Kontopfändung, Geld Dritter, § 765a ZPO

  • Hallo.

    Ich habe einen § 850k ZPO / § 765a ZPO-Antrag auf dem Tisch.

    Schuldner ist der Ehemann; gepfändet ist das gemeinsame Ehegattenkonto.

    Der Schuldner = die Bedarfsgemeinschaft bezieht Einkünfte nach § 55 SGB-I (ALG II). Insoweit werde ich auf die Wochenfrist verweisen.

    Die Ehefrau bezieht geringe Einkünfte, die auf das ALG II angerechnet werden und auf das gepfändete Konto (Oder-Konto) eingehen.

    Zur Sittenwidrigkeit der Pfändungsmaßnahme wird nur (sinngemäß, nicht wörtlich :) ) vorgetragen :

    Wir sind arme Würste und brauchen das Geld zur Deckung unseres Lebensunterhalts / Existenzminimums.

    Der Gläubiger hat sich zum Antrag nicht gerührt.

    Einerseits habe ich an § 771 ZPO gedacht, andererseits gibt es Rechtsprechung pro und kontra § 765a ZPO :
    a) kontra : Rpfleger 2004, 558 (Fußn. 237)
    b) pro : Rpfleger 2003, 517
    c) zweifelhaft : Rpfleger 2005, 372

    Wie steht Ihr zu diesem Thema und gibt es bei euch diesbezügl. weitere Rechtsprechung ???

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Das sind wirklich arme Würste. Ich würde wohl dem Antrag nach § 765a ZPO stattgeben. Ist zwar nicht ganz astrein, aber es ist doch offensichtlich, dass da nichts zu holen ist.

  • Kontra.
    Man hat ja keine Ahnung, was sonst noch auf dem Konto künftig eingeht.
    Hier ist eigentlich mal wieder der Gesetzgeber gefordert, um mit dieser unsäglichen Geschichte mit Konto, Pfändung, Anspruch auf Konto etc aufzuräumen. Passieren wird leider nix.
    Ich hatte aber mal einen Schuldner mit Leistungen nach BSHG mit Kontopfändung, dem jemand Geld schenkte, da hat sich der Gläubiger zurecht gefreut. Hätte ich die Pfändung aufgehoben wäre es wohl falsch gewesen.

  • Zitat von Harry

    Kontra.
    Man hat ja keine Ahnung, was sonst noch auf dem Konto künftig eingeht.
    Hier ist eigentlich mal wieder der Gesetzgeber gefordert, um mit dieser unsäglichen Geschichte mit Konto, Pfändung, Anspruch auf Konto etc aufzuräumen. Passieren wird leider nix.
    Ich hatte aber mal einen Schuldner mit Leistungen nach BSHG mit Kontopfändung, dem jemand Geld schenkte, da hat sich der Gläubiger zurecht gefreut. Hätte ich die Pfändung aufgehoben wäre es wohl falsch gewesen.


    Ich meinte jetzt nicht die Aufhebung der Kontopfändung mit dem § 765a ZPO, sondern die Freigabe des Einkommens der Ehefrau. Der Schuldner ist der Ehemann, also kann § 850k ZPO nicht greifen. Der Schuldner hat ja kein Arbeitseinkommen. Normalerweise wäre hier eine Drittwiderspruchsklage einzulegen, aber über den 765a geht´s schneller.

  • Kann einen Beschluss des LG Lüneburg beisteuern, der gegen eine Freigabe entschieden hat (allerdings nur gem. § 850k ZPO; B. v. 28.12.2005, 6 T 126/05). Der Schuldner und seine Frau haben ein gemeinschaftliches Konto, es gehen ein: Lohn des Schuldners, Lohn der Ehefrau und Kindergeld für ein Kind der Ehefrau aus 1. Ehe.

