§ 70 InsO Abberufung eines Mitgliedes im Gläubigerausschuss

  • Hallo,

    ich habe folgendes Problem:

    Ein Gläubigerausschussmitglied ist zum 31.12.2006 aus dem Unternehmen ausgeschieden, welche in meinem Verfahren Gläubigerin ist. Nun liegt mir der Antrag dieses Unternehmens vor, den ehemaligen Angestellten zu entlassen.

    § 70 InsO rechtfertigt ja nur die Entlassung auf Antrag des Mitgliedes des Gläubigerausschusses selbst. Daher meine Frage: kann der Gläubiger (also das Unternehmen) die Entlassung seines ehemaligen Arbeitnehmers, welcher Mitglied im Gläubigerausschuss ist, beantragen?

  • Aus dem Münchner Kommentar:

    § 70 regelt die Entlassung eines Ausschussmitglieds. Die Vorschrift ist anwendbar für den vorläufigen, vom Gericht eingesetzten wie für den endgültigen, von der Gläubigerversammlung gewählten Gläubigerausschuss. Im Lichte des § 92 KO, der eine jederzeitige Widerrufbarkeit der Bestellung zum Ausschussmitglied zuließ,1 kann die Bedeutung des § 70 nicht hoch genug eingeschätzt werden. Im Interesse der Unabhängigkeit der Mitglieder des Gläubigerausschusses soll ihnen das Amt nur entzogen werden können, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.2 Die Bedeutung des Amtes und die Schwere seiner Entziehung werden daran deutlich, dass der Rechtsausschuss § 70 (= § 81 RegE) um eine Beschwerdemöglichkeit ergänzt hat. Damit soll einer dem Gesetz unerwünschten Einflussnahme auf die Arbeit des Gläubigerausschusses vorgebeugt werden, denn weder Gericht noch Gläubigerversammlung können sich eines vielleicht unbequemen Mitglieds einfach entledigen.3 § 70 ist daher im Kontext mit § 68 zu sehen: Die Gläubigerversammlung wählt den endgültigen Gläubigerausschuss und bestimmt seine Zusammensetzung. Nach der Wahl ist eine Änderung nur unter den Voraussetzungen des § 70 zulässig, so dass die Gläubigerversammlung danach keinen Einfluss auf die Gestalt des Gläubigerausschusses mehr nehmen kann, und der Gläubigerausschuss eine eigene und unabhängige Stellung auch gegenüber der Gläubigerversammlung erlangt. § 70 steht einer Abwahl also entgegen.4 Auch die Kontinuität des Verfahrens gebietet es, Entlassungsmöglichkeiten restriktiv und abschließend zu regeln.5 Eine ausdehnende Auslegung gegen den Wortlaut, wie sie von der hM bei § 78 vorgenommen wird, verbietet sich auch bei § 70.
    In § 70 ist aber auch ein Disziplinierungsgedanke enthalten.6 Angesichts der durch die InsO gestiegenen Bedeutung des Gläubigerausschusses und seiner umfangreichen Aufgaben muss die Arbeit im Ausschuss durch kompetente Mitglieder erfüllt werden, und dies bei einer Ausrichtung der Tätigkeit auf die Erreichung der Verfahrensziele. Hier ist weder für Inkompetenz noch für die Verfolgung von Partikularinteressen Platz, so dass die InsO in § 70 ein durchaus taugliches Instrument bereithält, die Erfüllung der Aufgaben zu sichern.
    Daneben regelt § 70 auch den Eigenantrag auf Entlassung. Auch bei einem solchen Eigenantrag muss das Mitglied einen wichtigen Grund haben, der ihm die weitere Ausschusstätigkeit unzumutbar macht. Damit wird die Möglichkeit zur jederzeitigen Amtsniederlegung ohne triftige Gründe unzulässig, und das Gesetz beugt der Beliebigkeit des Amtes vor.
    Sowohl für die Entlassung als Sanktion als auch für den Eigenantrag muss ein wichtiger Grund gegeben sein. Die Anforderungen an den „wichtigen Grund“ sind hoch, namentlich bei der Sanktionsentlassung.8 Das Gesetz räumt dem Gläubigerausschuss und dem einzelnen Mitglied eine starke und sowohl vom Gericht als auch von der Gläubigerversammlung unabhängige Stellung ein;9 es sichert die Wahrnehmung der Interessen der gesamten Gläubigerschaft durch Stimmrechtsverlust bei Selbstbetroffenheit (Einzelheiten bei § 72). Diese Position darf nicht dadurch gefährdet werden, dass die Drohung mit Entlassung zur Disziplinierung des Gläubigerausschusses eingesetzt wird. Hier besteht ein Spannungsfeld.10 § 70 soll nicht als Instrument gegen den Gläubigerausschuss missbraucht werden können, so dass der Einsatz von § 70 von den Beteiligten, namentlich vom Insolvenzgericht, sorgfältig bedacht werden muß.11
    Dieser kann bei der Sanktionsentlassung in einer Pflichtverletzung des Mitglieds, in seinem Verhalten oder in seiner persönlichen Situation liegen. Sicherlich reicht ein einmaliger, womöglich nicht schwerwiegender Pflichtverstoss nicht aus, denn hinter dem „wichtigen Grund“ steckt, wie auch sonst, der Gedanke der Unzumutbarkeit. Es muß also eine Situation eintreten, in der die weitere Mitarbeit des zu entlassenden Mitglieds die Erfüllung der Aufgaben des Gläubigerausschusses nachhaltig erschwert oder gar unmöglich macht und die Erreichung der Verfahrensziele objektiv greifbar gefährdet erscheint. Dies ist bei wiederholten Pflichtverstößen der Fall oder bei einem persönlichen Verhalten des Mitglieds, das einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Ausschuss entgegensteht, beispielsweise wenn Partikularinteressen vertreten werden.12 Auch einer juristischen Person kann das Amt entzogen werden, wenn sie häufig wechselnde Vertreter schickt, deren Unkenntnis des Sachstands die Ausschussarbeit behindert.
    Der „wichtige Grund“ setzt Verschulden nicht voraus.13 Da es auf die Unzumutbarkeit ankommt, kommt eine Entlassung auch bei vom Mitglied unverschuldeten Störungen in Betracht. Deshalb setzen sich Mitglieder, die häufig krankheitshalber fehlen, die offensichtlich ungeeignet oder geschäftsunerfahren sind, ebenfalls der Gefahr der Entlassung aus.14
    Die Anforderungen an den Nachweis, dass ein wichtiger Grund die Entlassung eine Mitglieds rechtfertigt, sind niedriger als im Strafprozess, aber höher als nur Glaubhaftmachung.



