§ 126 ZPO - Gegner hat ebenfalls PKH-0-Raten

  • Beiden Parten ist PKH ohne Raten bewilligt.
    Der Beklagte verliert.
    Anwalt des Klägers stellt Antrag nach § 126 ZPO.
    Beklagtenvertreter beantragt die Zurückweisung dieses Antrages mit der Musielak, ZPO, Rdnr. 8 zu § 126 vertretenen Meinung:

    Dem Direktanspruch des Anwalts der obsiegenden Partei gegen die unterlegene und ebenfalls bedürftige Partei stehe die PKH grundsätzlich nicht entgegen. Dies ergebe sich aus § 123. Nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 b könne die Staatskasse auf sie übergehende Kosten gegen die unterlegene Partei jedoch nur im Rahmen der PKH geltend machen. Bei einer solchen Fallkonstellation sei der Anwalt verpflichtet, sich an die Staatskasse zu halten, ein Antrag nach § 126 sei missbräuchlich (s. Lappe § 42 I 12 und Rpfleger 1984, 129, 130; AK-ZPO/Deppe-Hilgenberg Rn. 12).

    Zöller/Philippi, Rdnr. 9 zu § 126 lehnt die genannte Meinung ab. Der Anwalt habe in jdem Fall ein Wahlrecht zwischen Erstattung aus der Staatskasse und § 126 ZPO. Aus § 122 I Nr. 3 ergebe sich nicht, dass kein Honoraranspruch gegen die Partie bestehe, sondern lediglich, dass dieser Anspruch vom Anwalt nicht geltend gemacht werden dürfe, quasi gestundet sei. Zudem sei der Kostenerstattungsanspruch unabhängig davon, ob die Partei Ihren Anwalt bereits befriedigt habe oder nicht.

    Bei der erstgenannten Meinung scheint mir das Problem zu sein, dass in einem solchen Fall der Anwalt nie zu seinen Differenzkosten kommen könnte: Über § 126 ZPO darf er sie nicht festsetzen lassen und aus der Staatskasse bekommt er sie auch nicht. Es kann aber doch nicht richtig sein, dass der Beklagte davon profitiert, dass der Kläger PKH mit 0-Raten bewilligt bekommen hat.

    Meinungen dazu?

  • Eine Frage, die mit dem von Kai zuvor beschriebenen Problem zusammenhängt, ist auch die Frage der Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO.

    Können von der unterlegenen Partei, der ebenfalls PKH bewilligt wurde, die auf die Landeskasse übergegangenen Kosten eingezogen werden?

    Dafür sind u. A. BGH, JurBüro 1997, 648; OLG Oldenburg, JurBüro 1991, 1373; KG, JurBüro 1988, 746; OLG Nürnberg, JurBüro 2001, 601 sowie Gerold/Schmidt und Hansens in der BRAGO-Kommentierung. Sie argumentieren, dass bei der Anwendung des § 130 BRAGO zwischen den Ansprüchen des RA gegen die eigene Partei und gegen einen ersatzpflichtigen Gegner zu unterscheiden sei. § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO hingegen führe begrifflich nur "die Partei", nicht aber den ersatzpflichtigen Gegner auf. Damit sei nur die eigene Partei gemeint und die Auslegung führt auch dazu, dass man als unbefriedigendes Ergebnis ausschließen könne, dass der "arme" ersatzpflichtige Gegner zwar sich einer Festsetzung nach §§ 123, 126 ZPO auf den Namen des RA ausgesetzt sieht, nicht aber der Wiedereinziehung der übergegangeenen Beträge über den Umweg der Landeskasse. Schließlich sei der Anspruch derselbe, lediglich in Person des Gläubigers vollzieht sich ein Wechsel von RA auf die Landeskasse mit Befriedigung des RA durch die PKH-Vergütung. Insoweit würde § 123 ZPO das Ergebnis ebenfalls stützen, da die Bewilligung von PKH gerade keinen Einfluss habe, dem obsiegenden Gegner die Kosten zu erstatten.

    Die Gegenmeinung (OLG München, Rpfleger 2001, 307; OLG Braunschweig, JurBüro 1990, 254; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1989, 114; OLG Hamburg, JurBüro 1985, 612; Baumbach/Hartmann; Musielak-Fischer; Stein/Jonas/Bork, Zöller) argumentiert historisch am Gesetzeswortlaut. Aus der Gesetzesbegründung zu § 120 ZPO, dem heutigen § 122 ZPO, ergibt sich, dass mit "die Partei" auch die generische Partei gemeint ist (BT-Drs. 8/3068).

