Insolvenzeröffnung und Kindesunterhalt

  • Hallo zusammen,

    hab durch googlen dieses forum gefunden und recht gute hinweise bisher erhalten können, nun aber bin ich mir doch nicht so sicher und brauche hilfe

    folgender sachverhalt:

    Habe im Dezember 2006, für eine Mandanin (A) einen PfÜb nach §850d wegen unterhaltsrückständen und laufenden Unterhalt, sowie übersendung der monatlichen gehaltsabrechnungen beim Arbeitgeber des geschiedenen mannes (B) erwirkt. Dabei wurde vom zuständigen Vollstreckungsgericht als pfändungsfreier Betrag für B 780 Euro beschlossen. B verfügt über nettoeinkommen von ca. 1200 Euro, so dass etwa 420 Euro an mich gezahlt wurden (laufender Unterhalt + Unterhaltsrückstände)

    Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens von B war am 16.3.2007

    B hat nun bei gericht beantragt den PfÜb aufzuheben, da es sich bei den rücksändigen Unterhaltsforderungen um angebliche insolvenzforderungen handelt und dementsprechende nur noch der laufende unterhalt pfändbar wäre(in den vorrechtsbereich -versteht sich). Ist dem tatsächlich so?

    Meiner meinung nach handelt es sich hier um eher "ansichtssache" ich habe schon mehrfach gelesen das dies keine rolle spielt ob laufender unterhalt oder unterhaltsrückstände (sozusage alles "eins") ich habe aber auch schon B bestätigende Aussagen gelesen.

    89(1) spricht ja auf der einen seite recht deutliche Worte, das ich für A nicht mehr pfänden darf. 89(2) hingegen lässt sich meienr meinung nach nicht genau zu diesem Punkt aus "...Die gilt nicht für die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruches...".

    So und nun meine Frage wie siehts denn hier tatsächlich aus, was kann ich meiner Mandantin sagen? Muss sie jetzt tatsächlich auf einen Teil der Pfändung verzichten und hoffen das sie dies dann vom bestellten TH des B erhält (sofern dieser bedienen kann, da B ja mit 1200 Euro netto nichts pfändbares für die nachrangigen Gläubiger hat)?

    Ich hoffe Ihr könnt mir helfen gern auch mit klaren Hinweisen auf eventuelle Kommentare oder Urteile in ähnlichen Fällen.

  • Rückstände die, die vor Eröffnung entstanden sind fallen unter § 89 I InsO und sind somit nicht mehr vollstreckbar. Die Pfändung wird wegen dieser Rückstände nach § 114 III InsO unwirksam.

    Nur noch wegen des ab Eröffnung laufenden Unterhalts kann nach § 89 II Satz 2 InsO vollstreckt werden.

    Bei dem Einkommen ist bei einer u.P. nichts pfändbar. Somit fällt nichts für die Masse an. Das Kind bekommt den laufenden Unterhalt und wenn dieser nicht befriedigt werden kann auch irgendwann die Rückstände, die ab Eröffnung wieder aufgelaufen sind.

  • Vilen Dank Hego,

    für mich, bzw. meine mandantin heißt das jetzt:

    Da Eröffnung der Insolvenz von B am 16.03.2007 ist die Pfändug der Rückstände für April noch gültig. Aber ab Mai kann ich nur noch die laufenden Unterhaltsansprüche pfänden lassen.

    Muss ich dazu einen neuen PfÜb beantragen oder bleibt der alte weiterhin bestehen?

    noch was, dass ich ganz vergessen hatte:

    B hat in seinem Antrag beantragt, dass ich keine Lohn- und Gehalsabrechnungen mehr vom AG zugeschickt bekomme, fällt das damit auch weg, macht es überhaupt noch sinn für mich? B hatte als Begründung ausgeführt, dass er seinem Treunhänder schon die Lohn- und gehaltsabrechnungen liefern muss.

