vormundschaftsgerichtliche Genehmigung

  • Die Betreute ist nicht befreite Vorerbin eines Grundstücks - bebaut mit einem Einfamilienhaus -. Dieses Haus wird durch die Betreute genutzt.
    Nacherbe ist der Sohn.

    Nun soll das Grundstück der Betreuten auf den Enkelsohn (Sohn des Nacherben) übertragen werden, damit dieser das Haus umbauen und mit seiner Familie beziehen kann. Die Betreute (85 Jahre alt) erhält in dem Haus ein eigenes Zimmer.

    Die Übertragung des Grundstücks erfolgt durch einen Betreuer. Die Betreute erhält einenen Nießbrauch lastend auf dem übertragenen Grundbesitz. Vereinbart wird weiter, dass die Enkelsohn als zukünftiger Eigentümer auch die außergewöhnlichen Lasten des Grundbesitzes übernimmt.
    Der Nacherbe stimmt der Übertragung zu.

    Die Betreute ist nicht mehr anhöhrungsfähig.

    Schenkung? Teilschenkung? Unwirksamkeit?

  • Im vorliegenden Fall besteht zu den "normalen" Überlassungsverträgen insoweit ein entscheidender Unterschied, als der zu übergebende Grundbesitz aufgrund der angeordneten Nacherbfolge dereinst nicht zum künftigen Nachlass der Betreuten gehören würde, weil er mit ihrem Ableben automatisch an den Nacherben fiele. Ob die ins Auge gefasste Überlassung im Sinne einer "Vorwegnahme" des Eintritts der Nacherbfolge an den Nacherben selbst oder mit Zustimmung des Nacherben an einen Dritten (hier: den Sohn des Nacherben) erfolgt, ist dagegen belanglos. Denn eine unentgeltliche Verfügung ist mit Zustimmung des Nacherben (nicht auch der Ersatznacherben) in jedem Falle wirksam. Fraglich ist also nicht die Wirksamkeit der Verfügung aufgrund der Vorschrift des § 2113 Abs.2 BGB, sondern aufgrund des grundsätzlichen Schenkungsverbots der §§ 1908 i Abs.2 S.1, 1804 BGB.

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    Falls die Betreute unbeschränkte Alleineigentümerin und nicht lediglich Vorerbin wäre, würde grundsätzlich folgendes gelten:

    Im Anwendungsbereich des § 1804 BGB spannt die Rechtsprechung einen Bogen von einer restriktiven bis zu einer großzügigen Handhabung. Großzügig ist etwa das OLG Hamm (FamRZ 1987, 751), dass solche Zuwendungen für zulässig hält, wenn sie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der gesamten Vermögenslage des Betroffenen letztlich auch in dessen Interesse liegen. Auf der gleichen Linie liegt das OLG Karlsruhe (NJW-RR 2000, 1313), welches das Vorliegen einer "sittlichen Pflicht" nach dem Willen des Betreuten bestimmt. Auch das KG (JFG 13, 187) hat einen Verstoß gegen das Schenkungsverbot verneint, wenn das Rechtsgeschäft dazu dient, den Familienfrieden zu wahren (hierzu vgl. auch OLG Köln OLGZ 1969, 263).

    Eine restriktivere Linie vertritt demgegenüber das BayObLG, das von dem an sich selbstverständlichen Grundsatz ausgeht, dass niemand gehalten sei, sein Vermögen zu Lebzeiten auf seine künftigen Erben zu übertragen (FamRZ 1996, 1359) und dass die Verbotsschranke des § 1804 BGB nur überbrückt werden könne, wenn ein Unterbleiben der Schenkung dazu führen würde, dass der Schenkende eine Einbuße an Achtung erlitte (FamRZ 1999, 47).

    Ich halte die großzügigere Ansicht für zutreffend (hierzu vgl. insbesondere Holzhauer FamRZ 2000, 1063), weil die restriktive Ansicht im Ergebnis dazu führt, den Betreuten von vorneherein unisono von allen zweifelsfrei wirtschaftlich sinnvollen Rechtsgeschäften mit Schenkungscharakter auszuschließen (Canaris JZ 1987, 1999 hält die Norm aus diesem Grund für verfassungswidrig). Dass die vermögensrechtlichen Interessen des Betreuten vollumfänglich gewahrt bleiben müssen, versteht sich natürlich von selbst. Ich habe daher solche Übertragungen, die verständlicherweise natürlich auch der Ersparnis von Erbschaftsteuer dienen, im wesentlichen immer von folgenden Bedingungen abhängig gemacht:

    a) Lebenslanger Nießbrauch für die Übergeberin (ggf. auch für deren Ehegatten nach dem Ableben der Übergeberin);

    b) Die üblichen durch Vormerkung gesicherten Rückübereignungsansprüche, und zwar erweitert um die Fallgestaltung, dass die Rückübereignung zur Gänze oder quotal auch an die künftigen Erben des Betreuten zu erfolgen hat, falls die Erbfolge insgesamt oder quotal nicht mit der bei der Übertragung "vermuteten" Erbfolge übereinstimmt.

    c) Falls die Übertragung nur an eines von mehreren Kindern erfolgen soll: Zustimmung aller anderen Erbprätendenten, die nicht privatschriftlich, sondern notariell zur Übertragungsurkunde zu erklären ist.

    d) Rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Übernehmers, für alle Kosten des Lebensunterhalts des Betreuten (auch Heimkosten) aufzukommen, sofern die Mittel des Übergebers hierfür nicht ausreichen (samt Rückübereignungsverflichtung für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung).