    Der von Kai ausgeführten Meinung von Musielak kann ich mich nicht anschließen; in der Tat bleibt der RA auf seiner Differenzvergütung sitzen, die er weder aus der Landeskasse erhält, da diese nur die -ab 3.000,- EUR Streitwert- verminderten Gebühren erhält, noch nach Musielak vom Gegner nach § 126 ZPO. Widerspricht doch § 123 ZPO. Schließt denn Musielak in den Fällen auch eine Festsetzung nach § 103 ZPO auf den Namen der obsiegenden PKH-Partei gegen die unterlegene PKH-Partei aus?

  • Zitat von stolli

    Schließt denn Musielak in den Fällen auch eine Festsetzung nach § 103 ZPO auf den Namen der obsiegenden PKH-Partei gegen die unterlegene PKH-Partei aus?



    Nein (Rdnr. 9):
    Das Beitreibungsrecht des PKH-Anwaltes nach § 126 und der Kostenerstattungsanspruch der PKH-Partei nach § 104 bestünden selbständig nebeneinander, wobei jedoch das Parteirecht durch das Anwaltsrecht verstrickt sei. Diese Verstrickung bedeute, dass eine Verfügung der Partei über den Erstattungsanspruch oder eine Zahlung des Gegners an die Partei nicht gegenüber dem Anwalt wirke. Die Stellung des Anwalts sei damit nach allgM der eines Gläubigers nach § 835 vergleichbar. Wenn und solange die Verstrickung gegeben sei, sei eine Aufrechnung durch den Gegner ausgeschlossen.

    Unter Rdnr. 6 wird auf die Gefahr hingewiesen, die der Anwalt bei § 103 ZPO eingeht:

    Vereitelte der Anwalt grob fahrlässig einen Anspruchsübergang auf die Staatskasse, weil die Gegenseite aufrechne (Rn. 11: Eine Aufrechnung durch den Gegner komme nach wohl ganz hM jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Anwalt das Kostenfestsetzungsverfahren von Anfang an im eigenen Namen betrieben hat), müsse er uU die erhaltenen Gebühren aus der Staatskasse zurückzahlen bzw. habe keinen Anspruch auf Vergütung."

    Eine wirkliche Alternative sieht also wohl auch Musielak nicht in § 103 ZPO.

  • Der Hinweis auf die Gefahren von Musielak, ist durchaus berechtigt. Allerdings bleibt dann auch nur der Ausweg auf die Festsetzung nach § 126 ZPO. Die Rückzahlung der PKH-Vergütung wegen grober Fahrlässigkeit des RA gründet ja gerade darauf, dass dieser nicht die Festsetzung nach § 126 ZPO beantragt hat, sondern diejenige nach §§ 103, 104 ZPO auf den Namen der Partei, was eine Aufrechnung erst ermöglichte.

    Wie soll der RA dem entgehen, wenn Musielak in dem geschilderten Fall des erstattungspflichtigen PKH-Gegners einen Antrag nach § 126 ZPO zurückweisen will?

    Es gibt sogar Gerichte, die der Auffassung sind, dass eine Festsetzung nach §§ 103, 104 ZPO auf den Namen der Partei gänzlich ausscheide, da diese ja nie Zahlungen an den RA geleistet habe, so dass zu ihren Gunsten auch nichts zu titulieren sei. Es bleibe vielmehr nur der Weg nach § 126 ZPO. Auch wird die Ansicht vertreten, das Gericht sei im Rahmen des § 139 ZPO verpflichtet, den RA auf die Festsetzung nach § 126 ZPO hinzuweisen bzw. zu verweisen.

    All dies müsste aber im Musielak-Fall hinfällig sein?

    Ich glaube die Musielak-Kommentierung ist missverständlich, nachdem ich mir mal die zitierte Fundstelle von Lappe angelesen habe:
    "Soweit ihm ein Anspruch gegen die Staatskasse zusteht, muß er sich auf ihn verweisen lassen, ein Kostenfestsetzungsantrag gegen den Gegner wäre als Rechtsmißbrauch zurückzuweisen."

