Aufgebot nach § 927 BGB

  • Hilfe! Sowas hab ich noch nie gesehen:

    Ein Aufgebotsverfahren, bei dem es um Ersitzung eines grundstückes geht.
    Laut § 927 BGB muss sich das Grundstück seit mehr als 30 Jahren im Eigenbesitz des Antragstellers befinden. Jetzt meine Frage: Die gute Frau hat eidesstattlich versichert, dass sie und ihr Mann das Grundstück seit 1947 "mehrere Wochen im Jahr" bewohnt haben. Reicht das als Eigenbesitz aus? Es soll ja so sein, dass man sich verhält, als wäre man Eigentümer, aber bei einer so geringen Nutzung? Muss ich erst anfragen, was den Rest des Jahres damit geschieht.
    Nächste Frage: der eingetr. Eigentümer ist 1862 geboren. Ein genauer todeszeitpunk kann nicht angegeben werden, aber bei dem Geburtsdatum kann man doch vom Tod ausgehen. muss ich mir da trotzdem noch was glaubhaft machen lassen. Einer todeserklärung bedarf es laut Zöller ja nicht. :confused:

  • Zum Nachweis, dass sich das Grundstück seit mehr als 30 Jahren im Eigenbesitz befindet, reicht allein die eidesstattliche Versicherung der Antragsteller nicht aus. Ich verlange in solchen Fällen Belege, aus denen sich z.B. ergibt, dass die Antragsteller die Grundsteuern oder Versicherungsbeiträge für das Objekt gezahlt haben. Darüber hinaus steht im Zöller, Rz. 1 zu 980 ZPO, dass man ein Besitzzeugnis des Bürgermeisters vorzulegen hat.

    Ansonsten haben die Antragsteller nachzuweisen, dass sie zumindest versucht haben, den eingetragenen Eigentümer bzw. dessen Erben zu ermitteln. Hierzu lasse ich mir den Schriftwechsel mit Standesämtern, dem Nachlassgericht, Kirchengemeinde, Melderegister usw. vorlegen. Allein mit der Aussage, den Eigentümer kennen wir nicht und auch die Nachbarschaft kann nichts dazu sagen, reicht mir nicht aus.

  • Ich habe einen Pachtvertrag vorliegen, geschlossen mit dem damaligen Bürgermeister (1947) und ein Schreiben eines Historikers, der sich mit dem eingetr. Eigentümer beschäftigt hat (der Mann war Schriftsteller). Das finde ich wenig, aber offenbar ist der Typ ausgewandert, so dass kein Todesnachweis zu erbringen ist. Zumal der ja schon über 140 Jahre alt wäre. Aber das ist ja auch weniger mein Problem. Aus dem Pachtvertrag geht hervor, dass der Pächter alle Gemeindelasten und Steuern etc. zu tragen hat.
    Ist das mit dem Besitzzeugnis des Bürgermeisters ein Muss?

  • Ein Pächter ist nicht Eigenbesitzer, sondern Fremdbesitzer.


    Wie jetzt??? Was soll das wieder heißen. Wenn die das Grundstück aber nutzen? Und sie haben ja nicht vom Eigentmer gepachtet, sondern vom Bürgermeister, sozusagen als Treuhänder für den abhanden gekommenen Eigentümer. Geht das Verfahren dann gar nicht? Und vor allem, wo steht das ????? :confused:

  • Eigenbesitzer ist jemand, der eine Sache als ihm gehörend besitzt (§ 872 BGB). Er muss den Besitz über die Sache daher mit dem Willen ausüben, sie wie eine ihm gehörende zu beherrschen (BGH NJW 1996, 1890, 1893). Diese Voraussetzung ist bei einem Pächter (oder bei einem Rechtsnachfolger, der weiß, dass der Rechtsvorgänger Pächter war) nicht erfüllt, weil ihm klar ist, dass die gepachtete Sache nicht ihm gehört und ihm auch nicht gehören kann.

    Damit ist dem Aufgebotsverfahren nach § 927 BGB die Grundlage entzogen.

    Guter Glaube ist für einen Eigenbesitz nicht erforderlich (darum kann auch der Dieb Eigenbesitzer der gestohlenen Sache sein). Im vorliegenden Fall fehlt es aber bereits am Eigenbesitz als solchem.

  • Wenn die Antragsteller seit Jahren das Grundstück gepachtet haben kommt eine Ersitzung nicht in Betracht. Wie Juris2112 schon festgestellt hat, ist ein Pächter immer Fremdbesitzer. Die Tatsache, dass die Antragsteller die Grundsteuern gezahlt haben, ist hier dann unbeachtlich, da dies lediglich ein vertragliche Vereinbarung darstellt. Wenn ich ein Einfamilienhaus miete, kann ich auch mit dem Vermieter vereinbaren, dass ich als Mieter die Grundsteuern und Gebäudeversicherung bezahle. Ich kann allerdings daraus keinen Eigenbesitz ableiten.

