Behindertenerwerbstätigkeitsfreibetrag

  • Hallo in die Runde,
    hat jemand schon mal einen erwerbstätigen Behinderten in der PKH-Überprüfung gehabt? Da muss es so eine Art Freibetrag geben, verwiesen wird auf § 43 SGB IX, mit dem komme ich aber nicht so ganz klar.

  • Es gibt bei der Einkommensteuer Freibeträge für Schwerbehinderte (mit einem GdB von mindestens 50%). Die Freibeträge dort sind gestaffelt, also vom GdB abhängig.

    Näheres dazu ließe sich wohl auf den Seiten der Finanzbehörden oder der Sozialministerien im WWW finden, sofern das weiter helfen sollte.
    :gruebel:

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • § 30 SGB XII regelt Pauschale Freibeträge für Behinderte (mein Zivil-Programm kann das zum Glück automatisch berechnen):

    (1) Für Personen, die
    1. das 65. Lebensjahr vollendet haben oder
    2. unter 65 Jahren und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind,
    und einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G besitzen, wird ein Mehrbedarf von 17 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

    ...

    (4) Für behinderte Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und denen Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 geleistet wird, wird ein Mehrbedarf von 35 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Satz 1 kann auch nach Beendigung der in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 genannten Leistungen während einer angemessenen Übergangszeit, insbesondere einer Einarbeitungszeit, angewendet werden. Absatz 1 Nr. 2 ist daneben nicht anzuwenden.

  • § 115 ZPO verweist aber nur auf § 82 SGB XII. Hinsichtlich des Vermögens wird auf § 90 SGB XII verwiesen. Ein Verweis auf § 30 SGB XII fehlt. Eine pauschale Besserstellung Behinderter scheidet daher aus. Im älteren PKH - Recht war das, bis auf die Blinden und die schwerstbehinderten Personen genauso. Mit Einführung des SGB XII wurde der Blindenbonus dann abgeschafft.

  • Ich weiß aus dem hiesigen Bereich, dass Behinderte (ich habe selbst einen Ausweis mit 60% und Antrag auf Erhöhung laufen) bei uns in aller Regel etwaige Mehraufwendungen für Medizin und Diät oder was auch immer einzeln angeben. Einen Pauschalbetrag kenne ich (außer bei der Steuer) auch nicht.

  • Zitat von Manfred

    Ein Verweis auf § 30 SGB XII fehlt. Eine pauschale Besserstellung Behinderter scheidet daher aus.



    Zöller/Philippi (§ 115 Rn 26) hält § 30 SGB XII (ebenso wie mein Dienstherr)für anwendbar. Es wird mit dem verfassungsmäßigen Gebot, dass die Belastung durch die Raten nicht das Existenzminimum gefährden darf, argumentiert.

  • Zitat von geo

    Zöller/Philippi (§ 115 Rn 26) hält § 30 SGB XII (ebenso wie mein Dienstherr)für anwendbar. Es wird mit dem verfassungsmäßigen Gebot, dass die Belastung durch die Raten nicht das Existenzminimum gefährden darf, argumentiert.



    Ins gleiche Horn stößt auch Musielak/Fischer, Zitat aus der 4. Auflage:

    Besondere Belastungen können nur noch solche sein, die nicht schon durch Abs. 1 S. 3 Nr. 1 bis 3 erfasst sind (Brinkmann JurBüro 1995, 61, 63). Hierzu zählen u. a. die Mehrbedarfsbeträge, die gemäß § 30 SGB XII für bestimmte Personen gelten, zB altersbedingter Mehrbedarf, Mehrbedarf wegen Erwerbsunfähigkeit, für werdende Mütter, für Alleinerziehende, für Behinderte (Brinkmann JurBüro 1995, 61, 63). Zu beachten ist insbesondere § 30 Abs. 3 SGB XII (OLG Karlsruhe NJW-RR 1999, 1227, 1228).

    Interessant hierbei ist aber, dass die Anwendung des § 30 SGB XII mit Aufsätzen und Rechtsprechung begründet wird, die Jahre vor der Einführung des SGB XII erschienen sind. Meines Erachtens geht der Autor nicht darauf ein, welche Absicht der Gesetzgeber mit der Einführung des SGB XII verfolgt hat. Alleine schon die Streichung der Vergünstigungen für Blinde und Schwerstbehinderte im SGB XII gegenüber dem BSHG bringt doch zum Ausdruck, dass pauschale Vergünstigungen gestrichen werden sollen. Sozialpolitisch kann man davon halten, was man will. Der Wille des Gesetzgebers, sofern er nicht grundgesetzwidrig ist, ist jedoch maßgebend. Aus meiner Sicht wollte der Gesetzgeber hier restriktiver vorgehen, was dann auch einen pauschalen Abzug im Sinne des § 30 SGB XII über den § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO ausschließt. Die Berücksichtigung des notwendigen Mehrbedarfs der Behinderten wird dadurch ja nicht ausgeschlossen. Der Mehrbedarf ist jetzt aber konkret darzulegen und glaubhaft zu machen.

    Solange die Kommentatoren sich nicht mit dieser Problematik auseinandersetzen, sondern trotz geänderter Gesetzeslage die althergebrachten Grundsätze anwenden, halte ich deren Ausführungen für nicht mehr beachtlich.

  • Zitat von Manfred

    Interessant hierbei ist aber, dass die Anwendung des § 30 SGB XII mit Aufsätzen und Rechtsprechung begründet wird, die Jahre vor der Einführung des SGB XII erschienen sind.


    Die Gesetzeslage ist aber vergleichbar: auch in § 115 ZPO a.F. wurde nicht auf § 23 BSHG verwiesen.

    Zitat von Manfred

    Alleine schon die Streichung der Vergünstigungen für Blinde und Schwerstbehinderte im SGB XII gegenüber dem BSHG bringt doch zum Ausdruck, dass pauschale Vergünstigungen gestrichen werden sollen.


    Das Argument finde ich nicht besonders überzeugend. § 30 SGB XII hat doch ausdrücklich die pauschalen Freibeträge.

  • Zitat von geo


    ...
    Die Gesetzeslage ist aber vergleichbar: auch in § 115 ZPO a.F. wurde nicht auf § 23 BSHG verwiesen.
    ...
    Das Argument finde ich nicht besonders überzeugend. § 30 SGB XII hat doch ausdrücklich die pauschalen Freibeträge.


    § 30 SGB XII nennt keine Freibeträge für das Einkommen. Hier wird ein vom Staat zu zahlender Mehrbedarf geregelt. Dieses ist ein Anspruch an den Träger der Sozialleistung. Rechtsdogmatisch hätte dieser Mehrbedarf durch eine Erhöhung des Grundfreibetrages (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a ZPO) erfolgen müssen. Dieses ist nicht geschehen und war, wie Du selbst festgestellt hast, auch vor der Einführungen des SGB XII nicht der Fall. Hätte der Gesetzgeber eine Erhöhung des Grundfreibetrages gewollt, hätte er dieses mit der letzten Änderung des § 115 ZPO auch verwirklichen können.

    Im Weiteren: § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG wurde zum Beispiel nicht entsprechend ins SGB XII übernommen, auch wurden § 76 Abs. 2a Nr. 2 und 3 BSHG mit der Einführung des SGB XII gestrichen. Dieses unterstützt meine Annahme, dass die Vergünstungen für Behinderte, etc. abgebaut werden sollen.

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