Wirksame Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft

  • Nach meiner Interpretation des von der Fragestellerin mitgeteilten Sachverhalts gibt es nur zwei Kinder: Einen Sohn und eine Tochter. Beide haben die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten. Der Sohn hat seine Anfechtung wiederum angefochten, die Tochter dagegen nicht.

  • Zitat von juris2112

    Ausgangspunkt der Überlegungen muss sein, dass es auch für die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist eines Irrtums i.S. des § 119 BGB bedarf, der im Sinne eines Inhaltsirrtums im vorliegenden Fall in der Unkenntnis von der Existenz einer Ausschlagungsfrist bestand. Das Vorliegen eines solchen Irrtums steht lt. Sachverhalt nicht in Zweifel.

    Hinzukommen muss aber -wie bei jeder Irrtumsanfechtung-, dass der betreffende Beteiligte bei unterstellter Kenntnis von der Ausschlagungsfrist die Erbschaft nicht angenommen, sondern ausgeschlagen hätte. Diese Frage ist nicht nach subjektiven Kriterien oder Fehlvorstellungen in der Person des Anfechtenden, sondern nach einer objektiven Wertung zu beantworten (MünchKomm/Leipold § 1956 RdNr.8). Da der Nachlass in Wahrheit nicht überschuldet ist, hat es in dieser maßgeblichen objektiven Hinsicht aber von vorneherein keinen Grund für eine Erbausschlagung gegeben, sodass die erforderliche Kausalität und damit die Begründetheit der Anfechtung zu verneinen ist.



    Also irgendwie habe ich ein Brett vor dem Kopf...

    Folgende Fallabwandlung :

    Ich gehe als eines von 2 Kindern des verwitweten Erblassers von der Überschuldung des Nachlasses aus. In der Annahme, dass ich zur Annahme einer Erbschaft eine Erklärung abgeben müsse (oder dass die Ausschlagungsfrist 6 Monate beträgt), schlage ich die Erbschaft nicht fristgerecht aus. Sodann nach 2 Monaten erfahre ich durch Mitteilung des Nachlassgerichts oder des Urkundsnotars von der sechswöchigen Ausschlagungsfrist und fechte das Versäumnis der Ausschlagungsfrist (in weiter angenommener Überschuldung) an. Ein Erbschein zugunsten des zweiten Kindes als Alleinerben wird auf dessen Antrag hin erteilt.

    Nachfolgend - sagen wir ruhig, nach einem Jahr - erfahre ich von meinem Irrtum durch Zufall (Mitteilung eines Dritten, dass sich mein Bruder über meine Dummheit kaputt lacht).

    Fallvariante : Nachfolgend erfahre ich, dass ein erst jetzt geklärter Drittnachlass in diesen Nachlass fällt, wodurch sich die Nichtüberschuldung ergibt.

    Sodann fechte ich die Ausschlagung fristgerecht wegen Irrtums an.

    Bis zu "meiner" Irrtumsanfechtung war die Anfechtung des Versäumnisses der Ausschlagungsfrist doch (nach Aktenlage) wirksam - sonst hätte kein Alleinerbschein erteilt werden können - oder ?

    Die objektive Wertung des Einzelfalls kann sich doch durch Ereignisse oder nachfolgende Kenntnisse ändern ?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Ich würde das Thema hier gern nochmal aufgreifen.

    Ich hab eine Tochter, meiner Erblasserin, die am 02.11.2017 vor ihrem zuständigen Nachlassgericht (also nicht bei mir) erklärt hat:

    Vom Anfall der Erbschaft und dem Grunde der Berufung habe ich am 21.09.2017 (die Mutter ist am 14.08.2017 verstorben) Kenntnis erlangt. Vorsorglich fechte ich das Versäumen der Ausschlagungsfrist an, da ich über das Bestehen der Ausschlagungsfrist, ihren Lauf und die Rechtsfolgen ihres Ablaufs in Unkenntnis gewesen bin.

    Die angefallene Erbschaft schlage ich aus allen Berufungsgründen aus (...).