    Zitat aus den Gründen:
    "Das Amtsgericht hat es zu Recht abgelehnt, den vom Schuldner beantragten, weitergehenden Pfändungsschutz nach § 850k ZPO zu gewähren. Dem Vollstreckungsschutz nach § 850k ZPO unterliegen lediglich die eigenen Arbeitseinkünfte des Schuldners. Wegen materieller Rechte Dritter an gepfändeten Kontoguthaben hat der Vollstreckungsschuldner kein eigenes Interventionsrecht. Dies entspricht allgemeiner Meinung, vgl. nur Zöller, 24. Aufl., § 765a ZPO, Rz. 8. Vielmehr ist der Dritte gehalten, seine etwaigen materiellen Rechte selbst geltend zu machen.
    Eine insoweit in Betracht kommende Drittwiderspruchsklage der Ehefrau des Schuldners gemäß § 771 ZPO verstößt entgegen der Ansicht des Schuldners nicht "gegen den Sinn und Zweck des § 850k ZPO"). Im Zuge der Erhebung der Drittwiderspruchsklage bleibt es der Ehefrau unbenommen, gemäß § 771 Abs. 3 in Verbindung mit § 769 ZPO einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu stellen, die im Rahmen der Drittwiderspruchsklage auch ohne Sicherheitsleistung möglich ist, § 771 Abs. 3 Satz 2 ZPO."

  • Wenn, dann § 765 a ZPO. § 850 k ZPO greift nicht da Schuldner der Ehemann ist. Drittwiderspruchsklage erscheint mir auch zweifelhaft, da ich mich wage an eine Entscheidung erinnern kann, dass eine Drittwiderspruchsklage in solcher Konstellation keinen Erfolg hatte. In der Entscheidung wurde darauf abgestellt, dass in der Einrichtung eines Oder-Kontos gewöhnlich der konkludente verzicht der Eheleute auf Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach § 430 BGB gesehen wird.

  • Zitat von Manfred

    Normalerweise wäre hier eine Drittwiderspruchsklage einzulegen, aber über den 765a geht´s schneller.



    Das habe ich bis vor einigen Wochen auch gedacht Manfred. Ehemann:Schuldner mit eigenem Konto. Weiteres Konto gemeinsam mit Ehefrau. Auf das gemeinsame Konto ging nachweisbar nur das Einkommen der Ehefrau. § 850 k ZPO greift nicht, § 765a ZPO greift auch nicht ( die Bestimmung ist nur dann anwendbar, wenn sie den Schuldner und nicht die Ehefrau betrifft - BGH NJW 1988, 709 ff ) und sogar eine Drittwiderspruchsklage, zu der ich der Ehefrau geraten hatte, führte nicht zum Erfolg. Ob sie sie tatsächlich komplett durchgezogen hat, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass das hiesige AG der Klägerin mangels Erfolgsaussicht die PKH verweigert hat und das LG diesen Beschluss nach Beschwerde bestätigt hat.
    Ob die Frau dann auf eigene Kosten, die sie ja nicht zahlen konnte, weil sie nicht an ihr eigenes Geld kam, weitergegangen ist, weiß ich nicht. Könnte ich aber bei Interesse nachschauen.

    Ich gestehe, dass ich daran gedacht hatte, die Sache über eine Erinnerung nach § 766 ZPO oder über § 765 a ZPO "hinzubiegen", aber der Gl.-Vertr. ( ein Rechtsbeistand ) hat sich so erfolgreich gewehrt, dass ich die Frau nur an die Drittwiderspruchsklage verweisen konnte.

    Hier wäre wirklich der Gesetzgeber gefragt. Solche Fälle empfinde ich, wie den eingangs geschilderten Fall, als grob unbillig.

    Manche Menschen hat der liebe Gott kurz vor Feierabend gemacht.

    (Bernd Stromberg)

  • Zitat

    § 765a ZPO greift auch nicht ( die Bestimmung ist nur dann anwendbar, wenn sie den Schuldner und nicht die Ehefrau betrifft - BGH NJW 1899, 709 ff )


    Der Schuldner ist in diesem Fall aber betroffen. Das Einkommen der Ehefrau wurde auf das ALG II des Ehemannes angerechnet. Da die Ehefrau mit der Schuld ihres Mannes nichts zu tun hat, stellt das m. E. schon eines sittenwidrige Härte für beide dar. Mich würde mal der Ausgangsfall der BGH Entscheidung interessieren, habe aber jetzt wenig Zeit.

  • Belana : Die von dir zitierte (von mir mittels Hyperlink editierte) BGH-Entscheidung ist m.E. nicht einschlägig, da sie einerseits auf die Pfändung von grundsätzlich unpfändbaren Sozialleistungen abstellt und andererseits die Fallkonstellation so war, dass Einkünfte (Sozialleistungen) des einen Ehegatten auf das alleinige Konto des anderen Ehegatten eingingen.

