Trotz Erbverzicht Erbe?

  • Hallo,

    mich würde Eure Meinung zu folgendem Problem interessieren:

    Eine alte Dame mit 92 Jahren, die mir aus früheren Tätigkeiten bekannt ist, beauftragt mich mit der Beurkundung einer Grundschuld über 40.000.-- Euro.

    Hintergrund ist folgender:

    Sie ist seit Jahren auf die Hilfe einer Pflegekraft angewiesen und die insoweit entstehenden Kosten haben die Ersparnisse zwischenzeitlich verbraucht.

    Die Hausbank ist - erstaunlicherweise - bereit, die künftigen Pflegekosten zu finanzieren, wobei jedoch dingliche Absicherung durch die Grundschuld erforderlich ist. ( Möglicherweise ist die Bank an dem Haus interessiert, aber das mag mal außen vor bleiben )

    Bei Grundbucheinsicht habe ich festgestellt, daß neben der alten Dame immer noch zu 1/2 ihr bereits vor fast 20 Jahren verstorbener Ehemann als Miteigentümer eingetragen ist.

    Aufgrund einer mir vorgelegten Fotokopie eines privatschriftlichen Ehegattentestementes aus dem Jahre 1980 mit wechselseitiger Erbeinsetzung, versehen mit dem Eröffnungsvermerk des Nachlaßgerichtes, habe ich beantragt, einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, daß die alte Damen Alleinerbin nach ihrem Ehemann geworden ist.

    So weit, so gut.

    Und jetzt kommt`s:

    Der Rechtspfleger teilt mir mit, daß

    1. sich in der Nachlaßakte ein Vertrag aus dem Jahre 1965 befindet, in dem die Eheluete Gütertrennung vereinbart haben und


    2. sich dort ein weiterer Vertrag aus dem Jahrte 1965 befindet, in welchem die alte Dame gegenüber ihrem Ehemann auf sämtliche gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte verzichtet hat.


    Ich meine, daß all das völlig irrelevant ist, da sie aufgrund Testamentes, welches viele Jahre nach dem Erbverzichtsvertrag errichtet wurde, nunmehr zur Alleinerbin eingesetzt wurde.


    Seht Ihr das anders?


    Gruß HansD


    *edit*
    Ich wollte jetzt eigentlich die Überschrift noch ändern, und zwar dergestalt, daß dem Genitiv Rechnung getragen wird, komme allerdings da nicht mehr rein... seht es mir nach!

  • Dass sie auf ihre gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte verzichtet hat, dürfte doch für die testamentarische Erbeinsetzung belanglos sein :gruebel: . Gleiches gilt für die vereinbarte Gütertrennung.

    Life is short... eat dessert first!

  • Nein, das ist völlig klar und würde sogar gelten, wenn das besagte Testament zeitlich vor dem Erbverzichtsvertrag errichtet worden wäre. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 2346 Abs.1 S.1 BGB ergibt, erstreckt sich der Verzicht lediglich auf das gesetzliche Erbrecht (samt Pflichtteilsrecht). Der Erbverzicht auf das gesetzliche Erbrecht schließt somit nicht aus, dass der Verzichtende aufgrund letztwilliger Verfügung Erbe des Erblassers wird. Etwas anderes würde nur gelten, wenn (auch) ein Zuwendungsverzicht i.S. des § 2352 BGB erklärt worden wäre. Ein solcher Verzicht ist aber nach dem Sachverhalt nicht erklärt worden und kann schon deswegen nicht vorliegen, weil das Testament des Erblassers zeitlich nach dem Verzicht errichtet wurde. Ein Zuwendungsverzicht i.S. des § 2352 BGB kann sich aber nur auf die Zuwendung aufgrund einer bereits errichteten Verfügung von Todes wegen beziehen.

  • Da gibt´s wohl nicht mehr viel zu sagen. Ich sehe das genauso, auch wenn ich es niemals so umfassend und schön hätte sagen können wie juris2112.:daumenrau

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
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  • Hänge mich hier mit meiner Frage mal dran:

    Testament:

    "Ich berufe zu meinen alleinigen und unbeschränkten Erben meine Kinder:

    1. John-Boy
    2. Olivia
    3. John
    4. Esther
    5. Jason
    6. Mary-Ellen (Namen geändert :))

    und zwar zu gleichen Teilen.
    Sollte eines meiner Kinder vor dem Erbfall versterben, so treten seine leiblichen Abkömmlinge enstsprechend den Regeln über die gesetzliche Erbfolge an seine Stelle.

    Das gilt auch, wenn ein Kind aus einem anderen Grund nicht Erbe werden sollte, es sei denn, dass es gegen eine Abfindung auf sein Erbrecht verzichtet hat."