    Am 22.11.2017 erscheint die Dame erneut bei dem Wohnsitznachlassgericht und erklärt:

    Am 02.11.2017 erklärte ich die Ausschlagung der Erbschaft nach meiner Mutter. Gleichzeitig habe ich das Versäumen der Ausschlagungsfrist angefochten.
    Dennoch möchte ich jetzt alle Erklärungen widerrufen.

    Mir war bereits mit Datum vom 27.08.2017 bekannt, dass meine Mutter verstorben ist. Die Ausschlagungsfrist war daher am 02.11.2017 bereits abgelaufen. Somit habe ich die Erbschaft angenommen.
    Dies wurde mir auch so von meiner RAin XY bestätigt.

    Ich bestätige, dass ich auf die Aufnahme meiner Erklärung bestanden habe.


    So jetzt hab ich ein Erbscheinsverfahren laufen. Die Dame ist seit Abgabe ihrer Erklärung 2017 nicht mehr auffindbar. Sie ist wohl obdachlos in Frankfurt irgendwo und für mich nicht greifbar.

    Ich hatte mir überlegt, ob für die Tochter ein Abwesenheitspfleger bestellt werden kann. Stellt sich die Frage, wie löse ich das Problem mit ihrer Ausschlagung.

    Sie hat in der Erklärung vom 22.11.2017 ja nicht gesagt, dass sie bei ihrer Ausschlagung auch schon früher von der Frist Kenntnis hatte, sodass die Anfechtung wegen des Versäumens der Ausschlagungsfrist ja trotz der früheren Kenntnis von dem Tod ja eigentlich möglich gewesen wäre und auch durchgehen müsste.

    Jetzt stellt sich mir aber die Frage des Problems der Kausalität.

    Müsste ich hier jetzt sagen, dass keine Kausalität besteht, weil sie bei Kenntnis der Sachlage (welche auch immer das genau ist, weil hierzu fehlen mir von ihr ja vollständige Angaben) nicht ausgeschlagen hätte und deswegen auch keine Kausalität vorliegt?

    Ich bin echt überfragt in dem Fall.

    Ich hab direkt nach Eingang der Ausschlagung versucht die Dame anzuschreiben, um den Sachverhalt zu klären, konnte sie da aber schon nicht mehr erreichen - das hat sich bis heute nicht geändert.


    Vielleicht hat hier einer eine Idee....

  • Hi, ich würde das wie folgt sehen.

    Fristbeginn für die Ausschlagungserklärung ist derzeit im Endeffekt unbekannt, da Kenntnis vom Tod ja nicht unbedingt auch Kenntnis vom Anfall der Erbschaft beinhaltet.
    Somit Irgendwann zwischen dem 27.08. und 21.09.2017.

    Aufgrund der Fristanfechtung in der ursprünglichen Ausschlagungserklärung dürfte diese Erklärung jedoch wirksam sein. Es fehlt zwar die Angabe, wann Kenntnis von der Frist bzw. dem Anfechtungsgrunderlangt wurde, ggf. kann man aber unterstellen, dass diese erst im Termin erlangt wurde, was ja häufig der Fall ist. Oder man könnte hierzu versuchen zu ermitteln (zumindest in der Theorie).

    Die weitere Erklärung könnte man als einfache Ergänzung auslegen. Falls damit klargestellt werden würde, dass die ursprüngliche Ausschlagung verfristet und unwirksam ist, würde das (unabhängig von einer Anfechtung) ausreichen. Aber die Erklärung reicht nicht aus, da die Kenntnis vom Tod nicht der Fristbeginn ist. Zudem hat die Erklärung keine Auswirkungen auf die Anfechtung.

    Falls man die zweite Erklärung als Anfechtung der Ausschlagung wertet, fehlt es meiner Meinung nach schon an einem Irrtum. Worüber hat die Dame sich denn geirrt? Darüber das die Ausschlagung auch wirksam sein könnte?
    Da fehlt es also ggf. schon am Irrtum und nicht erst an der Kausalität.