    Hier liegt ein gemeinsames Ehegattenkonto (Oder-Konto) vor. Der Ehemann ist Schuldner und die Ehefrau bezieht Einkünfte, die auf das gemeinsame (=auch ihr eigenes) Konto eingehen.

    Ich bin eigentlich (auch aus § 138 III ZPO heraus) gewillt, entgegen der von heidebär zitierten Entscheidung des LG Lüneburg § 765a ZPO großzügig auszulegen und dem Vollstreckungsschutzantrag stattzugeben, da mir der Verweis auf § 771 ZPO zu hart erscheint und die Bedarfsgemeinschaft der Eheleute tatsächlich dringend zur Deckung des Existenzminimums auf die Einkünfte angewiesen ist.

    "Wie würden Sie entscheiden ?" :gruebel:

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • :oops: Ja stimmt. Die Entscheidung betrifft den Fall, dass der Ehegatte nur Kontovollmacht hat.:tschuldig

    Ich würde, obwohl § 765a ZPO nach "Zöller" als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, nach § 765a ZPO freigeben. Drittwiderspruchsklage wird nicht durchgehen.
    Aber ist schon echt ein Kreuz mit den Oder-Konten. :binsauer

    Manche Menschen hat der liebe Gott kurz vor Feierabend gemacht.

    (Bernd Stromberg)

  • Schönes Thema!

    Ich habe nach §§ 765 a, 850 k ZPO die Pfändung nur hinsichtlich des Lohnes des Ehegaten aufgehoben. Sozialgelder bekommen sie nach § 55 SGB frei binnen 7 Tagen und der eventuelle Lottogewinn oder Geldgeschenke der Oma gehen weiterhin an den Gläubiger - alle zufrieden! So einfach!

    Im Ernst:

    Alles andere ist in meinen Augen nicht tragbar. Entscheidungen zum Thema sind ausreichend dargelegt.

    Dem Gesetzgeber folgend müsstes du dich zurücklehnen und die Schuldner in ihr Schicksal laufen lassen - so sehen es auch gr. Professoren für ZV der FH Berlin. Habe ihm vor 2 Jahren bei einer Fortbildungsveranstaltung in Leipzig genau den Fall unter die Nase gehalten und er sgat- da gibt´s nichts -> keine Freigabe des Lohn des Ehegatten! Er war an praktischen Problemen und Lösungen interessiert ;)

  • In juris web habe ich folgende Entscheidungen zum Thema gefunden :

    1.
    OLG Celle, B. v. 07.01.2003 (4 W 240/02), das von der Zulässigkeit einer Drittwiderspruchsklage ausgeht und die Ablehnung des Vollstreckungsschutzes des Amtsgerichts in den Gründen bestätigt.

    2.
    LG Rostock, Beschluss v. 20.11.2002 (2 T 345/02) = MDR 2003, 596, das ein Antragsrecht der Ehefrau nach § 765a ZPO grundsätzlich verneint (mein Antrag wurde von der Ehefrau im eigenen Namen gestellt).

    3.
    LG Kleve, B. v. 19.09.2002 (4 T 342/02), das ebenfalls einen Vollstreckungsschutz ablehnt und auf § 771 ZPO verweist.

    4.
    LG Konstanz, B. v. 16.04.2003 (62 T 42/03) = Rpfleger 2003, 517, das einerseits der Ehefrau ein eigenes Antragsrecht einräumt und von der Zulässigkeit eines Verfahrens nach § 765a ZPO ausgeht.

    Ich tendiere - wie gesagt - dazu, dem Antrag auf Freigabe des Arbeitseinkommens der Ehefrau aus den Gründen des Beschlusses zu 4. stattzugeben, werde dies aber noch einmal am WE überschlafen...:cool: .

    edit : in einer aktuelleren Entscheidung hat das LG Konstanz die Rechtsauffassung gem. obiger Entscheidung geändert - s. # 51.

    the bishop :kardinal:

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  • Also über die dargestellte Entscheidung aus Posting #7 bin ich baff. PKH für § 771 ZPO abgelehnt mangels Erfolgsaussicht? Was wäre denn da noch zu fordern, als nachweisliches schuldnerfremdes Eigentum?

