praktische Handhabungen

  • Hallo werte Kollegen!

    Ich habe da einen Fall in dem 3 minderjährige Kinder (11,13 und 16 Jahre alt), die vor ein paar Wochen zu Vollwaisen geworden sind. Ich habe das Jugendamt als Vormund eingesetzt, da leider sonst keiner aus dem familiären Umkreis oder so zur Verfügung stand.

    Im Bereich der finanziellen Dinge gibt es jetzt einiges zu regeln, wo ich gerne mal euren Rat/eure Ideen für eine praktische Handhabung hätte:

    a) Neben einigen Sparbüchern hat der Vater auch noch 2 offene Darlehn für die Hausabbezahlung hinterlassen. Der vormund fragt nun, ob er die Darlehn ablösen soll!? genügend Geld wäre dafür aus diversen Unfallversicherungen vorhanden.

    b)Zum Nachlass gehört auch ein Haus, dass nach Ablösung der Darlehn schuldenfrei wäre. Da leider ein Verbleib der Kinder z.Zt. in dem Haus in keiner Weise möglich scheint, steht die Frage im Raum was mit dem Haus passieren soll. Geld zum Unterhalt ist genügend vorhanden, so dass ein Verkauf nicht dringend notwendig ist.
    Für eine evtl. Vermietung müssten allerdings zunächst Gelder für Renovierungsmaßnahmen vorgeschossen werden.Ob sich in der heutigen Marktlage allerdings ein Mieter finden würde ist auch fraglich.

    Irgendwelche Kommentare/Ideen/Hilfestellungen???

  • Hallo Meike,

    als aus dem Bauch heraus würde ich die Sache wie folgt beurteilen:

    a) Da es ja anscheinend unproblematisch möglich ist, die Darlehen sofort zu tilgen, sollte man das auf jeden Fall in Betracht ziehen. Schließlich haften die Kinder als Erben ja für die Darlehensverbindlicheiten auch persönlich.
    Es wäre evtl. nur mit Hilfe der finanzierenden Bank durchzurechnen, ob eine sofortige Ablösung sich wirtschaftlich rechnet (wegen Vorfälligkeitsentschädigungen usw.). Das hängt natürlich von den Darlehensverträgen, Restlaufzeiten usw. ab.
    Unter Umständen (aber wohl eher unwahrscheinlich) könnte es günstiger sein, das ererbte Geld bis zum Ablauf der Darlehensverträge festverzinslich anzulegen und erst nach Fälligkeit des Darlehens diese zurück zu zahlen.

    b) Ich würde wohl zunächst dahin tendieren, das Haus nicht ohne Not zu verkaufen, da die Kinder vielleicht ein Interesse (sowohl wirtschaftlich als auch persönlich) an dem Haus haben könnten.
    Renovierung und Vermietung wäre daher wohl die von mir bevorzugte Lösung.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Ich stimme Ulf grundsätzlich zu.

    Bei einer Tilgung des Darlehens vor Ablauf der derzeitigen Zinsbindungsfrist ist zu beachten, dass für eine solche vorzeitige Tilgung nicht unerhebliche Vorfälligkeitsentschädigungen anfallen können. Wie hoch diese sind, hängt vor allem von der Restdauer der Zinsbindung und von der Höhe des bisherigen Darlehenszinses ab. Die Bank kann die Vorfälligkeitsentschädigung mit ihrem EDV-Programm unschwer errechnen. Es besteht aber evtl. auch die Möglichkeit, dass der Vormund mit der Bank angesichts der Minderjährigkeit der Kinder über einen vollständigen oder zumindest teilweisen Erlass der Vorfälligkeitsentschädigung auf dem Kulanzwege verhandelt. Manchmal hilft es, wenn man als Vormundschaftsgericht bei der Bank anruft und im Interesse der armen Kinder ein bisschen auf die Tränendrüse drückt (§ 12 FGG!). Dabei sollte man der Bank aber natürlich nicht unbedingt sagen, dass die Kinder finanziell sehr gut gestellt sind. Wenn die Unfallversicherungsleistungen allerdings ebenfalls bei der Darlehensbank eingegangen und angelegt sind, hat die Bank aber natürlich von den vorhandenen Ressourcen bereits Kenntnis.

    Ich denke allerdings, dass die Kündigung der Darlehen aus steuerlichen Gründen wenig sinnvoll ist. Wenn man sich nämlich mit dem naheliegenden Gedanken trägt, das Haus zu vermieten, so können nicht nur die Renovierungskosten, sondern wohl auch die künftigen Darlehenszinsen steuerlich von den Einnahmen abgesetzt werden (ob sich das angesichts der künftigen Gesamteinkünfte der Kinder überhaupt rechnet, muss natürlich geprüft werden). In jedem Fall sollten die Darlehen -wenn überhaupt- erst nach erfolgter Vermietung zurückgezahlt werden, da dann auch noch die zusätzliche steuerliche Absetzbarkeit der Vorfälligkeitsentschädigung in Betracht kommt.