    John-Boy hat 17 Jahre nach obigem Testament auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet (gegen Abfindung).
    Die "Das gilt auch..." Regelung dürfte ja hier aber auch nicht greifen, denn er ist ja testamentarischer Erbe geworden, oder?

    Es gibt noch Jim-Bob und Samuel, wobei Jim-Bob auch auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet hat. Der ist aber auch nicht eingesetzt gewesen, da er früher verzichtet hat...

  • Ich hänge mich hier mal dran.
    Erblasserin ist kürzlich verstorben und hat in einem notariellen Testament 2008 ihre vier Kinder als Erben zu gleichen Teilen bedacht .
    2017 hat sie mit einer der Töchter einen not. Erb - und Pflichtteilsverzichtsvertrag geschlossen .

    In der Einleitung der notariellen Urkunde zum Erbverzicht hat die Erblasserin ausdrücklich durch den Notar festhalten lassen , dass sich mit diesem Vertrag an den Regelungen im Testament von 2008 nichts ändern soll.
    Die Tochter erklärt - gegen Abfindung - in der Urkunde anschließend ihren Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht und auf den Pflichtteil nach der Erblasserin und zugleich für ihre Abkömmlinge ( auf die kommts hier aber nicht an , weil die Tochter noch lebt ).
    Zusätzlich erklärt sie - im selben Satz - ihren Verzicht auf ihre erbrechtlichen Ansprüche aus dem - wohl bekannten - Testament von 2008.
    Anschließend erfolgt Annahme des Erb- und Pflichtteilsverzichts durch die Erblasserin.

    Die restlichen drei Erben wollen nun einen Erbschein mit je 1/3 Erbteil . Terminierung für Antragstellung steht jetzt an.

    Ich steh nun auf dem Schlauch, ob die verzichtende Tochter durch Zuwendungsverzicht gem. §§ 2352, 2346 I S. 2 BGB aus der gewillkürten Erbfolge ausgeschieden ist.:gruebel:
    Schließlich hat die Erblasserin eingangs der Urkunde 2017 ausdrücklich an den Regelungen des Testamentes von 2008 festgehalten und damit doch auch an der Erbeinsetzung aller vier Kinder ?
    Oder ist mit der Annahmeerklärung der Erblasserin zum Erbverzicht ein wirksamer Zuwendungsverzicht zustande gekommen ?

    Einmal editiert, zuletzt von Wolf (10. Dezember 2020 um 18:36)

  • Was der Notar eingangs der Urkunde mehr oder weniger (un)geschickt formuliert hat, halte ich nicht für entscheidend.

    Es liegt sowohl ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (samt Pflichtteilsrecht) als auch ein Zuwendungsverzicht im Hinblick auf das besagte Testament vor.

    An welcher Stelle des Satzes steht denn, dass der Verzicht mit Wirkung für die Abkömmlinge erfolgt? Im ersten Teil des Satzes, der sich nur mit dem Verzicht auf das gesetzliche Erbecht befasst oder ganz am Ende, sodass der besagte Passus beide Verzichte umfasst? Im erstgenannten Fall hätten wir - zumindest - eine weitere Ungeschicklichkeit, auch wenn man im Ergebnis davon ausgehen sollte, dass ein Verzicht gegen Abfindung auch für die Abkömmlinge wirkt, weil der Stamm ansonsten mehrfach bedacht würde.

  • Formuliert ist wörtlich folgendes :

    Abs. 1
    Ich - Tochter - verzichte auch mit Wirkung für meine gegenwärtigen und zukünftigen Abkömmlinge auf mein gesetzliches Erb - und Pflichtteilsrecht nach meiner Mutter ( = Erblasserin ) , sowie auf etwaige Rechte aus dem vorgenannten Testament von 2008.

    Abs. 2
    Der Erb - und Pflichtteilsverzicht wird angenommen.


    Im Testament von 2008 sind als Ersatzerben für jedes Kind der Erblasserin deren Abkömmlinge nach der gesetzlichen Erbfolge eingesetzt.

  • Ob der gestellte Erbscheinsantrag begründet ist, hängt davon ab, ob die Abkömmlinge der Zuwendungsverzichtenden entsprechend der gesetzlichen Regel der §§ 2352, 2349 BGB in die Wirkungen des Zuwendungsverzichts einbezogen sind oder ob insoweit "ein anderes bestimmt" ist. Von Letzterem würde ich nicht ausgehen, da die Wirkung für die Abkömmlinge an den Anfang des Satzes gestellt wurde und somit beide nachfolgenden Alternativen erfasst.