    "Soweit" bedeutet dann natürlich nur die PKH-Vergütung, die er von der Landeskasse beanspruchen kann. Die Differenzkosten, für welche die Landeskasse nicht in Anspruch genommen werden kann, können demnach nach §§ 103, 104 oder § 126 ZPO durchaus festgesetzt werden.

    Oder blick ich´s grad nicht mehr?

  • Lappe argumentiert angesichts der Tatsache, dass die PKH-Bewilligung nicht die Pflicht zur Zahlung der gegnerischen Kosten aufhebt, etwas merkwürdig:

    Gehe der Anwalt nach § 126 vor, müsse der Unterlegene die vollen Gebühren zahlen, gehe der Anwalt den Umweg über die Staatskasse, bliebe er davon verschont. Dies sei willkürlich.

    MüKo-ZPO/Wax, Rdnr. 3 zu § 126 lehnt die Ansicht von Lappe ebenfalls ab. Hier wird das Problem mehr unter dem Blickwinkel des eigenen Beitreibungsrechts der Partei gesehen. Der Gegner müsse die Kosten der obsiegenden PKH-Partei zahlen. Die obsiegend Partei habe schon wegen der Ratenzahlungsverpflichtung bzw. der evtl. späteren Ratenzahlungspflicht über § 120 IV ZPO ein originäres eigenes Interesse an einer Beitreibung im eigenen Namen.

  • Ich halte die Ansicht Lappes nicht für merkwürdig, sondern aus seiner Sicht der Dinge nur für konsequent.

    Entscheidend für die Ansicht dürfte eben gerade die Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO sein und die Frage, ob die Landeskasse die übergegangenen Beträge gegen die unterlegene PKH-Partei geltend machen kann.

    Die befürwortende Ansicht ist doch letztlich der Meinung, dass die Landeskasse lediglich Neugläubigerin des Anspruchs des RA wird. An der Qualität des Anspruchs ändere sich nichts. Und wenn die unterlegene PKH-Partei dem RA bzw. der Partei sämtliche Kosten erstatten müsse, könne nichts anderes nach dem Forderungsübergang auf die Landeskasse gelten.

    Die Gegenmeinung sowie Lappe verneinen gerade die Geltendmachung des Übergangs durch die Landeskasse gegen den unterlegenen PKH-Gegner wegen der Gesetzesbegründung zu § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO, da dieser eben nicht nur die eigene Partei meine. Daher muss man in der Folge nur konsequenterweise auch zum Ergebnis gelangen, dass dieser "Schutz" des § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO zugunsten der unterlegenen PKH-Partei nicht durch eine Kostenfestetzung nach § 126 ZPO ausgehebelt werden kann, soweit nach § 126 ZPO die komplette Wahlanwaltsvergütung geltend gemacht wird und nicht nur die Differenzkosten, weil der RA die PKH-Vergütung gegenüber der Landeskasse nicht geltend machen will.

  • In der Praxis habe ich es immer wie folgt gehandhabt:

    Eine Festsetzung nach § 126 ZPO ist auch gegen eine unterlegene PKH-Partei möglich! Grundlage: 123 ZPO!

    Auch eine Einziehung von aus der Landeskasse "verauslagte" Vergütung des PKH-Anwalts der obsiegenden Partei vom unterlegenen PKH-Gegner halte ich für zulässig! § 122 ZPO steht dem m.E. nicht entgegen.

    Begründung:
    Es kann nicht sein, dass die unterlegene Partei einen Vorteil davon hätte, dass dem Gegner ebenfalls PKH bewilligt wurde. Darauf liefe es aber hinaus, würde man der Gegenmeinung folgen.
    Es handelt sich letztlich dem Grunde nach noch immer um Anwaltskosten der obsiegenden Partei. Wer diese nun geltend macht, kann doch eigentlich keine Rolle spielen!

    Anders ist jedoch die Frage zu beurteilen, ob auch vom Obsiegenden verauslagte Gerichtskosten mit festgesetzt werden können bzw. ob die Landeskasse insoweit ein Rückforderungsrecht gegen die unterlegene PKH-Partei hätte.
    Hier steht m.E. § 122 ZPO schon entgegen, da diese Vorschrift die PKH-Partei grundsätzlich von der Pflicht zur Zahlung von Gerichtskosten befreit. Auch hier kann es keinen Unterschied machen, wer diese Ger.Kosten nun einfordert.
    Ein evtl. vom Obsiegenden eingezahlter Kostenvorschuss wäre also an diesen zurückzuzahlen. Eine Festsetzung gegen die PKH-Partei ist nicht möglich.
    Ausnahme:
    Die PKH-Partei übernimmt die Verpflichtung zur (anteiligen) Kostentragung in einem Vergleich. In einem solchen Fall erfolgt ja die Kostenübernahme durch die PKH-Partei quasi freiwillig und kann daher nicht zu Lasten der Landeskasse gehen.