    Es wird im Endeffekt darauf ankommen, ob man die Anfechtung (in der 1. Erklärung) als wirksam erachtet, obwohl die Angabe des Fristbeginns der Anfechtungsfrist fehlt.
    Tut man das nicht hat man Aufklärungsbedarf. Genauso gibt es evtl. Aufklärungsbedarf ob die Kenntnis vomTod für die Ausschlagende auch die Kenntnis vom Anfall der Erbschaft war. Darauf kommt es allerdings nur an, wenn man die (1.) Anfechtung für unwirksam hält.

    Gibt es Aufklärungsbedarf, ist dieser zu klären. Solange kann kein Erbschein erteilt werden, weil die Tatsachen nicht als festgestellt erachtet werden können.

  • Erst mal vielen Dank für die Antwort.

    Da ich an die Dame ja seit 2017 nicht rankomme, kann ich den Sachverhalt so wohl auch nicht aufklären und kann letztlich bzgl. ihrem Anteil keinen Feststellungsbeschluss erlassen.

    Ich hab noch einen weiteren Sohn, der damals einen Erbschein auf sich als Alleinerben gestellt hat. Diesem konnte jedoch nicht entsprochen werden, da selbst wenn die EA der Tochter wirksam ist, hier Abkömmlinge vorhanden sind.

    Dann hilft mir im Zweifel auch kein Abwesenheitspfleger für die Tochter weil dieser mir bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht helfen kann.


    Bzgl. dem Erbteil der Tochter sind die Erben dann ja im Zweifel unbekannt.

    Dann wäre jetzt noch meine Idee, dass ich bzgl. dem Anteil des Sohnes einen Teilerbschein auf 1/2 mache und bzgl. dem Anteil der Tochter Teilnachlasspflegschaft anordne.

    Was meinst du dazu?

    Es gibt ein Haus im Nachlass, welches eigentlich gerne eine Enkeltochter hätte.

  • ... Abwesenheitspfleger für die Tochter ... Anteil des Sohnes einen Teilerbschein auf 1/2 mache und bzgl. dem Anteil der Tochter Teilnachlasspflegschaft anordne.

    Wenn Erbe bekannt, aber abwesend, dann Abwesenheitspfegschaft. Wenn Erbe unbekannt, dann NP. OLG Frankfurt am Main, 27.10.2015 – 20 W 244/15.

    Da durch das Anfechtungs-Widerrufs-Hin-und-Her unklar ist, wer nun wirklich Erbe ist, könnte man m. E. einen NP bestellen. Sicherungsbedürfnis ist wegen der Immobilie wohl auch gegeben.

  • Den Gedanken die RAin anzuschreiben hatte ich tatsächlich auch schon, war mir dann aber nicht sicher wegen Datenschutz und ob sie natürlich von 2017 überhaupt noch Akten hat.


    Die Anwaltin, die von der Antragstellerin selbst im gleichen Verfahren als "meine Anwältin" bezeichnet wurde, unter Berufung auf den Datenschutz nicht anzuschreiben, halte ich für abwegig.
    Und die Handakten sind mindestens 6 Jahre aufzubewahren, § 50 BRAO.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • schließe mich hier auch nochmal mit einer kleinen Abwandlung an.

    Erblasser hat zwei Söhne.

    Sohn 1 kommt ca. 1 Woche nach Ablauf der Ausschlagungsfrist und schlägt aus. Fristversäumnis wird wegen Irrtum über wesentliche Eigenschaften des Nachlasses angefochten (Überschuldung). Von der Überschuldung hatte er drei Wochen nach dem Tod Kenntnis erlangt durch einen Termin bei der Bank, durch den Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

    Weiter berichtet er im Termin, dass ihm nicht klar war wie eine Ausschlagung abläuft und er davon ausging jederzeit - auch am letzten Tag der Frist kurzfristig - einen Termin beim Nachlassgericht oder einem Notar erhalten könnte.

    Begründung:

    Im Nachlass befindet sich ein überschuldetes Kleingewerbe. Zu Lebzeiten des Vaters hatte er sich nie damit beschäftigt ob das Kleingewerbe überschuldet ist. Er ging immer davon aus, dass das Gewerbe nicht überschuldet ist. Dies hat er erst beim Termin bei der Bank nach dem Tod erfahren.

