Deutsches Erbrecht und Trust

  • Hallo,
    ich möchte einen kleinen und noch nicht abgeschlossenen Fall zur Diskussion beisteuern. Ich benötige aktuell zwar keine Lösung, würde mich aber über etwas Austausch über die seltene Fallkonstellation freuen.

    Ein deutscher Staatsangehöriger ist tot. Er hatte seit mindestens 40 Jahren seinen Wohnsitz in den USA und hinterließ Nachlass in den USA und in Deutschland. Für den Nachlass in Deutschland wird ein Erbschein benötigt, der nach deutschem Erbrecht zu erteilen ist. Gesetzlich erbberechtigt wären zwei Kinder. Der Erblasser hinterließ jedoch ein wirksames Zwei-Zeugen-Testament. Eine Testamentsbestätigung (probate) ist vorhanden. Sein Vermögen brachte der Erblasser mehrere Jahre vor dem Erbfall in einen family trust ein. Diesem Trust, also nicht einem testamentary trust, soll im Erbfall alles sonst noch vorhandene Vermögen zufließen. Verwalter ist Kind A und - falls A nicht zur Verfügung steht - Kind B. Kind A stellt einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, nach dem A und B jeweils zur Hälfte Erben sein sollen. Die Antragstellerin erhielt eine Zwischenverfügung mit dem Inhalt, dass diese Erbfolge nach dem Testament nicht anzunehmen ist und wurde gebeten,eine Kopie der Trust-Vereinbarung zu übersenden.

  • Zunächst ist vorauszuschicken, dass die deutsche Sicht der Dinge, wonach sich das gesamte inländische Vermögen des Erblassers nach Art.25 Abs.1 EGBGB nach deutschem Recht vererbt, nicht mit dem amerikanischen Rechtsstandpunkt übereinstimmt. Das US-amerikanische Recht knüpft für die Bestimmung des Erbstatuts nämlich nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern für unbewegliches Vermögen an den Ort der belegenen Sache (lex rei sitae) und für bewegliches Vermögen an das "domicil" des Erblassers an. Danach würde sich aus US-amerikanischer Sicht nur der in Deutschland belegene unbewegliche Nachlass nach deutschem Recht vererben, während für das inländische bewegliche Vermögen und den gesamten in den USA belegenen Nachlass das US-amerikanische Erbrecht des betreffenden Bundesstaates anwendbar wäre. Aus deutscher Sicht wird dagegen von der Anwendung deutschen Erbstatuts für den gesamten inländischen und für den in den USA belegenen beweglichen Nachlass ausgegangen und die Anwendung des US-amerikanischen Erbrechts nur für den in den USA belegenen unbeweglichen Nachlass befürwortet (Art.3 Abs.3 EGBGB). Da das deutsche NachlG aber stets nach den Regeln des eigenen IPR verfährt, ist im vorliegenden Fall ein normaler Eigenrechtserbschein in Anwendung deutschen Erbrechts zu erteilen, ohne dass dieser Erbschein nach zutreffender Auffassung einen einschränkenden Geltungsvermerk im Hinblick auf das in den USA belegene unbewegliche Vermögen zu enthalten hat. Denn zum einen bezeugt der Erbschein ohne ausdrückliche anderweitige Angabe ohnehin nur die Erbfolge nach deutschem Recht und zum anderen bestimmt der Staat des Lageorts des Nachlasses selbst, ob er den Erbschein als solchen und die in ihm bezeugte Rechtsnachfolge anerkennt (Palandt/Edenhofer § 2353 RdNr.8; Weithase Rpfleger 1985, 267; Bestelmeyer Rpfleger 1997, 164).

    Zur Erbfolge selbst ist darauf hinzuweisen, dass das vorliegende Recht nach Art.26 EGBGB aus deutscher Sicht wirksam ist und dass im vorliegenden Fall kein Problem des erbrechtlichen Kollisionsrechts, sondern ein Problem der Testamentsauslegung in Frage steht. Ergibt die Testamentsauslegung, dass die US-amerikanische Familienstiftung Erbe sein soll, kommt es somit lediglich darauf an, ob die Stiftung rechtsfähig ist und ob ihr diese Rechtsfähigkeit auch im Inland zukommt. Das ist keine Frage des internationalen Erbrechts, sondern eine solche des internationalen Gesellschaftsrechts nach dem Personalstatut der Gesellschaft.

