stattdessen betreibt man lieber der Basis unnötige Mehrarbeit und versucht sich an zweifelhaften Projekten wie der Operation Mikado oder dem heimlichen Durchsuchen von Computern.

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