    Aufgrund der Nießbrauchsbestellung bleibt die Betreute wirtschaftlicher Eigentümer des Objekts. Gleichzeitig ist sie aufgrund der übrigen Vereinbarungen gegen alle in der Zukunft liegenden Unwägbarkeiten abgesichert. Unter diesen Prämissen sehe ich keinen Verstoß gegen die §§ 1804, 1908 Abs.2 S.1 BGB.

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    Auf unseren Fall übertragen (Betreute nur Vorerbin) würde dies bedeuten:

    Zu lit.a):
    Natürlich bleibt es beim Nießbrauch für die Übergeberin, und zwar mit der Maßgabe, dass es bei der gesetzlichen Regelung der §§ 1041 S.1, 1047 BGB verbleibt, wonach die Kosten für außergewöhliche Ausbesserungen und Erneuerungen und außerordentliche Lasten beim Eigentümer verbleiben. Der Nießbrach für den (im vorliegenden Fall wohl ohnehin nicht mehr vorhandenen) Ehegatten der Übergeberin für die Zeit nach dem Ableben der Übergeberin entfällt, weil der Ehegatte aufgrund der angeordneten Nacherbfolge ohnehin nicht erbrechtlich in den Genuss der Immobilie kommen könnte.

    Zu lit.b):
    Die üblichen durch Vormerkung gesicherten Rückübereignungsansprüche zuguntsten der Betreuten sind ebenfalls erforderlich. Diejenigen zugunsten der künftigen Erben der Betreuten entfallen aber natürlich, weil sie aufgrund der angeordneten Nacherbfolge ohnehin nicht erbrechtlich am Grundbesitz partizipieren könnten.

    Zu lit.c):
    Die dort genannten Zustimmungen entfallen, weil die Erben der Betreuten aus den genannten Gründen nicht betroffen sein können. Der einzige Nacherbe wird zustimmen. Das genügt.

    Zu lit.d):
    Bei dieser Verpflichtung muss es selbstverständlich verbleiben.

    Zusätzlich sind noch folgende Punkte zu berücksichtigen:

    Im Ausgangssachverhalt ist davon die Rede, dass die Betreute in dem Anwesen ein eigenes Zimmer sowie den Nießbrauch am gesamten Anwesen erhalten soll. Das ist nicht frei von Widerspruch, weil der Nießbrauch ja ohnehin (auch) zum Wohnen -und zwar im gesamten Anwesen- berechtigt. Ich vermute aber, dass im Ausgangssachverhalt lediglich die künftige faktische Nutzung durch die Betreute beschrieben wurde.

    Insoweit ergibt sich allerdings ein Folgeproblem:

    Wenn man grundsätzlich der Auffassung ist, dass ein Überlassungsvertrag mit dem vorstehenden Inhalt nicht gegen das Schenkungsverbot des §§ 1804, 1908 i Abs.2 S.1 BGB verstößt und demzufolge -mit der Folge der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts- auch genehmigungsfähig ist (was man nach den o.g. divergierenden Ansichten auch anders sehen kann), ergibt sich das weitere Problem, dass die durch die Nießbraucherin erfolgende Überlassung der weitgehenden Alleinnutzung des Anwesens an den Übernehmer ohne entsprechende Gegenleistung nunmehr natürlich ein unentgeltliches Geschäft i.S. der §§ 1804, 1908 Abs.2 S.1 BGB darstellt, es sei denn, der Übernehmer würde für die Nutzung an den Nießbraucher die ortsübliche Miete bezahlen (ansonsten stünde der Nießbrauch ja nur auf dem Papier). Da dies kaum vorgesehen sein wird, lässt sich dieses Problem wohl nur aus der Welt schaffen, indem man zwar insoweit eine ortsübliche Miete vereinbart, diese jedoch bis zum Ableben der Betreuten verzinslich gestundet wird. Dies ist für den Übernehmer dann risikolos, wenn der Nacherbe auch zum Alleinerben der Betreuten berufen ist und dieser seinem Sohn die betreffende Forderung nach dem Ableben der Betreuten erlässt.