    Sorry, viele Fragen aber das ist ein für mich spezieller sonderfall, den ich hier zum ersten male betreue.

  • Ich hab das Heft zwar grade nicht zur Hand, aber Ausführliches zum Unterhaltsgläubiger in der Insolvenz hat gerade Keller (NZI 2007, 143) unters Volk gebracht.

  • Eröffnung des Verfahrens am 16.03., dann fallen alle Rückstände bis einschließlich März zur Masse.

    Das ergibt sich meiner Meinung nach ausdrücklich aus dem Gesetz, nämlich § 114 III InsO durch den Verweis auf § 89 II Satz 2. Danach ist die Vollstreckung während des Verfahrens nur noch für Neugläubiger in den sogen. erweiterten Pfandbereich erlaubt.

    Ich kenne auch andere Auffassungen von Drittschuldnern, die aber meiner Meinung nicht richtig sind.

    Die Unwirksamkeit ergibt sich aus dem Gesetz und für eine Aufhebung der Pfändung (wegen der Rückstände) besteht meiner Meinung nach kein Rechtsschutzinteresse. Lediglich ein Klarstellungsbeschluss könnte hier für alle Beteiligten sinnvoll sein um die nötige Klarheit herzustellen.

    Die Pfändung der Gehaltsabrechnung bei dem Arbeitgeber ist ein leidiges Thema gegen das ich seit mehr als 10 Jahren kämpfe.

    Es gibt dazu eine Entscheidung des Pfälzischen OLG vom 16.06.1996 und des LAG Frankfurt vom 24.01.2002 die sich gegen die Pfändung bei dem Arbeitgeber aussprechen.

    Der BGH hatte in dem vergangenen Jahr zwei Entscheidungen getroffen, die sich mit der Pflicht zur Herausgabe durch den Schuldner beschäftigt haben und dies auch bestätigt haben. In der Entscheidung vom Dez. 2006 hat der BGH gesagt, dass der Gläubiger die Richtigkeit der Berechnungen des AG überprüfen können muss. Es wäre unsinnig, den Drittschuldner zur Herausgabe der Lohnabrechnung zu verpflichten damit der Gl. überprüfen kann, ob der AG richtig berechnet hat.

    Auch das Argument des Schuldners ist sinnvoll weil der Anspruch auf Aushändigung der Gehaltsabrechnung nur ein mal besteht. Ist der Anspruch erfüllt, ist er weg.

  • Ich hab das Heft zwar grade nicht zur Hand, aber Ausführliches zum Unterhaltsgläubiger in der Insolvenz hat gerade Keller (NZI 2007, 143) unters Volk gebracht.



    Der Aufsatz gibt nicht so sonderlich viel her zu dem Thema ob die Unwirksamkeit der Pfändung wegen der Rückstände vor der Eröffnung nach § 114 III InsO "automatisch" unwirksam wird und vom DS zu beachten ist.

    Im drittletzten Absatz schreibt Keller im letzten Satz:

    "Bei der Zwangsvollstreckung in das AE unterliegt er trotz des Vorrechts aus § 850d ZPO auch der Unwirksamkeitsfolge des § 114 III InsO."

    Ist ja alles prima, so sehe ich das auch, aber hat der Drittschuldner das von sich auch zu beachten (ich meine ja) oder hat der Insolvenzverwalter § 114 II InsO mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend zu machen (wie er auf Seite 146 Buchstabe c) vorletzter Absatz schreibt).

    Ich denke mir, dass der Drittschuldner nicht die gewöhnlichen Pfändungen als unwirksam ansehen kann und den Unterhaltsrückstand lässt er laufen und wartet auf die Aufhebung. Das wäre inkonsequent.

    Wenn der DS aber grundsätzlich auf die Aufhebungen der Pfändungen warten würde, dann hätten er ein Problem und die TH und Rechtspfleger würden sich wegen der zusätzlichen (unnötigen) Arbeit nicht gerade freuen.