    Mann, die ganzen Kontopfändungsgeschichten gehen einem doch tierisch auf den S....! Da ich nicht mehr M bearbeite weiss ich gar nicht, ob ein § 850k Antrag irgenwie in Pebb§y Berücksichtigung gefunden hat.
    Ich erinnere mich noch, das ein Pfüb schnell bearbeitet, ein Schutzantrag mit Vorab- und endgültiger Entscheidung samt Anhörung aber ziemlich viel Arbeit macht, inklusive dem erbosten Schuldner der den Antrag zu Protokoll erklären möchte.

  • Äh, Hilfe?
    Ich habe keine Ahnung, wie mein Beitrag Nr. 13 auch von 14-25 auftaucht.
    Und da ich gerade nicht weiss was passiert ist lasse ich erst mal von der Löschung die Finger.

    edit : 9x doppelte Beiträge gelöscht.
    the bishop, Mod.

  • Meines Erachtens geht auch nur Drittwiderspruchsklage. Der Schuldner kann nichts machen, weil ihm das Geld nicht zusteht. 765a trifft für den Schuldner auch nicht. In derartigen Angelegenheiten habe ich den Beteiligten angeraten, sich mit dem Gl in Verbindung zu setzen um eine Einigung zu erreichen. Erst wenn dieser nicht dazu bereit ist, habe ich ggf einstweilen eingestellt und aufgefordert, die Einreichung der Drittwiderspruchsklage zu belegen. In dem Verfahren kann dann auch einstweilen eingestellt werden.

  • Zitat von Harry

    Also über die dargestellte Entscheidung aus Posting #7 bin ich baff. PKH für § 771 ZPO abgelehnt mangels Erfolgsaussicht? Was wäre denn da noch zu fordern, als nachweisliches schuldnerfremdes Eigentum?



    Dazu mal eine Entscheidung:

    Zitat

    OLG Stuttgart, Urteil vom 29.05.2001 - 12 U 263/00

    1. Dem Konto-Mitinhaber eines Oder-Kontos steht gegen die Pfändung des Anspruchs des anderen Konto-Mitinhabers auf Auszahlung des Guthabens kein die Veräußerung hinderndes Recht i. S. von § 771 ZPO zu, soweit er geltend macht, im Innenverhältnis der Konto-Mitinhaber stehe ihm allein das Guthaben zu.

    2. Dem Konto-Mitinhaber eines Oder-Kontos steht in einem Falle der Pfändung des Anspruchs des anderen Konto-Mitinhabers auf Auszahlung des Guthabens gegen den Pfändungsgläubiger auch weder ein Ausgleichsanspruch gem. § 430 BGB noch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB hinsichtlich des an den Pfändungsgläubiger ausgezahlten Guthabens zu.

  • Hallo.

    Nachdem ich mir die von mir weiter oben zitierten Entscheidungen im Einzelnen und mit Begründungen noch einmal durchgelesen habe, konnte mich die Entscheidung des LG Konstanz denn doch nicht überzeugen und ich habe den Vollstreckungsschutzantrag der Drittberechtigten zurückgewiesen und auf die Notwendigkeit einer Klage nach § 771 ZPO im Falle der Freigabeweigerung seitens des Gl. hingewiesen.

    Wir diskutieren dieses Thema (Anwendung von § 765a ZPO bei Einwand des Dritteigentums) allerdings derzeit kontrovers unter den Kollegen...

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Ich habe mir jetzt die Mühe gemacht, mir die C-Sache ( § 771 ZPO ) rauszusuchen.
    Mein Fall: Oder-Konto, Ehemann Schuldner, nur das Einkommen der Ehefrau geht auf das gemeinsame Konto.

    Sie hat Klage nach § 771 ZPO erhoben und dafür PKH beantragt. PKH wurde mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Ich habe den Beschluss des AG und auch den Beschluss des LG - nach Beschwerde - angehängt. Hoffe, es funzt.

  • Belana : Danke für die Mühe.

    Fraglich ist für mich jetzt, ob es sich bei der LG-Entscheidung um eine Einzelfallentscheidung handelt (es gibt offensichtlich auch die andere Auffassung = s.o. LG Kleve, OLG Celle * und selbst der BGH hat zu IX ZR 251/92 schon entsprechend eine Drittwiderspruchsklage zugelassen ?!)

    the bishop :kardinal:

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