    Aber auch im übrigen würde ich bei erträglichen Zins- und Tilgungslasten aus den Altdarlehen empfehlen, die Darlehen nicht zurückzubezahlen, sondern die gesamten vorhandenen Gelder der Kinder verzinslich anzulegen. Da ich dem Sachverhalt entnehme, dass diese Gelder höher als die Restdarlehensschulden sind, kann die Zinsbelastung aus den Darlehen hierdurch entscheidend reduziert werden (der Tilgungsanteil ist hier nicht einzurechnen, denn getilgt werden muss ja in jedem Fall).

    Beispiel: Beläuft sich die gesamte Restschuld aus den Altdarlehen auf 100.000 € mit einem Darlehenszins von 6 %, so entspricht dies einer jährlichen Zinsbelastung von 6.000 €. Stehen dem Gelder der Kinder in Höhe von 150.000 € gegenüber, die mit einer Verzinsung von 4 % angelegt werden können, so beläuft sich der Zinsertrag hieraus ebenfalls auf 6.000 €. Können nur 3 % erzielt werden, sind es immer noch 4.500 € Jahresertrag und die Kinder müssen aus der Vermögenssubstanz nur noch jährlich 1.500 € für die Verzinsung der Altkredite aufwenden. Je nach der Höhe der Restdarlehen und der Höhe der anzulegenden Gelder finanzieren sich die Altkredite somit mehr oder weniger von selbst. Hinzu kommt, dass die drei Kinder natürlich auch drei steuerliche Sparerfreibeträge haben und die Zinseinnahmen daher ohnehin zu einem wesentlichen Teil steuerfrei bleiben.

    Einige Tipps zur Vermietung: Mieter renoviert selbst und erhält dafür eine günstigere Miete und einen etwas länger laufenden Mietvertrag. Ansonsten renovieren, die Altdarlehen belassen und alle betreffenden Kosten von der Steuer absetzen.
    Alternative: Das Haus der Gemeinde zur Miete für bedürftige Familien anbieten. Gemeinde renoviert selbst und erhält dafür günstige Miete. Vorteil: Mit der Gemeinde kann meist die schnelle Auflösung des Mietvertrags für den Fall vereinbart werden, wenn die Kinder später irgendwann doch einmal selbst einziehen wollen. Außerdem ist die Gemeinde ein sicherer Zahler und man hat mir ihr als Mieter keine Scherereien.

  • Danke Leute für die Denkanstöße.
    Gerade die steuerrechtlichen Aspekte hatte ich bisher noch gar nicht auf dem Plan.

  • Gerne geschehen.

    Ich stehe für weitere Fragen in dieser Angelegenheit natürlich gerne zur Verfügung.

    Bitte vor allem in steuerlicher Hinsicht alles genau prüfen (lassen), bevor Entscheidungen getroffen werden. Und zwar insbesondere die Frage, ob die Kosten (Zinsen) der für den ursprünglichen Eigenbedarf (selbst bewohntes Objekt) aufgenommenen Kredite im Falle der künftigen Vermietung von der Steuer absetzbar sind. Hier kann ein örtlicher und gerichtsbekannter Steuerberater sicherlich weiter helfen, ohne dass es etwas kostet.

  • Ich würde vielleicht auch mal überlegen, statt des Jugendamts eine andere Person (Berufsbetreuer, Rechtsanwalt oder so) als Vormund einzusetzen, der sich mit wirtschaftlichen Fragen gut auskennt. Bei Mietverträgen, die Renovierungspflichten des Mieters beinhalten, wird oft eine lange Laufzeit vereinbart; ob dies bei älteren Kindern Sinn macht, müsste man auch bedenken. Ich bin grundsätzlich immer der Auffassung, dass Kinder ab Volljährigkeit frei über ihr Vermögen verfügen können und nicht durch langfristige Verträge gebunden sein sollten.

  • Vor allem würde ich überlegen, für die Vermögenssorge einen Berufsvormund zu bestellen (am besten einen RA und Steuerberater in Personalunion). Da sicher aber auch viele Entscheidungen im Bereich der Personensorge zu treffen sind (Schulbesuch, Ausbildung usw.), würde ich es aber insoweit vielleicht lieber bei der Amtsvormundschaft des Jugendamts belassen.

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