    Gleichwohl hätte ich es etwas geschickter formuliert, indem ich zunächst die Verzichte vorangestellt hätte und sodann nachfolgend in einem eigenen Satz ausgeführt hätte, dass beide vorstehenden Verzichte jeweils auch für die Abkömmlinge der Verzichtenden wirken.

    Es steht Dir aber natürlich frei, die Abkömmlinge der Verzichtenden (und ggf. auch die Verzichtende selbst) zum gestellten Erbscheinsantrag anzuhören.

  • Ob der gestellte Erbscheinsantrag begründet ist, hängt davon ab, ob die Abkömmlinge der Zuwendungsverzichtenden entsprechend der gesetzlichen Regel der §§ 2352, 2349 BGB in die Wirkungen des Zuwendungsverzichts einbezogen sind oder ob insoweit "ein anderes bestimmt" ist. Von Letzterem würde ich nicht ausgehen, da die Wirkung für die Abkömmlinge an den Anfang des Satzes gestellt wurde und somit beide nachfolgenden Alternativen erfasst.

    Ich teile Deine Einschätzung , dass die verzichtende Tochter wegen der auch für den Zuwendungsverzicht geltenden Vorversterbensfiktion des § 2346 BGB nun aus sämtlichen Erbfolgen weggefallen ist und im Erbschein nicht mehr berücksichtigt werden kann.
    Das mit der Anhörung von deren Kindern halte ich für bedenkenswert.

  • Muss mich nochmal dranhängen. Eheleute schließen 1990 einen notariellen Vertrag, in dem sie gegenseitig auf "jegliches Erb- und Pflichtteilsrecht" verzichten. 2015 errichtet die Ehefrau ein privatschriftliches Testament, in dem sie den Ehemann zum Alleinerben einsetzt. Zuwendungsverzicht nach § 2352 BGB scheidet ja aus, da Testament nach Vertrag errichtet. Ich störe mich ein bisschen an der Formulierung des Verzichts, es wurde ja ausdrücklich nicht nur auf das gesetzliche Erbrecht verzichtet. Es gibt auch drei Kinder. Ehemann möchte nun einen Alleinerbschein beantragen. Wie seht ihr das?

    2 Mal editiert, zuletzt von mupfel (5. November 2021 um 12:49) aus folgendem Grund: vielleicht stehe ich auch nur auf dem Schlauch... :-)

  • Ich muss das Thema abwandeln , einen neuen Thread wollte ich nicht aufmachen.

    Meine Frage lautet ( Threadüberschrift abgewandelt ) Trotz Zuwendungsverzicht Erbe ?

    Ausgangsfall ist folgender :
    Erblasserin hat drei Kinder; Tochter aus erster Ehe und zwei Söhne aus zweiter Ehe

    Erste Ehe wurde geschieden; der zweite Ehemann ist längst vorverstorben.

    Bzgl. des vorverstorbenen zweiten Ehemannes galt - mangels Testamenten - die gesetzliche Erbfolge.

    Vor 20 Jahren hat die Erblasserin - gegen Zahlung eines Übergabepreises - ein Hausgrundstück an die Tochter aus erster Ehe übergeben.

    Gleichzeitig hat die Tochter auf das ( wörtlich ) "ihr zustehende " Erb- und Pflichtteilsrecht auf den Tod der Übergeberin/Erblasserin verzichtet.

    Zusätzlich war vereinbart , dass es es der Übergeberin unbenommen bleibt , später noch Vermächtnisse zugunsten der Tochter auszusetzen.

    Wegen dieses Nachsatzes handelt es sich hierbei m.E. nicht nur um einen Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht , sondern auch auf gewillkürtes Erbrecht und damit einen Zuwendungsverzicht

    In einem handschriftlichen Testament setzte die Erblasserin 2020 aber ihre drei Kinder gemeinsam zu je 1/3 als Erben ein.

    Meine Frage ist nun , ob ein Zuwendungsverzichtsvertrag auch einseitig durch den Zuwendenden durch Testament wieder aufgehoben werden und der Verzichtende wieder als Erbe eingesetzt werden kann ( laut Verzichtsvertrag wären nur Vermächtnisse möglich gewesen ).

    In den Kommentierungen zu §§ 2352 u. 2351 BGB finde ich nur den Fall der Aufhebung des Zuwendungsverzichtsvertrag durch erneuten notariellen Vertrag beider Parteien zu Lebzeiten.

    Klarstellend noch :
    Ein Fall der Bindung der Erblasserin an ein gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag liegt nicht vor.

    Die Problematik wäre natürlich entschärft, wenn es sich bei der o.g. Regelung im Übergabevertrag nur um einen Erbverzicht auf das gesetzliche Erbrecht handeln würde und nicht um einen Zuwendungsverzicht.

    Wie so oft , kann man den Erblasser dazu nicht mehr befragen.

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