    Alles in allem ein sehr komplexer Fall, der Fragen über Fragen aufwirft und der im Hinblick auf die kürzliche Entscheidung des BVerfG natürlich auch erbschaftsteuerliche Gründe haben kann, weil bis zur Neuregelung des Erbschaftsteuerrechts noch die bisherige -und aller Voraussicht nach günstigere- gesetzliche Regelung anwendbar bleibt. Die Beteiligten müssen sich aber so oder so darüber im klaren sein, dass der Enkel im Verhältnis zu seiner Großmutter nur einen Freibetrag von 51.200 € in Anspruch nehmen kann, während der Nacherbe als Sohn insoweit über einen Freibetrag von 205.000 € verfügt. Es kann daher -bei Überschreitung des Enkelfreibetrags- durchaus günstiger sein, wenn zunächst an den Nacherben und von diesem dann später auf den Enkel weiterübertragen (oder weitervererbt) wird, weil der Freibetrag von 205.000 € dann zweimal (im Verhältnis Mutter/Sohn und im Verhältnis Sohn/Enkel) in Anspruch genommen werden kann. Aber das sind natürlich nur Vermutungen und Spekulationen.

    Fazit:

    Entscheidend ist, (a) ob man solche Rechtsgeschäfte im Anwendungsbereich der §§ 1804, 1908 i Abs.2 S.1 BGB für zulässig und für durchführbar hält und -bejahendenfalls- des weiteren, (b) ob das konkrete Rechtsgeschäft inhaltlich so ausgestaltet ist, dass die Interessen des Betreuten im vollem Umfang und in jede denkbare Richtung gewahrt sind.

    Diese Entscheidungen muss jeder Rechtspfleger des VormG für sich selbst treffen. Und ich verrate bestimmt kein Geheimnis, wenn ich darauf hinweise, dass die Handhabung insoweit äußerst unterschiedlich ist.

  • Ich vermisse die Antwort auf Frage 1 des Genehmigungsverfahrens:
    Wo ist die Plausibilität des beabsichtigten Rechtsgeschäftes? Warum soll die Betreute ein Vollrecht gegen ein minderes Recht eintauschen?
    Es geht nicht darum, Interessen des Enkels zu fördern, sondern die Interessen der Betreuten zu wahren.

  • Das sehe ich genauso.

    Deswegen hatte ich auch darauf hingewiesen, dass das Rechtsgeschäft mit dem im Ausgangssachverhalt mitgeteilten Inhalt keinesfalls genehmigungsfähig ist, sondern dass eine Genehmigung -wenn überhaupt- nur in Betracht kommt, wenn die künftige rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Betreuten faktisch derjenigen einer Eigentümerin entspricht.

  • Weitere Anmerkungen zum Ausgangsfall:

    Der für die Betreute bewilligte Nießbrauch soll im Rang nach den bereits eingetragenen Rechten in Abteilung III eingetragen werden.
    Nach der Urkunde sollen folgende Rechte vorgehen:
    1. Abteilung III Nr. 1: 20.000,00 Euro
    2. Abteilung III Nr. 2: 5.000,00 Euro
    3. Abteilung III Nr. 3: 9.500,00 Euro.

    Von diesen Rechten valutiert nur noch das Recht Abteilung III Nr. 3 in voller Höhe. Sämtliche Rechte sollen im Grundbuch eingetragen bleiben.

    Der Enkel (= Übertragsnehmer) übernimmt nun als weitere "Gegenleistung" die dem Recht Abteilung III Nr. 3 zugrunde liegende Verbindlichkeit (9.500,00 Euro).

    Weiter soll als weitere "Gegenleistung" eine Rückauflassungsvormerkung für die Betreute eingetragen werden. Diese Rückauflassungsvormerkung soll den Rückübertragungsanspruch für den Fall absichern, dass ohne Zustimmung des jeweiligen Eigentümers das Grundstück veräußert wird.

    Zur Klarstellung:
    Das Haus der Betreuten wird von dem Enkel (= Übertragsnehmer) umfangreich ausgebaut und renoviert, damit dieser es für seine Familie als Einfamilienhaus nutzen kann. Da die Betreute vollständig pflegebedürftig ist, bewohnt die Betreute derzeit nur noch ein Zimmer in dem Haus. Dies soll auch nach dem Umbau so bleiben.

    Der Notar begründet die Genehmigungsfähigkeit des Übertragungsvertrages damit, dass für das Wohlergehen der Betreuten bestens gesorgt ist. Die Betreute wird derzeit zu Hause gepflegt und versorgt.

  • Angesichts der schlechten Rangposition des Nießbrauches ändert die Übernahme von schuldrechtlichen wie dinglichen "nur" 9.500,00 € meine Meinung nicht. Auch III/1 und III/2 gehen vor, unabhängig von der Valuta. Die Rückauflassungsvormerkung ist ohne Belang. Sie tut dem Enkel nicht weh und schützt die Oma nicht sehr, man denke an die Rangposition nach III/1 - 3 und nach dem Nießbrauch.

    Hier scheint jemand sehr ungeduldig zu sein.

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