    Wie sehen denn die Inso-Rechtspfleger diese Frage?

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    Im drittletzten Absatz schreibt Keller im letzten Satz:

    "Bei der Zwangsvollstreckung in das AE unterliegt er trotz des Vorrechts aus § 850d ZPO auch der Unwirksamkeitsfolge des § 114 III InsO."
    Ist ja alles prima, so sehe ich das auch, aber hat der Drittschuldner das von sich auch zu beachten (ich meine ja) oder hat der Insolvenzverwalter § 114 II InsO mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend zu machen (wie er auf Seite 146 Buchstabe c) vorletzter Absatz schreibt).



    reine Verständnisfrage HEGO:

    kann der Verwalter wegen § 850d ZPO überhaupt Vollstreckungserinnerung einlegen oder ist dies, wegen § 36, I InsO nicht eine Sache des Schulders?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Wenn man davon ausgeht, dass § 114 III InsO die Pfändungen unwirksam werden lässt, dann muss der AG dies von sich aus bei Kenntnis über die Eröffnung des Verfahrens beachten (meine Meinung). Die Einschränkung für Unterhalts- und Deliktsforderungen mit dem Hinweis auf § 89 II Satz 2 InsO lässt nur die Pfändung der Unterhaltsforderungen als Neuforderungen zu. § 89 I InsO gilt also nicht nur für neue Pfändungen, die nach der Eröffnung erlassen werden sondern auch für die, die bei Eröffnung bereits bestanden haben.

    Das bedeutet für mich, dass für mich als DS auch die Unterhaltspfändungen hinsichtlich der Rückstände und Unterhaltsbeträge, die vor der Eröffnung fällig waren, nach § 114 III InsO unwirksam werden (ohne gerichtliche Aufhebung).

    Es gibt aber auch die Meinung von Prof`s, die sagen, dass die Pfändung und die Verstrickung weiterhin bestehen und erst dann beseitigt sind, wenn die Pfändung von dem Gericht formal aufgehoben ist (Schutz des DS nach § 836 II ZPO).

    Diese Auffassung teilt also auch Keller, indem er in dem Aufsatz schreibt, dass § 114 III InsO (sorry, hatte oben Abs. II geschrieben) von dem IV mit Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend zu machen hat.

    In dem Fall legt der Verwalter also keine Erinnerung gegen § 850d ZPO ein sondern lässt die Pfändung wegen der bis zur Eröffnung des Verfahrens entstandenen Rückstände aufheben. Das sollte hier wohl gemeint sein. Da die Pfändung aber nur in das insolvenzfrei Vermögen greift ist die Frage (das meinst Du wohl damit) ob es den IV/TH überhaupt interessiert oder interessieren darf. Schließlich ist es das Geld des Schuldners.

    Nur ein Problem stellt sich damit, wenn die Rückstände aus dem erweiterten Pfandbereich weiter getilgt werden. Was ist dann mit den Rückständen als Insolvenzforderung???? Und da sollte auch der IV/TH Interesse an einer klaren Regelung haben.

    Die Unwirksamkeit der Pfändung wegen der Rückstände ergibt sich meiner Meinung nach aber (wie obenn beschrieben) aus dem Gesetz und für eine Erinnerung besteht meiner Meinung nach kein Rechtsschutzinteresse. Allenfalls könnte ein klarstellender Beschluss sinnvoll sein wenn der AG das haben will oder sich weigert die Unwirksamkeint anzunehmen.

    Die Frage ist dann nur, wenn der AG die Pfändung nicht für unwirksam hält, dann müsste er konsequenter Weise weiterhin an den Gläubiger zahlen.

  • Ich nehme das noch mal nach oben.