    Etwas anderes wäre es, wenn die Antragsteller die Verpächter wären, also so getan hätten, als wären sie Eigentümer. Das ist aber vorliegend gerade nicht der Fall.

    Den Antragstellern war mit Unterzeichnung des Pachtvertrages 1947 bewust, dass sie das Eigentum eines anderen gegen Zahlung des Pachtzinses oder gegen Übernahme der öffentlichen Grundstückslasten und Versicherungen (was nur eine andere Form des Pachtzinses darstellt) nutzen und gerade nicht Eigentümer des Grundstücks sind.

  • Manchmal sieht man eben den Wald vor lauter Bäumen nicht.

    Wenn Du eine Wohnung oder ein Haus mietest, bist Du auch nicht Eigenbesitzer, sondern Fremdbesitzer. Es kommt insoweit nicht auf die faktische Nutzung an sich, sondern auf den eigentumsrechtlichen Willen an, mit welchem man besitzt oder auch nicht.

  • Da gibt es leider nur noch ein Problem: Der "Eigenbesitzwillen" ist wohl zu bejaen, weil Grundlage der Inbesitznahme ein mündliches Schenkungsversprechen zwischen Eigentümer und Besitzer ist. Es ist nur nicht mehr zu einem schriftlichen vertrag gekommen. der "Pachtvertrag" ist wohl eher deklaratorischer Natur, damit eine Grundlage besteht, auf der die Lastentragungen vom besitzer entrichtet werden. Was nun? Das mündliche versprechen läßt sich natürlich nicht nachweisen, ist aber die grundlage, auf der der Eigenbesitzwillen beruht, denke ich jedenfalls.

  • Ich würde mal nachfragen, wohin die derzeit laufende Pacht gezahlt worden ist bzw. wird.

    Besteht evtl. eine gesetzliche Vertretung nach dem VermG?

  • Gleichwohl ist das Aufgebotsverfahren nach § 927 BGB ausgeschlossen, weil die Antragsteller nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind. Denn wer nicht als Eigentümer eingetragen ist, kann das Grundstück begrifflich nicht als ihm gehörend besitzen (Palandt/Bassenge § 927 RdNr.1).



    Das ist doch aber gerade das, was die Antragstellerin bezwecken möchte. Und dafür ist das verfahren ja auch da, soweit ich gelesen habe. Damit auf Grund des Ausschlussurteils das Grundstück "herrenlos" wird und der Antragsteller sich als Eigentümer eintragen lassen kann. Das geht, sofern der Eigentümer verschollen oder verstorben ist. und das ist ja definitif der fall. Das ganze Verfahren würde doch keinen Sinn machen sonst. Man kann das Aufgebotsverfahren AUCH betreiben, wenn man als Eigentümer eingetragen ist, quasi als Unberechtigter.

  • Ich würde mal nachfragen, wohin die derzeit laufende Pacht gezahlt worden ist bzw. wird.



    Es sind keine Pachtzahlungen vereinbahrt (an wen auch?). Es steht lediglich drin, dass der Besitzer das Grundstück nutzen, ein Haus errichten und die öffentlichen Lasten tragen darf.

  • siehe § 11 b VermG

    Nicht immer ist die frühere staatliche Verwaltung im Grundbuch eingetragen worden. Ich würde daher bei der zuständigen Stadtverwaltung nach einer solchen Vertretung nachfragen.

  • Ich hatte meinen Beitrag bereits wieder gelöscht, weil die fehlende Möglichkeit der Ersitzung ja gerade die Voraussetzung für das Verfahren des § 927 BGB ist.

    Gleichwohl halte ich es auch nach der ergänzenden Sachverhaltsdarstellung in #11 für fraglich, ob im vorliegenden Fall ein Eigenbesitz der Antragsteller bejaht werden kann. Es ist auch juristischen Laien bekannt, dass der rechtsgeschäftliche Eigentumsübergang an Grundstücken ohne notarielle Mitwirkung und ohne Grundbucheintragung nicht möglich ist. Damit können sich die Antragsteller bestenfalls auf ein noch nicht dinglich vollzogenes und im übrigen formunwirksames mündliches Schenkungsversprechen, aber nicht auf eine Rechtsstellung berufen, die es ihnen ermöglicht hätte, das Grundstück als ihnen gehörend zu besitzen. Denn auch wer glaubt, einen Anspruch auf ein Grundstück zu haben, weiß, dass ihm das Grundstück nicht gehört, solange der Anspruch nicht erfüllt wurde. Im vorliegenden Fall wäre es daher allenfalls möglich, für die Zulässigkeit des Aufgebotsverfahrens von einem unschädlichen bösgläubigen Eigenbesitz auszugehen. Diese Entscheidung kann Dir aber keiner abnehmen.

  • In welchem fall ist denn ein Eigenbesitzwillen überhaupt zu bejaen? Wenn ich nicht im GB stehe, weiß ich ja immer, dass ich nicht Eigentümer sein kann. dann könnte so jemand die Voraussetzungen ja nie erfüllen.

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