  • ein besseres GA - Mitglied wird es doch kaum geben, weil dieses nicht Gefahr läuft, Interessen des Einzelnen über die der Gläubigergemeinschaft zu stellen. I.Ü. kann doch im GA sitzen wer will, es muss doch kein Gläubiger sein.

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  • Als GA-Mitglied können natürliche und juristische Personen bestellt werden (Graf-Schlicker/Pöhlmann, § 67 Rz. 6). Diese müssen selbst nicht Gläubiger sein, § 67 III.

    Ist die juristische Person GA-Mitglied, ergibt sich kein Problem, wenn der Mitarbeiter, der sie bislang im GA vertreten hat, nicht mehr verfügbar ist. Denn dann wird das GA-Mitglied in der Folge einfach von einem anderen Organ im GA vertreten.

    Ist eine natürliche Person GA-Mitglied, kann es mit Blick auf § 67 III m.E. keine Rolle spielen, ob er bei einem Gläubiger beschäftigt ist, war oder was auch immer. Zum zutreffenden Argument von cano kommt noch hinzu, dass das aktuelle GA-Mitglied (idealiter) in das Verfahren eingearbeitet ist, ein Ersatzmann jedoch nicht.

    Im geschilderten Fall daher m.E. kein Entlassungsgrund.

  • Ich habe ein Mitglied eines Gläubigerausschusses (besteht aus 3 Personen), der mir mitteilt, dass er sein Amt niederlegt, weil er nicht mehr bei dem Gläubiger beschäftigt ist. Wenn ich die Beiträge hier und und den Kommentar zu § 70 InsO (Braun) lese, reicht das als wichtiger Grund nicht ohne weiteres aus. Niederlegung eh nicht, sondern Entlassung auf Antrag. Wie verfahre ich jetzt: Anhörung der übrigen Gl-Ausschussmitglieder und des Verwalters? Dann entweder Zurückweisung oder Entlassung und neue Gläubigerversammlung mit dem TOP: Wahl eines Ersatzmitgliedes?

  • nun, seine Niederlegung ist nicht recht verständlich. Er ist ja wohl persönlich berufen worden.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
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  • Ich hatte mal so einen ähnlichen Fall und habe das Gläubigerausschussmitglied entlassen. Was soll ein Mitglied in diesem Gremium, der absolut nicht mehr will? Ich würde allerdings erstmal InsoVerwalter und die restlichen Mitglieder anhören. Mal sehen, was die dazu sagen.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Also ich lasse die Leute nicht so leicht wieder ziehen...
    Die werden von mir am Anfang eindringlich belehrt, dass dieses Amt auch umfangreiche Pflichten nach sich zieht, u.a. auch Prüfung der Schlussrechnung (aus gegebenem Anlass: auch Prüfung der Vergütung...), was einige Jährchen dauern kann.
    Ich hatte nämlich schon Gläubigerausschüsse, da hatten alle auf einmal keine Lust mehr, als ans Prüfen ging und wollten ihr Amt niederlegen. Läuft aber nicht. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.