    Danach entscheidet das amerikanische Recht, ob die Familienstiftung im vorliegenden Fall rechtsfähig ist, und zwar unabhängig davon, ob man im Grundsatz der Gründungs- oder der Sitztheorie zuneigt, weil im Verhältnis zu den USA aufgrund Art.25 Abs.5 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II, 487) für das Personalstatut der Gesellschaft unabhängig von ihrem Verwaltungssitz ausschließlich das am Ort ihrer Gründung geltende Recht maßgeblich ist (MünchKomm/Kindler, IntGesR RdNrn.313 ff., 726 Fn.34; Palandt/Heldrich Anh. zu Art.12 EGBGB RdNrn.1, 23). Im übrigen würde sich das Personalstatut der Gesellschaft im vorliegenden Fall auch ohne die genannte staatsvertragliche Regelung nach allen sonstigen in Betracht kommenden Anknüpfungskriterien nach dem US-amerikanischen Recht bestimmen.

    Ist die Familienstiftung nach dem (US-amerikanischen) Recht des Gründungsortes rechtsfähig, so kommt ihr diese Rechtsfähigkeit ohne weiteres auch im Inland zu, und zwar ohne dass es hierfür einer besonderen Anerkennung bedarf (Palandt/Heldrich Anh. zu Art.12 EGBGB RdNr.20 m.w.N.).

    Ob die Unterscheidung zwischen einem charitable trust und einer charitable corporation im vorliegenden Fall eine Rolle für die Rechtsfähigkeit des Familientrusts spielen könnte, lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen (hierzu vgl. MünchKomm/Reuter, Vorbem. zu § 80 RdNr.134).

    Fazit:

    Zunächst ist im Wege der Testamentsauslegung zu klären, ob die Familienstiftung ("Trust") zur Erbin eingesetzt ist und -bejahendenfalls- ob sie nach dem US-amerikanischen Recht ihres Gründungsortes rechts- und damit auch erbfähig ist. Ist die erste Frage zu verneinen oder die erste Frage zu bejahen und die zweite zu verneinen, tritt gesetzliche Erbfolge zugunsten der beiden Kinder zu gleichen Anteilen ein.

  • Vielen Dank für die umfassende Meinung, in der ich viele eigene Überlegungen fand. So etwas ist selbst nach vielen Jahren noch immer beruhigend. Hinsichtlich des Fazits bin ich bis zu dem Ergebnis der gesetzlichen Erbfolge noch nicht abschließend gelangt. Ich vermute den nach den bisher gelesenen Informationen zu Trusts anscheinend häufigsten Fall der Nichtrechtsfähigkeit, wofür auch die Antragstellung sprechen würde. Das wird sich durch die angeforderte Trust-Vereinbarung klären. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, würde ich im Wege der Auslegung klären wollen, was dem Willen des Erblassers möglichst nahe kommt. Dazu würde die Trust-Vereinbarung bestimmt wesentliche Informationen beisteuern. Denkbar ist für mich die gesetzliche Erbfolge aber auch eine Nacherbfolge und mehr. Sobald ich weitere Informationen habe, reiche ich sie bei Interesse gern nach.

  • Sehr interessanter Fall. Würde mich interessieren, wie der Fall entschieden wurde. Offenbar nicht veröffentlicht worden.

    US-Trusts sind nach US-Recht fast nie rechtsfähig. Offenbar handelt es sich um einen Living Trust und das Testament ist vermutlich ein "flow over will", also ein Testament, welches die Rechtsnachfolge von Todes wegen betreffend das Vermögen regeln soll, welches zu Lebzeiten nicht dem Treuhänder übertragen wurde. Das ist eine sehr häufige Fallkonstellation in den USA, insbesondere in Kalifornien.

    Meines Wissen ist diese Frage von deutschen Gerichten nie problematisiert worden.

    Ich meine, dass man das Trust-Dokument und das Testament als Einheit sehen muss. So ist es gemeint und dabei sollte man es dann auch lassen. Lässt sich - mit etwas Mühe - denke ich auch juristisch begründen, wenn man die Begünstigung auf den Tod des Living Trust als Verfügung von Todes wegen sieht.

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