    Vielleicht können die Insolvenzrechtspfleger dazu noch etwas beitragen (auch wenn es nur das Bauchgefühl ist)

  • Da bin ich doch sehr erstaunt über das ERgebnis und dankbar, dass es nochmals zur Diskussion gestellt wird. Die Auffassung von Edelm4nn habe ich bisher gegenüber Drittschuldner und Insolvenzverwaltern unangefochten vertreten.

    Im 89.2.2 heißt es "Dies gilt nicht für Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs." Im 114.3 heißt es: §89, Abs 2 Satz 2 gilt entsprechend."

    Was soll dieser Satz denn anders bedeuten als die Fortsetzung der Unterhaltspfändung nach 850d bis zur Tabellengrenze? Habe ich einfach nur Glück gehabt?

    Moosi

  • Es geht eigentlich weniger um die Fortsetzung der Unterhaltspfändung wegen laufender Ansprüche (ab Eröffnung) sondern darum, ob die bereits vor Eröffnung zugestellte Pfändung wegen der Rückstände für die Zeit vor der Eröffnung durch § 114 Abs. 3 InsO quasi von selbst unwirksam wird - Was ich auf jeden Fall für zutreffen halte.

    Hier dürfte es sich auch noch um einen Fall des § 88 InsO (Rückschlagsperre) handeln. Das ist mir bei erneutem Durchlesen erst aufgefallen.

  • Ich hänge mich mit meinem Thema ´mal an diesen Thread :

    Können die - während des Insolvenzverfahrens entstandenen - monatlichen Unterhaltsansprüche (Kindesunterhalt) nach Abschluss des Insolvenzverfahrens vollumfänglich gegen den Schuldner geltend gemacht werden ?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Ja, denn der Unterhaltsgläubiger ist mit den nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Forderungen Neugläubiger.

  • Können die - während des Insolvenzverfahrens entstandenen - monatlichen Unterhaltsansprüche (Kindesunterhalt) nach Abschluss des Insolvenzverfahrens vollumfänglich gegen den Schuldner geltend gemacht werden ?



    Kleine Einschränkung: Es kommt darauf an, was mit (1) geltend gemacht und (2) Abschluss des Insolvenzverfahrens genau gemeint ist.

    1. Geltend machen im Sinne von Einfordern und erforderlichenfalls Einklagen kann der Neugläubiger immer, d.h. auch schon während des laufenden InsVerfahrens. Vollstrecken kann er frühestens wieder nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

    2. Nach Aufhebung des InsVerfahrens (= Übergang in die WVP) steht bis zur Erteilung/Versagung der RSB der regulär pfändbare Betrag wegen der Abtretung gem. § 287 II InsO immer noch dem TH zu; der Unterhaltsgläubiger kann daher wegen der Neuforderungen seit Insolvenzeröffnung zwar vollstrecken, aber nur in die Differenz bis zum Selbstbehalt.

    Nach Erteilung/Versagung der RSB kann dann wieder voll in alles vollstreckt werden, wobei eine Vollstreckung bereits in der WVP zur Rangwahrung zu empfehlen ist.

  • ok - danke - und was ist mit den Unterhaltsrückständen, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind ?



    Derzeitige Rechtslage wie von LFdC dargestellt. Nach dem Entwurf für das Entschuldungsverfahren sollen Unterhaltsrückstände künftig von der RSB ausgenommen werden.

  • :dankescho allerseits...

    P.S.: Ich hasse diese insolvenzrechtlichen Berührungen und gerate des öfteren ins Schwimmen. Aber dafür haben wir ja unser Forum...

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Das ist schon lange angedacht und in der Zwischenzeit gab es einige Änderungen ohne dass § 302 InsO (wie angedacht) geändert worden wäre. Vielleicht kommt es ja doch noch.

    Der Gesetzgeber muss doch auch an die Kommunen denken. Wenn es nur um die Unterhaltsgläubiger selbst ginge wäre das dem Gesetzgeber wohl kaum wichtig (sonst hätte er das ja schon von Anfang an rein bringen können).

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