  • Ich habe dem Gläubigerausschussmitglied nun auch erst einmal mitgeteilt, dass eine Niederlegung nicht einfach so geht und Verwalter sowie übrige Mitglieder um Stellungnahme gebeten.
    Mosser, wie hast Du es denn nach der Entlassung gehandhabt? Hast Du die restlichen Mitglieder des Ausschusses allein weitermachen lassen (ich hab noch 2 Mitglieder) oder hast Du eine besondere Gläubigerversammlung mit dem TOP Wahl eines Ersatzmitgliedes einberufen?

  • Also ich lasse die Leute nicht so leicht wieder ziehen...
    Die werden von mir am Anfang eindringlich belehrt, dass dieses Amt auch umfangreiche Pflichten nach sich zieht, u.a. auch Prüfung der Schlussrechnung (aus gegebenem Anlass: auch Prüfung der Vergütung...), was einige Jährchen dauern kann.
    Ich hatte nämlich schon Gläubigerausschüsse, da hatten alle auf einmal keine Lust mehr, als ans Prüfen ging und wollten ihr Amt niederlegen. Läuft aber nicht. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.



    Du hast natürlich vollkommen recht. Ich meine aber, letztlich muß es eine Einzelfallentscheidung sein. Wenn plötzlich der ganze Gläubigerausschuss - wie von Dir beschrieben - keine Lust mehr hat und niederlegt, würde ich das auch nicht machen. Aber hier geht es um ein Mitglied. Läßt man den nicht raus, so kann das natürlich die Arbeit der anderen Mitglieder - die wahrscheinlich durchaus Interesse haben- erheblich erschweren.

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  • Ich habe dem Gläubigerausschussmitglied nun auch erst einmal mitgeteilt, dass eine Niederlegung nicht einfach so geht und Verwalter sowie übrige Mitglieder um Stellungnahme gebeten.
    Mosser, wie hast Du es denn nach der Entlassung gehandhabt? Hast Du die restlichen Mitglieder des Ausschusses allein weitermachen lassen (ich hab noch 2 Mitglieder) oder hast Du eine besondere Gläubigerversammlung mit dem TOP Wahl eines Ersatzmitgliedes einberufen?



    Genauso hätte ich es auch gemacht.

    Ich habe das eine Mitglied per Beschluss entlassen. Dann habe ich eine besondere Gläubigerversammlung anberaumt mit TOP Wahl eines neuen Gläubigerausschussmitglieds. In meinem Fall kamen zur Gl.Versammlung nur die anderen Gläubigerausschussmitglieder (gleichzeitig auch Gläubiger). Und die haben weder ein neues Mitglied vorgeschlagen noch irgendjemanden gewählt. Blieben einfach stumm. Somit arbeitet der Gläubigerausschuss jetzt mit den restlich verbliebenen Mitgliedern weiter.

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  • mit zwei Mitgliedern kommst du aus, IX ZB 148/08



    Da wäre doch mal richtig spannend, was man macht, wenn man einen 2-köpfigen GA hat, einer begründet ausscheidet und die Gl.Versammlung kein neues Mitglied wählt ?

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  • nur reicht es als Begründung nicht aus, das das Gläubigerausschussmitglieg nicht mehr bei der Firma x oder y beschäftigt sei. Dies war nicht Voraussetzung der Berufung als Mitglied. Und es erscheint fraglich, ob eine bedingte Berufung möglich gewesen wäre.
    Es geht nicht an, dass in den Gläubigerausschuss natürliche Personen gewählt werden, die letztlich nur Statthalter diverser juristischer Personen sind. Dies würde die Zusammenhänge über die Zusammensetzung des Gläubigerausschusses verschleiern.
    Keinen Bock mehr haben, ist kein Grund !

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  • Ich hänge mich mal dran.
    Ich habe zwei Anträge von zwei Mitgliedern eines Gläubigerausschusses, sie zu entlassen.
    Das Verfahren läuft seit 2009. Der Verwalter hat kein Geld (schon von Anfang an) eine Vermögensschadenshaftpflicht für die Mitglieder abzuschließen. Zusätzlich kann kein Aufwendungsersatz gezahlt werden.
    Die Mitglieder sehen sich zu sehr in der Haftung und wollen nun entlassen werden, weil ihnen das zu risikobehaftet ist.
    Wann das Verfahren abschlussreif ist, weiß man nicht genau.

    Ich muss ja nun den Verwalter anhören und wenn ich entlasse, neue Mitglieder wählen lassen. Einer der beiden ist Ersatzmitglied, sodass aktuell noch zwei verbleiben würden. Mit den beiden könnte man ja erstmal arbeiten. Ich bezweifle, dass sich noch jemand dazu breit schlagen lässt, gewählt zu werden.

    Kann ich nur mit den übrigen zweien leben und was mach ich, wenn die beiden übrigen auch noch entlassen werden wollen?

  • Mit zweien könnte man noch arbeiten, allerdings wer will ohne Haftpflicht noch etwas machen.

    Fehlende Haftpflichtversicherung kann die Fortsetzung der Tätigkeit eines GA-Mitglieds unzumutbar machen, IX ZB 310/11, BGH vom 29.03.2012.

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