    Fazit:
    Nach meiner Meinung ist die Sachlage danach zu beurteilen, welchen Ursprung die Forderung hat! Anwaltskosten bleiben Anwaltskosten und Gerichtskosten bleiben Gerichtskosten! Es kann nicht darauf ankommen, wer diese Forderung gegenüber der unterlegenen PKH-Paretei geltend macht.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Die von Ulf in der Praxis angewandte Handhabe dürfte wohl auch die gängige Praxis bei den meisten Kollegen sein.

    Dennoch um es noch mal klarzustellen: auch die Gegenmeinung (Lappe) hält m. E. eine Festsetzung nach § 126 ZPO nicht pauschal für unzulässig, sondern nur soweit mit dieser auch der Anspruch geltend gemacht wird, für den der RA eigentlich die Landeskasse in Anspruch nehmen könnte (PKH-Vergütung). Wegen der Differenzkosten bleibt also die Festsetzung nach § 126 ZPO zulässig.

    Die von Ulf aufgeführte Auffassung, dass die Einziehung von der unterlegenen PKH-Partei zulässig sein muss, weil die Qualität des Anspruchs derselbe bleibt und nur die Person des Gläubigers wechselt, entspricht ja gerade der von mir weiter oben aufgeführten "Pro"-Meinung. Dieses Ergebnis ist zumindest aus Sicht der Landeskasse zielorientiert.

    Allerdings läuft sie dem Willen des Gesetzgebers zuwider, da dieser in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebracht hat:
    „Die auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte -gegen die Partei- (Buchstabe b) sind nicht nur die Ansprüche der Rechtsanwälte, die der Partei beigeordnet waren. Erfasst werden auch die nach § 130 BRAGO übergegangenen Ansprüche der dem Gegner beigeordne­ten Rechtsanwälte gegen die Partei. Dieser Fall kann eintreten, wenn beiden Parteien PKH bewilligt ist. Die ersatzpflichtige Partei soll auch dann höchstens die in den §§ 114 a, 114 c Abs. 3 i.d.F. des Art. 1 Nr. 4 vorgesehenen Beträge an die Staatskasse zahlen.“

    Wäre dem nach nicht der Gegenmeinung der Vorzug zu geben, auch wenn das Ergebnis einem nicht passt?

    Die Festsetzung von verauslagten Gerichtskosten gegen die unterlegene PKH-Partei ist seit der Entscheidung des BVerfG im Jahre 1999 -fast- unstreitig: Ist die PKH-Partei Entscheidungsschuldner, kann eine Festsetzung nicht erfolgen; der eingezahlte Gerichtskostenvorschuss ist zurückzuzahlen. Eine Festsetzung ist nur noch zulässig in den Fällen, in denen die PKH-Partei Übernahmeschuldnerin ist. Das Problem setzte meines Wissens nach aber nicht bei § 122 ZPO an, sondern sozusagen einen Schritt früher, bei der Frage, ob der Kostenbeamte überhaupt eine Verrechnung der eingezahlten Gerichtskosten auf die Schuld der PKH-Partei vornehmen durfte (§ 58 GKG), was letztlich die Kostenfestsetzung natürlich eröffnete.
    Im Übrigen hat damit der Kläger, der die Gerichtskosten einzahlte, auch einen Vorteil dadurch, dass dem Gegner PKH bewilligt ist (soweit diese als Entscheidungsschuldnerin haften würde).

    Warum also nicht auch den von Ulf kritisierten Vorteil umgekehrt bei Anwaltskosten?

    Das Ergebnis bei Gerichts- und Anwaltskosten ist das Gleiche: Die Parteien sind zufrieden und die Landeskasse ist die Dumme, da sie auf den Kosten sitzenbleibt mangels Einziehungsmöglichkeit.

    Am Rande: Ich handhabe es ebenso wie Ulf in der Praxis.

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