    Der weitere Sohn stellt einen Erbscheinsantrag als Alleinerbe.

    Es werden Unterlagen der Bank vorgelegt, welche grundsätzlich eine Überschuldung belegt.

    Wie weit muss die Prüfung hier gehen ? Reicht es, dass mir eine Überschuldung nachgewiesen ist ? Kann ich den Angaben der Beteiligten ohne weiteres trauen oder muss ich irgendwie weitergehend von Amts wegen ermitteln ?

    Kann ich - lediglich aufgrund des Vortrags - davon ausgehen, dass der Ausschlagende tatsächlich erst nach dem Tod von der Überschuldung erfahren hat ?

    Bin mir hier irgendwie sehr unsicher und ohne Erfahrung.

  • Kann ich - lediglich aufgrund des Vortrags - davon ausgehen, dass der Ausschlagende tatsächlich erst nach dem Tod von der Überschuldung erfahren hat ?

    Kommt es darauf überhaupt an? Auch nach eigenen Angaben erfuhr er innerhalb der Ausschlagungsfrist (3 Wochen nach dem Erbfall) von der Überschuldung. Und blieb untätig.

    Die Annahme, jederzeit einen Termin für die Ausschlagung zu bekommen (ist überhaupt vorgetragen, dass er es am letzten Tag der Frist vergeblich versucht hätte?), scheint mir weder ein Eigenschafts- noch ein Erklärungsirrtum zu sein.

  • Die Annahme, jederzeit einen Termin für die Ausschlagung zu bekommen (ist überhaupt vorgetragen, dass er es am letzten Tag der Frist vergeblich versucht hätte?), scheint mir weder ein Eigenschafts- noch ein Erklärungsirrtum zu sein.

    Die Frist könnte aber gehemmt gewesen sein für die Dauer "keinen Termin zu bekommen". Es wird sich vor Ort (interne Organisation) wohl herausfinden lassen, ob das zutraf für die verspätete "ca 1 Woche".

    Angesichts der Annahme des anderen Sohnes und des schon gestellten ES-Antrag sollte man zumindest nicht strenger auslegen als notwendig.

    Ich gehe davon aus, der Ausschlagende ist kinderlos.

    2 Mal editiert, zuletzt von Rita (21. Januar 2023 um 08:35)

  • Er hat sich freitags - kurz vor Feierabend (Fristablauf Sonntag) - bei mir gemeldet. Ich habe mit ihm gesprochen und ihm angeboten um 14:30 Uhr noch zur Ausschlagung vorbeizukommen. Dies war ihm nicht möglich. Dann wollte er versuchen an diesem Tag einen Termin bei einem Notar zu bekommen.

    Dies blieb natürlich erfolglos und in der folgenden Woche habe ich dann einen Termin mit ihm vereinbart.

    Im Telefonat an besagtem Freitag habe ich ihn sogar gefragt, warum er sich erst so kurz vor knapp meldet und dann teilte er mit, dass er wisse, dass es eine sechswöchige Ausschlagungsfrist gibt, er aber nicht wusste wie so eine Ausschlagung abläuft. Weiter war es unter den Brüdern wohl lange nicht klar war, ob er nun tatsächlich ausschlagen solle oder nicht.

    Das eingereichte Nachlassverzeichnis habe ich geprüft. Man kann grundsätzlich schon von einer Überschuldung ausgehen. Ob diese den Söhnen erst nach dem Tod ihres Vaters bekannt wurde ist jedoch fraglich. Wie ich das herausfinden soll bzw. ob ich das überhaupt herausfinden muss ist ebenfalls fraglich.

  • Also in Frage käme ja maximal eine Fristhemmung wegen Stillstand der Rechtspflege über §§ 1944 II, S. 3, 206 BGB. Bei der Konstellation sehe ich hierfür aber keinen Raum. Da ja noch innerhalb der Frist ein Termin angeboten wurde, bestand ja offensichtlich kein Stillstand der Rechtspflege.

    Er hat den Termin in Kenntnis der Frist abgelehnt.

    Für eine Irrtumsanfechtung sehe ich auch keine Grundlage, wie S.H.

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